(21) Egoist

Levi

Als er in der Tür stand, drehte er sich noch einmal zu ihr um. „Gute Nacht, Poppy.“

„Ich...“ Sie zögerte. „Ich muss dir noch etwas sagen. Nur damit du es weißt.“

Er lehnte sich gegen den Türrahmen und verschränkte die Arme vor der Brust. „Was ist es?“

„Ich will nicht, dass Kale sich um meine Bedürfnisse kümmert.“ 

Er beobachtete, wie die Röte in ihre Wangen stieg. Verdammt, sie hatte wirklich Eier, dieses grässliche Thema noch mal zur Sprache zu bringen. Er räusperte sich und wagte es kaum, sie anzusehen als er von einem Fuß auf den anderen trat, um seine Nerven zu beruhigen.

„Ich kann nicht glauben, dass ich das wirklich gesagt habe. Tut mir leid“, gestand er.

Er hoffte, dass sie über seine überhebliche Art hinweg sehen konnte, und wusste, dass es ihm ernst war. Eine Entschuldigung war so oder so fällig gewesen, aber es tat ihm wirklich leid und wollte, dass sie es wusste. Sein Herz zog sich schmerzhaft zusammen, als er darüber nachdachte, dass es sie ihm vielleicht nicht glauben würde. Als er endlich seinen Blick hob, traf er auf ihren.

„Schon okay“, sagte sie. „Gute Nacht, Mr. Darcy.“

Er konnte ein Schnauben nicht verhindern. „Das hab ich verdient. Aber war es nicht eher Elizabeth Bennet, die von Vorurteilen geprägt war?“

Sie lächelte ihn herzlich an und er erwägte, die Distanz zwischen ihnen zu verkleinern und sie in den Arm zu nehmen. Oder mehr. Ihm wurde warm, bei dem Gedanken daran, mehr als nur eine Umarmung von ihr zu begehren. Er stellte sich vor, sie würde wieder in seinen Armen einschlafen und es fühlte sich absolut richtig an. Sein Blick glitt über ihre einladenden Lippen, ihre zarte Nase und versank in ihren rehbraunen Augen. Sie hielt seinem Blick stand. Er entschied, sich ihr langsam zu nähern, um ihr die Chance zu geben, ihn abzuwehren. Gerade als er einen Schritt in ihre Richtung gewagt hatte, hallte Rosies Weinen durch den Flur.

Als ob Poppy seine Gedanken gelesen hatte, grinste sie verlegen und schob das Laken beiseite um aufzustehen. Da Dakota letzte Nacht gegangen war, gab es auch für diese Nacht noch keine Nachtnanny. Und während Camila sich tagsüber aufopferungsvoll um Rose kümmerte, konnte man sich schlecht auch noch für die Nächte verpflichten.

Seine Eltern hatten kein Wort gesagt, als Kale vorhin beim Dinner ausgeplaudert hatte, dass er Dakota nach einer hitzigen Auseinandersetzung gefeuert hatte. Seine Mutter hatte ihre Augenbraue in Erwartung einer Erklärung gehoben, während sein Vater ihm heimlich zugezwinkert hatte. ‚Gute Entscheidung‘, hatte er geflüstert, als sie nach dem Essen zu zweit den Geschirrspüler beladen hatten. So ungern er es auch zugab, es war tatsächlich eine Entscheidung gewesen und er hatte nicht nur die allgemein richtige Wahl getroffen, sondern auch die, die sich durch und durch richtig anfühlte. Er wollte nicht, dass irgendjemand es wagte, Poppy nicht mit Respekt zu behandeln und er wollte bestimmt niemanden um sich haben, der sich an ihn heran warf, wenn alles woran er dachte seine Frau war.

Es war schwer zu glauben, dass es erst zwei Wochen her war, dass Poppy in das Haus marschiert war, verlangt hatte, Rosie mitzunehmen und am Ende des Tages stattdessen mit ihm verlobt gewesen war. Und es war noch schwerer zu glauben, dass sie sich selbst in vielerlei Hinsicht geopfert hatte, um Rosies Wohlergehen sicherzustellen.

„Bleib liegen. Ich hole sie.“

Sie schüttelte ihren Kopf. „Du hast sie schon letzte Nacht versorgt. Musst du nicht ein bisschen Schlaf nachholen?“

„Ich hatte fast den ganzen Tag Zeit zum Ausruhen und Entspannen. Außer in den 10 Stunden, in denen ich mich um dich gesorgt habe, weil du dich in deinem Zimmer verschanzt hast.“

Sie errötete erneut und er kam sich vor wie ein Idiot, weil er das Thema erneut zur Sprache gebracht hatte. Doch eh sie reagieren konnte, hatte Levi sich von ihr abgewandt. „Ich mach das schon, Prinzessin. Schlaf gut“, sagte er beim Verlassen von Poppys Zimmer.

Wie immer war Rosie ein liebes Baby gewesen. Er hatte sie in sein Bett gelegt und mit zahllosen Kissen umgeben, damit sie mal auf die bloße Idee kommen würde, aus dem Bett zu purzeln. Das eine Mal als sie wach wurde, war es tatsächlich Zeit für ihr Fläschchen gewesen, also hatte sie es mit ihm kuschelnd getrunken und war nach dem Wickeln in seinen Armen eingeschlafen. Sie war wirklich das beste Baby, das man sich vorstellen konnte. Irgendwo zwischen dem Füttern und dem Einschlafen wurde ihm bewusst, dass er sie schmerzlich vermissen würde, wenn es an der Zeit war, sie und Poppy gehen zu lassen. Bei dem bloßen Gedanken daran rann ihm kalter Schweiß den Rücken hinab. Was ihn wiederum alles hinterfragen ließ, was bisher geschehen war. Er hatte in dieser Nacht also nicht allzu viel Schlaf gefunden, aber das war es ihm wert gewesen. Nun war er sich seiner Ziele sicher. Es ging ihm nicht darum, sie heute zu erreichen. Aber zu wissen, dass er den richtigen Kurs nahm, beruhigte ihn ungemein.

Der Wecker klingelte früh am Morgen. Zu früh für sein Verständnis. Aber da er sich das Bad mit einer Vertreterin des weiblichen Geschlechts teilte und ihre Morgenroutine noch nicht kannte, wollte er versuchen frühestmöglich ins Bad zu gelangen und vor ihr fertig zu sein. Sie hätte dann alle Zeit der Welt. Abgesehen davon musste er natürlich noch dafür sorgen, dass Rosie einen guten Start in den Tag hatte, indem sie ein ordentliches Frühstück, eine frische Windel und ein schickes Kleidchen bekam. Er konnte Camila schließlich nicht die ganze Arbeit überlassen.

Aber fürs Erste schlief Rosie noch. Also zog er sie vorsichtig in die Mitte seines Bettes zog ein paar saubere Klamotten aus seinem Schrank und ging damit ins Bad um schnell zu duschen.

Als er die Tür öffnete, quietschte Poppy entsetzt. Scheinbar hatte sie erneut vergessen, meine Tür abzuschließen. Er lächelte sie an, während sie fast schon panisch versuchte, sich zu bedecken und gleichzeitig anzuziehen.

„Auf gar keinen Fall.“ Er legte seine Klamotten auf den Waschtisch. So wie er das sah trug sie Unterwäsche, also würde er nichts sehen können, was er nicht auch sehen würde, wenn sie gemeinsam schwimmen gingen. Was hin dazu brachte, über ihre Verletzungen nachzudenken und seinen Blick direkt auf ihren bandagierten Arm lenkte.

Unterdessen griff Poppy nach einem weiteren Langarmshirt. Er entwendete es ihr bevor sie es über den Kopf ziehen konnte.

„Hey“, protestierte sie und versuchte, danach zu haschen. Aber er hielt es noch über seinen Kopf, was sie dazu veranlasste, sich gegen seine nackte Brust zu lehnen, während sie versuchte, es zu erreichen.

Er genoss den unverhofften Kontakt ihrer beiden leicht bekleideten Körper und hielt sie fest an sich gepresst bis sie sich in seinen Armen zu winden begann. Als er sie endlich freiließ, versuchte sie erneut, ihren Oberkörper zu bedecken. Er griff nach seinem T-Shirt und warf es ihr zu.

„Warum trägst du heute nicht mal etwas kurzärmliges? Es ist heiß draußen und du hast nichts zu verstecken“, sagte er sanft.

Sie sah auf und suchte in seinen Augen nach etwas. Der Wahrheit? Er hielt ihrem Blick stand. Sie würde nichts als die Wahrheit direkt dort finden. 

„Hast du nicht“, betonte er mit Nachdruck. „Du bist wunderschön so wie du bist.“

„Du versuchst nur nett zu sein. Du hast es gesehen. Du weißt, dass es abscheulich aussieht.“

„Dein Arm macht mir keine Angst und er stört mich ganz sicher auch nicht. Und selbst wenn, obwohl ich noch mal betone, dass das nicht der Fall ist, solltest du darauf nichts geben. Außerdem hast du noch deinen Verband. Die Leute werden also ein paar Tage Zeit haben, sich an die Idee zu gewöhnen, dass du bereit warst, deinen Körper und dein Leben zu opfern um Rosie zu retten, während sie sich das Ausmaß einer solche Situation nicht einmal vorstellen können.“

Sie errötete und lächelte ihn an. Der Anblick verströmte Wärme in ihm. „Du nennst sie endlich Rosie.“

„Das ist alles, was du gehört hast?“, stöhnte er.

Sie zog sich sein T-Shirt über den Kopf und sein Herz drohte stehen zu bleiben. Er hatte blind nach einem T-Shirt gegriffen und scheinbar eines seines Schwimmteams erwischt. Sein Name prangte vorn auf ihrer Brust und, wie er wusste, in großen Lettern auf ihrem Rücken. Sie sah unglaublich gut darin aus, obwohl es für ihren schmalen Körper eindeutig zu groß ausfiel. Aber jeder, der sie sah, würde wissen, dass sie zu ihm gehörte. Er überschlug, wie viele von diesen T-Shirts er besaß. Er konnte sie mindestens zwei Wochen damit ausstatten.

„Von jemandem wie dir klingt das niedlich“, unterbrach sie seine Gedanken.

„Jemandem wie mir?“, echote er.

„Du weißt schon. Ein cooler Einzelgänger.“

Plötzlich fühlte er sich entblößt. Instinktiv verschränkte er die Arme vor seiner immer noch nackten Brust. „So siehst du mich?“

„Ist das nicht das Bild, das du allen vermitteln möchtest?“

Er schluckte. Sie hatte recht. Um sich vor klettenden Mädchen zu schützen, hatte er allen dieses Bild von sich vermittelt. Aber es schien, als hätte Mr. Timberlake ihm und dem Rest der Welt schon vor langer Zeit einen Tipp gegeben, den er jedoch geflissentlich ignoriert hatte: what goes around Comes around. Wie man in den Wald hinein rief, so schallte es hinaus. Er hatte als egoistischer Bastard gesehen werden wollen und das war genau das, was Poppy nun von ihm dachte. Und dabei hatte er gehofft, sie hätten in ihrer falschen Beziehung inzwischen Fortschritte gemacht. Falsch gedacht. Er seufzte frustriert.

„Ich gehe, damit du in Ruhe duschen kannst“, sagte sie leise und griff nach ihrem nassen Plastikschutz für den Verband. Scheinbar dachte sie, das Plastikteil würde ihn stören.

„Lass das Ding zum Trocknen hier. Du hast das Bad in weniger als fünf Minuten für dich. Ich beeile mich, versprochen.“

„Okay“, sagte sie und verließ das Bad, nicht jedoch ohne ihre Tür nach dem Schließen zu verriegeln. Als vertraute sie ihm nicht, dass er ihr nicht ungefragt folgen würde. Er rollte mit den Augen. Es lag eindeutig eine ganze Menge Arbeit vor ihm, aber er musste es langsam angehen lassen.

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