(15) Fakten

Poppy

Gleich nach dem Abendessen hatten Kale und Levi ihr vorgeschlagen, sich auszuruhen, da Dakota die Nachtschicht wieder übernehmen würde. Als sie Rosie darauf hin einen Gute-Nacht-Kuss gegeben hatte, war sie Levis Blick begegnet, in dem etwas lag, dass sie nicht ausmachen konnte.

Da Dakota mit Rose verschwand und Levi kein Wort sprach, zog sie sich tatsächlich auf ihr Zimmer zurück.
Bedächtig ging sie dort auf und ab. Sollte sie einen Film gucken oder lieber ein Buch lesen?

Sie befürchtete, dass ihr beim Lesen unverzüglich die Augen zufallen würden und stapelte die Kissen auf ihrem Bett zu einer Kopfstütze um es sich für einen Film gemütlich zu machen. Gerade hatte sie sich eingekuschelt und das Tablet eingeschaltet, als sie Levi den Flur runter brüllen hörte.

"Was zur Hölle machst du da?"

"Wie sieht's denn aus?", kam Dakotas schnippische Antwort.

Poppy kletterte aus ihrem Bett und schlich auf leisen Sohlen zur Tür um sie einen Spalt breit zu öffnen. Gerade genug, um der Auseinandersetzung zu lauschen.

Dakota hatte sich merkwürdig verhalten, seitdem Poppy eingezogen war, aber sie konnte sich nicht daran erinnern irgendetwas getan oder gesagt zu haben, dass diese unterschwellige Feindseligkeit rechtfertigte. Außer heute Abend.

Sie hatte gespürt, dass Dakota über ihre Einmischung nicht erfreut gewesen war, aber sie wollte eben nur das Beste für Rose. Und jeden Tag baden war nicht das Beste.
Sie schlich auf Zehenspitzen aus ihrem Zimmer.

"Verarsch mich nicht, Dakota", wütete Levi.

Poppy nahm ein theatralisches Seufzen wahr, das nur von Dakota stammen konnte. "Ich bade Miss Rose."

Hatten sie nicht erst vor wenigen Minuten beim Abendessen darüber gesprochen? Es würde wohl kein Spaziergang werden, Dakota dazu zu bringen, von ihren Routinen abzuweichen. Schade eigentlich, denn am Ende würde sie es eh tun müssen. Wenn sie nicht auf Poppy hörte, musste Poppy sich eben Rückdeckung von Shirley und Douglas holen. Sicherlich würde Dakota reagieren, wenn die beiden ihr eine Anweisung erteilten.

"Das sehe ich. Aber die Frage ist, warum du sie badest. Das hat sie heute morgen erst gemacht."

"Schau sie an. Sie hat sich voll gespuckt."

"Dann nimm einen Waschlappen", argumentierte Levi als Poppy das Kinderzimmer betrat.

Die beiden Streithähne standen im angrenzenden Bad und waren zu sehr aufeinander fixiert um Poppys Anwesenheit zu bemerken.

"Warum sagst du mir, wie ich meinen Job zu machen habe? Was ist dein Problem?"
"Du bist mein Problem."

"Was habe ich denn falsch gemacht?" Poppy stellte sich vor, wie Dakota schmollte.

"Du badest Rose, obwohl Poppy dich vor gerade mal einer halben Stunde gebeten hat, sie nicht jeden Tag einzuweichen."

"Ach, jetzt verstehe ich's."

"Was?"

"Du versuchst dich bei ihr einzuschmeicheln indem du ihre Regeln befolgst."

Poppy rollte mit den Augen. Als ob Levi die Absicht hatte, sie zu beeindrucken. Wenn Dakota das ernsthaft dachte, war ihr wirklich nicht mehr zu helfen.

"Einschmeicheln am Arsch", gab Levi zurück. "Ich versuche nur, Rose vor dauerhaften Hautschäden zu bewahren."

"Ein schnelles Bad tut ihr schon nicht weh", widersprach Dakota.

"Ich schlage vor, das du dich zu dem Thema noch Mal beliest, wenn du weiterhin mit Rose arbeiten möchtest."

Poppy hatte genug gehört und betrat das kleine Bad. Drinnen sah sie Levi und Dakota über die Wanne gebeugt stehen. Dakotas Ärmel waren bis zu ihren Ellenbogen hochgezogen, da sie Rose auf dem einen Arm in der Babywanne hin und her schwang und Rose mit einem Waschlappen in der anderen Hand wusch. Sie bemerkten ihr Eintreten nicht.

"Meine Güte, mach dir nicht gleich ins Hemd. Es ist nur ein bisschen Wasser", schnaufte Dakota frustriert.

Bevor Levi antworten konnte, räusperte Poppy sich. "Hey Leute, bleibt ruhig. Ihr macht Rosie ja Angst. Vielleicht solltet ihr das draußen klären während ich mich um sie kümmere."

"Versuchst du mich los zu werden?", fragte Dakota entsetzt.

"Warum sollte ich?"

"Vielleicht weil du eifersüchtig bist."

"Dakota!", bellte Levi.

"Warum sollte ich eifersüchtig sein?"

"Ja, in der Tat, warum solltest du?"

Levi schlug mit der Faust gegen die geflieste Wand. "Pack deine Sachen und hau ab. Du bist einen Schritt zu weit gegangen", stieß er zwischen zusammen gebissen Zähnen hervor.

Dakota wandte sich ihm zu und starrte ihn an. "Du hast versprochen, dass es keine Konsequenzen haben würde", flüsterte sie.

Er hatte ihr versprochen, dass es keine Konsequenzen haben würde. Konsequenzen. Es.

Dann wurde es ihr klar. Großartig, einfach nur großartig. Ihr Ehemann trieb es mit der Nanny. Was für ein Cliché.

"Hätte es nicht, wenn du deinen Job vernünftig gemacht hättest. Aber scheinbar tust du das nicht", sagte er emotionslos. Er vermied es, Poppy anzusehen.

"Natürlich mache ich das", schrie Dakota.

"Zu allererst hast du zu respektieren, worum Poppy dich bittet."

"Das ist doch Quatsch."

Poppys Geduldsfaden riss. "Raus! Alle beide! Jetzt!", schrie sie mit voller Kraft.

Sie nahm Rosie aus Dakotas Händen und hob sie aus der Wanne ohne die Nanny auch nur eines Blickes zu würdigen. Wenn sie ihren Blick traf, würde ihr Gesicht vor Scham in Flammen aufgehen. Es war erniedrigend, der Affäre des eigenen Mannes gegenüber zu stehen, auch wenn es sich nur um eine Scheinehe handelte.

Poppy presste das kleine Mädchen, nass wie es war, an sich und legte ihr das Handtuch auf den Rücken.
Levi und Dakota waren verstummt, hatten sich aber keinen Zentimeter bewegt.

"Raus", befahl Poppy erneut. "Beide."

Als sie das Zimmer verließen, trug Poppy Rosie zu ihrer Wickelkommode und legte sie auf die rosafarbene Unterlage. Langsam trocknete sie sie ab, zählte dabei ihre Finger und küsste ihre kleinen Zehen. Das Kichern des kleinen Mädchens traf sie direkt ins Herz.

Tränen stiegen ihr in die Augen und sie wünschte, sie könnte ihre Mutter noch ein letztes Mal in den Arm nehmen und ihr sagen, wie sehr sie sie liebte. Stattdessen gab sie Rosie einen Kuss auf die Stirn und atmete tief durch.

Dann machte sie ihr eine frische Windel um und zog ihr einen leichten Schlafanzug an. Es war zwar Sommer, aber Dakota hatte ihr in dem ersten Tagen geduldig erklärt, dass Babys ihre Temperatur noch nicht so gut halten konnten wie Erwachsene.

Rosie sah sie erwartungsvoll an, also nahm Poppy sie auf den Arm und kroch mit ihr auf ihr eigenes Bett. Dort setzte sie sich Rosie auf den Schoss, mit dem Rücken an ihre angewinkelten Oberschenkel gelehnt.
Sie beobachteten sich gegenseitig und während Poppy mit den Fingern wackelte, sang sie Kinderlieder.

Begeistert verfolgte Rosie die Bewegung. Nach dem fünften Lied verstummte Poppy und beobachtete ihre Schwester, die noch immer vernarrt auf Poppys Finger blickte. Sie fragte sich, ob sie am nächsten Morgen noch eine Nanny haben würden oder eine neue suchen mussten.

So oder so würde sie es heute Nacht herausfinden. Davon ausgehend, dass sie Rosie am Ende des Flures überhaupt weinen hören würde. Vielleicht sollte sie sie vorsichtshalber bei sich behalten.

"Du machst ein merkwürdiges Gesicht."

Poppy hob eine Augenbraue, traute sich aber nicht, Levi direkt anzusehen. Aus dem Augenwinkel sah sie, dass er in ihrem Türrahmen stand. Unbehaglichkeit machte sich in ihr breit.

"Du hast was mit der Nanny. Was hältst du für ein der Situation angemessenes Gesicht?"

Er seufzte und verschränkte die Arme vor der Brust. "Das war vor der Hochzeit."

"Als du mit Christy zusammen warst?"

Er zuckte mit den Schultern. "Reg dich nicht künstlich auf. Das hat schließlich nichts mit dir zu tun."

"Versuchst du mich zu beruhigen? Weil es nämlich nicht funktioniert."

"Warum bist du überhaupt wütend auf mich? Im Prinzip habe ich dich nicht betrogen."

"Ich dachte nur..." Sie brach ab. Wen interessierte es, was sie dachte? Und wahrscheinlich ging es sie nichts an. Poppy ließ die Schultern sinken und konzentrierte sich wieder auf Rosie. Ihre Augen fielen langsam zu.

"Was?", fragte Levi vorsichtig und kam einen Schritt näher.

"Hast du keinen Anstand? Ist es so schwer, die Hosen anzulassen?" Die Frage hatte ihren Mund verlassen, bevor sie drüber nachdenken konnte.
Seine Gesichtszüge verhärteten sich.

"Du hast ja keine Ahnung", murmelte er ihr Zimmer verlassend.

"Arbeitet Dakota noch für uns?", fragte Poppy in der Hoffnung, dass er sie noch hörte.

Scheinbar hatte er es, denn er erschien erneut im Türrahmen. "Natürlich nicht", schnaubte er.

"Warum nicht? Erst machst du mit ihr rum und dann schmeißt du sie raus, weil ich es mitbekommen habe?"

"Wenn du mich beschuldigen willst, trag erstmal die Fakten richtig zusammen. Ein Grund, warum ich sie gefeuert habe, ist, dass sie sich deinen Bitten wiedersetzt hat."

Poppy schluckte den Knoten in ihrem Hals herunter. "Das hätten wir doch besprechen können."

"Ich glaube nicht."

"Du kannst doch nicht jeden feuern, der nicht deiner Meinung ist."

"Das war nicht der springende Punkt", sagte er als er zu ihrem Bett ging.

Poppy senkte den Blick. "Was war es dann?"

"Ihre Art mit dir zu sprechen."

"Was?"

Er legte einen Finger unter ihr Kinn und zwang sie damit sanft ihr Gesicht zu heben bis sich ihre Blicke wieder trafen. "Sie hat dich nicht respektiert. Solches Verhalten werde ich nicht dulden."

Poppy war sprachlos. Ihre Augen brannten. Er hatte sie auf die einzige Art verteidigt, die er kannte. "Levi, ich..."

"Lass gut sein, okay?" Er sah Rosie an. "Möchtest du, dass ich mich heute Nacht um Rose kümmere? Ich kann in ihrem Zimmer schlafen. Das heißt, sobald Dakota weg ist."

Sie lächelte ihn unsicher an. "Das musst du nicht machen."

"Aber ich kann es machen. Ich bin der Babyflüsterer, schon vergessen?"

Sie kicherte. "Stimmt."

"Aber im Ernst. Du siehst erschöpft aus und wir haben morgen wieder Schule. Lass mich heute Nacht auf sie aufpassen."

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