(14) Gar keine

Levi

Am nächsten Morgen erwachte Levi von einem lauten Schnurren neben seinem Ohr. Er riss die Augen auf und starrte in die winzigen Augen eines Kittens.

Des Kittens, das er kurz vor der Hochzeit ausgesucht hatte, nachdem Parker ihm von Poppys Angst erzählt hatte.

"Verdammt", murmelte er.
Gestern hatte die Züchterin ihn angerufen um ihm mitzuteilen, dass das Kitten alt genug wäre für sein neues Zuhause. Nach letzter Nacht verspürte Levi jedoch kein Bedürfnis mehr Poppy wehzutun oder zu erschrecken.

Sie lag in seinem Bett, ihr warmer Körper nah an seinem. Ihr Kopf lag auf seinem Arm und ihr Rücken berührte beinahe seinen Oberkörper. Er konnte den blumigen Geruch  ihres Shampoos, verfeinert durch den Duft ihrer warmen Haut, wahrnehmen. Es war betörend. Genau genommen bereute er den Kauf des Kätzchens.

"Hau ab", zischte er, das Kitten mit der freien Hand vom Bett schubsend.

Doch die kleine Katze war scheinbar nicht dumm. Sie stolzierte um das Bett herum und sprang auf der anderen Seite, Poppys Seite, wieder hoch. Sie legte sich in ausreichender Entfernung, die verhinderte, dass Levi sie erreichen konnte, ohne Poppy aufzuwecken, hin. Und Levi war einfach noch nicht bereit, Poppy gehen zu lassen. Immerhin war sie doch seine Frau.

Noch bevor er die Möglichkeit hatte, sich Gedanken darum zu machen, wie er das Kitten von Poppy unbemerkt loswerden könnte, bemerkte er ihre flatternden Wimpern. Obwohl er nur ihr Profil sah, spürte er den Moment, in dem sie das Kätzchen wahrnahm. Ihr Körper versteifte sich, während sie das Tier anstarrte.

Er hatte Bedenken gehabt, was für eine merkwürdige Situation vor ihnen lag, wenn sie im gleichen Bett aufzuwachten. Und jetzt kam ein Kätzchen dazu, das er letzte Nacht völlig vergessen hatte. Ein Kätzchen, vor dem Poppy höchstwahrscheinlich Angst hatte.

"Da liegt eine Katze." Ihre Stimme klang heiser vom Schlaf und sie entfachte ein Feuer in ihm.

Langsam schob sie sich rückwärts, näher an ihn heran. Er konnte ihre Wärme spüren. Das würde nicht gut gehen. Sie war jetzt schon zu nah dran. Levi spürte, wie ihm die Kontrolle über seinen Körper entglitt.

"Halt still", presste er zwischen zusammen gebissen Zähnen hervor und legte eine Hand auf ihre Hüfte um das Näherkommen zu vermeiden. Aber es war zu spät. Ihr Hintern rieb sich gegen ihn.

Seine Würde starb einen kurzen und unerwarteten Tod. In seinem ganzen Leben war er noch nie wegen einer Erektion peinlich berührt gewesen. Scheinbar gab es für alles ein erstes Mal.

"Beeindruckende Taschenlampe, die du da versteckst", zog Poppy ihn auf. Doch sie hielt die Augen auf die Katze gerichtet. Sie rutschte noch näher an ihn heran, drehte sich dann langsam um und schob sich der Länge nach auf ihn.

Er stöhnte und ließ den freien Arm über sein Gesicht fallen, sodass er ihren Blick nicht treffen würde. Das war wirklich entwürdigend. Levi war sich sicher, dass er rot wurde. Dabei wurde er nie rot. Und ganz sicher war es ihm nicht peinlich, erregt zu sein, wenn sich ein einigermaßen attraktives Mädchen über ihn schob und dabei kaum Klamotten trug. Einigermaßen? Wem machte er hier eigentlich etwas vor?

"Okay", sagte sie, als sie sich auf seine andere Seite gleiten ließ. Sie hob seinen Arm von seinem Gesicht und grinste ihn an. "Mach dir nicht ins Hemd. Ich weiß über Morgenlatten Bescheid."

Levi erstickte beinahe an seiner eigenen Spucke. Vielleicht wusste sie darüber Bescheid, aber die Morgenlatte war schon lange Geschichte. Das war alles ihr zu verdanken. Sie sah so verdammt hübsch aus mit ihrem vom Schlaf zerzausten Haar. Verdammt. Er begehrte ein Mädchen, dass ihn wie die Pest hasste. Ein weiteres erstes Mal.

"Gut zu wissen", krächzte er.

"Entspann dich. Ist ja nicht so als wolltest du in mein Höschen."

"Wer weiß?", fragte er scherzend bei dem Versuch seine Gelassenheit wieder zu erlangen, während er übertrieben genussvoll mit seiner Hand ihre Wirbelsäule entlang glitt.

Solange sie nicht herausfand, dass er jede Sekunde ihres nächtlichen Beisammenseins genossen hatte, würde er zurecht kommen.

Sie kreischte auf und sprang aus dem Bett. "Iieh. Fass mich nicht an."

Sie machte ein paar Schritte rückwärts. Genau wie er vermutet hatte: sie verabscheute ihn. Aber er konnte nicht länger darüber nachdenken, denn das Kitten entschied, dass jeder zur Tür laufende Mensch ein potentieller Dosenöffner war.

Poppy beäugte es kritisch und mache noch zwei Schritte rückwärts. "Wo kommt das Ding her? Ich hab es hier noch nicht rumlaufen sehen."

"Du meinst das Kätzchen? Ich hab's gekauft", sagte er, dankbar für den Themenwechsel.

"Warum hast du eine Katze gekauft?"

"Weil wir jetzt eine richtige Familie sind und ich dachte, dass dir mein Kaktus vielleicht nicht gefallen hat. Ich wollte es damit wieder gut machen", grinste er, wohlwissend, dass sie vermutlich jeden Funken Selbstkontrolle aufbringen musste, um nicht schreiend davon zu laufen.

"Nett von dir. Achte drauf, dass das Viech hier drin bleibt."

"Warum sollte ich? Es ist deins."

"Ich will es nicht."

"Zu schade."

"Ich hasse Katzen", schrie sie. Das musste Rose geweckt haben, denn plötzlich ertönte ihr mörderisches Geschrei.

"Du kümmerst dich um dein Kätzchen", sagte Levi während er aus dem Bett sprang und an ihr vorbei rannte. "Und ich verbringe etwas Zeit mit unserem Baby."

"Nein."

"Ja. Vergiss nicht, sie erstmal nur in unsere Zimmer zu lassen. Sonst verläuft sie sich vielleicht im Haus und pinkelt auf die Teppiche. Lass einfach die Badtüren offen."

Er zog die Tür hinter sich ins Schloss und ging zu Rose. Als er ihr Zimmer betrat und sich über ihr Bett beuge, strahlte sie ihn mit ihren großen Augen an und zappelte freudig mit den Ärmchen. Immerhin wusste ein Mädchen hier im Haus seine Gesellschaft zu schätzen.

Gegen Mittag hörte Levi Camila und Dakota von ihrem freien Tagen zurück kehren. Ihm wurde der Zustand der Küche peinlichst bewusst. Er war viel zu müde gewesen, um die Küche gestern Nacht noch in Ordnung zu bringen. Und da er Kale heute morgen noch nicht gesehen hatte, bezweifelte er, dass er sich um die Küche gekümmert hatte.

Was Poppy als seine letzte Hoffnung übrig ließ. Wie so oft im letzter Zeit. Wann immer etwas schief lief, galt sein erster Gedanke Poppy. Vielleicht waren nicht Kale und Parker die Dummköpfe. Vielleicht war er es. Sich für ein Mädchen zu erwärmen, das seinen besten Freund und sogar seinen arroganten Bruder bevorzugte. Was für ein Durcheinander.

Camila begann sich durch die Küchenschränke zu wühlen. Wahrscheinlich nahm sie Töpfe und Pfannen für die Zubereitung des Familiendinners heraus, das stattfinden sollte, sobald seine Eltern zurück kehrten.

Ein schwaches Klopfen an der Tür ließ Levi brummen. Was zur Hölle? Er versuchte gerade Rose zu einem Mittagsschläfchen zu überreden. Da konnte er Störungen absolut nicht gebrauchen.

Die Tür ging auf und Levi entdeckte Dakotas Gesicht in dem Spalt. "Hey. Ich bin wieder da."

"Okay."

"Soll ich Rose nehmen?"

"Deine Schicht beginnt erst heute Abend."

"Ja, ich weiß. Ich dachte, wir könnten ein bisschen Zeit miteinander verbringen."

"Fang gar nicht erst damit an, Dakota. Ich hab es dir schon mal gesagt. Bitte geh, damit Rose ihren Mittagsschlaf machen kann."

Ihr Gesichtsausdruck verriet ihm, dass seine Worte sie getroffen hatten. Bevor er sich erklären konnte, hatte sie die Tür schon hinter sich geschlossen.

Gleichermaßen genervt wie erleichtert wandte Levi sich wieder Rose zu, die auf ihrem Rücken in seinem Bett lag und vergnügt an ihren Fäusten saugte.

"Oh, Baby, ich will ja nicht sagen, dass das widerlich ist, aber es ist auch nicht das beste Benehmen. Wenn du darüber nachdenken könntest, diese Angewohnheit loszuwerden, wäre ich dir dankbar." Er klimperte mit Augen, weil er wusste, dass sie ihn fasziniert ansehen würde. Nur ein paar Minuten später fielen ihre Augen zu.

Als Roses Weinen Levi weckte, war es bereits später Nachmittag geworden. Er lief zum Kinderzimmer und fand dort ein vorbereitetes Fläschchen. Rose trank artig alles aus und ließ sich ein paar Minuten gemütlich auf und ab tragen, bevor sie ihr Bäuerchen machte und Levi mit ihr in die Küche ging.

Poppy saß auf einem der ledernen Barhocker und hörte Camilas Erzählungen aufmerksam zu. Als Camila ihn und Rose entdeckte, hielt sie inne. Poppy wandte sich ihm zu. Sie starrte auf seine Füße, seine Schultern und schließlich einen Punkt über seinen Augen - vielleicht sein Haar. Offenbar versuchte sie um jeden Preis den Blickkontakt zu vermeiden.

"Spuck's aus", drängte er sie. Er wusste, dass sie etwas verheimlichte und wollte nicht den restlichen Tag darauf warten, dass sie den Mut aufbrachte, es ihm zu erzählen.

Ungeduldig nahm Levi zu Kenntnis, dass sie sich räusperte. "Deine Eltern haben vor einer halben Stunde angerufen. Ich wollte dich ans Telefon holen, aber Dakota meinte, du ruhst dich aus."

"Was wollten sie?", fragte er, obwohl er bereits eine Vorahnung hatte. Im Laufe der Jahre hatte er viele dieser Anrufe erhalten.

"Sie werden es nicht zum Dinner schaffen. Wir sollen alleine anfangen", bestätigte sie seinen Verdacht.

Levi zuckte unbeteiligt mit den Schultern. "Okay."

"Genau genommen wissen sie gar nicht, ob sie überhaupt noch heute nach Hause kommen."

"Ist mir recht. Eigentlich ist es mir sogar egal." Er ärgerte sich schon lange nicht mehr über solche Anrufe. Es war eher so, dass er überrascht gewesen wäre, wenn sie es tatsächlich zum Dinner nach Hause geschafft hätten.

"Wann gibt's Essen?", fragte Levi an Camila gewandt.

"Die Vorspeise wird in etwa einer halben Stunde fertig sein."

"Okay." Er sah Poppy erwartungsvoll an. "Haben wir noch mehr zu besprechen?"

Sie schüttelte den Kopf. "Nicht, dass ich wüsste. Soll ich Rose nehmen?"

Er verneinte und ging mit dem Baby zurück auf sein Zimmer. Ihm war nicht nach Einsamkeit zumute.

Gegen sieben saßen alle zusammen am Esstisch. Dakota fixierte Poppy mit ihrem Blick und Poppy beobachtete sie unter ihren Wimpern hervor. Levi konnte die Spannung in der Luft förmlich riechen.

"Dakota", wagte Poppy den Vorstoß. "Ich wollte dich etwas fragen. In den letzten Tagen bin ich Rosies Protokolle durchgegangen und habe gesehen, dass du sie fast jeden Abend badest seitdem sie hier ist."

Dakota lächelte sie an. Levi enttarnte es unverzüglich als falsches Lächeln. "Ja, das stimmt. Sie kann dann besser einschlafen."

Levi wartete gespannt auf Poppys Reaktion. Sie sah besorgt aus. Sie vermied auch jetzt den Augenkontakt zu Dakota und schob geistesabwesend das Gemüse auf ihrem Teller zur Seite.

"Ich habe gelesen, dass das zu den positiven Nebeneffekten gehört. Aber könntest du es bitte trotzdem lassen? Versteh mich nicht falsch. Es gibt Studien, die belegen, dass das ständige Baden die Fähigkeit zur Selbstregulation der Haut zerstört und ich möchte wirklich verhindern, dass Rose Hautprobleme bekommt."

"Ich versuche dran zu denken", sagte Dakota lieblich bevor sie sich zu ihm drehte. "Wie hast du die letzten Tage verbracht?"

Poppy murmelte einen leisen Dank, doch in Levi kochte die Wut hoch. Poppy hatte nichts weiter getan als für Roses Unversehrtheit zu sorgen. Er wollte es vermeiden, sich in die Sache herein zu steigern, aber Dakota hatte mit ihrer überheblichen Art einen Nerv getroffen.

"Wir haben Freunde eingeladen und uns besser kennen gelernt", sagte er kurz angebunden.

"Hat Rose euch Probleme bereitet?", hakte Dakota selbstgefällig nach und schob sich wie Gabel voll Gemüse in den Mund.

Levi warf Poppy einen verstohlenen Blick zu und sah wie sie errötete. Er würde seinen Camaro darauf verwetten, dass sie an ihren kleinen Zusammenbruch am gestrigen Tag dachte. Als ihr Blick seinen traf, grinste er.

"Gar keine. Poppy hat sich hervorragend um sie gekümmert."

Das Rot auf Poppys Wangen wurde noch dunkler und Levi spürte eine tiefe Zufriedenheit. Seitdem er sie kennengelernt hatte, konnte er neben Christys nun auch Dakotas Art nicht mehr ertragen. Wenn Dakota darauf aus war, dass Levi seine Frau verbal vor den Bus stieß, konnte sie lange warten.

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