Kapitel 22
Feste Schläge gegen unsere Wohnungstür reißen uns auseinander. Noch ehe ich meine Tränen fort wische, schließe ich das Laken fest um mich und laufe schnell in mein Zimmer. Wer auch immer das sein mag, ich habe keine Kraft für Besuche. James hat die Tür erreicht, als ich die, zu meinem Zimmer, schließe. Wenige Sekunden danach, lasse ich das Laken zu Boden gleiten, trete aus dem Knäuel hervor und ins Badezimmer. Aus dem Brausekopf läuft erst nur kaltes Wasser, erwärmt sich jedoch schnell auf die perfekte Temperatur. Unter dem Strahl schließe ich die Augen, lasse die kleinen Bäche und Rinnsale meinen Körper hinablaufen.
Über meine Schultern, Brüste, Arme, Bauch, Hände, Hintern, Oberschenkel, Waden bis hin zu meinen Füßen. Ein paar der Tropfen habe ich auf ihrem Weg beobachtet. Erst ein einzelner, der sich später mit ein paar anderen verbündet, bis sie letztlich einen kleinen Strom bilden. Ich schüttle den Kopf, über solch unnütze Gedanken. Ich müsste mir viel eher überlegen, wie es denn nun weitergehen soll. Kann ich es Alexander erzählen? Doch darüber muss ich den Kopf schütteln, denn das kann ich nicht.
Ich würde mein eigenes Gewissen reinwaschen und ihn mit meinem Betrug belasten. Kann ich ihn dagegen belügen? Ihm in die Augen sehen und behaupten, dass es Niemanden gibt und er der Einzige für mich ist? Zumindest sollte er das sein. Nur er, kein James. Es ist Alexander denn ich will, so muss es einfach sein. Wieso sollte ich mich sonst so verloren und schuldig fühlen, nach dem Sex mit James? Ich bin ein verdammtes Wrack. Mir bleibt also nur, es ihm zu erzählen und ihn damit zu verletzten. James hat mich ja auch dazu angehalten, es ihm zu sagen. James hat...er hat...mich geküsst.
Er ist auf mir gekommen und es hat mir gefallen. Gott, ich bin wirklich schrecklich. Ich habe meinem besten Freund erlaubt, auf mir zu kommen. Und habe es auch noch schrecklich genossen. Mit beiden Händen schirme ich mein Gesicht ab. Ich bin so froh, dass James mir zumindest nicht böse ist. Er wird der Einzige sein, der noch zu mir hält, sobald Alexander es weiß. Wenn ich meinen besten Freund verlieren würde, hätte ich das Beste verloren, dass ich je hatte. Ich würde alles aufgeben. Jedes Besitztum, jedes Privileg, jede Beziehung – und genau da wurde es mir bewusst. Ich würde viel tun für Alexander.
Wenn es etwas an dieser Situation ändern könnte, würde ich beinahe alles geben. Für James hingegen, würde ich es nicht nur beinahe tun, ich würde alles aufgeben. Bedingungslos. Er ist doch wie ein Bruder für mich. Aber mit seinem Bruder steigt man nicht ins Bett, Marie, wettert meine innere Stimme. Er ist mehr, dass war er immer schon. Was? Nein! Ich darf mir so etwas nicht einreden. Der Sex kocht meinen Verstand weich. Einmal mit einem Mann geschlafen und ich versuche mir selbst weiß zu machen, dass ich in ihn verliebt bin. Oder war, oder was auch immer. Ich muss mich wieder auf Alexander konzentrieren.
Mechanisch beginne ich mich einzuseifen, meine Haare zu waschen und alles auszuspülen. In Lichtgeschwindigkeit rasen die Gedanken durch meinen Kopf, doch ich kann keinen dieser mehr fassen. Fragmente von Ideen, wie ich es Alexander schonend beibringen könnte, fliegen an mir vorbei, ohne eine Chance für mich, sie zu fangen. Ich beende die Dusche mit einem festen Vorsatz. Sobald ich angezogen bin, fahre ich zu Alexander und versuche es ihm schonend beizubringen und darauf zu hoffen, dass er mir vergibt. In der Hoffnung, dass es auch das ist, was ich möchte.
Der Vorsatz ängstigt mich, doch er löst auch die Erstarrung. Ich hoffe nur, dass Alex nicht erstarrt, sondern den Weg mit mir weitergeht. Einen anderen Gedanken kann ich momentan nicht zulassen. Immer nach vorne sehen. Eventuell kann mir James ein paar Tipps geben. Vielleicht lässt du ihn erst einmal aus dem Spiel. Das letzte Mal, als du seinen Rat wolltest, habt ihr es getrieben, wie die Karnickel. Okay, also kläre ich das alleine. Ich schaffe das. Es ist ja nicht so, als würde ich James ständig nach Rat fragen. Ich kann das ironische Grinsen nicht zurückhalten. Gut, ich frage James immer nach Beistand.
Diese Sache wird mit jeder Minute komplizierter. Trotz der Tatsache, dass ich nun gerade zwei Männer an meiner Seite habe – mehr oder minder – fühle ich mich einsamer denn je. Ich kann niemandem die Schuld geben, denn ich selbst habe es verbockt. Seufzend stelle ich das Wasser ab und trete vor die Duschkabine. Meinen Körper rubble ich mit einem Handtuch trocken, binde es mir dann um die Brüste und möchte das Bad verlassen. Ich habe die Tür erst einen kleinen Spalt geöffnet, da kann ich die letzten Gesprächsfetzen zwischen Alexander und James vernehmen. Sie brüllen sich an. Weder James noch Alexander habe ich je so wütend erlebt. Sie stehen an meiner Tür, wobei mein bester Freund versucht mein Zimmer abzuschirmen.
„Sei doch mal vernünftig, Alex! Das mit ihrem Vater ging zu weit. Sie wird die Akte sicher aus einem bestimmten Grund mitgehen haben lassen. Es ist ihr Vater, nicht dei-", doch er wird unterbrochen.
„Fuck, du stellst dich doch dümmer als du bist, oder?" Beide starren sich wutentbrannt an, wobei Alexander sich gleichzeitig die Haare rauft. „Ich muss sie einfach sehen. Ich will es ihr erklären", fährt er nun etwas ruhiger fort.
„Von mir aus, ich gehe zu ihr ins Badezimmer und frage sie."
„Das wirst du sicher nicht. Sie ist zu hundert Prozent nackt dort drin!", brüllt Alexander nun wieder. Jimmy dagegen reizt ihn noch weiter, ohne es zu ahnen.
„Und? Ist ja nicht so, als hätte ich ihre Brüste noch nie gesehen", sagt er leicht dahin, doch damit hat er die Wut meines Freundes entfesselt.
Ich schlage mir die Hand vor den Mund. Das, war definitiv die falsche Antwort.
„WAS?"
„Bleib ruhig, Alex. Wir sind beste Freunde, natürlich habe ich sie schon nackt gesehen und andersherum", der nächste Satz würde meinen Geliebten zum Ausrasten bringen und James würde es zu spüren bekommen. „Sie hat echt mega Titte-"
Er kann seinen Satz nicht zu Ende führen, da hat er schon Alexanders Faust im Gesicht. Vor Schreck reiße ich die Türe auf und renne auf meinen besten Freund zu.
„Oh Gott, Jimmy, ist alles in Ordnung?" Ich streiche ihm eine Strähne aus dem Gesicht. „Was sollte das denn bitte?", schreie ich Alex an.
„Er meinte, du hast-"
„Ich habe gehört, was er gesagt hat, aber das ist noch lange kein Grund, ihm die Faust ins Gesicht zu rammen. Was ist nur los mit dir Alex? Das kannst du doch nicht machen!", er versucht mich zu unterbrechen, doch ich gebe ihm keine Chance.
Wie eine Furie falle ich über ihn her. Wie verrückt und ungerecht ich dabei bin, erkenne ich, doch ich kann mich einfach nicht mehr kontrollieren. Die Wut und Verachtung auf mich selbst, projiziere ich fälschlicher Weiße auf ihn und mache alles nur noch schlimmer, als ich ihn aus der Wohnung werfe.
„Du wirfst mich raus?"
„Du hast verfickt nochmal meinen besten Freund geschlagen. Warum sollte ich dich hier behalten wollen? Du hast eine Akte über meinen Vater angelegt, hast mich im Club allein und die Tage zuvor im Dunkeln gelassen. Verdammte Scheiße noch eins...geht am besten alle Beide", brülle ich außer Atem.
Nun sieht James mich verständnislos an, doch ich schüttle den Kopf und dränge sie aus meinem Zimmer. Ich brauche Zeit für mich. Zeit, um einen klaren Kopf zu bekommen. Einen klaren Kopf, um diese wirre Situation aufzulösen. Ich brauche die passenden Worte, um das Richtige zu tun. Mich bei beiden zu entschuldigen.
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