Kapitel 13
Ich lege mich in mein Bett. Der Abend mit James hat gut getan. Wir haben noch eine DVD gesehen, uns jeweils unter eine Decke gekuschelt und die Zweisamkeit genossen. Ich hatte schon lange keine Zeit mehr, allein mit meinem besten Freund zu sein und dabei ist er für mich mitausgewandert. Ich werde ihm diesen Gefallen nie zurückzahlen können, also sollte ich dafür sorgen, dass er es nie bereuen wird.
Ich stelle mein Handy noch schnell auf lautlos und lese Alexanders letzte Nachricht. Sie ist vor etwa eineinhalb Stunden angekommen und macht mich nur noch wütender.
Du brauchst wirklich nicht zu warten. Schlaf schön. Gute Nacht. - Alex
Wie einem kleinen Kind befiehlt er mir beinahe schon, endlich schlafen zu gehen. Es ist nämlich genau das, eine Anweisung. Ein Befehl. Eine Empfehlung mit Nachdruck. Quasi ‚geh jetzt endlich schlafen und stell keine weiteren Fragen, die ich nicht beantworten möchte', auf nette Art und Weise. Wütend werfe ich das Telefon auf meine Matratze und ziehe mir die Decke über den Kopf.
Die Augen verdrehend, denke ich noch einmal über das Zusammenziehen nach. Ich hatte wirklich vor ihm da entgegen zu kommen. Ich will schließlich ebenfalls in seiner Nähe sein. Viel zu lange habe ich ihn immer wieder abgewiesen und fortgeschickt, aber der heutige Abend verunsichert mich. Wäre es wirklich eine gute Idee mit Alexander zusammenzuziehen, wenn er mir das Gefühl gibt, er würde mir eine wichtige Sache verschweigen? Mit dem Gedanken, der in meinem Kopf Achterbahn zu fahren scheint, schlafe ich endlich ein.
***
Ich weiß gar nicht so recht, wie spät es eigentlich ist, als ich mitten in der Nacht wach werde. Alexander ist immer noch nicht Zuhause, zumindest ist er nicht in meinem Bett. Ein Blick auf mein Handy verrät mir, dass es jetzt 3:00 Uhr morgens ist. Müde drehe ich mich um, nehme auch noch seinen Platz in meinem Bett ein, den er heute sicher nicht mehr. brauchen wird. Aber ich brauche mehr Raum für mich und meine unter der Oberfläche schwelende Wut. Mein Handy liegt neben mir und ich sehe immer wieder auf den Bildschirm. Nichts. Keine Nachricht. Kein Anruf. Nichts.
Bist Du sicher Zuhause angekommen? - Marie
Ich weiß, dass ich langsam aber sicher zu eben der Freundin mutiere, die ich nicht sein will, doch ich kann mich nicht zurückhalten. Es ist als wäre jegliche Rationalität aus meinem Gehirn gestrichen und eine hässliche, alte Furie würde die Macht an sich reißen.
Ich bin momentan noch unterwegs. Wieso bist Du denn noch wach? - Alex
Ich bin aufgewacht und Du warst noch nicht hier. Ich habe mir Sorgen gemacht. Wo bist Du denn? - Marie
Warum ist er um diese Uhrzeit denn noch nicht Zuhause? Sicher ist er wieder in diesem ominösen Club, den er betreibt. Was tut er da? Welche Entscheidungen können nicht bis zum nächsten Morgen warten, sondern müssen in der Nacht noch geklärt werden? Er erzählt mir auch nicht, was es mit seinen Sorgen auf sich hat.
Ich bin im Club. Werde von hier aus direkt weiterfahren. Scott wird Dich wie immer abholen und zur Arbeit bringen. - Alex
Wann sehen wir uns wieder? Hast Du Probleme Alex? Warum redest Du nicht mit mir? - Marie
Ich bin total verzweifelt und doch könnte es immer noch möglich sein, dass ich mich hier in etwas hineinsteigere, das gar nicht existiert. In meinen Händen beginnt mein Telefon zu vibrieren. Ein Anruf von Alexander, den ich sofort annehme.
„Hi", flüstere ich kleinlaut. Seine weiche Stimme begrüßt mich ebenfalls mit einem kurzen „Hi", ehe er weiterspricht.
„Du brauchst dir wirklich keine Sorgen zu machen, Kätzchen. Es ist alles in Ordnung."
„Warum erzählst du mir dann nicht einfach um was es geht. Ich könnte dich unterstützen", erkläre ich nun hitzig, „Du bist Nächte lang unterwegs. Ständig siehst du auf dein Handy und bist vollkommen abwesend, Alex. Ich weiß, dass etwas nicht stimmt. Nur das was weiß ich noch nicht."
Die Stille die herrscht, baut eine Mauer zwischen ihm und mir auf und ich habe das Gefühl, als könnte er mir jede Sekunde entgleiten. Ich checke meinen Bildschirm, um sicherzugehen, dass die Verbindung noch steht. Er entlässt geräuschvoll Luft.
„Können wir das Morgen besprechen?" Er klingt erschöpft und niedergeschlagen, doch ich kann das nicht einfach so im Raum stehen lassen.
„Ich bin mir nicht sicher, ob du bis dahin nicht wieder eine neue Ausrede gefunden hast. Ich würde es gerne jetzt sofort erfahren."
Wieder scheint uns das Unausgesprochene zu erdrücken. Ich bleibe ruhig, er muss den ersten Schritt machen. Ich weiß, ich mache ihm Druck, nötige ihn beinahe mir zu antworten, doch er muss jetzt auspacken. Ich darf nicht einknicken.
„Ich verspreche dir, morgen Abend alles zu erklären. Ich nehme dich mit und zeige dir alles, was du sehen willst. Aber du musst mir noch ein bisschen Zeit geben. Ich muss nich ein paar Dinge regeln. Bitte Kätzchen."
Mit meinem Spitznamen erweicht er nun doch mein Herz. Das weiß er. Er hat es absichtlich eingesetzt.
„In Ordnung. Morgen Abend."
Noch immer in Gedanken hätte ich meine Frage beinahe vergessen.
„Geht es dir gut?"
Das Rascheln, das ich durch den Hörer vernehmen kann verrät mir, dass er sich unruhig hin und her windet. Seinen verzogenen Gesichtsausdruck kann ich mir bildlich vorstellen.
„Ich bin in Ordnung, Marie. Schlaf jetzt Kätzchen, du musst morgen Früh wieder aufstehen. Ich liebe dich."
Die letzten Worte sind kaum noch verständlich. Es wirkt als würde er gerade einschlafen. Er muss wirklich müde sein. Ich lächle und antworte ihm, „Gute Nacht. Ich liebe dich auch", und dann lege ich auf.
***
Wie versprochen, steht Scott am nächsten Morgen, am Eigang unseres Wohnhauses und hält die Tür zum Fond von Alexanders Audi offen. Als ich einsteige nickt er mir lächelnd zur Begrüßung zu und ich erwidere seinen Gruß, in dem ich es ihm nachtue. Leichte Enttäuschung überschwemmt mich, als ich sehe, dass Alexander nicht im Wagen sitzt. Natürlich hat er erklärt, er würde direkt zur Arbeit fahren, jedoch hatte ich gehofft, ihn vor heute Abend noch einmal sehen zu können.
„Ms. Sturm", holt mich Scott aus meinen Gedanken zurück, "ich habe hier einen Brief von Mr. Black an sie."
Mit den letzten Worten reicht er mir das kuvertierte Schriftstück, dreht sich um und fährt los. Auf dem weißen Umschlag steht in Alexanders geschwungener Handschrift mein Name. Ist es verrückt, dass ich aus den feinen Linien seine Zuneigung für mich herauszulesen versuche? Bestimmt. Augeregt reiße ich das Kuvert auf und entnehme den Brief.
Meine liebste Marie,
wir werden heute Abend meinen Club besuchen. Ich werde Dich gegen 21:00 Uhr von Zuhause abholen.
Sei pünktlich.
In Liebe,
Alexander
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top