Kapitel Drei - Die Bar

Patrick war einer dieser Männer, der von allen beneidete wurde, aber niemand mit ihnen tauschen würde.
Als er in das Zimmer stürmte bin ich jedenfalls erleichtert, ihn zu sehen. Nun, das bin ich eigentlich immer. Mit Patrick verbindet mich etwas, was noch viel tiefer und intensiver ist als die Freundschaft zu Philipp. Vermutlich habe ich genau deshalb Patty angerufen.

„Tony, du bist so ein verdammter Idiot", brummte er, als er auf mich zu ging. Seine starken Arme haben meinen Körper umschlungen, bevor er mich hochhob.
Ich antworte nicht, sondern kuschelte mich an seine Brust. Obwohl ich scheinbar geschlafen habe, war ich immer noch müde, sowie hungrig. Aber erst wollte ich einfach nur schlafen. Am besten dicht an seiner breiten, warmen Brust gekuschelt.

Im Hintergrund konnte ich Absätze auf dem Boden klappern hören. Vermutlich Kittie. Jedoch war ich viel zu schlapp, um meinen Kopf zu heben, weswegen ich mich einfach nur dichter an Patrick drückte und seinen Duft aufsaugte. Er roch nach starkem Aftershave, der so gut wie alles von seinem natürlichen Geruch überdeckte. So machte er sich weniger verletzlich – hat er mal zu mir gesagt. Ich fand einfach, dass zu viel Aftershave stinkt, jedoch war dieses Odeur sogar sehr angenehm für mich.

„Scheiße, hast du irgendwas genommen?", schnauzte sie mich an. Wie ich vermutet habe, war das Kat, oder wie ich sie manchmal gerne nannte: Kittie. Krasse Kittie.
Als Antwort kicherte ich nur, kuschelte mich fester an Patricks Brust, welcher daraufhin genervt aufstöhnte.

Sein Griff verstärkte sich etwas, als er mich aus dem leeren Zimmer trug, hat dabei meine Lederjacke um mich herumgewickelt. „Ich habe in zwei Stunden ein Sex-Date", brummte er leise, während er sich mit mir auf die Rückbank hinsaß. „Wehe du zerstörst meinen Porsche", konnte ich noch die Mahnung an Kat gerichtet hören.

Leise stöhnte sie genervt auf. „Jetzt lass deine Gereiztheit nicht an mir aus. Immerhin ist es nicht meine Schuld, dass wir in dieser Situation sind und eigentlich eine Straftat gerade begehen." Vorwurfsvoll sah sie kurz über ihre Schulter, zu mir nach hinten. Jedoch lachte ich nur kurz auf, knuddelte mich fester an Patrick. Er roch ausnahmsweise so gut. Diese paar letzten, noch aktiven Gehirnzellen sagten mir allerdings, dass es nicht sein Sex-Parfüm war.
Aufgrund seiner ausgefallenen Sammlung an Düften, hatte er für jeden Anlass ein eigenes. Sein Sex-Parfüm war für einmalige Dates, sozusagen einfach nur für den Zweck. Eine herbe, dominante Mischung, die an nasses Holz und eine orientalische Gewürzmischung erinnerte. Aber heute duftete er anders. Ein zarter, nicht aufdringlicher Duft. Eher so etwas wie wilde Rosen und feine Gewürze. Ziemlich angenehm. „Du riechst so gut, Patty. Mit wem wirst du dich denn treffen?", fragte ich leise, drückte meine Nase in sein Hemd, während ich hörte, wie Kathrin den Motor startete.

„Der Name lautet Chris", gab er mir leise als Antwort. Etwas stimmte nicht mit ihm, aber mein Kopf pochte zu sehr, als dass ich mich auf irgendetwas anderes konzentrieren konnte. Vor Schmerz stöhnend presste ich mich einfach fester an ihn, schloss meine Augen, um möglichst wenige Sinne zu belasten. Warum schmerzte auf einmal alles so sehr?

Auf meinem Rücken konnte ich die Hand von Patrick spüren, weswegen ich leicht lächelte. Es war schön zu wissen, dass er für mich da war. „Du bist so ein verdammter Idiot. Ich hoffe, dass es dir spätestens morgen besser gehen wird, damit ich dir dann Moralpredigten halten kann", murmelte er in mein Ohr. Na super. Als Antwort brummte ich einfach nur, kniff meine Augen fest zusammen, damit es so aussah, als ob ich schlafen würde.
Patricks Brust bebte ein wenig, weswegen ich leise schnurrte und mich dichter an die Wärme kuschelte. Im Hintergrund konnte ich das gleichmäßige, leise Surren des Sportwagens hören, sowie Wortfetzen der Lautsprecher. Vermutlich hatte Patrick noch irgendeine Rock CD in seinem CD-Player drinnen.
Mein Schädel dröhnte zwar noch, sowie ein seltsames Gefühl der Leere mich überrannte, doch ich verspürte vor allem eins: „Hunger." Ich maulte leise, schmiegte mich dichter an Patrick heran. „Hunger", sprach ich erneut, dieses Mal beinahe schon quengelig. Ich weiß nicht, was über mich gekommen war, aber ich hatte einfach verdammt viel Hunger.

Lautes Gelächter erklang von vorne. „Na komm, Patrick. Unsere gnädige Dame hat Hunger, also gehen wir jetzt Essen." Kathrin parkte irgendwo – immerhin war mein Gesicht noch in dem Hemd von meinem besten Freund versteckt – in der Nähe eines Lokals, denn ich konnte den fettigen Geruch selbst durch geschlossene Fensterscheiben riechen.

Ein unzufriedenes Gebrumme entwich Patricks Kehle. „Macht es dir etwas auf, allein auf Tony aufzupassen? Ich müsste mich langsam fertig machen. Ich gebe dir auch das Geld für ein Taxi. Bei allem Respekt, aber das ... One-Night-Stand-Date kann ich nicht absagen."

Kat stieg aus dem Wagen, öffnete daraufhin die Tür zu der Rückbank. „Natürlich nicht. Aber du solltest aufhören, uns anzulügen. Immerhin hast du nicht dein Sex-Parfüm oben. Er oder sie muss bestimmt ein wundervoller Mensch sein." Aus ihrer Stimme heraus konnte ich ein Lächeln hören, weswegen auch meine Mundwinkel zuckten.
Zögerlich sah ich zu Patrick hoch, streichelte kurz seine Wange entlang. „Lass dir von diesem oder dieser Chris nicht das Herz brechen ... und wenn doch, dann breche ich Chris was anderes." Müde lächelte ich ihn an, gab ihm einen Kuss auf die Wange, bevor ich mit wackeligen Beinen ausstieg. Das Dröhnen in meinem Kopf starb langsam ab, weswegen auch mein Sichtfeld klarer wurde. Es dämmerte bereits, doch die weißen Buchstaben des Lokals schienen hell zu leuchten, weswegen ich mehrfach blinzeln muss, um etwas erkennen zu können. Thomas Eck stand in schnörkeliger Schrift auf rotem Hintergrund geschrieben.

„Wundervoll", nuschelte ich, sah mich kurz nach Katherine um, die noch etwas mit Patrick besprach, bevor dieser auch schon wegfuhr. Ich hoffte, dass es ihm gut gehen würde. Seufzend sah ich zu Kat. „Können wir endlich rein? Ich verhungere", maulte ich, während ich eine Schnute zog.

„Schon gut, Prinzessin! Mich wundert es, dass du überhaupt noch stehen kannst." Eilig stöckelte sie zu mir, legte ihre schlanke Hand auf meine Schulter. „Na dann, ab in den Fettkessel", meinte sie gutgelaunt, bevor sie mich dann regelrecht in die Stube hineinzerrte.

Neugierig sah ich mich um. Schon seit längerer Zeit bin ich nicht mehr hier gewesen, obwohl dies mit Abstand meine Lieblingskneipe war. Zumindest in Berlin. Eine Pommes-Duftwolke trat gerade in meine Nase, weswegen ich leicht lächelte und mit begehrlichem Blick den Pommes Teller betrachte. Ich hatte so einen verdammt großen Hunger. Jedoch führten mich meine Beine beinahe schon automatisch zu der Bar. „Pommes und Cola bitte", bestellte ich, fügte allerdings noch ein „Cola mit Schuss" hinterher.

„Nein, ohne Schuss! Er ist völlig dicht!", schrie Kat zu dem Barkeeper, hockte sich blitzschnell neben mich und drückte fest auf meinen Arm.
Etwas genervt verdrehte ich die Augen. „Du bist nicht meine Mutter", murmelte ich, aber grinste ein wenig, als sich der Barkeeper zu mir umdrehte und mir zuzwinkerte. Mit einem Tröpfchen Schuss würde ich auf jeden Fall rechnen können. Das war schonmal etwas.

Ein wenig lehnte ich mich zurück, ließ meinen Blick durch den Raum streifen. Ich habe diese Kneipe vermisst. Jedoch kam mir absolut keiner der Kellner irgendwie bekannt vor. Vielleicht waren es mittlerweile einfach neue Leute.

„Man, Sie sehen aber begeistert aus!", entwich es mir, als ich meinen anderen ‚Sitznachbar' betrachtete. Seine breiten Schultern hingen nach unten, sein Blick schien sich regelrecht in das Glas vor ihm zu bohren. Trotz dieser eher passiven Erscheinung machte mich der Mann ziemlich neugierig.

Etwas verwirrt sah er hoch, blickte mich an. Seine dichte Augenbraue schnellte in die Höhe, während er mich musterte. „Wie bitte?", fragte er.

Fasziniert betrachtete ich seine blauen Augen. Sie wirken so kalt, dennoch voller Emotionen. Als ob er weit weg wäre. Mir kamen diese schönen Seelenspiegel sogar bekannt vor. „Nun, sie scheinen nicht sehr erfreut, dass Sie hier sind." Mir war es völlig egal, dass ich gerade einen komplett fremden – dafür sehr attraktiven – Mann mit Fragen belästigte. Vermutlich wirkten die Drogen noch. Das leise Dröhnen in meinem Kopf erinnerte mich daran.

„Geht Sie das etwas an?", fragte mein Gegenüber, legte den Kopf etwas schief. Die starken Schultern von ihm waren angespannt, sowie seine Muskeln das T-Shirt regelrecht zu fressen schienen. Nicht, dass es mich störte. Ganz im Gegenteil.

Ein wenig musste ich grinsen. Genau mit dieser Antwort habe ich gerechnet. „Nun, ich als Polizist möchte, dass es den Bürgern gut geht." Ich zückte mein Portemonnaie, zeigte ihm meinen Dienstausweis. Irgendein Teil von mir schämte sich sogar dafür, dass ich – der Koksende – überhaupt den Ausweis zeigte. So tat, als wäre mir der Staat und Regeln das wichtigste.

Nun entwich ihm ein leises, kurzes Lachen. Es war rau, als ob Schleifpapier über Steine geschliffen wurde. „Eine sehr interessante Begründung", meinte er grinsend, zwinkerte mir zu. Abwartend sah er mich an, wie ein Diensthund, der auf den nächsten Befehl wartete.

„Vielleicht bin ich ja ein interessanter Mann", meinte ich, nahm einen Schluck des Getränkes, was mir der Barkeeper herschob.

„Selbstbewusst auf jeden Fall." Erneut zuckten seine Mundwinkel nur kurz nach oben. So, als ob er versuchen würde zu lächeln, aber etwas ihn daran hinderte.

Fasziniert musterte ich ihn, rutschte etwas näher auf ihn zu. Da er dies nur mit einem kurzen Blick nach oben kommentierte, sah ich kein Problem, mich schließlich ganz neben ihn hinzusetzen. Im Hintergrund konnte ich Kittie nach Luft schnappen, sowie ein aufgeregtes „Tony" sagen hören, jedoch interessierte es mich gerade nicht. So wie ich sie kannte, würde sie früher oder später sowieso einen Partner, oder eine Partnerin für die nächtlichen Stunden finden. Sie sollte ihr Leben so führen, wie sie es wollte. Aber jetzt war ich dran. Jetzt wollte ich mich auf den interessanten Mann vor mir konzentrieren.

„Mein Name ist Anthony. Aber eigentlich nennen mich alle Tony", stellte ich mich vor, streckte ihm die Hand entgegen.

Erneut spürte ich, wie sich seine blauen Augen regelrecht durch meine Haut brannten, als er mich wieder ansah. Mein Kopf schmerzte zu sehr, um seinen Gesichtsausdruck deuten zu können. War es Verwunderung? Zorn? Angst? Freude? Ich konnte es wirklich nicht sagen.

Dennoch umschloss sich seine Hand um meine eigene. Sie war rau, stark. Unauffällig ließ ich meinen Daumen über seine Haut streichen. Ich konnte einige, feine Schnitte spüren. Er schien Handwerksarbeit zu kennen. „Till." Kurz und knapp. Er stellte sich einfach als Till vor, während sich seine Augen weiterhin in meine Haut brannten, ihre Markierungen hinterließen. Kleine Flammen schienen in den Schatten seiner Iris zu tanzen, das Feuer, was die Haut verbrennt, doch bis in meine Seele vordrang. Schmerz. Ich konnte diesen unendlichen Schmerz in seinen Augen sehen, weswegen sich ein Kloß in meinem Hals bildete. Manchmal verfluchte ich es, dass ich stets lernte, die Menschen zu lesen. Das war wichtig in der Kriminologie. Zögerlich löste ich meine Hand von seiner, konnte meinen Blick jedoch nicht von den zertrümmerten Seelenspiegeln lösen.

Lustige Funfacts:
Anthony stammt aus dem Englischen und bedeutet: verehrungswürdig
Till stammt aus dem Deutschen und bedeutet: Herrscher

Findet ihr eigentlich die Länge, etc. in Ordnung? Schreibt bitte mal ein Feedback.

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