Kapitel Acht - Lila
Ein Kloß bildete sich in meinem Hals. „Du willst mich ficken?", hauchte ich an seinen Finger, welcher immer noch auf meiner Lippe lag. Ein wenig verformte sich mein Mund zu einem Grinsen. Das könnte sehr interessant werden. Zögerlich strich ich über den breiten Brustkasten vor mir, genoss es die angespannten Muskeln unter meinen Fingerspitzen zu fühlen. „Und da schreiben immer alle, dass du sehr zurückhaltend sein solltest." Mein Grinsen wurde breiter, während ich den Kopf schief legte. In seinen schwarzen Pupillen spiegelte sich mein Gesicht und Gott ... ich sah aus wie eine Schülerin, die gerade versuchte, einen Studenten zu verführen.
Jedoch konnte ich seinem Schmunzeln nach beurteilen, dass er nicht abgeneigt war. Ich war also erfolgreich. Zumindest teilweise. Denn ob es wirklich meine Absicht war, ihn zu verführen, sei doch in den Sternen geschrieben. Aber es gefiel mir, wie er reagierte.
Sein Daumen strich erneut über meine Lippe, hinauf zu meinen Wangenknochen. „Hm", meinte er schmunzelnd. „Kannst du es mir verübeln?", raunte er in mein Ohr, biss vorsichtig in das Ohrläppchen, sodass ich kurz zusammenzuckte. Jedoch kommentierte ich das leise Ziehen mit einem schwachen Stöhnen.
„Das liebe ich an Männern. Es ist alles so unkompliziert, man muss niemandem den Hof machen", hauchte er an meine Haut, strich mit seiner großen Hand nun über meine Hüfte. Ich verstand nicht, wie er das tat, aber seine Berührungen taten so gut. Seine Stärke, seine Entschlossenheit. Nicht zu vergessen die Attraktivität dieses Mannes.
Vorsichtig berührte ich seinen Arm, drückte leicht den Bizeps. Stahlhart. Wie viel konnte ein Mann trainieren, um so verdammt harte Muskeln zu haben? Nun, persönlich konnte ich mich auch nicht über meinen Körper beschweren. Ich war durch und durch zufrieden mit mir selbst. Als Polizist musste ich sowieso fit sein, zudem kam ich durch den Stress sowieso kaum zu Essen. Hatte man als Sänger etwa so viel Zeit zum Trainieren?
Mit Fingerspitzen strich ich seinen Arm entlang, bis hin zu seiner rauen Handfläche, über die ich leicht kratzte.
Seine Mundwinkel zuckten leicht, als meine Fingernägel seine Haut leicht aufscheuerten. Erneut kam Till mir etwas näher, beugte sich vor, um leicht über meinen Hals zu lecken. Sofort bekam ich eine Gänsehaut. Verdammt, wir waren in aller Öffentlichkeit.
„Till, stopp", keuchte ich, drückte ihn ein wenig weg. Bebend sah ich zu ihm hoch, mein Herz raste wie wild. Mit zitternden Händen strich ich den Kragen seines Hemdes entlang, doch er griff nach meinem Handgelenk, sah mich mit dunklen Augen an.
„Wenn ich aufhören soll, sollst du das auch tun", raunte er heißer, kam mir jedoch etwas näher. Sein Geruch betörte mich regelrecht. Schweiß, ein strenges Aftershave und etwas nach Benzin. Leicht strichen seine Lippen über mein Ohr. „Willst du, dass ich aufhöre? Dann werde ich dich nie wieder belästigen", flüsterte Till, was mir eine Gänsehaut bereitete.
„Verdammt, weißt du denn nicht wie peinlich es ist, wenn man in der Öffentlichkeit einen Ständer hat?", hauchte ich angespannt, drückte mich leicht an ihn. Mein Körper zitterte regelrecht, während ich mich an ihn regelrecht presste. Ich fühlte mich wie ein geiler Teenager, welcher von seinem Freund das erste Mal richtig angefasst wurde.
Ein leises Lachen entwich seiner Kehle, während er mich mühelos an sich heranzog, drehte sich mit dem Rücken zur Straße, drückte mich an die nächste Hauswand. Erschrocken schnappte ich nach Luft, da ich die Kälte durch mein Shirt spüren konnte.
„Dann geht es dir wohl nur um deine Privatsphäre, hm?", fragte er schmunzelnd, strich meine Wange entlang. Kurz strich er über meine Lippen, bevor sein Daumen auf meinem Wangenknochen ruhte, mir tief in die Augen sah. Er hatte so wunderschöne blaue Augen. Immer wieder musste ich zu seinen wunderschönen blauen Augen sehen. Es schien so, als ob seine Augen Magnete wären. Meine Beine wurden regelrecht schwach.
„Ich will nicht, dass meine schöne Visage in der Bild abgedruckt wird und man mich als dein Betthäschen abstempelt", erklärte ich mit heißerer Stimme, was ein Grinsen auf Tills Gesicht entlockte.
Er schmunzelte und beugte sich über mich, sodass ich seinen heißen Atem auf meiner Haut spüren konnte. Aromanoten von Kaffee stiegen in meine Nase. Ein äußerst starker Kaffee, welcher mich an den erinnerte, den mein Vater immer morgens getrunken, während er gelangweilt durch die Tageszeitung geblättert hat. Brasilianische Bohnen.
„Betthäschen gefällt mir, Kleiner", hauchte er in mein Ohr, bevor er leicht in mein Ohrläppchen biss. Ein schwaches Keuchen entwich mir, während meine Hand sich beinahe schon automatisch in seine Schulter festkrallte.
„So klein bin ich gar nicht", hauchte ich, griff kurz nach seinem Schritt, was Till mit einem leisen Stöhnen kommentierte. „Und um mich als Betthäschen zu haben, musst du dich mehr anstrengen", fügte ich noch hinzu, drückte kurz sein bestes Stück, bevor ich sanft, dennoch bestimmt von mir drückte und schließlich meinen Weg weiterlief.
In meinem Rücken konnte ich seinen verdatterten Blick spüren, was mich doch etwas zum Schmunzeln brachte. Es lag nicht nur daran, dass vermutlich noch nie jemand Till Lindemann abgewiesen hat – wer würde dies denn schon machen, er ist wirklich ein unglaublich attraktiver Mann – sondern eher, dass ich einmal auf die inneren Schmerzensschreie meines Körpers gehört habe. Meine Schenkel waren noch wund von gestern, sowie mein Hintern noch brannte.
„Hey! Bekomme ich wenigstens noch deinen Namen?", schrie er auf einmal, weswegen ich doch stehen blieb und mich zu ihm umdrehte, etwas grinste.
„Anthony", gab ich nur als Antwort, ging einfach weiter, um möglichst bald wieder an Kitties Seite zu sein. Immerhin fühlte ich mich schon schlecht genug, sie allein gelassen zu haben. Wir mussten viel einkaufen und sie alles selbst schleppen zu lassen wäre doch etwas asozial von mir.
Irgendwas rief mir Till noch hinterher, doch ich ignorierte ihn einfach und fing an zu joggen. Ich wusste nicht, wie gut seine Kondition war, aber einen ausgebildeten Polizisten einzuholen, der regelmäßig Sporttests absolvieren musste, schien mir doch eher unwahrscheinlich zu sein.
„Das ging aber schnell", begrüßte mich Kittie, als ich schließlich den Penny betrat.
Amüsiert grinste ich. „Ich habe ihn abgewiesen", erklärte ich, während ich paar Packungen Pudding in ihren Einkaufswagen packte, in dem sich schon Brot, literweise Wasser, Butter und so Grundnahrungsmittel befanden. Immerhin dachte eine von uns an einigermaßen gesundes Essen.
Ungläubig starrte sie mich an. „Du hast Till Lindemann abgewiesen? Den Typ, auf den du so hart Anfang zwanzig gestanden hast? Du hast zu ihm gewichst und dein Halbbruder hat dich erwischt." Ihre Augen waren geweitet, aber dennoch grinste sie leicht. „Du bist ein schlimmer Casanova, weißt du das?" Leise lachte sie.
Vermutlich hat Kittie bemerkt, wie rot ich geworden bin. „Nein, ich will nur, dass er sich mühe macht, falls er wirklich Interesse hat. Beziehungsweise Lust hat zu vögeln", gab ich als Antwort, zuckte mit den Schultern. Innerlich betete ich, dass sich Till die Mühe machen würde, auch wenn es nur ein kleiner Hoffnungsschimmer war. Sein heißer Atem, sowie die raue, angenehme Stimme ließ mich jetzt noch eine Gänsehaut fühlen. Alles von Till ist einfach zu verlockend gewesen und es ist soviel Selbstbeherrschung notwendig gewesen, mich ihm nicht völlig an Ort und Stelle hinzugeben.
Vielleicht ist aber auch mein Stolz etwas beteiligt gewesen, um das kleine bisschen Würde aufrecht zu erhalten, was ich noch hatte. Zu viele Sachen habe ich schon erlebt, sowie getan, auf die ich nicht stolz war. Viel zu viel.
„Oh verdammt, in zehn Minuten müssen wir beim Starbucks sein." Patrick sitzen zu lassen wäre eines der schlimmsten Dinge überhaupt. Eilig warf ich noch die Sachen in den Einkaufswagen, die noch fehlten und schlitterte zur Kasse.
„Na toll und wir müssen die ganze Scheiße auch noch mitschleppen", maulte Kittie, während sie noch eine Packung Kinderschokolade in den Wagen warf. So wie es aussah, würden wir beide bald an einem Herzstillstand oder Diabetes verrecken, denn unsere eingekauften Speisen bestanden hauptsächlich aus Zucker. Oft waren wir einfach zu faul, um zu kochen, weswegen wir dann einfach Schokolade oder Pudding den ganzen Tag aßen. Warum meine Blutwerte dennoch normal waren, war mir einfach ein Rätsel. Sowas konnte ja nicht wirklich normal sein.
Nachdem ich mit Karte gezahlt habe, meine beste Freundin einfach alles in eine Tasche geworfen hat, stürmten wir wieder zur S-Bahn, um zum Alex zu fahren. Beim Alexanderplatz befand sich der Starbucks, in dem Patrick immer hin ging. Nicht allzu weit von seiner Kanzlei entfernt. Nun, als Staranwalt konnte man sich einen fast täglichen Besuch des überteuerten Cafés leisten.
Mit dem Tragen der Tasche wechselten sich Kittie und ich uns ab, während wir über den Alexanderplatz stolperten. Jedoch konnte ich schon aus der Ferne Patrick entdecken, welcher allein an einem Tisch saß, immer wieder auf seine schicke Armbanduhr blickte und sich umsah.
„Mister Anwalt wartet schon", meinte Kittie schnaufend, drückte mir wieder die Tasche in die Hand.
Keuchend nickte ich, ließ mich dann auf einem Stuhl vor Patrick plumpsen. Meine beste Freundin setzte sich eher elegant hin.
„Pünktlich wie immer", begrüßte mich mein Freund aus Kindertagen, rollte mit den Augen. Dennoch schlich sich ein kleines Grinsen auf sein makelloses Gesicht. Ich verstand immer noch nicht, wie Patrick das hinbekam, dass seine Haut immer noch wie gemalt aussah.
„Für einen Amerikaner verhältst du dich ziemlich deutsch", gab Kittie zurück, jedoch umarmte sie Patrick dann. „Also, erzähl uns alles über dein Date." Ihre Augen funkelten frech, als sie sich von ihm gelöst hat, sah auffordernd zu ihm hoch.
Etwas kratzte sich Patrick am Hinterkopf. Schon da war mir klar, dass er uns etwas verheimlichen würde. „Wir haben uns ganz altmodisch in einem Café getroffen. Eher etwas teurer. Nicht so teuer wie in der Schweiz, aber auch etwas mehr als der Durchschnitt. Chris ist wirklich eine unglaubliche Person. Nicht nur attraktiv, sondern einfach ... mit Klasse. Intelligent, witzig. Vor allem haben wir den gleichen Musik- und Seriengeschmack. Wir werden uns noch öfter treffen." Etwas verträumt sah er auf irgendeinen undefinierbaren Punkt, lächelte glückselig. Seine blauen Augen funkelten wie tausend Sterne.
„Über was habt ihr denn so geredet?", wollte ich wissen. Auch wenn ich einerseits etwas enttäuscht war, dass Patrick mich einfach so anlog, war ich doch überglücklich, dass er endlich jemanden gefunden hat, der ihn glücklich macht. Ich konnte mich kaum noch daran erinnern, wann ich ihn zum letzten Mal mit so einem Lächeln gesehen habe. Vermutlich vor über zwei Jahren, bei einem Grillfest, als bei ihm noch alles in Ordnung war.
Er winkte ab. „Noch nichts über zu Tiefgründigem. Aber er weiß Bescheid, dass ich einen Sohn habe."
Da war es. Kaum als diese Worte seine Lippen verließen, sah Patrick auf, als ob ihm erst jetzt bewusst wäre, was er gesagt hat. Reue und Hilflosigkeit standen in seinem Gesicht geschrieben.
„Warte mal ... er? Chris steht für Christian?", fragte Kittie mit weit aufgerissenen Augen. Entgeistert starrte sie Patrick an, welcher nun seinen Kaffee schlürfte und keinen von uns beiden mehr ansah.
„Chris steht für Christoph", murmelte er, sein Blick immer noch an uns vorbei.
Um ehrlich zu sein überraschte mich das nicht. Auch wenn Patrick ein wahrer Frauenheld war, so hat er doch immer mal wieder leichtes Interesse an demselben Geschlecht gezeigt. Schon während der Schulzeit sind mir vor allem nach dem Sportunterricht die Blicke aufgefallen, mit denen er unsere Klassenkameraden angesehen hat. Das einzige, was mich überrascht war, dass er absolut nichts gesagt hat. Es wollte mir nicht in den Sinn kommen, weswegen er dies verheimlicht hat. Ich habe mich bei ihm damals als erstes geoutet.
„Aber du hast doch eine Frau gehabt und auch einige nach ihr, auch wenn es meistens irgendwelche Cracknutten vom Bahnhof waren...", fing Kittie entgeistert an, starrte weiterhin Patrick mit aufgerissenen Augen an.
„Kittie!", unterbrach ich sie, meine Augen funkelten kurz, warf ihr einen Blick zu, der einen Pitbull hätte einschüchtern können. Leicht beugte ich mich vor, griff vorsichtig nach Patricks Hand. „Darling, warum hast du denn nichts gesagt? Du weißt doch, dass wir kein Problem mit sowas haben. Vor allem da ich ja selbst schwul bin."
Schwer schluckte er, erwiderte den Druck und sah zu mir hoch. Seine Augen waren wieder so emotionslos, sodass ich das Gefühl bekam, in die Augen einer Leiche zu sehen. Leise seufzte er. „Weil ich ... ich musste erstmal mich selbst akzeptieren. Ich habe es herausgefunden, als wir mit der Kanzlei in einem Irish Pub feiern waren und ein Typ meinen Schwanz auf dem Klo gelutscht hat. Ich wollte dann mehr ausprobieren und ... irgendwann habe ich dann kapiert, dass ich auch auf Männer stehe. Ich habe mir so gewünscht, dass das eine Phase wäre. Es ist ein Unterschied, ob du einen festen Freund hast, oder einen festen Freund und ein Kind. Homosexuelle Eltern werden immer noch nicht so gerne gesehen. Auch wenn es 2018 ist und wir hier in Deutschland leben. Ich habe es doch gesehen, als du mit deinem Exfreund auf der Straße unterwegs warst. Und ihr hattet nicht mal ein Kind dabei. Auch wenn uns niemand mehr mit Steinen bewirft, sehen sie uns immer noch so an. So, als ob wir anders wären als sie. Sie geben uns diese Blicke, als ob sie es nicht verstehen können.
Warum sind noch so viele Menschen mit so viel Hass geprägt, dass sie es nicht verstehen können, dass wir nur lieben? Ich meine, ich habe es mittlerweile akzeptiert. Ich bin ein bisexueller Vater, der einen wundervollen Mann namens Christoph datet. Ich wünsche jeden auf dieser Welt, dass sie ihr wahres Glück finden. Aber ich frage mich, ob die anderen das Akzeptieren. Ich will nicht, dass mein Sohn diesen Hass fühlt, nur weil sein Vater so lebt wie er tatsächlich ist. Welcher Vater würde das seinem Sohn antun wollen?"
Seine Schultern bebten etwas, während er sprach. Ich bemerkte, wie sich ein Kloß in meiner Kehle formte, als er so vor mir saß. Zitternd, ehrlich. Verwundbar. Seine Augen waren schon ganz nass, wobei mir schon eine Träne die Wange hinab rollte.
„Patrick. Allein, dass du dir Gedanken darüber machst, dein Kind zu schützen, macht dich zu einem großartigen Vater. Aber zeige deinem Sohn, dass sein Vater stolz darauf ist, der zu sein, der er wirklich ist. Dann zeigst du ihm auch, dass er stolz auf sich sein kann. Kittie ist nicht hetero, ich bin nicht schwul und du bist nicht bisexuell. Wir sind alle Menschen und verhalten uns menschlich. Das macht uns gleich. Wir sind Menschen. Darauf kommt es doch an. Wir lieben, trauern, lachen, weinen. Jeder auf seine eigene Art und Weise, aber wir fühlen."
Hey Leute, verzeiht mir das späte Update. Zuerst eine OP, dann Feiertage und schließlich auch mein innerer Schweinehund. Während ich dieses Kapitel geschrieben habe, habe ich überlegt wie unsere Gesellschaft mit Homosexualität umgeht. Ich muss sagen, dass ich enttäuscht bin. Es wird so gut wie totgeschwiegen. In der Schule wird das Thema einfach ignoriert, außer man hat einen offenen Queer in der Klasse, der Referate darüber macht, noch immer werden homosexuelle Paare auf den Straßen dumm angesehen, wie Politiker oder die Kirche über uns reden wird ignoriert. Deutschland ist nicht so tolerant, wie es gerne tut.
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