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M A N I A C
L O V E
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[Back to normal!]

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Ein bisschen traurig starre ich aus dem kleinen, ovalen Flugzeugfenster. Zunächst war ich enorm froh, einen Fensterplatz zu haben, aber sobald ich auf diesem saß, realisierte ich gleichzeitig auch, dass ich bald wieder zu 'Hause' sein würde.

Das einzig Gute an diesem Flug ist, dass ich ich nicht erneut neben einem idiotischen und arroganten Schönling sitzen muss, da es Jay für den Rückflug gebacken bekommen hat, uns drei nebeneinander zu setzten.

Dieser elfstündige Flug zurück in meine Heimat, bedeutet gleichzeitig den Flug zurück in die Realität. Die letzten paar Tage waren einfach nur unbekümmerter Spaß ohne Rückblick in die Vergangenheit oder Gedanken über die Zukunft. Das würde zurück in London wieder zu Ende sein, wie eine Kaugummiblase, die zerplatzt.

Der Flieger steigt. Alles unter uns wird immer kleiner, bis ich den amerikanischen Boden schließlich gar nicht mehr sehen kann. In 11 Stunden ist der Traum der vergangenen Tage endgültig vorbei.

Ich seufze.

***

"Wollen wir noch einen Filmabend machen? Ich bring dich morgen dann zurück ja?", fragt mich Jayden.

Es war vielmehr eine Mitteilung, statt einer Frage. Wir saßen mittlerweile wieder in seinem Auto auf dem Weg zu sich und Lynn nach Hause. In London herrscht, wie gewohnt, ein ekliges Frühsommerwetter. Sobald ich den ersten Schritt aus dem Flughafen getätigt hatte, vermisste ich augenblicklich das
süd-US-amerikanische Wetter.

"Hört sich nicht so an, als hätte ich noch viel mitzureden.", antworte ich ihm schließlich.

"Da liegst du völlig korrekt."
Ich verdrehe grinsend die Augen.

"Ich will aber den Film aussuchen!", teile ich ihm meine Bedingung mit.

Ihm Rückspiegel kann ich erkennen, wie er eine Augenbraue hochzieht, als Zeichen dafür, dass er offensichtlich auf meinen Vorschlag wartet.

"Club der toten Dichter", antworte ich ihm also auf seine unausgesprochene Frage.

"Abgelehnt!"

"Abgelehnt!", rufen die Zwombies gleichzeitig.

Ich schmolle, obwohl ich genau mit dieser Reaktion gerechnet hatte.

"Och wieso nicht?"

"Den hast du schon x-Mal gesehen und ich wette du schaust ihn nur noch, um uns zu ärgern. Ich hätte aber einen tollen Gegenvorschlag...Wie wäre es mit Twilight?"

"Abgelehnt!... Wenn du solche bescheuerten Filmvorschläge bringst, wirst du von dieser Film-Wahl ausgeschlossen, Lynola.", reagiere ich sofort und muss lachen, als sie die Unterlippe vorschiebt.

"Außerdem würdest du eh nicht viel vom Film mitbekommen, wenn du die ganze Zeit mit Brian schreibst.", neckt Jay vom Fahrerplatz vorne weiter.

Lynn reagiert jedoch nicht darauf, sondern seufzt nur verträumt auf.

"Er ist aber auch verdammt süß."

Ich lege meine Stirn in Falten. Oh Gott. Die hat es ja erwischt.

Ich schüttel den  Kopf.
"Ich hab gehört 'Knowing' soll ganz gut sein.", wage ich einen neuen Vorschlagsversuch.

"Okay einverstanden."

Lynn nickt lediglich abwesend.

***

Oh mein Gott. Der Film drückt mir auf meine Tränendrüse. Zusammenreißen Jo!

Niemals, aber wirklich niemals würde ich in Gegenwart von anderen anfangen zu heulen. Nicht einmal vor Jayden.

"Wiesoooo. Nein. Das kann doch nicht wahr sein. Warum schmuggelt er den Vater nicht einfach mit in dieses Alienschiff rein? Es ist doch schließlich groß genug."

Lynn hatte inzwischen fast zwei Taschentuchpackungen mit ihren Tränen vollgewässert. Die Tatsache, dass Brian ihr zeitgleich noch charmante Nachrichten schickt, scheint ihren Hormonhaushalt völlig aus dem Ruder zu bringen. Recht hat sie ja. Ob ich das zugeben würde? Vermutlich niemals.

"Na wenigstens nimmt er das Karnickel mit."
Lynn, die meine Ironie ganz offenbar nicht versteht, schluchzt auf und nickt.
"Ja, da hast du Recht.", erwidert sie mit tränenerstickter Stimme.

Mühsam versuche ich mein Lachen zu unterdrücken, was mir durch das plötzliche Grummeln in meinem Bauch schnell gelingt.

"Jayyyden-", unterbreche ich die eher depressiv dramatische Stimmung im Raum mit meinem Gejammer.
"-ich hab Hunger."

Ich muss gestehen. Ich bin ein richtiger Stimmungskiller, also wortwörtlich, Stimmungen jeder Art.

"Erzähl mir was neues.", meint Jayden trocken, während er die durch mein Genörgel versäumte Minute des Filmes zurückspult. Abwartend schaue ich ihn an. Während der 16 Jahre, die wir uns nun schon kennen, haben wir eine Art Sprache ohne Sprache entwickelt. Das heißt wir verstehen uns wortlos.

"Jo du hast zwei gut funktionierende Beine und Hände. Geh in die Küche und mach dir was zu essen."

Dass ich ganz schlicht und einfach zu faul zum Aufstehen geschweige denn zu irgendetwas war, ist wohl kein Argument.

"Ich bin dein Gast. Ich habe Hunger. Mach mir was zu essen!"

Amüsiert schaut Jay mich an.
"Jo, du bist kein Gast. Du lebst doch praktisch hier. Geh und mach dir selber was."
Angestrengt suche ich nach einem überzeugendem Argument.

Schließlich zücke ich mein Handy und wähle die Nummer von 'Pizza Domino'. Nach einem Telefonat und einer Bestellung von 2 Familienpizzen später, schaut Jayden mich tadelnd an.

"Tststs. Die Bequemlichkeit des Menschen-", er schüttelt den Kopf.
"-wird auch immer schlimmer."
Ich verdrehe die Augen.

"Mecker nicht rum. Sei froh, dass ich für euch mitbestellt habe."

***

30 Minuten später klingelt es. Dieses Gebimmel bedeutet Essen. Schnell vergesse ich meine Trägheit und sprinte zur Tür, die ich sofort schwungvoll aufreiße.

Mit zwei bezahlten Pizzakartons in den Händen schließe ich die Tür drei Minuten später wieder.

"Kindeeeeeeer, ich habe gekoooocht.", träller ich.

Lachend folgen mir die Zwombies in die Küche.

***

Kaum zu fassen, dass nur drei Personen von zwei, ich wiederhole ZWEI Familienpizzen nicht satt werden. Okay ich gebe zu vielleicht sollte man dies an uns nicht messen vor allem, wenn ich mitesse. Aber mal ganz ehrlich eine durchschnittlich Familie besteht aus vier Personen, zwei Elternteilen und zwei Kinder. Wenn wir zu dritt schon zwei dieser Giga-Pizzen essen, wie viele muss dann so eine Familie bestellen? Natürlich könnte ich dies jetzt mathematisch anhand unserer Messungen über den Dreisatz ausrechnen, aber mal ehrlich: ich bin nicht um sonst fertig mit der Schule...jedenfalls vorerst. Der Begriff 'Familienpizza' ist somit völlig untreffend.

Den Spruch der Lehrer 'Ihr lernt nicht für die Schule, sondern für das Leben' finde ich persönlich lächerlich. Wann zur Hölle brauche ich eine verdammte Konsekutivbestimmung jemals wieder. Ich meine ich setzte mich doch in Zukunft nicht an meinen Küchentisch, lese meine Briefe und denke mir dabei: 'Ach wie schön...dieser Nebensatz dritten Grades ist eindeutig duch ein Konsekutivbindewort eingeleitet.' Was zur Hölle. Biologie ist auch so ein Fall. Dieses Fach bedeutet stundenlanges Pauken und letztendlich ist die Lösung immer Photosynthese.

Als wir gerade mitten auf dem Küchenboden mit den riesigen Pizzakartons vor uns sitzen, wird die Tür auf einmal aufgerissen.

"Nein du bist erst 15. Keine Party für dich am Wochenen-"

Die hübsche Frau mittleren Alters blickt uns an.

"Warum wusste ich, dass ihr euch, sobald ihr aus der Schule raus seid, so verhalten würdet. Kinder falls es euch noch nicht aufgefallen ist...wir genießen den Luxus und besitzen einen Küchentisch."

Sie platziert die Kartons darauf und auch unsere Gläser.

"Und schaut-", sie zieht ein gespielt überdramatisches Gesicht und klatscht in die Hände. "-er funktioniert auch noch 1A."

Die Zwillinge verdrehen die Augen.
"Hi Mum, wir haben dich auch vermisst.", murmelt Jay ironisch.

Sie gibt den beiden einen feuchten Kuss auf die Wange, welchen die beide so schnell es geht wieder wegwischen.

"Ach und Jolina, alles Gute nachträglich. Das ging alles so schnell am Freitag, da sind wir ja gar nicht zum Zuge gekommen miteinander zu reden."
Sie zieht mich in eine lange Umarmung, sodass mein 'Danke Moira' fast nicht zu hören war.

"Moooom, bitte. Alle sind dort. Ich muss da auch hin."

Nun kommt noch eine weitere Person in die Küche. Bauchfreies Shirt und Hotpant. Bei diesem Wetter! Zweifelsohne Pubertät. Nicht das ich in irgendeiner Weise erwachsener wäre.

"Ich bin nicht dort."

Die trockene Reaktion von ihrer Mutter lässt mich auflachen.

"Och Moooom, du bist so scheiße."

"In diesen Ton schon mal gar nicht, Annabell Rosell Dixon."

Fasziniert  verfolge ich den Mutter-Tochter-Konflikt.

Als aber plötzlich eine unangenehme Stille im Raum entsteht, nicke ich zu Annas Nase.
"Schicker Piercing."

Die Zwillinge, die wahrscheinlich schon wussten, dass ich damit ein kritisches Thema aufgegraben habe, ziehen mich noch rechtzeitig aus dem Raum und schließen die Tür, sodass der Streit nur noch gedämpft zu uns durchdrängt.

Oops.

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