M A N I A C
L O V E
{4}

[Achtzehn, und nun?]

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Ach ja... Fliegen ist schon eine tolle Sache. Also im theoretischem Sinne jedenfalls. Ich meine wessen Kindheitstraum war es nicht fliegen zu können. Um ehrlich zu sein glaube ich ja immer noch daran, eines Tages ganz unbeschwert wie ein Vogel durch die Luft gleiten zu können. Auch nachdem mir die älteren Kinder im Heim eingetrichtert haben, dass es den Weihnachtsmann nicht gäbe, habe ich konsequent jedes Jahr auf meinen Wunschzettel an zweiter Stelle geschrieben, dass ich fliegen können möchte. An erster Stelle war immer der Wunsch nach einer glücklichen Familie. Als ich dann irgendwann aufgehört habe, daran zu glauben, dass einer dieser Wünsche jemals in Erfüllung gehen wird, wurde ich eben so wie ich heute bin. Schuld daran ist also allein nur der Weihnachtsmann, der im Grunde genommen allerdings nicht existiert. Fakt ist, ich kann nichts dafür, dass ich manchmal eventuell etwas unfreundlich bin, wobei ich mit 'manchmal' immer und mit 'etwas' etwas sehr meine.

Die Hoffnung an sich, jemals fliegen zu können, habe ich jedoch noch nicht und werde ich wahrscheinlich auch niemals begraben. Das hat mich zwar schon das ein oder andere Mal in Schwierigkeiten gebracht: zum Beispiel, als ich mir mal eine Gehirnerschütterung und einen gebrochenen Arm eingebrockt habe, weil ich mich mit zarten sieben Jahren von einem Baum gestürzt habe, da ich mir damals in einem Moment von bemerkenswerten Mut und Selbstbewusstsein ziemlich sicher war fliegen zu können.

Aber es hat sich gelohnt.

Naja eigentlich ja nicht, weil ich acht Wochen mit einem hässlichen Gips durch die Gegend laufen musste.

Aber mal ehrlich. Die schlauen Köpfe in dieser Welt, die im Gegensatz zu mir Ahnung von Physik und Mathematik haben, werden mit Sicherheit in der mehr oder weniger absehbaren Zukunft eine Variante finden, damit Menschen ohne Flugzeuge fliegen können.
Ich meine, was haben wir nicht mittlerweile an Technologie? Einen Roboterrasenmäher zum Beispiel. Die Dixons haben so ein Ding. Ich persönlich kann 'Bobby' (so haben die Dixons den Roboter genannt und ja es war Lynn's Idee) nicht leiden. Ich hab das Gefühl, dass er mich die ganze Zeit verfolgt, wenn dieser an ist und ich da bin.

Wie zur Hölle bin ich jetzt eigentlich auf das Thema Roboterrasenmäher gekommen?

Typisch ich.

Wie dem auch sei.

Ich mag Flugzeuge nicht. Elf Stunden an einen Platz gefesselt zu sein, der nichtmal einem Quadratmeter entspricht, ist irgendwie nicht so mein Ding. Nachtflüge sind die schlimmsten. Das komplette Flugzeug schweigt. Es herrscht hier drinnen totenstille. Ich hab das Gefühl, dass alle anwesenden Personen, außer dem Piloten (hoffentlich), unbeschwert schlafen können, ausgenommen von meiner Wenigkeit, die seit drei verdammten Stunden wortwörtlich auf dem Schoß ihres zugegebenermaßen heißen Sitznachbarn hockt, um aus dem Fenster zu starren, da dies die einzige Beschäftigung ist, von der sie nicht kotzen oder vor Langeweile sterben muss. Man sollte eventuell anmerken, dass ich nicht einmal etwas sehen kann außer Dunkelheit und die Umrisse einiger vereinzelten Wolken, aber wie gesagt, mir ist langweilig.

Redest du jetzt mittlerweile schon von dir in der dritten Person?

Super es reicht ja nicht, dass ich hier von der Monotonie des Nachtflugdaseins vergammel, nein jetzt meldet sich sogar meine innere Stimme. Eindeutig ein Indiz für Todes-Langeweile. Kann man an Langeweile eigendlich sterben?

Solange ich da bin jedenfalls nicht...

Bullshit, du beschleunigst alles nur unnötig. Dämliche innere Stimme. Ein neuer Punkt auf meiner Liste 'Dinge die, die Welt nicht brauch.' (An erster ist Schule, und an zweiter Liebe. Nur für den Fall, dass es jemanden interessiert.) Und auf meiner Todesliste bist du auch.

Ha. Das will ich sehen. Wie du mich umbringen willst, meine ich.

Sollte ich mir Sorgen machen, wenn eine Stimme in meinem Kopf gruselige Lachgesräusche von sich gibt, denn genau das passiert gerade. Bitte lass diesen Flug doch endlich vorbei sein.
Erst drei Stunden geschafft und noch acht vor mir. Ich habe letztens gelesen, dass das mit den Wurmlöchern aus StarTreck tatsächlich funktionieren könnte. Jetzt wäre doch mal der perfekte Moment, um dies zu testen.

Jetzt tu halt so, als wärst du belesen...

Bitte innere Stimme, tu mir den Gefallen und geh dich verbuddeln. Du bist echt unnötig.

Der Typ neben mir murmelt irgendwas. Ich frage mich, ob Mister Arschloch es merken würde, wenn sich meine Hand ganz ausversehen unter sein T-Shirt verirren würde, um herauszufinden, ob er ein Sixpack hat...

Jap, definitiv zu wenig Schlaf und zu viel Langeweile.

Bevor ich irgendetwas unüberlegtes machen konnte, was ich mit Sicherheit im Nachhinein bereut hätte, da der Typ es bei meinem Glück mit hoher Wahrscheinlichkeit bemerkt hätte, holen mich die beiden Stimmen meiner besten Freunde aus den Gedanken und mindestens die Hälfte der Flugzeugpassagiere aus dem Schlaf.

"Happy Birthday Jooooooo!"

"Omg Jolina du bist jetzt offiziell 18. Happy Birthday!"

Ich werfe einen Blick auf meine Uhr.

00:00 Uhr. Ich bin 18. Yeyyyy.

Es gibt Tage, an denen ich die beiden gerne erschlagen würde und im Moment bin ich da glaube ich nicht die einzige, da mir und den Zwombies augenblicklich grimmige Blicke zugeworfen werden. Man beachte das Wort Zwombies an dieser Stelle bitte, auf das ich im übrigen sehr stolz bin. (Zw=zwei=Zwillinge; und eben Zombies, weil die Zwillinge manchmal einfach nur schrecklich sein können, so wie eben gerade.)

Jetzt, da alle wach sind, ist es ja eigentlich egal, also rufe ich:
"Yeah, wo bleibt der Alkohol?"

Im nächsten Moment kam ein aufgetakeltes Blondchen alias Stewardess auf mich zu gestockelt.
"Ich bitte sie, etwas leiser zu sein. Einige Passagier versuchen hier zu schlafen."

"Oh natürlich Verzeihung." , entschuldigte ich mich mit einem Hauch von Sarkasmus.

"Könnte ich jetzt trotzdem etwas Alkohol haben? Wie wäre es zum Beispiel mit einem Glas Sekt?"
Ich hatte schon erwähnt, dass Höflichkeit nicht unbedingt meine Stärke ist? Ja? Na dann ist das hier ja keine Überraschung mehr.

"Dies ist eine amerikanische Airline, Miss. Sie sind ganz offensichtlich erst 18. Ich weiß ja nicht woher sie kommen, aber in Amerika darf man erst ab 21 legal Alkohol trinken. Trotzdem alles Gute zu Ihrem Geburtstag."

Ungläubig starre ich sie an. Ernsthaft? Immer diese gesetzesgebundenen Spießer. Ich würde ja gerne sagen, das diese Frau wahrscheinlich aufgrund ihres todernsten und spießigen Verhaltens kein Sexleben hat, aber ich glaube, das würde nicht stimmen. So wie sie aussieht. Kein Wunder, dass sie Stewardess geworden ist.

Der Typ neben mir ist ebenfalls aufgewacht und grinst amüsiert vor sich hin.

"Also besonders schlau habe ich dich ja nicht eingeschätzt, aber so blöd nun auch wieder nicht.", mischt er sich nun auch noch ein.

"Und dich hat keiner nach deiner Meinung gefragt, Arschloch.", entgegne ich ihm mit zusammengekniffenen Augen.

"Ich weiß, du kannst es nicht besser wissen, aber mein Name ist Luke." Selbstsicher streckt er mir dir Hand hin. Ohne Frage meint er diese Geste eher spöttisch als höflich.

"Mal davon abgesehen, dass ich das nicht wissen wollte, steht dir Arschloch besser." Nun bin ich diejenige, die ihn spöttisch mit einer hochgezogen Augenbraue anschaue.

Seine Kinnmuskeln zucken auffällig und seine Lippen pressen sich aufeinander. Bevor er aber etwas erwidern kann, landet ein Beutel auf meinem Schoß. Mit verwundertem Blick suchte ich nach dem Werfer des Beutels. Jayden grinst mich an und ruft nocheinmals ein unüberhörbares 'Happy Birthday' in das Flugzeugabteil.

Ich werde heute auf jeden Fall als die meinstgehasste Person aus diesem Flugzeug gehen.

Im Beutel befindet sich ein hässlich verpacktes Päckchen und eine weitere Tüte. In dem Päckchen, welches zweifellos von Jayden höchstpersönlich eingepackt wurde befand sich eine Art Fotoalbum. Ich blätterte in den ersten paar Seiten herum und stellte ziemlich schnell fest, dass er nur peinliche Bilder eingeklebt hatte.

Allerliebste Lieblings Jolina,
Alles Gute zum Geburtstag... blablabla. Ich hab letztens schon ein graues Haar entdeckt. Nur Spaß. Dieses Buch soll dich an deine Kindheit erinnern. Zu deiner Info: es existieren nur peinliche Bilder von dir. Also bevor du dich wieder aufregst, warum ich nur Bilder von dir ausgewählt habe, auf denen du doof schaust, so siehst du immer aus ;)
Alles Gute Kleines
Dein allerliebster Lieblings- Jay♡

... stand vorne im Buch in seiner krakeligen Schrift. Charmant wie immer Jayden. Schnell klappe ich das Buch wieder zu. Ich muss Mister Abgehoben ja nicht noch weitere Gründe geben, sich über mich lustig zu machen.

In der Tüte befand sich außerdem noch eine normale Flasche. Mit gerunzelter Stirn öffnete ich sie. Mal davon abgesehen, dass ich mich frage, wie zur Hölle es Jayden geschafft hatte, die Flasche ins Flugzeug zu schmuggeln, denke ich nicht, dass Jayden mich jemals vergiften würde, also nehme ich einen Schluck. Ziemlich schnell stellte ich fest, dass es sich nicht um normales Wasser handelte, sondern um reinen Wodka.

Jay denkt an absolut alles.

Randnotiz an mich selbst: Jay später dafür danken.

Ich nehme einen zweiten Schluck und drücke die Flasche danach in die Hand des Arschlochs.

Nun denn...lasset die Party beginnen.