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M A N I A C
L O V E
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[Das Geschehene]
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Verwirrt starre ich ihn an. Brauchen? Wozu sollte er mich möglicherweise brauchen können? Bisher habe ich die ganze Zeit angenommen, dass er aus mir unerklärlichen Gründen einfach nur Spaß daran gefunden hat, mich leiden zu sehen.
"Wie-e, ich meine wa-a-s meinst du damit?", stottere ich. Teilweise aus dem Grund, da ich im Moment vollkommen verwirrt über die Situation bin und teils, weil Luke mir immer noch verdächtig nahe steht.
Er starrt mir lange mit seinen glasklaren Augen, dessen Farbe irgendwo zwischen ozeanblau und wiesengrün liegt, in meine, im Vergleich zu seinen, langweiligen grünen Augen.
Schließlich dreht er seinen Kopf zur Seite und lässt seine Hände in den Taschen seiner Jogginghose verschwinden.
"Ist 'ne lange Geschichte.", murmelt er mit konsequenten Blick auf seine Deko-Plastikpflanze.
Ein humorloses Lachen verlässt meine Lippen.
"Ich weiß ja nicht wie es dir geht, aber ich wurde gerade gekidnappt. Wir haben also alle Zeit der Welt."
Ein sachtes Lächeln schleicht sich auf sein Gesicht.
"Ich würde es nicht unbedingt Kidnapping nennen."
Amüsiert ziehe ich eine Augenbraue hoch und verschränke zusätzlich meine Arme in einer herausfordernden Gestik vor meiner Brust.
"Ach nein? Wie würdest du es denn nennen?"
Nachdenklich zieht er die Schultern hoch.
"Ich würde es Überzeugung nennen. Ich habe dich lediglich überzeugt mit mir zu kommen.", meint er und lässt dabei die Schultern wieder fallen.
Erneutes stoße ich ein humorloses Lachen aus.
"Also bitte. Du hast mich eiskalt erpresst.", sage ich im bitteren Tonfall.
Wieder zuckt er mit den Schultern, aber diesmal nur ganz kurz.
"Alles eine Frage der Interpretation und Perspektive."
Dies sagt er in einem Ton, der so viel bedeutet wie: 'Halt jetzt die Klappe; ich habe sowieso Recht; Thema beendet!'
Seufzend lasse ich mich auf sein Bett nieder, auf welches er sich Sekunden zuvor fallen lassen hat.
Schweigen.
"Also?", bohre ich weiter nach.
"Also was?", stellt sich Luke dumm und geht somit der Frage weiterhin aus dem Weg.
Genervt fahre ich mir durch meine noch immer nassen Haare.
"Also im Sinne von: Was zur Hölle passiert gerade?"
Amüsiert blickt er mich an und setzt dann zum reden an.
"Nachdem sich die Situation in Syrien während dem Waffenstillstand wieder ein wenig entspannt hat, ist sie nun wieder angespannt. Zudem liegt London derzeit mal wieder in einem meteorologischem Tief. Ursache dafür ist eine bittere 18-Jährige Studentin, die ihr Glück wahrscheinlich nicht verarbeiten und fassen kann, mit Luke Blackburn, dem superheißen und berühmten Gitarristen der derzeit angesagtesten Band der Welt, liiert zu sein.", rattert Luke wie ein Nachrichtenreporter runter.
Superheiß? Er ist nicht nur ein Arschloch, sondern ein arrogantes obendrein noch dazu.
Aber er ist heiß..., fügt meine innere Stimme unnötiger Weise hinzu.
Ich meine, ja, er ist echt gutaussehend, aber ihm das bestätigen und sein Ego weiterhin stärken? Niemals!
Wortlos stehe ich auf und laufe Richtung Tür.
"Wohin gehst du?"
"Nach Hause.", antworte ich knapp.
Keine drei Sekunden später liege ich wieder auf Luke's Bett mit meinen Händen über meinem Kopf, durch die seinigen an sein Kopfkissen gepinnt.
Schluckend löst Luke seine Hände von meinen und fässt sich über sein Gesicht.
Ich richte mich auf und starre ihn abwartend an.
Außer dem schweren Atmen von Luke, kann man absolut nichts im Raum hören.
Durch ein Räuspern unterbricht er die Stille nach einer Weile.
Ohne mich dabei anzuschauen, rückt er mit der Sprache raus.
"Der Mann der damals gestorben ist, bei der Kampfveranstaltung; Das war mein Vater."
Mit weit aufgerissenen Augen schlage ich mir aus Schock die Hände vor den Mund.
"Was?", hauche ich.
Er nickt. Sein Blick stur auf seine Bettdecke gerichtet.
Mein Blick liegt weiterhin auf ihm, der darauf wartet, dass sich seine vollen Lippen wieder anfangen zu bewegen und das Gesagte fortfahren.
Ich weiß nicht wieso, aber ich ich greife wortlos zu seiner Hand. Aufmunternd. Vielleicht auch aus purem Egoismus, da ich wissen will, was passiert ist. Dies ist auch eine Chance für mich.
"Ich weiß nicht genau, wo ich anfangen soll.", gesteht er, während er auf unsere verschränkten Hände schaut.
"Wie wäre es mit dem Anfang?"
Er blickt auf und schaut mir endlich direkt in die Augen.
Schließlich nickt er kaum merklich, räuspert sich erneut und setzt dann fort.
"Vor etwa fünf Jahren ist mein Onkel gestorben. Der Zwillingsbruder meines Vaters. Sie waren wie ein Herz und eine Seele. Bei dem Kletterunfall während eines Urlaubes, bei dem mein Onkel damals umgekommen ist, hat mein Vater eines von beidem verloren. Ich weiß nicht ob es sein Herz oder seine Seele war. Auf jeden Fall ist er danach auf die schiefe Bahn geraten. Alkohol wurde sein bester Freund und die Aggressionen hat er entweder an meiner Mutter oder eben beim Kämpfen abgelassen. Ich hatte kein Plan, wie ich mich fühlen sollte. Sollte ich mich schämen? Sollte ich ihn trotzdem noch lieben? Er war schließlich immer noch mein Vater. Naja, wie auch immer. Die Nachricht, dass er während einer dieser Kämpfe umgebracht wurde, hat mich ehrlich gesagt nicht sonderlich überrascht, so wie wahrscheinlich keinen. Das mag vielleicht absurd klingen, aber es ist die Wahrheit. Klar hat es mich getroffen, aber auch ich war mittlerweile durch sein Benehmen abgestumpft gewesen. Mein Leben ging weiter. Unsere Band wurde erfolgreicher denn je. Meine obersten Prioritäten waren meine Familie und die Jungs. Dann unser Vorfall in Las Vegas..."
Er macht eine kurze Pause, kratzt sich kurz verlegen den Nacken und spricht dann weiter. Meine Augen verfolgen weiterhin jeder seiner Bewegungen.
"Ich kann mich zwar an nicht mehr viel erinnern, aber ich meine mich so lebendig wie lange nicht mehr gefühlt zu haben."
Er lächelt kurz. Ich lächel zurück. Einerseits ganz automatisch, andererseits aus Angst, dass er aufhören würde zu erzählen.
"Das war das erste Mal, dass du ins Spiel gekommen bist, nur dass ich damals noch nicht ahnen konnte, was für eine große Rolle Du spielen würdest. Während unserer großen Pause sind wir alle, also die Jungs und ich, wieder zurück in die Stadt gekommen, in der wir aufgewachsen sind. Meine Mutter hatte das Haus komplett auf den Kopf gestellt."
Er muss kurz lachen und schüttelt den Kopf.
"Sie hatte schon immer einen kleinen Putzzwang in sich, aber das war das erste Mal, dass sie sich von Dad's alten Sachen trennen wollte. Und der gute Sohn, der ich bin, habe ihr dabei natürlich geholfen."
Diesmal bin ich es die seine Erzählung durch ein Lachen unterbricht. Ein spöttisches wohlbemerkt. Gespielt empört schaut er mich an.
"Ich bin ein guter Sohn, wirklich. Ich verstehe sowieso nicht, warum du mich für ein Arschloch hälst. Was habe ich dir jemals getan?"
Ungläubig schüttel ich lachend den Kopf und mache anschließend eine Handbewegung, die im zeigt, dass er fortfahren soll.
"Während der Aufräumarbeiten bin ich zufällig auf eine Art Tagebuch meines Vaters gestoßen. Dort hatte er sämtliche Informationen über seine Kampfgegner und Dealer und sonstiges festgehalten. Unteranderem auch deinen Namen. Damals konnte ich noch kein Gesicht zu dem Namen zuordnen, doch das änderte sich spätestens nach deinem Auftritt bei X-Factor. Lange Rede kurzer Sinn, dass ist der Grund, warum du hier sitzt."
Seine stark komprimierte Zusammenfassung vor allem vom letzten Part seiner Erzählung, lässt mich sprachlos vor ihm sitzen. Eine Frage hat er jedoch nicht beantwortet.
"Und wozu genau brauchst du mich jetzt?"
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