17


M A N I A C
L O V E
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[Was zur Hölle]

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"Bitte Jayyy"

Ich gehe die letzten, überdachten Stufen aus der Universität, während ich Jay am Telefon schon seit gefühlten Stunden zu überzeugen versuche, mich abzuholen. Mittlerweile bettel und nörgel ich allerdings nur noch, weil mir die Argumente ausgegangen sind.

"Jo, du hast zwei gesunde Beine und der Regen ist gar nicht so stark. Übertreib doch nicht immer so."

Mit ausdrucksloser Miene blicke ich auf das Bild, was sich mir vor meinen Augen bietet.

Übertreibung meinen Arsch.

Es schüttet.

Es schüttet in Strömen und Jay sitzt zu Hause im Warmen, wahrscheinlich vor dem Fernseher und schaut seine Louis de Fúnes Filme an. Dort ist er im Übrigen schon den gesamten Tag, da der Professor seiner heutigen Vorlesungen krank. Trotz alle dem kann der Herr sich nicht dazu erbarmen, mich abzuholen. Mich, seine beste Freundin. Ist das zu fassen?

"Du bist ein schlechter, schlechter Mensch Jayden.", erwidere ich mit einer dramatisch enttäuschten Stimme.

"Du übertreibst Jo und selbst wenn, es wird dich nicht umbringen."

Ich kann sein Augenrollen regelrecht spüren.

"Das weißt du nicht. Ich könnte auf dem nassen Boden ausrutschen und mit dem Kopf auf einer Bordsteinkante aufkommen und dann sterben.", klage ich ohne dabei Luft zu holen.

"Außerdem bin ich aus Zucker, Jay. Was, wenn ich mich auflöse?", füge ich noch 'zucker'süß hinzu.

Jay lacht auf.

"Du? Aus Zucker?" Er unterbricht sich selber mit seinem Lachen.
"Stahl trifft es wohl eher."

Ich gebe ein beleidigtes 'Pff' von mir und ziehe mir nebenbei die Kapuze über den Kopf. Ich werde wohl laufen müssen. Das hindert mich jedoch nicht daran ihn weiterhin am Telefon zu nerven. Strafe muss sein. Jay und ich würden jede BFF-Beziehung in den Schatten stellen, dessen bin ich mir sicher.

"Stahl rostet.", gebe ich schnippisch zurück.

Er lacht erneut.

"Ich weiß und mir ist bewusst, dass du eine lahme Ente bist, aber ich bin mir sicher, dass du es nach Hause schaffst, bevor
du zu rosten anfängst."

Ich stöhne auf. Der Junge hat auf alles einen Konter. Manchmal glaube ich, dass er vom Tod persönlich das Drehbuch seines Lebens bekommen hat und es zu seinem Gunsten manipuliert hat. Das macht mich gerade furchtbar aggressiv.

Hinter mir öffnet sich die Tür und einige meiner Studienkommilitonen kommen lachend heraus.

"Ciao Jolina! Bis morgen.", verabschiedet sich einer von ihnen, der morgen die gleichen Vorlesungen hat wie ich. Ein Spanier, ziemlich attraktiv, um ehrlich zu sein. Leider jedoch mit Freundin.

Ich nicke ihm zu.

"Ciao Alfie!", versuche ich seinen spanischen Dialekt nachzuahmen. Er heißt eigentlich Alfredo. Alle nennen ihn Fred, ausgenommen von mir, wofür er mich vermutlich hasst.

Sein lachendes Kopfschütteln verrät mir jedoch, dass ich kläglich darin scheitere seinen heißen Akzent nachzumachen.

Auch die anderen winken mir zu, bevor sie in Richtung Studentenparkplatz verschwinden.
'Nehmt mich mit', brülle ich ihnen in meinen Gedanken hinterher. Selbstverständlich hören diese meinen mentalen Hilferuf leider nicht, weshalb ich alleine im Regen zurückbleibe.

"Joooooo? Hallooooo? Jo, Herr Gott nochmal!", ertönt es aus dem Hörer meines Handys. Ups. Jay hatte ich während der Verabschiedungsorgie völlig vergessen.

"Am Apparat!", brülle ich im militärischen Tonfall zurück.

"Verdammt, Jo! Für eine Sekunde hatte ich wirklich geglaubt, dir sei etwas passiert."

Meine Lippen verziehen sich zu einem Grinsen. Typisch!

"Tja mein Lieber, hättest du mich abgeholt, wäre dir dieser Schockmoment und der Nahezu-Herzinfarkt erspart geblieben."

"Ich bitte dich, ich war nicht mal ansatzweise besorgt."

Hatte ich erwähnt, dass weder Lynn noch Jay in der Lage sind zu lügen? Ich würde sogar so weit gehen und behaupten, dass sie regelrecht unfähig sind, was dies betrifft.

"Was immer dir Nachts beim schlafen hilft, JayBay.", ziehe ich ihn auf.

Dieser stöhnt am anderen Ende hörbar auf.

"Du bist doof."

Wow! Und der Preis an den weltbesten Konter geht an Jayden Anthony Dixon!

"Du bist ein Arschloch!", entgegne ich auf nicht unbedingt höherem Niveau.

"Vielen Dank Prinzessin, für diese schmeichelhafte Begrüßung. Ich kann die Liebe förmlich spüren. "

Vor Schreck lasse ich mein Handy fallen. Langsam drehe ich meinen Kopf zur Seite. Meine Augen weiten sich. Gott muss mich wirklich hassen.
Was. Zur. Hölle!

Mir entgegen grinst Luke, welcher lässig an seinen schwarzen Audi gelehnt steht.

Wie gerne würde ich ihm dieses Grinsen aus seinem wunderschönen und absolut makellosen Gesicht schlagen.

Wunderschön und makellos also, hm?

Erschrocken reiße ich meine Augen noch weiter auf.

Nein!

Ganz im Gegenteil!

Klar er ist nicht hässlich, aber ich hab mit Abstand besseres gesehen.

Alles nur Lügen Jolina!

Arghh!

Nur schwer kann ich mir das genervte Stöhnen verkneifen. Dämliche innere Stimme!

"Was willst du?", frage ich ihn möglichst gleichgültig.

Sein überhebliches Grinsen wird größer und er kommt einige Schritte auf mich zu bis er sich zu mir runter lehnt. Seine Haare kleben durch den Regen platt an seinem Kopf und mehrere Regentropfen rollen an seinen scharfen Gesichtszügen herunter. Mit einem Wort: Heiß!

Wie gerne würde ich mich dafür gerade backpfeifen, aber dann würde ich Luke nur einen weiteren, unnötigen Grund geben, mich für einen Freak zu halten.

"Dich.", flüstert er mir in mein Ohr.

Sein warmer Atem trifft auf meine nasse Haut, welche augenblicklich zu kribbeln beginnt. Wärme steigt mir ins Gesicht. Wärme vor Scham, dass mein Körper so auf seinen reagiert.

Wieder nur Lügen!

Von wegen Lüge. Jetzt ist er es, dem ich gern eine Backpfeife verpassen würde, aber lasse es dann doch sein. Gewalt ist keine Lösung!

Sinnvoll das du boxen gehst.

Das ist etwas völlig anderes! Diese Stimme macht mich wahnsinnig! Ich würde ja googlen, wie man synapsentötende, innere Stimmen zum Schweigen bringt, jedoch habe ich genau dies schon einmalmal getan und habe keine hilfreichen Antworten bekommen. Jeder zweite Vorschlag, den Google mir angezeigt hatte, waren irgendwelche Adressen für Psychiatrien. Vielen Dank dafür. Ich bin nicht verrückt!

Anstelle ihn zu schlagen, lege ich meine Hände auf seine muskulöse Brust und schubse ihn von mir. Wütend funkel ich ihn an. Was denkt der Arsch sich eigentlich?

Für einen kurzen Moment steht ihm der Schock sichtlich ins Gesicht geschrieben. Wahrscheinlich hat er nicht damit gerechnet, dass ein Mädchen ihn jemals abweisen würde oder sogar handgreiflich wird, wobei ich den Term 'handgreiflich' ein wenig übertrieben finde. Ich habe mich lediglich gewehrt.

Schnell findet allerdings sein arrogantes Grinsen zurück in sein Gesicht.

Er fässt sich in seine Hosentasche und holt sein Handy heraus. Dieses schmeißt er spielerisch immer wieder von einer in die andere Hand. Dabei verlassen seine Augen meine eigenen keine einzige Sekunde.

"Zu mir bist du besser nett, Prinzessin", sagt er in einem verschwörerischen Tonfall.

Herausfordernd ziehe ich die Augenbraue hoch.

Mittlerweile bin ich pitschnass. Vielleicht sollte ich einfach gehen. Das alles hier ist doch reine Zeitverschwendung. Ich hätte längst zu Hause sein können, Jay vom Sofa schubsen können, ihn von seinem Louis de Funés-Marathon abhalten und stattdessen 'Clubs der toten Dichter' ansehen können und dabei Löffelweise Nutella in mich reinschaufeln können. Hätte, hätte, Fahrradkette. Pustekuchen.

Stattdessen stehe ich hier im immer stärker werdenden Regen und das ausgerechnet mit dem größten Arschloch seit Anbeginn der Zeitrechnung mir gegenüber. Wer wünscht sich das nicht für seinen Donnerstag?

Richtig: Ich!

Wegen ihm verpasse ich noch meine Schicht im Zoundhouse. Arsch!

Er entsperrt sein Smartphone und hält es mir anschließend unter die Nase.

Gebannt starre ich audmf den Bildschirm.

Meine Augen werden so groß wie die eines testosterongesteuerten Jungen, der Brüste in der Größe von Doppel D sieht.

HIMMEL, ARSCH UND WOLKENBRUCH!

WAS. ZUR. HÖLLE?

Woher hat er das? Das kann nicht sein. Absolut unmöglich! Wieso weiß er davon und noch viel schlimmer: Wieso hat er Bilder?

Reiß dich zusammen Jolina!

Einatmen. Ausatmen.

Schlag ihm nicht ins Gesicht, auch wenn er eine Gesichtskrätsche echt verdient hätte.

Mit ausdrucksloser Miene starre ich ihn an, um meine Nervosität zu überspielen.

"Wo- ich me-meine, Wie- Wo-Woher?", stammel ich vor mich hin.

Zufrieden grinst er.

Wahnsinn! Meine 1A Schauspielkünste sind Oskar-Preisträger-fähig und meine Meisterleistung von Pokerface verdient nochmal eine extra Auszeichnung!

"Was willst du?", frage ich schließlich ohne Stottern.

"Hab ich es mir doch gedacht."

Dieses dämliche Grinsen! Ich presse meine Zähne aufeinander und balle meine Hände zu Fäusten.

Er geht zu seinem Wagen und öffnet die Beifahrertür. Nickend deutet er auf diese.

"Steig ein!"

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