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M A N I A C
L O V E
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[Nein!]
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Hier stehe ich also.
Im Backstagebereich der Castingshow, in der mein sogenannter 'Vater' in der Jury sitzt und mir gegenüber Luke, der Arsch aus dem Flugzeug mit dem ich allen Anschein nach in Las Vegas geschlafen habe und dessen Freundin ich laut ihm sein soll.
Völlig normal oder?
Also, wenn du mich fragst, is-
Dich fragt aber keiner. Für synapsentötende, innere Stimmen habe ich gerade echt keinen Nerv.
Herausfordernd kneife ich meine Augen zusammen, die direkt auf die von Luke gerichtet sind.
"Ich höre?"
Meine Stimme ist gefährlich ruhig. Mein Gegenüber macht allerdings nicht den Anschein, als würde er mir in näherer Zukunft eine Antwort geben. Sein Blick wechselt alle fünf Sekunden den Fokus auf alles in diesem Raum befindliche, außer mir.
Langsam werde ich ungeduldig. Was fällt ihm bitteschön ein? Erst irgendwelche Lügen vor einem Grayson-Typ erfinden und dann den Mund nicht aufkriegen. Und überhaupt, was sollte das eigentlich alles? Rockstars? Interview?
Entnervt lege ich meinen Finger unter sein Kinn und richte seinen Blick auf mich.
Er seufzt und rauftzt sich durch die Haare, welche nach dieser Aktion in alle Richtungen abstehen, sodass sie aussehen, als wäre er gerade erst aufgestanden. Kurz gefasst: Es sieht heiß aus. Messy steht ihm.
Herr Gott, Jolina reiß dich zusammen.
"Ich-", setzt er an, unterbricht sich allerdings sofort, indem er die Augen schließt, den Kopf nach oben ankippt und sich mit den Händen über das Gesicht fässt.
Fragend ziehe ich die Augenbrauen hoch, was er allerdings nicht sehen kann, da er erstens den Blick nach oben gerichtet hat und zweitens seine Augen noch immer geschlossen sind.
Er atmet hörbar aus und senkt seinen Kopf wieder, um mir ins Gesicht schauen zu können.
"Okay, ähmm. Es ist so. Du musst so tun, als wärst du meine Freundin."
Entsetzt starre ich ihn an.
Nicht nur seine Wortwahl schockt mich.
Muss?
Der Inhalt von dem Gesagten, was eben seinen Mund verlassen hat ist nahezu lachhaft. Was bildet er sich bitte ein? Ich und eine Beziehung? Mit ihm? Und dann noch eine gespielte?
Angesichts der absurden Situation, kann ich mir das Lachen nicht länger verkneifen.
Luke, im Gegenteil zu mir, sieht alles andere aus, als sei ihm zum Lachen zumute.
"Du irrst dich. Das muss ich nicht.", stelle ich klar, da er meine Reaktion offenbar nicht wirklich deuten kann.
Er kneift die Augen zusammen, als ob er angestrengt über etwas nachdenken müsse.
"Ich hab dich singen gehört. Hier ist mein Vorschlag. Ich werde dich unserem Management vorstellen und im Gegenzug spielst du meine Freundin, wann immer ich dich in den nächsten drei Monaten brauche."
Mit verschränkten Armen vor seiner Brust steht er vor mir und wartet auf meine Antwort.
Ich allerdings weiß nicht, was ich sagen soll oder was er erwartet. Ich bin ehrlich verwirrt.
Wobei Verwirrung eine maßlose Untertreibung ist.
"Unser?- Management?- Vorstellen?", wiederhole ich also stupide seine gerade gesagten Worte.
"Ja und im Gegenzug spielst du meine Freundin.", sagt er erneut und fügt mit einem Augendrehen noch ein nahezu lautloses "Bitte?" hinzu.
"Und was soll ich damit?"
Ich sehe den Gewinn für mich aus diesem Deal nicht.
Mit dem Kopf leicht zur Seite gekippt und den Armen immer noch vor seiner Brust verschränkt, blickt Luke mich intensiv an.
"Hast du jemals schon mal was von 'Five Ablaze' gehört?"
Abwechselnd schau ich nachdenklich von rechts nach links, als ob die Antwort irgendwo hier im Raum läge, bis ich ihm schließlich mit "Nein." antworte und ihn fragend anschaue.
Erstaunt zieht er die Augenbrauen hoch. Mit einem räuspert setzt er erneut zum Reden an.
"Nun, das ist so ziemlich die erfolgreichste Band zurzeit, die in drei Monaten mit ihrem zweiten Album auf Tour gehen wird und in der ich rein zufällig der Gitarrist bin."
Ich wäre wahrscheinlich beeindruckt gewesen, wenn es nicht Luke gewesen wäre, der es mir in einem unüberhörbaren arroganten Ton erzählt hätte.
Dementsprechend unbeeindruckt schaue ich ihn also an. Schweigen.
Wenigstens erklärt dies schon mal eineiges. Beispielsweise die Blicke, die ihm damals im Flugzeug zugeworfen wurden.
"Und? Was sagst du?"
Ich lasse mir das Angebot angesichts der neu hinzugekommenen Informationen erneut durch den Kopf gehen. Drei Monate das machen, was ein überheblicher Idiot sagt und dabei auch noch so tun, als wäre ich in ihn verliebt für ein Gespräch mit wahrscheinlich noch abgehobenereren Spießern aka dem Management von 'Five-Wie-auch-immer-der-Bandname-von-Luke's-Band-war'?
Nein, danke!
"Ich sage immer noch: Nein.", lasse ich ihn trocken wissen und verlasse damit den Raum.
In der Zeit mit Luke in dem kleinen Backstageraum habe ich nicht mitbekommen, dass erstens die Show zu Ende ist und zweitens deshalb das totale Chaos ausgebrochen ist.
Möglichst teilnahmelos und desinteressiert versuche ich mich durch die Massen Richtung Ausgang zu schlängeln.
Ohne Erfolg.
Die Blicke liegen größtenteils auf mir und das Getuschel ist unüberhörbar.
'Schau das ist sie.'
'Sie war gut. Singen kann sie.'
'Sie ist seine Tochter?'
'Ich wette sie will nur Aufmerksamkeit.'
'Wenigstens ist sie nicht weiter gekommen.'
Aha. Die Ergebnisse sind also schon raus. Zu Schade. Ich hätte zu gern noch mehr Zeit mit meinem Vater verbracht. Man bemerke die Ironie!
Es ist in meinen Augen keine Überraschung, dass ich nicht weiter bin. Sie würden mich niemals in der Show behalten, selbst wenn ich die neue Adele gemischt mit Ed Sheerans' Gitarrenkünsten und P!nk's Bühnenperformance wäre. Ich bin ein Risiko, was lediglich für Drama und Empörung sorgen würde.
Dennoch frage ich mich, wessen Stern ich nicht bekommen habe, um nicht weiter zu kommen. Obwohl, wenn ich es mir recht überlege, liegt die Antwort auf der Hand: David Willow.
Es war ja nicht mein Ziel, aber trotzdem bin ich mir sicher, dass dieses Nicht-wiedersehen-wollen auf Gegenseitigkeit beruht.
Einige Ellbogenschläge in die Rippen und Füßegetrampel später, schaffe ich es dann doch zum Ausgang, wo hoffentlich Jay und Co auf mich warten.
Dort ist es sogar erstaunlicherweise ruhig und bis auf ein paar Leute teils vom Personal, teils Familienangehörige ist fast nichts los.
Plötzlich schlingen sich vier Arme um mich. Ziemlich schnell stelle ich fest, dass zwei davon zu Jay und die anderen beiden zu Lynn gehören.
"Ich bin unfassbar stolz auf dich, Jo."
Lynn hat leicht rote, angeschwollene Augen. Sie hat zweifelsfrei geweint.
"Du hast es gerockt da oben, Kleines."
Ich ramme Jayden so gut es geht, im Anbetracht der engumschlungenen Situation, in die Rippen.
"Nenn mich nicht Kleines!", murmel ich in sein Shirt und muss leicht lachen.
Erst jetzt bemerke ich, wie leicht ich mich gerade fühle. Das mag jetzt vielleicht blöd klingen, entspricht aber der Wahrheit. Ich fühle mich, als wäre eine alte versteinerte Seele meiner Vergangenheit aus mir herausgebrochen.
Ich fühle mich frei.
Ich fühle mich befreit.
Ich fühle mich, als ob ich fliegen könnte.
Okay Jolina, komm nicht auf die Gedanken wie dein dummes, siebenjähriches Ich. Du kannst nicht wirklich fliegen. Aber ja, allein das Gefühl der Meinung zu sein, es zu können, ist unbeschreiblich.
Eine unheimliche Last ist von meinen Schultern gefallen und mit einem Mal bin ich Lynn unfassbar dankbar dafür, dass sie mich hinter meinem Rücken angemeldet hat.
"Danke ihr beiden."
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