Freitag, 28. April 1848

Vater und ich haben uns schon wieder gestritten. Es ist immer wieder das selbe, alte Lied: Ich soll mich endlich verloben.
Ich hatte gehofft, nun, da Dolly ihren Dean heiraten wird, wäre Vaters Bedürfnis nach Hochzeiten vorerst etwas gestillt, aber da habe ich mich wohl verrechnet. Er scheint bestrebter denn je, mich mit meinem zukünftigen Ehemann zusammen zu bringen.
Das Schlimmste ist, dass es mittlerweile völlig gleichgültig ist, mit wem ich den "heiligen Bund" schlussendlich eingege, Hauptsache ich komme unter die Haube.
Liebe oder auch nur Freundschaft ist nebensächlich.
Selbst für Mutter kommt eine Liebesheirat nicht mehr in Frage. Nachdem sie sich so lange für mich eingesetzt hat und bei Vater ein ums andere Mal Verständnis heischte um mir Zeit zu verschaffen, "den Richtigen" zu finden, hat sie nun wohl aufgegeben.
Ich kann es ihr kaum verübeln, schliesslich habe ich selbst die Hoffnung, den richtigen Mann für mich zu finden, schon lange aufgegeben.
Mutter sagt zwar, es gäbe für jeden Topf einen passenden Deckel, aber ich glaube, mein Deckel ist ein anderer Topf...
Ich kann mir gar nicht vorstellen, einmal einen Mann auf die liebevoll-sehnsüchtige Art anzusehen, auf die Dolly ihren Dean ansieht.
Vor einigen Tagen sass ich aber am Fenster in der Küche und sah hinaus, als Dolly mich neckend fragte, ob ich von einem geheimen Liebhaber träume, weil ich wohl so sehnsüchtig und wehmütig ausgesehen habe.
Nicht einmal ihr konnte ich anvertrauen, dass es in Tat und Wahrheit der Nacken der Vikarstochter Gabrielle war, der mich völlig verzauberte.
Wenigstens bleibt mir die Kunst. ich konnte das Stillleben mit Schädel und Apfelblüten fertigstellen.
Dolly gefällt es nicht, aber das ist in Ordnung. Ihr gefallen meine Bilder nie. Sie sagt, sie sind ihr zu düster und dass ich stattdessen doch lieber etwas freundlicheres Malen soll. Blumen oder Vögel zum Beispiel.
Aber das ist mir zu langweilig.
Morgen nehme ich mein Skizzenbuch mit nach draussen. Auf dem alten Friedhof gibt es eine schöne Engelsstatue unter einer Magnolie, die derzeit in voller Blüte steht. Es ist ein wunderschönes Bild, das ich nur zu gerne festhalten möchte. Vielleicht male ich es als Mondscheinszene.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top