Wer braucht so ein komisches Rudeldings
Dieses Kapitel Widme ich _FrieSky_ meiner besten Freundin, da sie Geburtstag hat. HAPPY BIRTHDAY
„Was?" fragte ich genervt zwischen meinen Knien. Mein Anblick bot ich doch sicherlich auch so schon genug Erzählstoff, da wollte ich wenigstens meine verheulten Augen jetzt nicht auch noch zeigen müssen. Seth reagierte nicht. Ich wartete eine Weile, aber es geschah nichts. Es war so leise, dass die berühmte Stecknadel Krach gemacht hätte.
„Ist noch was?" fragte ich, aber nicht mehr ganz so genervt. Irgendwie machte mich die Stille nervös. Immer noch keine Reaktion. Was war denn bloß los? Hatte ich hier magische Fähigkeiten und Seth war zur Salzsäule erstarrt oder hatte er seine Zunge verschluckt? Gegangen war er definitiv nicht, das hätte ich gehört. Vorsichtig lugte ich durch meine Haare. Seth stand da wie angewurzelt und starrte mich an. Irgendwas an seinem Blick konnte ich nicht einordnen, aber ein wenig von einem Kaninchen vor der Schlange war auch mit dabei. Er wirkte verwirrt, als wüsste er nicht, was er tun sollte. Völlig unvermittelt löste er sich aus seiner Erstarrung, verschwand durch die Tür und ich hörte, wie er die Treppe runter hastete. Na toll, was war das denn gewesen?
Ich schlüpfte aus dem Bett und schlich zur Tür. Unten war Seth aufgeregte Stimme zu hören. Leider konnte ich kein Wort verstehen. Als er fertig war, sickerte Totenstille zu mir rauf. Anscheinend konnte ihm zu unserer Begegnung keiner etwas hilfreiches sagen. Nach einer Ewigkeit hörte ich Sams Stimme, verstand aber auch seine Antwort nicht. Allerdings löste sich die Starre der anderen und ich hörte Stühle und wie die anderen sich unterhielten. Leise schloss ich die Tür und lehnte mich von innen dagegen. Hatte ich mich über Nacht in ein Monster verwandelt? Oder war mir irgendwas komisches gewachsen. Gegenüber vom Bett hing ein Spiegel, ich ging langsam hinüber und befürchtete eine Fratze würde mir gleich aus der spiegelnden Fläche entgegen grinsen. Aber es war nur mein eigenes Gesicht, mit aufgequollenen, verheulten Augen zwar, aber ansonsten allem wie sonst auch. Meine Haare waren ein wenig zerzaust, aber nicht mehr als sonst. Verständnislos starrte ich in meine eigenen Augen und konnte nichts an meinem Spiegelbild entdecken, das Seth Reaktion erklärt hätte.
Mein Blick fiel auf die Kommode unter dem Spiegel und auf das Essen darauf. Es war schon Mittag. Auf dem Tablett war eine große dampfende Ofenkartoffel mit einer vermutlich indianischen Kräuterpaste. Der goldbraun geröstete Maiskolben daneben duftete köstlich und ein paar Chickenwings rundeten das ganze ab. Eine Dose Coke stand auch dabei und das ganze wurde durch einen von Emilys überdimensionalen Schokomuffin abgerundet. Mein Hunger verdrängte jede weitere Überlegung an die seltsame Begegnung und ich setzte mich mit dem Tablett aufs Bett und begann zu essen. Es schmeckte genauso gut wie es duftete und aussah.
Nachdem ich alles bis auf den letzten Krümel aufgegessen hatte. Überlegte ich, was ich machen könnte. Ein Badezimmer aufzusuchen hätte jetzt was für sich. Da es keine zweite Tür im Zimmer gab, musste ich wohl oder übel auf den Flur. Ich öffnete die Tür und schaute vorsichtig raus. Die Luft war rein. Es gab außer meiner Tür noch zwei weitere. Eine sah aus wie meine Tür, die zweite hatte einen bunten Glaseinsatz, durch den aber nur grobe Umrisse zu erkennen waren. Ich vermutete dort das Bad und schlich mich leise über den Flur. Von unten war außer etwas Geschirrgeklapper nichts zu hören. Vermutlich waren die Wölfe ausgeflogen.
Ich hatte richtig getippt. Die Tür verriegelte ich hinter mir und sah mich um. Auf einem Hocker lagen eine Jeans und ein T-Shirt mit einem Zettel darauf.
'Ich hoffe, die Sachen passen. Handtücher findest du im Regal hinter dem Vorhang. Emely'
War Emily ein anderes Wort für Engel? Unglaublich an was sie alles dachte. Der Spiegel hier zeigte auch kein anderes Ergebnis als der im Gästezimmer. Mein Oberarm schillerte dort, wo Sam zugegriffen und später zugekniffen hatte, in verschiedenen Blau- und Violetttönen und war sehr druckempfindlich. Ich schlüpfte aus meinen Klamotten und ging erst Mal duschen. Danach ging es mir etwas besser.
Die Klamotten saßen nicht perfekt, waren aber allemal besser als meine eigenen, die inzwischen einen ziemlich dreckigen und ramponierten Eindruck machten. Ich entdeckte neben der Dusche die Waschmaschine, die schon mehr als halb voll war, stopfte meine Sachen mit dazu und stellte sie an.
Als ich mich zurück ins Gästezimmer schleichen wollte, hörte ich Emily von unten meinen Namen rufen. Mist, natürlich hatten sie die Dusche gehört, jetzt so zu tun, als hätte ich nichts gehört, würde also nicht klappen.
„Ja? Was ist?" rief ich zurück.
„Kommst du bitte runter? Ich würde gerne mit dir reden. Sam und die anderen sind weg."
Unschlüssig blieb ich stehen. Eigentlich wollte ich mich lieber wieder unter der Decke verkriechen. Auf der anderen Seite waren zumindest die ganzen Wauzis nicht da. Emily war ja schon irgendwie in Ordnung.
Seufzend drehte ich mich zur Treppe und ging ins Erdgeschoss. Emily saß am Tisch und hatte eine Tasse Tee vor sich stehen.
„Möchtest du auch einen Tee?"
Ich nickte und setzte mich, während sie aufstand, um mir in der Küche einen Becher zu holen. Auf dem Tisch stand die Kanne mit dem Kräutertee auf einem Stövchen zum warmhalten. Emily ließ sich mit dem Eingießen Zeit. Anscheinend hatte sie es nicht eilig das Gespräch zu beginnen.
Sie setzte sich wieder und nippte an ihrem Tee. Als sie mich ansah, lächelte sie. Selbst die Narben auf ihrer Wange konnten die Wärme, die sie mit dem Lächeln ausstrahlte, nicht vermindern.
„Du weißt eine Menge über unser Volk und seine Geheimnisse." Okay, was sollte ich dazu jetzt sagen. Ich nickte unbestimmt mit dem Kopf.
„Weißt du auch, was es mit Sam und mir auf sich hat?" Langsam sickerte eine Information durch mein Hirn, die eine Vermutung nahelegte, warum gerade Emily mit mir redete. Beziehungsweise warum Emily mit mir darüber reden wollte. Während ich langsam nickte, konnte ich förmlich fühlen, wie eine Erkenntnis in meinem Hirn Form annahm. Wie ein Puzzle, in das man die letzten Teile einsetzt, sah ich die ganze Situation von vorhin klar vor meinem geistigen Auge. Noch bevor Emily zu weiteren Fragen und Erklärungen ausholen konnte, sackte ich einfach vornüber und knallte geräuschvoll mit meiner Stirn auf die Tischplatte. Zum Glück verfehlte ich die Tasse.
Tonlos hauchte „Er hat sich auf mich geprägt." Und ich hatte langsam gehofft, es könnte nicht noch schlimmer werden.
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