Die Audienz

Hätte ich Zeit gehabt und wäre mir danach gewesen, hätte ich mir die historischen Bauten und die verwinkelten Gassen von Volterra gerne genauer angesehen. So aber starrte ich grübelnd in die Dämmerung, während wir dem Palazzo der Volturi immer näher kamen. Aber mir fiel einfach nichts ein, was mir helfen könnte, um mich aus dieser verzwickten Lage zu befreien. Unweigerlich und ziemlich schnell ging die Fahrt zu Ende und die Vampire nahmen mich auf dem Weg zum Eingang in ihre Mitte, damit ich auch ja nicht entwischte. Es sah alles haargenau so aus wie in den Filmen, selbst die Frau am Empfang war wirklich ein Mensch! Sie begrüßte uns freundlich und die Vampire nickten ihr zu. Meinem wütenden Blick hielt sie allerdings nicht stand und sah schnell weg.

Die Gänge wurden, je tiefer wir kamen, immer enger. Zumindest kam es mir so vor. Vermutlich war es aber wegen des Vampirgestanks, der mir immer aufdringlicher und unangenehmer in die Nase stieg. Endlich kamen wir vor die großen Eingangstüren der Empfangshalle, die von zwei ziemlich beeindruckenden Typen bewacht wurde. Sie begrüßten meine Eskorte mit geschmacklosen Sprüchen über erfolgreiche „Jagd" und ähnlichem Mist, dann öffneten sie beide Flügeltüren und wir traten ins rund der Halle. Aro, Caius und Marcus saßen auf ihren Stühlen, anscheinend wurden wir erwartet. Meine Begleiter verteilten sich im Raum oder stellten sich neben ihre Anführer. Mir war, als hätte ich ein Dejavue. Vermutlich lag es daran, dass sich die ganze Szene fast genauso ereignete, wie im Film, als Bella mit Edward hier stand. Unwillkürlich musste ich grinsen, es war einfach zu albern. Ob die Volturi das seit Jahrtausenden so einstudiert hatten, um ihre Opfer zu beeindrucken? Wenn man es nur einmal miterlebte, dann mag das ja zutreffen, aber nach gefühlten zehntausendmal im Film gesehen, wirkte es nicht mehr sehr beeindruckend Aro wartete einen Moment, in dem er mich von oben bis unten musterte, bevor er sich erhob und langsam zu mir herunter kam. Als er näher kam, wurde mir bewusst, dass er mir im Film immer viel kleiner vorkam. Und irgendwie fand ich ihn da auch immer ein bisschen albern und zu theatralisch. Als er einen Meter vor mir stehen blieb, musste ich zugeben, dass er doch nicht ganz so albern wirkte wie im Film. Ich überlegte, ob vielleicht jetzt angebracht wäre Panik zu bekommen. Entschied mich aber dagegen, die würde mir ja jetzt auch nicht helfen. Also bemühte ich mich um ruhiges Atmen, schob lässig die Daumen in meine Jeans und erwiderte seinen Blick mit einem spöttischen Lächeln auf den Lippen. Vielleicht sollte ich mal Poker spielen, wenn ich wieder zu Hause war. Der Gedanke an daheim erinnerte mich an Seth und ich fühlte ein Stich in meinem Herzen, ich vermisste ihn. Dennoch ließ ich mir nichts anmerken und wartete ab, was weiter passierte. Schließlich wusste ich nicht mal, warum diese Blutsauger mich verschleppt hatten. Fasziniert betrachtete Aro meine Augen.

„Das müsst ihr euch ansehen." sagte er zu Caius und Marcus. Leises Stoffrascheln ließ vermuten, dass zumindest einer der beiden aufstand und der Aufforderung nachkam. Caius erschien neben Aro und starrte mich unverhohlen und abschätzig an. Als er meine Augen sah, kniff er ungläubig seine zusammen. Fast lautlos tauchte auf Aros anderer Seite Marcus auf, langsam kam ich mir vor wie im Zoo, nur dass ich das seltene Tier war. Trotzig verschränkte ich die Arme vor meiner Brust.

„Wie wär's denn mal mit 'ner Erklärung für meine Entführung?" fuhr ich die drei schnippisch an. Marcus reagierte mit einem vernichtenden Blick auf meine Frage, während Caius wohl durchaus gewillt war seine Beherrschung zu verlieren, lediglich Aro schien sich über mich zu amüsieren. Wütend schickte ich meinen finstersten Blick gegen sein blödes Grinsen, allerdings schien er zwanzig Zentimeter höher nicht finster genug anzukommen und wirkungslos zu verpuffen. Mist, hätte ich mit meiner Verwandlung nicht wenigstens auch noch ein bisschen größer werden können?

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