5. Eine Gefangene


Egal was man mir auch gegeben hatte, es fühlte sich nicht gut an. Ich war zwar weg, nicht mehr anwesend und doch ging es mir elendig schlecht. Mein Kopf drehte sich, mir war übel und es war als würde mein Schädel dumpf pochen, immer und immer wieder. Ich wollte nur aufwachen, wissen, wo es hinging, ob ich so gut wie tot wäre und ob Will es geschafft hatte in ein Krankenhaus zu kommen, Hilfe zu rufen.

Langsam ertönten fremde Stimmen an mein Ohr, die alle auf einer Sprache redeten, die ich nicht verstand und die für mich stark nach russisch oder polnisch klang, jedoch waren das keiner der Sprachen, die ich beherrschte und so blieb ich ahnungslos darüber, was hier vor sich ging, während ich nur langsam meine Augen aufkriegte. Egal wo ich hier nun auch gelandet war, es war kein offener, fröhlicher Ort. Es erinnerte einen viel eher an eine Art Labor oder Lagerhalle und je mehr ich begriff und realisierte, dass ich entführt wurde und bei sicherlich keinen sehr netten Menschen gelandet war, desto panischer wurde ich, vor allem als ich die Menschen bemerkte, die am Reden waren, die etwas Abseits von mir in einem Kreis gestellt da standen und am tuscheln waren.

Ich wollte am liebsten den Moment nutzen und abhauen, auch wenn es sicherlich nicht gut enden würde, doch schnell musste ich einsehen, dass daraus nicht einmal etwas wie ein Versuch werden könnte, denn ich wurde an einen Stuhl, der einen an eine Zahnarztpraxis erinnerte, festgeschnallt und augenblicklich fing ich hektisch zu atmen an und spürte, wie sich Schweiß auf meiner Stirn sammelte und mein Herz zu rasen begann. Mir gefiel das ganz und gar nicht. Keinem würde es gefallen irgendwo fremdes zu sein, bei Leuten, die man nicht kannte und nicht in der Lage zu sein sich zu bewegen.

„Mädchen!" Ich hätte fast aufgeschrien, als einer der Männer bemerkte, dass ich wach war und auf mich zu schritt, wo ich ihn verschreckt musterte und meine letzten Gebete innerlich sprach. Ich würde niemals lebend aus der Sache herauskommen. Der starke Akzent des Mannes klag schaurig und ließ seine raue Stimme nur noch kratziger wirken, genauso war sein ganzes Erscheinungsbild angsteinflößend. Er war riesig, hatte kurzes Haar und diese seltsame Uniform ließ ihn kalt und unbarmherzig wirken.

„Wo bin ich?", fragte ich mit meinem ganzen Mut nach und bekam einfach eine Ohrfeige dafür, die mir die Tränen in die Augen trieb und kurz wollte ich mir die pochende Wange halten, doch das ging ja leider nicht.

„Du sprichst erst dann, wenn du darum gebeten wirst du...", begann der Mann sich aufzuregen, doch da unterbrach ihn auch schon jemand.

„Juri, wir wollen doch freundlicher zu unserem Gast sein", sagte kein anderer als Dr. Zola persönlich, der lächelnd eine Metalltreppe von einer der oberen Etagen herunterkam. So viele Geschichten hatte ich von diesem Kerl gehört, wusste über alles Bescheid, was er zur Kriegszeit getan hatte, doch ich hatte angenommen er wäre tot und doch steht er nun hier vor mir. Deutlich älter als auf den Bildern und doch war er es.

„Wie ich sehe, weißt du wohl, wer ich bin." Ich nickte leicht, da ich nicht wieder geschlagen werden wollte wenn ich sprach und sah ihn erstaunt an und fragte mich gleichzeitig, was er bitte von mir wollte und wieso der maskierte Mann, der nirgends zu sehen war, für ihn arbeitete.

„Du darfst ruhig reden, ignoriere Juri einfach, er hat sich manchmal einfach nicht im Griff", sprach er weiter aus und sah Juri dabei eindringlich an, der nur schnaubend nach hinten trat.

„Was wollen Sie von mir?", fragte ich zittrig nach und versuchte die selbe Stärke aufzubringen, die Peggy in dieser Situation aufgebracht hätte, doch das hier war etwas, mit dem ich niemals gerechnet hätte. Bei einem Einsatz zu sterben, ja gut, aber entführt zu werden? Dass ich mal wichtig genug für so etwas wäre, war lächerlich.

„Unser Soldat hat dich hergebracht aus einem bestimmten Grund, der wäre, dass er dich nicht umbringen konnte." Er wirkte äußerst verbittert dabei und ich sah ihn verwirrt an, denn was sollte das hier werden?
„Dann sollten Sie das mit ihm klären und nicht mit mir."
„Oh nein, du verstehst es nicht. Der Soldat ist kein einfacher Mensch, er wird von uns kontrolliert. Er hat seinen eigenen Willen schon lange verloren und doch hatte er dich nicht getötet, obwohl sein Auftrag war jeden auszulöschen, der bei Professor Wick wäre", sagte Zola amüsiert von meinem Einwand und richtete sich seine Brille. Ich selber hingegen war komplett verwirrt von allem. Dass der Maskierte sehr mechanisch wirkte, war mir aufgefallen, doch wenn er wirklich auf alles hörte, was man ihm sagte, warum verschonte er mich dann?

„Sie glauben es liegt an mir", murmelte ich leise und ahnte überhaupt nichts Gutes.

„Irgendeine Bindung muss es zwischen euch geben."
„Ich kenne diesen Mann nicht. Ich weiß nur, dass er ein kranker Mörder ist... ein armer, kranker, manipulierter Mörder", zischte ich hysterisch und zuckte zusammen, als die Türe aufschwang und er schon hereinkam. Augenblicklich spannte ich mich an, sah zu dem maskierten Kerl, dessen Metallarm in Anbetracht der Situation furchtbar bedrohlich wirkte und der alles andere als erfreut wirkte mich an diesem Stuhl zu sehen.

„Ich glaube es nur schon", zischte Zola so leise, dass niemand anderes außer mir es hören konnte, „Und wenn du ihn gleich erkennen solltest, wirst du seinen echten Namen nicht nennen, ansonsten bin ich gezwungen dich sofort zur Strecke zu bringen!" Das hatte gesessen. Ich konnte mir kaum vorstellen den Maskierten zu kennen, nickte dennoch, als Zola ihn näher rief und ich schwer schluckte.

„Soldat, nimm deine Maske doch ab", bat Zola und als er das tat, glaubte ich kurz wirklich einfach nur zu träumen. Verwirrt klappte mein Mund auf und ich hätte mir geschockt ans Herz gefasst, wenn es gehen würde.

Hier vor mir stand kein anderer als James Barnes. Mein Retter Bucky stand hier vor mir, der eigentlich seit zehn Jahren tot sein sollte und doch schien er kein Jahr gealtert zu sein. Ich konnte nur wie erstarrt den Kopf schütteln, musterte sein Gesicht, erinnerte mich an den Mann, der mich einst rettet, der mich mit einem liebevollen Blick immer angesehen hatte, als würde er sich für mich verantwortlich fühlen, an diesen mutigen Soldaten und dieser Mann stand nun vor mir und war nichts als ein schwacher Schatten seines wahren Ichs.

„Ich denke das reicht. Juri, bring ihn fort!", meinte Zola und ich schüttelte mit Tränen in den Augen den Kopf, riss mich zusammen nicht seinen Namen zu rufen, als er ging und ich in sein ausdrucksloses Gesicht sah, wo keine Emotion sich widerspiegelte, bis er weg war.

„Was habt ihr ihm angetan?", fragte ich und spürte, wie eine Träne über mein Gesicht floss und die Kette von Bucky unter meinem Oberteil sich anfühlte, als würde sie in meine Haut einbrennen.

„Wir haben ihn all das Leid der Menschen genommen und ihn in etwas komplett neues verwandelt", sagte Zola stolz wie ein Vater und ich glaubte zu ersticken, so abartig war das. Ein jeder glaubte er sei tot. Ein jeder dachte er wäre ein tapferer Kriegsheld, der im Kampf starb, stattdessen war er gefangen und niemand konnte ihn retten.

„Was haben Sie nun vor?", fragte ich angeekelt nach und sah hasserfüllt zu ihm, denn es schmerzte zu sehen, was er tat und noch mehr zu wissen, dass ich nichts dagegen machen konnte, ohne am Ende zu sterben und wer wusste schon, ob man Bucky überhaupt noch retten konnte?

„Du erzählst mir alles zu ihm. Woher ihr euch kennt und wieso er dich wiedererkennt und ich mache mir das alles zu Nutzen."
„Das ist alles?", fragte ich nach, da mir das nicht realistisch vorkam, keineswegs sogar.

„Aber natürlich", versicherte er mir und ich sollte mit meiner Angst Recht behalten.



Ich hatte versucht so vieles wie möglich für mich zu behalten. Ich wollte ihnen so wenig geben, wie nur möglich, um Bucky weiter zu zerstören, ich wollte so mutig sein, wie man es von mir erwarten würde, doch es war als würden sie jede noch so kleine Lüge erahnen und ohne mir zu glauben, folterten sie Stück für Stück die Wahrheit aus mir heraus. Sie nutzten dafür so schlichte und altmodische Methoden, dass ich mich selbst hasste schwach zu werden, doch ich war auf so etwas nicht gewappnet gewesen und noch so angeschlagen von dem Autounfall. Sie schnitten mir mit einem Messer eine Wunde nach der anderen auf meinem Arm, schütteten irgendwas in die Wunden, so dass diese höllisch brannten und ich glaubte meine Schreie müsste man im ganzen Land hören, so laut waren sie , bis sie irgendwann etwas wie Erbarmen zeigten.

Ich erinnerte mich kaum mehr daran, was ab einem gewissen Zeitpunkt geschah. Ich wusste nur, dass alles schmerzte, dass mein Kopf voller verwirrender Erinnerungen war, ich kurz dachte wieder auf dieser Straße zu liegen, Bucky über mir, der versuchte mich zu töten, doch dann erwachte ich in einer kleinen, tristen Zelle, lag dort auf einer mitgenommenen Liege und kam mir so schäbig vor. Meine Kleidung war zerrissen und ich sah aus wie eine Kriegsgefangene.

„Hallo?", fragte ich mit einer kratzigen Stimme nach, meine Stimme hallte an den Wänden wieder, doch keiner Antwortete mir. Tränen brannten schon verräterisch in meinen Augen, doch ich behielt sie zurück, sogar als ich meine in Verbänder gewickelte Arme sah, und den Schmerz wieder deutlicher anfing zu spüren. Ich war eine Gefangene von HYDRA, es musste einfach HYDRA sein, und Bucky war bei ihnen, manipuliert und nicht mehr als er selbst. Ich müsste hier auf jeden Fall raus, den anderen davon berichten und ihn retten, so wie er einst mein Leben gerettet hatte.



Ich verlor mein Zeitgefühl. In dieser Zelle zu sitzen, nicht zu wissen, was los war und was als nächstes geschah, es machte einen fertig. Ich wusste nicht mehr, wie spät es war, ob ich Tage, Stunden oder nur Minuten hier drinnen saß, erinnerte mich nicht, ob ich eingeschlafen war oder nicht, ich war einfach die ganze Zeit angespannt, nervös und voller Angst. Das einzige, was ich wie eine Art Mantra vor mich hinmurmelte, in meinen Gedanken immer und immer wieder sagte, war sein Name: Bucky.

Manchmal glaubte ich, dass ich mir das eingebildet hatte, dass er es nicht war, schließlich war es verflucht lange her, seit ich ihn das letzte Mal sah und gleichzeitig war ich auch noch jung gewesen, doch er musste es einfach gewesen sein.

„Elena Dawn." Ich zuckte zusammen, als die Türe zu meinem Käfig quietschend aufging und ich sah zu dem in Uniform gekleideten Mann, Juri.

„Was habt ihr vor?", fragte ich leise nach, spürte wie trocken mein Hals war und ich würde gerade sterben für ein Glas Wasser. Gott, Peggy wäre ja so enttäuscht von meiner Schwäche, aber hätte sie das auch so lange durchgehalten? Vermutlich ja, sie wäre eher gestorben, als nur irgendwas zu sagen, doch wie nützlich waren meine Informationen bezüglich Bucky auch schon?

„Zola will dich sehen und reden."
„So wie letztes Mal?", fragte ich kalt nach und sah auf meine Arme, die zwar mittlerweile weniger schmerzten, doch das war grausam und nochmal wollte ich das nicht ertragen müssen.

„Kommt drauf an, wie du dich benimmst", erwiderte er mit seinem starken russischen Akzent und ich stand wankend auf und versuchte mir meine Schwäche nicht ganz so anmerken zu lassen, als ich auf ihn zu lief und schon grob am Oberarm gepackt und aus dem Raum gezogen wurde. Dass ich Angst hatte, stand außer Frage, es wäre vermutlich auch dämlich keine Angst zu haben, doch ich würde tapfer sterben, wenn ich es denn müsste. Es war zwar alles andere als leicht damit zu leben, dass ich so Bucky nicht helfen könnte, doch ich war alleine. Ich war alleine unter hunderten HYDRA Anhängern und da wäre ich machtlos. Komplett machtlos.



Der Weg zu Zola glich einem Labyrinth aus Treppen, langen dunklen Gängen und riesigen Lagerhallen. Wo zum Teufel lag dieses Versteck denn, dass es so groß war und noch unbemerkt? Uns war von keinem solchen Aufenthaltsort bekannt.

„Hier ist das Mädchen", rief Juri aus, als wir schließlich durch eine weitere Türe liefen und in einer Art kleinen Arztpraxis rauskamen, wo ich versuchte ruhiger zu werden bei dem Anblick all dieser Instrumente hier, doch diese verrieten nun wirklich nichts gutes.

„Ah, Elena", begrüßte Zola mich erfreut, während ich nur angewidert mein Gesicht verziehen konnte, „Bring sie doch zu dem Stuhl!" Ich ließ mich nur recht widerwillig von Juri zu dem Arztpraxisstuhl führen, wo Gürtelschnallen angebracht wurden und natürlich wurde ich an diesen festgeschnallt, was wohl hieß, dass es noch nicht vorbei war und nun weiter gehen würde mit dem Schmerz und dem Leid.

„Du darfst jetzt gehen." Auf seine Worte hin verschwand Juri auch schon und ich machte mir gar nicht erst die Mühe mich aus den Fesseln zu befreien, sah einfach nur zu Zola, der sich auf einen Stuhl setzte und eine Brille zurecht rückte. Verfluchter Dreck, wieso hatte man ihn nicht getötet, als man ihn damals in die Finger gekriegt hatte?

„Wollen sie mir nun weiter Schmerzen zufügen?", fragte ich leise nach und wollte, dass wenn es so wäre, er doch bitte endlich anfangen würde, diese Warterei trieb mich Stück für Stück in den Wahnsinn.

„Aber nicht doch, ich will viel mehr mit dir reden und dafür sorgen, dass du artig bleiben wirst", lachte er auf und ich schluckte schwer, „Du musst wissen, wie unfassbar schwer es ist Barnes, der für uns nur der Soldat ist, gerne auch Winter Soldier, ruhig zu halten. Wir haben seinen kleinen Kopf schön manipulieren können, doch er ist gefüllt von Wut und Hass und durch seine Stärke sehr gefährlich."
„Was hat das mit mir zu tun? Klar, er hat mich verschont, aber warum tötet man mich nicht und beendet es?"
„Weil du der Schlüssel sein kannst unser Problem zu beseitigen. Du bist ein Auslöser, wenn du da bist, verfliegt sein Zorn und er wird anders, wir können dieses etwas nutzen und dich wie eine Waffe verwenden", erklärte er mir und mit jedem Wort fühlte ich mich weniger wohl, wurde ich mehr angewidert und wollte am liebten lautstark protestieren, denn das war krank. Ich sollte offen dazu beitragen Bucky weiterhin das hier anzutun? Diese Abscheulichkeit?

„Ich könnte mich quer stellen."
„Und wir könnten deine Familie finden und sie mit dem Winter Soldier bekannt machen. Deine arme kleine Cousine, die fast noch ein Baby ist, würde in seinen Händen zu Staub verfallen", bemerkte er und ich glaubte mich übergeben zu müssen bei seinen Worten. Meine Tante und ihr Kind waren meine letzte Familie und wenn einem von beiden was passieren würde...

„Wie wird es weiter gehen?", fragte ich den Tränen nahe nach, spürte die schrecklich Zukunft, die mir bevorstand. Ich würde diese Hallen niemals wieder lebendig verlassen. Ich würde hier bleiben und zu Grunde gehen. Ich hätte auf meine Tante hören sollen, einen normalen Beruf ausüben, dann wäre alles anders gekommen mit Sicherheit.

„Ich würde zu gerne deinen Kopf öffnen, erforschen, was dich so besonders macht, aber du bist zu wichtig. Wir werden dafür Seinen Kopf neue Dinge hinzufügen, den Impuls auf dich aufzupassen verstärken, so dass wir ihm mehr mit dir drohen können, ihn mit dir besänftigen können."

„Und was soll ich machen? In einem Käfig leben, nur raus dürfen, wenn ich gebraucht werde, bis ich in ein paar Jahrzehnten vergehe?", fragte ich verzweifelt und voller Wut nach, unterdrückte das Verlangen ihm ins Gesicht zu spucken.

„Dir wird es an nichts fehlen, du wirst wie unser Gast sein", versichrte er mir aufrichtig und ich lachte verbittert auf.

„Nein, wie eine Gefangene."



Heyho :) Ich hoffe echt sehr dass euch das Kapitel gefallen hat, denn ab jetzt können wir anfangen so richtig mit der Geschichte zu beginnen und da kommt noch so einiges auf die arme Elena zu. xx

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