19. Gewähltes Leben
Ich hatte keine Ahnung mehr, ob ich in dieser Nacht geschlafen hatte, ob alles, was ich sah, Wirklichkeit oder doch nur ein Traum war und doch schwirrte mir immer und immer wieder Wills Gesicht in den Gedanken herum, ich hörte seine Schreie nach mir, spürte wie Bucky mich an sich drückte, wie sanft er zu mir gewesen war, wie menschlich er gewesen war.
All das war so bizarr gewesen, als ob es in einer anderen Welt geschehen war, doch ich wusste es besser. Es war die Realität und nun müsste ich mit den Konsequenzen meines Handelns leben. Ich müsste damit leben, hier zu bleiben, doch es war die richtige Entscheidung gewesen, ich war mir so sicher dabei.
Ich weiß, dass noch lange viel Lärm wegen des Angriffs geherrscht, das vermutlich kaum einer wirklich geschlafen hatte die Nacht über, doch irgendwann zum Morgen hin war es ruhiger geworden, auch wenn es nicht lange halten würde. Man würde sicher vieles nun machen,um so etwas erneut zu verhindern, sie würden herausfinden wollen, wie sie überhaupt herausgefunden hatten, wo dieser Ort hier war, etwas was mich genauso interessierte, doch vermutlich würde man früher oder später genau deswegen auf mich zugehen, schließlich war ich nach wie vor die Person gewesen, die sie hatten retten wollen.
Frustriert von allem, verließ ich mein Zimmer, nachdem ich mich halbwegs für den Tag, der genauso endlos sein würde, wie jeder Tag hier, hergerichtet hatte. In den Gängen waren kaum Wachen unterwegs, doch die, die unterwegs waren, waren so schwer bewaffnet, wie nie zuvor, ab jetzt würde man wohl auf alles vorbereitet sein. Eine weitere Fluchtmöglichkeit würde sich vermutlich für eine sehr sehr lange Zeit nicht mehr anbieten, doch ich brauchte wohl auch noch sehr sehr viel Zeit um mir klar zu werden, wie es mit mir und Bucky weitergehen würde, ob es Hoffnung gäbe ihn zu retten, wie groß die Wahrscheinlichkeit wäre ihn davon zu überzeugen mit mir zu fliehen, dass HYDRA die Bösen waren.
Ich seufzte leicht auf, als ich ziellos weiter lief, einfach nur meine Beine bewegen wollte, hoffte Gesprächsfetzen aufzunehmen, in denen jemand sagen würde, ob man Will und die anderen gefangen nehmen konnten oder ob sie es hoffentlich geschafft hatten zu entkommen. Nur leider unterhielt sich keiner, alle Wachen, die ich sah, wirkten erschöpft und schlecht gelaunt und ich musste schnell feststellen, dass viele Gänge komplett gesperrt worden waren, entweder weil sie zu stark mitgenommen waren vom Angriff oder sie waren nur für mich gesperrt, weil HYDRA Angst hatte, dass ich nun wüsste, wo der Ausgang sich befand. Im Grunde hatte ich sogar nun wirklich eine ungefähre Ahnung, wo es hinausgehen würde, doch hatten sie nicht mitbekommen, dass ich freiwillig geblieben war? Wieso sollte ich nun jetzt plötzlich fliehen wollen?
Ich schüttelte kaum merkbar den Kopf und blieb schließlich in einer Ecke eines eher unbelebten Ganges stehen, von der ich wusste, dass es hier sozusagen eine Lücke in der Bewachung gab. Man konnte auf keiner Kamera in dieser Ecke gesehen werden, laut Ivan, und ich war dankbar für dieses bisschen Privatsphäre, schließlich bewegte ich mich hier nur unter dauerhafter Beobachtung, was alles andere als angenehm war. Ich sehnte mich danach wieder nur in einem Schlafanzug an einem friedlichen Sonntagmorgen Pfannkuchen zu machen, dabei ungestört durch die Wohnung zu tanzen, irgendwie frei zu sein. Ich wusste gar nicht mehr, was es bedeutete frei zu sein, für mich waren Erinnerungen an dieses Leben so absurd, daran zu denken, dahinzugehen, wohin man wollte, wann man wollte und mit wem man wollte... es klang wie ein weit entfernter Traum, nicht mehr.
„Malia." Ich zuckte überrascht zusammen, als Bucky um die Ecke gebogen kam, genauso müde aussah, wie all die anderen hier auch, dennoch schien sich sein Gesicht kurz zu erhellen, als er mich erblickte.
„B", begrüßte ich ihn, spürte wie mein Herz schneller zu schlagen begann, als er auf mich zu lief und schon in seine Arme zog. Dankend drückte ich mich an ihn, war glücklich ihn bei mir zu wissen, auch wenn ich nicht damit gerechnet hätte ihn so schnell wiedersehen zu dürfen.
„Was machst du hier? Geht es dir gut?", fragte er mich besorgt nach, drückte mich etwas von sich, wo er mein Gesicht musterte und mir auffiel, dass er noch schlimmer aussah, als ich es auf dem ersten Blick bemerkt hatte. Unter seinen Augen lagen tiefe Schatten, er wirkte total verwirrt, besorgt und von Gedanken geplagt.
„Mir geht es gut, aber wie geht es dir denn? Was ist los?", fragte ich deswegen nach, sah zwar, dass meine Antwort ihn nicht wirklich besänftigte, doch da er an mir nichts finden konnte, was ihn noch mehr sorgen sollte, beließ er es dabei.
„Das mit gestern, hat für viel Aufregung gesorgt."
„Das habe ich gemerkt", erwiderte ich sanft, als er den Blick sinken ließ, „Konnten sie fliehen?"
„Ja und ich weiß, dass du erleichtert darüber bist, aber ich... ich sorge mich um dich", meinte er angespannt und sah wieder zu mir auf, wo ich schwer schlucken musste bei seinem intensiven Blick.
„Du brauchst dich nicht zu sorgen..."
„Sie wollten dich holen und ich kann das nicht zu lassen, ich will dich nicht verlieren!", sagte er eindringlich und ich lächelte schmerzvoll von seiner Angst, seiner Panik.
„Ich lasse nicht zu, dass wir uns trennen, verstanden? Ich bin geblieben, also vertraue mir, wenn ich sage, dass ich bleiben werde", sprach ich ihm sanft zu, dennoch wirkte er immer noch furchtbar angespannt.
„Wieso.... wieso hat er dich Elena genannt? Der Mann, er hat dich immer wieder Elena genannt, wieso?", fragte er da wohl die Frage, die ihn insgeheim am allermeisten beschäftigt hatte, die mich erbleichen ließ, schließlich hatte ich nicht daran gedacht, dass er es ja gehört haben musste. Bucky wirkte so, als würde ihn dieser Name so sehr verwirren und ich dachte daran, was wäre, wenn er ihn zu sehr an Dinge erinnern ließ, wenn er wüsste, dass es mein echter Name wäre, doch war jetzt der richtige Zeitpunkt dafür? Hier herrschte Chaos, Bucky war alles andere als in seiner besten Verfassung, vermutlich war es besser das zu verschieben, die Wahrheit noch ein wenig beiseite zu schieben.
„Ich weiß es nicht", log ich deswegen und nahm sein Gesicht dabei in meine beiden Hände, „Es ist nur ein Name, zerbrich dir nicht zu sehr den Kopf deswegen. Wer weiß schon, was er damit gemeint hatte, aber es hat nichts mit dir zu tun oder mit mir." Ich strich ihm beruhigend mit meinen Daumen über seine Wangen, sah wie er sich davon endlich entspannte. Ich selber verlor mich in seinen hellen Augen mal wieder, fühlte mich ihm so nahe, wissend, dass das hier keiner sehen konnte, dass wir irgendwie alleine waren und als sein Blick wie von alleine auf meine Lippen fiel, wollte ich nur noch, dass er mich küsste. Ich wollte ihm so nahe sein, wie es ging, ich wollte dieses bisschen menschliche Nähe haben dürfen, nur leider war es nicht so leicht. Ruckartig ließ ich Bucky los und wich einige Schritte zurück, als ich in dem Moment auch schon Schritte näher kommen hörte, war dankbar, dass Bucky wohl verstand, dass unsre Nähe geheim bleiben sollte, denn er wirkte augenblicklich ernst und wieder so mechanisch, als wäre er mehr ein Roboter als eine Person.
Ich seufzte erleichtert auf, als lediglich Ivan um die Ecke gebogen kam, dennoch schien er alles andere als glücklich zu sein. Sein Blick war finster und er wurde sogar noch düsterer, als er sah, dass Bucky bei mir war.
„Wir müssen reden, Malia!", sagte er ernst und ich hatte ein ungutes Gefühl bei der Sache .
„Natürlich", antwortete ich dennoch und versuchte das Zittern aus meiner Stimme zu verscheuchen, sah kurz zu Bucky, der besorgt von Ivans schlechter Laune zu wirken schien, weswegen ich ihm zu verstehen gab, dass es schon ok war, ehe ich ihn stehen ließ und mit Ivan weiterlief. Dieser sprach, während wir liefen, kein Wort und ich wusste, dass er versuchte sich erst zu beruhigen, bevor er sprach, dass er versuchte einen Ort zu finden, wo wir nicht Gefahr laufen würden entdeckt oder belauscht zu werden.
„Willst du mich anschreien?", fragte ich nach, wusste, dass ich es verdient hätte angeschrien zu werden.
„Schreien bringt nichts mehr, ich könnte dich erwürgen für deine Dummheit, Malia!", erwiderte er wütend und ich atmete zittrig aus.
„Du verstehst es nicht..."
„Ich verstehe es nicht?", fragte er lauter als beabsichtigt nach und blieb stehen, „Du hättest frei sein können, wie du es wolltest, doch du bleibst hier?"
„Also hast du sie her gelassen?", fragte ich nach, was ihn dazu brachte die Augen zu verdrehen.
„Natürlich! Ich habe dir gesagt, dass ich dir helfe, habe S.H.I.E.L.D das zugesteckt, doch du hast deine einzige Chance einfach verspielt? Wieso?"
„Ich... ich kann ihn nicht hier lassen", erklärte ich mich beschämt, wusste ja selbst, wie naiv das war, doch ich würde nicht mit mir leben können, wissend, dass er hier war.
„Wieso verstehst du denn nicht, dass das kein normaler Mann mehr ist? Er ist manipuliert, Malia, er hat keine Ahnung, was er tut, und wenn sie es ihm befehlen, würde er dich mit bloßen Händen erwürgen!", schrie er mich da an und ich sah ihn mit Tränen in den Augen verletzt an, wusste ja, dass er Recht hatte, doch ich wusste auch, dass der alte Bucky in ihm war, dass er Hilfe brauchte und ich würde ihn retten, so wie er mich damals gerettet hatte.
„Es ist mir egal", hauchte ich leise zur Antwort, „Ich will ihm helfen.. ich.... ich brauche ihn genauso wie er mich, Ivan. Deswegen gehe ich auch nicht ohne ihn."
„Du hast keine Ahnung, was du dir damit antun wirst", meinte er verbittert und ich wischte mir meine Tränen weg.
„Ich weiß, aber ich habe mein Schicksal gewählt und muss nun damit leben."
Natürlich wurde ich wegen des ganzen Vorfalls noch von Juri befragt, von ihm und anderen hohen Tieren HYDRAs, durfte mir tausende Fragen anhören, vor allem aber wieso ich stehen geblieben war, nicht mit den anderen floh, als ich es konnte. Meine Antwort war nicht die volle Wahrheit gewesen, doch zu sagen, dass ich die anderen schützen wollte, war gar nicht einmal eine so große Lüge gewesen. Schließlich hatten sie jedoch einsehen müssen, dass ich nichts damit zu tun haben konnte, dass ich als Gefangene kaum Kontakt nach außen hätte aufnehmen können. Ich wurde schließlich in den letzten Tagen dann deswegen doch noch endlich trainiert, war erstaunt, wie wenig ich eigentlich noch konnte, wie schwach ich doch war und wurde bei jeder Trainingsstunde von einem überaus besorgten Bucky beobachtet, der ab und an auch weggebracht werden musste, da er drohte auszurasten, wenn mein Trainer, der soweit ich mich nicht irrte Pablo hieß, mich unsanft auf die Trainingsmatte schmiss.
„Wirklich, ich habe gedacht, dass du mehr drauf hättest", beschwerte dieser sich amüsiert, als er mich zum wiederholten Mal nun besiegen konnte und atemlos lag ich auf meinem Rücken und ließ mir von ihm aufhelfen.
„Dachte ich eigentlich auch", erwiderte ich frustriert und völlig ausgelaugt. Immerhin schien Pablo nett zu sein, zwar nicht auf die selbe Art wie Ivan, doch er war nicht so ein Arsch, wie viele andere es hier sein konnten.
„Na los, versuchen wir es nochmal", meinte er schmunzelnd, doch daraus wurde nichts, als die Türe zum Trainingsraum aufging und ich Juri hereinkommen sah.
„Mitkommen!", wies er mich streng an und ich tauschte einen kurzen Blick mit Pablo, ehe ich wieder zu dem strengen Russen sah.
„Was ist los?"
„Es geht zum einfrieren! Wir haben gerade Schwierigkeiten hier und müssen euch beide fürs erste auf Eis legen!", erklärte er mir schlicht und augenblicklich fing mein Herz schneller an zu schlagen, doch dieses Mal nicht weil Bucky mich glücklich machte, nein, dieses Mal hatte ich einfach nur Angst, dachte an die Worte des Arztes und wie meine Organe durch das Einfrieren litten.
„Ok", hauchte ich zu kaum mehr fähig, spannte mich stark an, als ich Juri und anderen Wachen aus der Halle folgte und weiter in den vertrauten kleinen Raum, in dem ich Jahre lang eingefroren wurde teilweise.
„Wir versuchen keine lange Pause einzubringen, nur bis sich die Lage hier wieder stabilisiert hat", erklärte Juri mir sanfter, als ich es von ihm gewohnt war, als die anderen Wachen gingen und verschiedene Ärzte hereinkamen, die mich schon wieder bereit machten für das Einfrieren.
„Ich hoffe es doch", meinte ich monoton, dachte daran, wie viel sich erneut ändern würde, dachte daran vielleicht nie wieder aufzuwachen hiervon, doch ich hatte mich für dieses Leben entschieden.
Aloha :) Ich hoffe euch hat es gefallen und es gibt jetzt ja wieder einen kleinen Zeitprung. Zwischen den beiden wird es langsam ernster und ja mal sehen wie das ausgehen wird xD
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