11. Das Angebot
Es war hart von ihm getrennt zu sein, fast schon so, als wäre ich genauso an ihn gebunden, wie er an mich, dabei war ich es nicht. Die paar Mal, wo ich seit unseres Erwachen erneut zu ihm durfte, waren so kurz gewesen, dass ich jedes Mal am liebsten in Tränen ausgebrochen wäre, wenn ich gehen musste. Bucky selbst wirkte immer offener mir gegenüber, er lächelte in meiner Gegenwart, sprach mehr und versuchte mir Russisch beizubringen, ebenso Ivan – der junge Bewacher – der sich zu seinem echten Freund anfing zu entwickeln. Ich war zwar eine katastrophale Schülerin, doch ich gab mein bestes die Sprache zu verstehen, die Zeit hatte ich ja immerhin und nützlich wäre es vermutlich auch hier.
Nachdenklich saß ich in dem kleinen Teil der HYDRA Bibliothek, wo ich mich aufhalten durfte, hatte vor mir ein Buch über den Krieg liegen, war jedoch zu sehr in Gedanken, als auch nur ein Wort von dem aufzunehmen, das ich da las. Meine Gedanken kreisten wie meistens um Bucky, wie eng wir mittlerweile befreundet waren, wie eigenartig das war, wenn man bedachte, dass er mal mein Held gewesen war, zu dem ich hatte aufsehen müssen, für den ich wie eine kleine Schwester gewesen war. Nun waren wir beide einfach nur zwei Gefangene, die dich gegenseitig halfen. Meine Gedanken wanderten weiter von Bucky zu Peggy, zu S.H.I.E.L.D. Und weiter zu meiner Tante und meiner Cousine. Ich dachte an Will, ob er eine neue hatte, verheiratet war mittlerweile oder sogar schon Kinder hatte? Ich wusste es nicht, ich hoffte, sie alle waren glücklich und doch auch verbitterte mich der Gedanke so sehr, schließlich war für mich vielleicht gerade einmal ein halbes Jahr vergangen, seit ich fort war, für sie aber waren es mehr als zehn Jahre.
„Ich habe mir schon gedacht, dass du dich sehr für den Krieg interessieren würdest." Verschreckt sah ich zu Heinrich auf, als dieser sich ungefragt gegenüber von mir an den Tisch niederließ und anlächelte, „Ich selbst habe in ihm gekämpft. Die Narben von den Granaten an meiner Brust schmerzen selbst heute noch." Er lachte dabei und irritiert sah ich zu ihm, hatte keine Ahnung, wieso er hier war, was er eigentlich von mir wollte. Ich traute seiner gespielten freundlichen Art nicht, kaufte ihm dieses überbreite Grinsen nicht ab und fand ihn einfach nur gruselig. Außerdem war er mir alleine deshalb unsympathisch, weil er es liebte Bucky zu verspotten, ihn als schwache Puppe darzustellen.
„Ich war ein Kind gewesen... meine ganze Stadt wurde dem Erdboden gleichgemacht."
„Ja, ein Kind gewesen zu sein bei alledem muss schlimm gewesen sein, aber du hast überlebt, als einer der wenigen Kinder des Krieges."
„Nur um hier zu enden", erwiderte ich kalt, was ihn weiter lächeln ließ.
„Aber aber. Du solltest die Möglichkeiten hier vor Augen halten. HYDRA hat einem so vieles zu bieten, vor allem einem so hübschen, jungen Mädchen, wie du es bist", bemerkte er und ich zuckte zusammen, als er seine Hand ausstreckte und meine Hand damit ergriff. Ach du Scheiße, was tat der Kerl da? Musste er nicht merken, dass er viel zu alt für mich war? Zwischen uns lag ein Altersunterschied von über 20 Jahren!
„Ich diene dazu Bucky zu besänftigen", erinnerte ich ihn und entzog meine Hand, was sein Lächeln das erste Mal verschwinden ließ.
„Die paar Minuten, wo du zu diesem Verrückten musst... was sind die schon? Du musst kurz auf ihn einreden, fertig! Zu mehr bist du nicht verpflichtet."
„Und das reicht voll und ganz", sagte ich angriffslustig und gleichzeitig eingeschüchtert. Ich hatte Angst von dem, worauf er hinaus wollte, hatte Angst, was für Konsequenzen mein ablehnendes Verhalten mit sich bringen würde, doch ich war noch zu wichtig, oder nicht? Ich war schließlich wegen Bucky hier und nicht weil ein Offizier mich als Nutte ansah.
„Du bist völlig hin und weg von unserem Auftragsmörder, nicht wahr?" Er klang höhnisch dabei und um ehrlich zu sein trafen seine Worte mich sehr. Sie trafen mich nicht nur, weil ich wirklich Bucky gern hatte, sondern auch, weil ich es hasste, wenn man so über ihn sprach.
„Nein! Er hat meine Freunde getötet und wollte meinen festen Freund ebenfalls umbringen. Ich weiß nur, was mein Job ist, das ist alles", erwiderte ich kalt, auch wenn es gelogen war, schließlich wusste ich ja, dass Bucky nichts für all das konnte.
„Ein schlaues Mädchen bist du schon, aber du wärst wohl noch schlauer, wenn du über mein Angebot nachdenken würdest. Ein so hübsches Ding wie dich einfach so vergehen lassen... es wäre eine solche Verschwendung." Während er sprach, lehnte er sich weiter zu mir vor, ergriff erneut meine Hand und strich sanft mit seinem Daumen über meinen Handrücken, während ich völlig erstarrt war und zugleich völlig angewidert.
„Ich glaube nicht irgendwen anderes jemals wollen zu können, außer Will", bemerkte ich nicht halb so standhaft, wie ich es gerne wollte, schafft es dennoch meine Hand zurück zu ziehen, als Gott sei gedankt in dem Augenblick Ivan in die Bibliothek marschiert kam und verwirrt zwischen mir und Heinrich hin und hersah.
„Ist hier alles in Ordnung?", fragte er mit seinem beruhigenden russischen Akzent nach und hastig sprang ich von meinem Stuhl auf.
„Ja...ich wollte gerade zurück in mein Zimmer gehen."
„Ich kann dich ja begleiten", schlug Ivan misstrauisch von der Situation vor, sah abschätzend zu Heinrich, der nun selbst aufgestanden war und Ivan verachtend anblickte.
„Wir sehen uns sicher noch, Malia." Mit den Worten lief er an uns vorbei und ich atmete zittrig und nervlich am Ende aus.
„Was wollte er?", fragte Ivan besorgt, als Heinrich außer Reichweite war, während wir in die andere Richtung los liefen, ich immer noch verwirrt von seinen Worten war, sie durch meinen Kopf hallten.
„Er ist der Meinung ein hübsches Ding wie ich sollte nicht alleine hier sein müssen und er könnte mir ja so viel bieten", erklärte ich abfällig, hörte wie Ivan auf russisch anfing zu fluchen, doch um es zu verstehen, reichten meine russisch Künste noch nicht aus.
„Er denkt nur, weil er so hoch angesehen ist, sich alles hier erlauben zu können!"
„Wie lange ist er schon hier? Als ich damals ankam, war Juri noch auf seinem Posten gewesen", meinte ich und dachte daran, dass Ivan vor zehn Jahren ein kleines Kind gewesen sein musste, es war so sonderbar.
„Solange wie ich. Ein Jahr ungefähr, aber er ist schon in Deutschland eine große Nummer gewesen, Juri hat irgendwas verbockt und so hat sich alles ergeben." Ich nickte nur zur Antwort, wünschte mir so sehr auch von ihm erfahren zu können, was es mit den Leuten, die mir am Herzen lagen auf sich hatte. Lebten sie alle noch? Wie erging es ihnen so? Doch wie hoch war die Wahrscheinlichkeit schon, dass er das wusste?
„Denkst du es ist möglich, dass du mir Informationen über meine Freunde und Familie beschaffen könntest?", fragte ich leise nach, als wir fast mein Zimmer erreichten und ich mir sicher drüber war, dass Ivan sicher nicht zu denen gehörte, die an dieser Frage etwas schlimmes sehen würden. Vermutlich würde er mir sogar bei der Flucht helfen, wenn er es könnte und wenn ich es eingehen würde sein Leben so zu riskieren.
„Natürlich, nenn mir die Namen und ich sehe, was sich machen lässt. Es ist das Mindeste, was ich hier drinnen für dich machen kann", antwortete er augenblicklich und hielt mit mir vor meiner immerhin mittlerweile nicht mehr abgesperrten Zimmertüre.
„Du schuldest mir rein gar nichts, Ivan. Aber trotzdem danke. Ich will nur wissen, was aus meiner Freundin Peggy Carter wurde, meiner Tante und ihrer Tochter und aus meinem Freund Will."
„Das weiß ich sogar im Grunde auch so schon", erwiderte er und ich sah ihn verblüfft an.
„Deine Freundin ist immer noch bei S.H.I.E.L.D soweit ich es weiß, sehr ehrgeizig die Liebe." Ich lächelte leicht und stellte mir eine Peggy um die Anfang 40 vor, die das mittlerweile sicher viel größere S.H.I.E.L.D leitete, „Von deinem Freund weiß ich, dass er immer noch dort arbeitet, der Winter Soldier ist ihm bei seinem letzten Auftrag sogar begegnet, aber dein Freund konnte wohl nochmal davon kommen." Ich sah Ivan schockiert von dieser Nachricht an. Erinnerte mich an Buckys letzter Begegnung mit Will, wo dieser beinahe gestorben wäre. Gleichzeitig dachte ich daran, was Will wohl dachte? Glaubte er Bucky hätte mich zur Strecke gebracht? Glaubte er meinem Mörder begegnet zu sein? Es war merkwürdig, alles war einfach so merkwürdig.
„Ich kann versuchen aber was zu deiner Tante noch herauszufinden, wenn du magst", sprach Ivan weiter, der sah, wie mitgenommen ich wirkte.
„Wäre wirklich nett, ich will nur wissen, dass es ihr und meiner Cousine gut geht", antwortete ich leise, dachte an meine Cousine Lori, die nach diesen zehn Jahren jetzt 15 Jahre alt sein musste. Meine kleine Baby Cousine war fast schon erwachsen, zerstörte die armen Nerven meiner Tante mit Sicherheit, doch das kannte sie alles wohl noch zu gut von meiner Zeit als Jugendliche. Ich lächelte bekümmert und nahm dankend das Taschentuch entgegen, das Ivan mir reichte, als ich zu weinen begonnen hatte.
„Du wirst sie wiedersehen", versicherte er mir, doch ich glaubte nicht daran. Selbst wenn ich es schaffen sollte irgendwann allem zu entkomme, wie viel Zeit wäre dann vergangen? Würde irgendwer von ihnen überhaupt noch leben?
„Du wirkst bekümmert?"
„Merkt man das so sehr?", fragte ich verbittert nach, drehte mich zu Bucky, der neben mir auf dem Bett saß, während ich dort lag und seine Hand hielt, was ihn voll und ganz zufrieden stimmte.
„Du sprichst nicht und siehst so traurig aus... trauriger als üblich", bemerkte er und schien von meinem Kummer ebenfalls Kummer zu kriegen, weswegen ich seufzte und mich aufsetzte, wo ich ihm meine Hand entzog, was ihn gleich nervös machte.
„Du hast Will gesehen, nicht wahr?", fragte ich, sah wie er kurz verwirrt von dem Namen zu sein schien, ehe er begriff.
„Ja. Er war im Weg bei einem Auftrag."
„Hättest du ihn getötet?" Gequält sah ich ihn an, las die Antwort in seinem Gesicht ab, ehe er nickte und ich nur mal wieder erkennen musste, dass nie irgendwas ok sein würde.
„Verstehe", murmelte ich, wollte das Bett verlassen, doch Bucky zog mich zurück, sah mich traurig und verbittert an.
„Es ist mein Auftrag! Ich lasse mich nicht stoppen!"
„Aber du musst es doch wenigstens versuchen! Mich hast du auch nicht getötet", erwiderte ich, sah wie er völlig überfordert wirkte, als würden meine Worte kompletter Schwachsinn sein.
„Das ist anders gewesen."
„Achja? Wenn man dir den Auftrag geben würde mir weh zu tun, mich zu töten..."
„Hör auf!", unterbrach er mich harsch und ich war überrascht von diesem Tonfall, so neu war er für mich, „Ich ertrage diesen Gedanken nicht zu was sie mich zwingen könnten." Er klang verzweifelt und seufzend nahm ich seine Hand wieder in meine und lehnte mich an ihn. Es fiel mir so schwer mich daran zu erinnern, was für eine Marionette er doch war und doch machte es mich so wütend. Ich projizierte die Wut, die ich auf HYDRA hatte, zu sehr auf Bucky.
„Es tut mir leid, B", murmelte ich, hätte gerne mehr gesagt, ihn mehr dazu angestiftet doch zu rebellieren, von hier zu verschwinden, doch wir wurden immer noch belauscht. Es war zu gefährlich.
„Muss es nicht. Du hast ja Recht, doch ich würde dir niemals weh tun. Ich verspreche es, ich könnte gar nicht mit mir leben, wenn ich es täte", sagte er sanft und ich lächelte von seinen Worten gerührt.
„Das weiß ich doch."
Aloha :) Ich hoffe euch hat das Kapitel gefallen. Schreibt mir doch eure Meinung xx
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