9. Tür

Mit einem Lächeln auf dem Gesicht sitzen wir nebeneinander. Immer wieder berühren sich unsere Schultern, als wäre es einfach nur reiner Zufall. Eine hauchzarte Berührung, die nur für uns bedeutend ist.

"Was hältst du davon, wenn wir uns heute Abend einen Film angucken?", durchbricht Magnus die Stille zwischen uns. Ich gucke überrascht von dem Mensa - Essen hoch und direkt in seine bernsteinfarbenen Augen.

Mit einem Räuspern versuche ich den Kloß zu entfernen, der sich hartnäckig dort fest gesetzt hat, seit Magnus sich neben mir niedergelassen hat. Vor über einer Woche konnten wir noch ohne Probleme miteinander reden und jetzt ist jedes Wort bedeutungsvoll.

"Ein Film?", frage ich und klinge dabei unglaublich nervös, "Meinst du damit ein Date?". Meine Wangen röten sich vor Verlegenheit und schnell widme ich mich wieder dem Kartoffelpüree, welches auf meinem Teller regelrecht in irgendeiner braunen Sauce versinkt.

Ich kann spüren, wie Magnus mit seinen Schultern zuckt und dabei meinen Arm berührt. "Nur du und ich. Kino. Popcorn.". Unsicher beiße ich mir auf meine Unterlippe. "Meinst du nicht, dass das komisch werden könnte?".

Trocken lacht er auf, "Falls du es noch nicht bemerkt hast, zwischen uns ist gerade überhaupt nichts normal.". Zögernd senkt er seinen Kopf und spielt mit den Nudeln auf seinem Teller. "Hast du es dir anders überlegt?".

Verwirrt gucke ich ihn von der Seite an. Ich beobachte ihn, wie er seine Nudeln akribisch zerteilt. "Was sollte ich mir anders überlegt haben?".

"Das mit uns.". Er weicht meinen Blick aus. Ich habe ihn schon lange nicht mehr so unsicher gesehen, doch bevor ich ihm antworten kann, werden mehrere Tabletts auf unseren Tisch abgestellt.

"Es schneit.", zwitschert Izzy vergnügt, während sie sich ihren roten Schal vom Hals wickelt. Geschmolzene Flocken hängen in ihren Haare. Mit ihren geröteten Wangen erinnert sie mich an die Zeit, wo wir noch alle draußen Schlitten gefahren sind. Als ich ihr meine Gedanken mitteile, streckt sie mir spielend ihre Zunge entgegen. "Ich würde gerne wieder Schlitten und Schlittschuh fahren gehen.", sagt sie fast schon schmollend und guckt zu Sheldon, der neben ihr sitzt.

Mit einem dümmlichen Lächeln auf dem Gesicht zieht er sich seine beschlagene Brille von der Nase. "Das lässt sich bestimmt einrichten.".

Jace und Clary wechseln das Thema und sprechen über die Weihnachtsfeiern, die unsere Fachbereiche schmeißen. Magnus ist ungewöhnlich still. Aus dem Augenwinkel heraus sehe ich, wie er seine Nudeln zu Brei verarbeitet hat. Seine Mundwinkel sind nach unten gezogen.

Nachdenklich fahre ich mir durch meine schwarzen Haare. Wieso sollte ich es mir anders überlegt haben? Meine Wangen röten sich, als ich an gestrigen Tag denke. Nach der Dusche haben wir uns abgetrocknet und den restlichen Nachmittag auf der Couch verbracht. Abgesehen von ein paar unschuldigen Berührungen, war alles so wie früher. Ein verträumtes Lächeln schleicht sich auf meine Lippen.

Mein Herz hat aufgeregt geflattert und ich habe mich regelrecht berauscht gefühlt. Berauscht von ihm. Vorsichtig rutsche ich in näher zu ihm, darauf bedacht, dass die anderen nichts davon mitbekommen. Ich bewege mein Bein und drücke es gegen Seins.

Überrascht hebt Magnus seinen Kopf und starrt mich an. Ich weiche seinem Blick aus und gucke konzentriert auf meinen Brei. Mein Herz fängt an zu rasen, während ich auf eine Reaktion von ihm warte. Im besten Fall erwidert er die Berührung und im schlimmsten Fall, rückt er von mir ab. Mein Herz fängt heftig in meiner Brust an zu schlagen.

Die Zeit vergeht wie im Fluge, während ich nervös abwarte. Er hat mich gefragt, ob ich es mir anders überlegt habe. Doch was ist, wenn er derjenige ist, der jetzt Zweifel hat? Magnus drückt sein Bein gegen meins. Mein Herz setzt ein paar Schläge aus, bevor es regelrecht aus meiner Brust springt.

Immer wieder tauschen wir heimliche Blicke. Ich nehme die Unterhaltung um mich herum überhaupt nicht mehr wahr. Das Einzige, was gerade zählt, ist Magnus und wie er sein Bein gegen meins drückt. "Kommt ihr auch?", durchbricht die nervige Stimme meiner Schwester die Blase, in der wir uns befinden.

"Wohin?", frage ich sie verwirrt. Genervt erwidert sie meinen Blick, "Erde an Alec. Die Weihnachtsfeier am Achtzehnten.". Entsetzt verziehe ich das Gesicht. Meine Mundwinkel sinken nach unten, doch bevor ich ihr mitteilen kann, dass ich überhaupt keine Lust habe, einen Haufen Leuten dabei zuzusehen, wie sie sich die Kante geben und die Chance nutzen, sich unter einem Mistelzweig zu küssen, schreitet Magnus ein.

"Wir werden kommen.", sagt er mit einem Lächeln. Finster gucke ich ihn an. Das kann doch nicht sein Ernst sein, wieso sollte ich mir das antun? Eine warme Hand legt sich auf meinen Oberschenkel und drückt ihn.

Mein Mund klappt auf und ich gucke meinen besten Freund sprachlos an. Er zwinkert mir zu, bevor er sich zu unseren Freunden dreht. "Wir werden kommen.", wiederholt er, "Und wenn ich ihn an mich ketten und mit mir schleppen muss.".

Bei seinen Worten schließt sich mein Mund. Meine Zähne vergraben sich in meiner Unterlippe, während ich über die Dinge nachdenke, die wir aneinander gefesselt alles machen könnten.

So wie er mich gerade anguckt, scheint er an das Gleiche zu denken. Sein Blick senkt sich auf meine Lippen. Meine Wangen röten sich und ich gucke verlegen auf meinen Teller. Langsam. Wiederhole ich in meinem Kopf immer wieder. Ihr wollt es langsam angehen.

"Kino?", fragt Magnus mich leise, so dass nur ich es hören kann. Ich nicke ihm zu, bevor ich aufstehe. "Wir schreiben.", murmel ich, bevor ich mir mein Tablett schnappe und mich von den anderen knapp verabschiede. Wie es aussieht, habe ich nachher ein Date.

Ich laufe jetzt zum wiederholten Male in meinem Zimmer auf und ab. Eigentlich müsste sich schon ein Trampelpfad im Boden bilden. Doch ich kann einfach nicht stehen bleiben. Ich bin so verdammt aufgeregt. Nicht nur, dass es mein erstes richtiges Date seit langem ist, ist es dann auch noch mit Magnus, meinem besten Freund.

Vielleicht hätte ich vorher üben und beliebige Szenarien durch spielen sollen. Frustriert, dass mir das nicht schon vor ein paar Stunden eingefallen ist, schiebe ich mir die Schokolade aus der neunten Tür in den Mund. "Das wird eine Katastrophe.", murmel ich leise. Wie soll ich denn jetzt reagieren, wenn er mich darauf aufmerksam macht, dass ich Popcorn zwischen den Zähnen oder einen Popel an der Nase habe. "Scheiße". Ich werde ohne einen sinnvollen Konter peinlich berührt im Boden versinken.

Als ich das Klicken der Haustür höre, stürme ich regelrecht aus meinem Zimmer, denke gerade noch daran, das Geschenk für ihn mit zu nehmen und starre ihn mit klopfenden Herzen an. Fragend zieht er eine Augenbraue nach oben, als er meine verwuschelten Haare sieht. Sein Blick gleitet langsam an mir herunter und bleibt bei dem Gegenstand in meiner Hand hängen. Ich habe ihn vor Nervosität fast schon zerdrückt.

Nach einem Räuspern trete ich unsicher einen Schritt nach vorne und halte ihm die weißen Chrysanthemen hin. "Die sind für dich.", murmel ich undeutlich. Verwirrt blinzelnd steht er da und guckt die Blumen in meiner Hand an.

Zögernd lasse ich meine Hand sinken. "Ist das zu viel?", frage ich ihn leise und würde mir am liebsten selbst in den Hintern treten. Natürlich ist es zu viel. Wieso bin ich überhaupt auf diese blöde Idee gekommen? Seufzend fahre ich mir mit meiner freien Hand übers Gesicht.

Zuerst die fehlenden Konter und jetzt das miserable Geschenk, das Date sagen wir am besten ab, bevor noch etwas schlimmeres passiert.

"Tut mir wirklich leid.", murmel ich beschämt. Noch immer starrt er mich sprachlos an. Auf dem Absatz drehe ich mich um und stürme in die Küche. Ich möchte die Blumen gerade in den Müll werfen, als sich eine warme Hand um mein Handgelenk legt.

Unsicher gucke ich in Magnus Gesicht. Federleicht zupft er mir die Blumen aus der Hand. "Danke, Alexander.", haucht er, "Das ist wirklich süß von dir. Ich habe noch nie Blumen geschenkt bekommen.". Liebevoll streicht er mir über die Wange und drückt mir einen Kuss auf den Mundwinkel. Mein Herz macht einen Satz in meiner Brust.

Nachdem er die Blumen beschnitten und ins Wasser gestellt hat, dreht er sich mit einem Funkeln in den Augen zu mir herum. "Wollen wir?".

Den ganzen Weg zum Kino plappert Magnus munter vor sich her. Es fühlt sich so wie früher an und ich kann mir das glückliche Lächeln nicht verkneifen. Immer wieder streifen sich unsere Hände beim Laufen. Vielleicht sollte ich sie einfach ergreifen.

Gerade als ich mich dazu durch ringen kann, kommen wir an. Sobald wir hinein treten schlägt uns Hitze entgegen und ich knöpfe mir meine Jacke auf. Gleich werden wir im dunklen Kino sitzen. Anonym zwischen einem Haufen Leuten, die sich nicht für uns interessieren.

Wir wollen uns einen riesigen Popcorn - Becher teilen und unsere Hände werden sich immer wieder berühren. Zuerst zögerlich und dann immer suchender. Das bereits bekannte Flattern breitet sich in meinem Bauch aus. Die nächsten zwei Stunden habe ich ihn für mich alleine.

"Magnus! Alec!".

Entsetzt drehe ich meinen Kopf und sehe ein rothaariges Wesen auf uns zu stürmen. "Clary, Liebes. Was machst du denn hier?", fragt Magnus und sieht sie nervös an.

Sie tätschelt seine Wange, bevor sie sich bei ihm einhakt und mit sich zieht. "Du hast vorhin von diesem Film geschwärmt und hast uns auf die Idee gebracht, dass wir uns ihn ebenfalls angucken wollen. Und damit du dich nicht alleine mit Alecs schlechter Laune herum schlagen musst, gucken wir ihn mit euch zusammen.".

Über seine Schulter hinweg wirft Magnus mir einen entschuldigenden Blick zu. Alleine gelassen ziehe ich meine Schultern nach oben. Den Abend hatte ich eigentlich anders geplant. "Komm schon, Alec.", brüllt Jace durch den Raum und winkt mich zu sich.

Seufzend vergrabe ich meine Hände in meinen Hosentasche und mache mich auf den Weg zu meinen Freunden, die gerade unbeabsichtigt unser Date ruiniert haben.

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