5. Tür

"Mir ist langweilig.", brumme ich und werfe gelangweilt immer wieder ein zusammen geknülltes Blatt Papier in die Luft. Warum auch immer habe ich ein paar Sachen für die Uni mit genommen. Was an sich eine gute Sache ist, doch ich schaffe es einfach nicht, mich darauf zu konzentrieren. Im Moment ergibt keine dieser Definitionen und Sätze einen Sinn.

Ich liege auf dem Boden im Wohnzimmer. Um mich herum sind mehrere karierte Blöcke, Stifte und Bücher verteilt. Mit einem Seufzen rolle ich mich auf den Bauch und gucke zu meinem besten Freund, der im Schneidersitz auf der Couch sitzt und seine Nase in einem Buch vergraben hat.

Obwohl ich ihn regelrecht mit meinem Blick aufspieße, macht er sich noch nicht einmal die Mühe hoch zu gucken. "Magnus.", jammer ich wie ein kleines Kind. Immer noch keine Reaktion von ihm.

Langsam gleitet mein Blick zu der Papierkugel, auf der sich eine falsche Übungsaufgabe befindet, die mir mein Versagen unter die Nase reibt. Ein kleines Lächeln breitet sich auf meinen Lippen aus und blitzschnell werfe ich sie auf den Schwarzhaarigen. Unschuldig senke ich mein Kopf und kritzel irgendetwas auf den Block vor mir.

Ich höre Magnus genervtes Seufzen, als die Kugel ihn am Kopf trifft. "Du warst schon immer unausstehlich, wenn dir langweilig war.", brummt Magnus und verschränkt die Arme vor der Brust. "Aber wenn du Glück hast können wir vielleicht morgen oder übermorgen auch wieder von hier verschwinden.".

Mein Blick gleitet zum Fenster, wo man durch die späte Uhrzeit nur noch schemenhaft Schnee fallen sieht. "Der Schneefall soll im laufe des Tages weniger werden und schließlich aufhören.". Zweifelnd hebe ich eine Augenbraue und gucke meinen Mitbewohner an. Dieser hebt abwehrend die Hände, "Guck mich nicht so an. Ich überbringe nur die Botschaft.".

"Ich habe keine Lust mehr auf diese Dosensuppen.", nörgel ich und drehe mich wieder auf den Rücken. Stumpf starre ich an die Decke. "Ich möchte Süßes und davon haben wir bis auf die Kalender nichts im Haus.", nuschel ich.

Mir läuft regelrecht das Wasser im Mund zusammen, wenn ich an das kleine Stück Schokolade denke, welches sich heute Morgen hinter der fünften Tür versteckt hat. Auch wenn es eine Milchfüllung hatte, fand ich es unglaublich lecker. Etwas, was für meinen fragwürdigen geistigen Zustand im Moment spricht.

"Du meinst abgesehen von mir?", witzelt Magnus und guckt mich flirtend an. Mein Atem stockt einen kurzen Moment, während ich überlege, worüber wir uns noch einmal unterhalten haben. Mein Blick gleitet zu seinen Lippen. Ich versuche mir klar zu machen, dass er nur Späße macht, doch wieder nimmt das Gedanken - Karussell seine Fahrt auf.

Mit einem Seufzen hieve ich mich hoch und klopfe mir imaginären Staub von der Hose. "Ja, ja.", murmel ich, "Jetzt reißt er noch Witze darüber. Sollte ich mich aber irgendwann auf ihn werfen, um eine Kostprobe zu nehmen, ist das Geschrei groß.".

"Bist du dir sicher?". Verwirrt gucke ich ihn an. Seine Stimme klingt ungewohnt tief und rau. "Womit?", verwirrt fahre ich mir durch meine schwarzen Haare und versuche diese seltsame Stimmung abzuschütteln.

"Bist du dir sicher, dass ich schreien und mich wehren würde, wenn du von mir - ", er setzt eine Kunstpause ein und beißt sich verführerisch auf die Unterlippe, " - kosten möchtest.".

Unsicher blinzel ich ein paar mal. Meint er das Ganze ernst? Mein Herz fängt schneller an zu pochen, bis mir das schelmische Funkeln in seinen Augen auffällt. Er spielt mit mir. Doch das kann ich auch.

Langsam schlender ich auf ihn zu und beuge mich herunter. Seine Augen weiten sich einen kurzen Moment, bevor er seine Züge wieder unter Kontrolle bringt. Unsere Gesichter sind nur noch wenige Zentimeter voneinander entfernt. Ich kann seinen Atem auf meinen Lippen spüren und sein Shampoo riechen. Sandelholz.

Mein Blick landet auf das kleine Stück Schokolade aus seinem Kalender, welches er sich anscheinend aufgehoben hat.

"Wehren würdest du dich nicht.", hauche ich leise und ich kann sehen, wie sich seine Pupillen weiten, "Aber ich würde dich zum Schreien bringen.". Fast schon geschockt guckt er mich an, bevor ich mir schnell die Schokolade stibitze und das Weite suche.

"Alexander Gideon Lightwood!", höre ich ihn laut schreien. Lachend renne ich in mein Schlafzimmer und schließe die Tür hinter mir ab. "Gib sie mir wieder.", höre ich ihn durch die Tür fauchen.

"Erinnerst du dich noch an das eine Halloween, wo diese nervigen Typen die Kinder terrorisiert haben?", lenke ich ab. Erfolglos rüttelt er an der Klinke und schnaubt laut auf. "Natürlich erinnere ich mich. Jace und du habt euch als Ninja verkleidet, während ich als Vampir unterwegs war.".

Lächelnd hebe ich das kleine Stück Schokolade hoch und betrachte es genauer. "Wir haben sie abgefangen und ihnen klar gemacht, dass sie das gefälligst zu lassen haben. Und dann haben wir ihnen ihre Schokolade geklaut und sie sind mit eingezogenen Schwänzen abgezogen.", führe ich weiter aus.

Ich kann förmlich sehen, wie Magnus ungeduldig vor der Tür steht und mich am liebsten langsam und qualvoll foltern möchte. "Wir haben uns wie Robin Hood gefühlt.", sage ich, während ich den Schlüssel drehe.

"Worauf willst du hinaus, Alexander?", faucht Magnus. Ich unterdrücke ein Grinsen, als das Klicken des Schlosses ertönt und sofort die Tür aufgerissen wird. "So fühle ich mich gerade wieder.".

Ihm entkommt lauter Protest, als ich mir langsam die Schokolade in den Mund schiebe und mir die geschmolzene Schokolade vom Finger lecke. "Das wirst du bereuen, Lightwood.", zischt Magnus und ich kann schon den Rauch sehen, der ihm aus den Ohren quillt.

"Wo ist eigentlich der schüchterne und unsichere Alec aus unserer Kindergartenzeit hin?", fragt Magnus und guckt mich missmutig an. Unschuldig zucke ich mit den Schultern, "Er ist mir dir zusammen gezogen und hat Zeit mir dir verbracht.".

Er guckt mich noch eine Weile finster an. In der Zwischenzeit lasse ich mir den Geschmack auf der Zunge zergehen und ziehe mein Oberteil aus, um mich bettfertig zu machen.

"Was?", frage ich ihn, während ich mein Schlafanzug - Oberteil suche. Sein Blick hat sich auf meine Brust geheftet und saugt regelrecht den Anblick in sich auf. Ich spüre, wie sich die Röte in meinen Wangen ausbreitet. Verlegen fahre ich mir durch meine Haare, nur um dann endlich das Oberteil zu finden.

Gespielt gelassen laufe ich auf die Kommode zu, wo ich es heute Morgen anscheinend hingelegt habe. Ich ziehe es mir über den Kopf und kann gerade noch sehen, wie Magnus verwirrt seinen Kopf schüttelt, bevor er unsicher ein paar Schritte zurück tritt.

"Alles in Ordnung bei dir?", frage ich ihn besorgt. Er wiegelt ab und sagt, dass er gerade nur in Gedanken versunken war. Misstrauisch nehme ich das Ganze einfach hin. Er wünscht mir noch eine gute Nacht, bevor er aus dem Zimmer stürmt.

"Was war das gerade?", murmel ich zu mir selbst. Im Bett kuschel ich mich unter die Decke und schließe die Augen. Nur um sie kurz darauf wieder zu öffnen. Meine Müdigkeit ist komplett verschwunden. Unruhig wälze ich mich von einer Seite auf die andere.

Laut meinem Handy sind schon mehrere Stunden vergangen, als ich auf einmal die Kälte spüre. Frierend ziehe ich die Decke enger um mich. Mutig, wie ich bin, wage ich mich aus dem warmen Kokon und stelle meine Füße auf den Boden. Zischend atme ich ein. Ich berühre die Heizung und ziehe meine Hand schnell wieder weg. "Scheiße.", fluche ich.

Ich verlasse mein Zimmer und gehe in das von Magnus. Kurz klopfe ich an, doch es kommt keine Reaktion. Zögernd öffne ich sie ein Stück und linse hinein. "Magnus.", flüster ich laut. Keine Reaktion. Ich tapse näher zu seinem Bett und sehe nur seine schwarzen Haare heraus gucken. "Magnus.", wiederhole ich und rüttel vorsichtig die Stelle, wo ich seine Schulter vermute.

"Lass mich in Ruhe.", brummt er leise, bevor er sich auf die Seite dreht. "Magnus.", nerve ich ihn penetrant, "Die Heizungen sind ausgefallen und ich friere mir gerade den Arsch ab.".

Seufzend zieht er die Decke ein Stück hinunter und guckt mich finster an. "Und was soll ich jetzt deiner Meinung nach tun?".

Genervt wedel ich mit meiner Hand herum und hüpfe von einem Fuß auf den anderen. "Wie wäre es, wenn du sie wieder einschaltest oder reparierst?".

Er stützt sich auf seine Ellenbogen ab und hebt seinen Oberkörper ein kleines Stück an. Die Decke rutscht hinunter und entblößt ein Teil seines nackten Oberkörpers, auf dem sofort eine Gänsehaut entsteht. "Wir kennen uns jetzt schon seit Ewigkeiten, Alexander. Sehe ich wirklich so aus, als hätte ich Ahnung davon? Ich weiß noch nicht einmal, wie hier überhaupt geheizt wird. Du etwa?".

Unschlüssig stehe ich bibbernd vor ihm und zucke mit meinen Schultern. Ich kann zwar einen Nagel in die Wand schlagen, aber das Thema Heizungen überfordert mich dann doch dezent.

"Geh einfach wieder schlafen. Wir gucken morgen, was wir deswegen tun können.", sagt er mit einem nachsichtigen Lächeln, als er meinen Gesichtsausdruck richtig gedeutet hat. "Zu kalt.", widerspreche ich, "Kann bei Kälte nicht schlafen.".

Genervt lässt er sich nach hinten fallen. "Dann hol dein Bettzeug und komm zu mir.", faucht er genervt, "Zu zweit dürfte uns schnell wieder warm werden und ich kann endlich weiter schlafen.". Er dreht mir den Rücken zu und zieht sich die Decke unter das Kinn.

Unsicher beiße ich mir auf die Unterlippe. Durch die ganzen Gedanke über ihn, möchte ich das eigentlich nicht, doch wenn ich weiter hier stehen bleibe, werde ich hier fest frieren und Magnus darf mich morgen frei kratzen. Ich haste in mein Zimmer und schnappe mir mein Kissen und Decke.

Zurück in seinem Zimmer lege ich mich steif neben ihn. Meine Zähne klappern und ich bereue es, mich nicht dicker angezogen zu haben. "Da wird man ja irre bei.", faucht Magnus und bezieht sich auf das Klappern.

Er hebt seine Decke und zieht mich drunter. Sofort werde ich von einer Hitze umfangen, welche mich langsam aber sicher aufwärmt. Mit einem Seufzen kuschel ich mich näher an diese Wärmequelle. "Wieso bist du so heiß?", nuschel ich leise, während die Müdigkeit mich überrollt und meine Augenlider immer schwerer werden.

"Fällt dir das jetzt erst auf?", brummt Magnus, "Aber ich dachte auch immer, dass die ganzen Leute auf mich wegen meinem Charakter stehen.".

"Ha.Ha.", antworte ich ihm im Halbschlaf. "Als hättest du auch nur einen von ihnen die Chance gegeben, dich wirklich kennen zu lernen.".

Einen kurzen Moment herrscht Stille. "Wieso kommst du darauf, dass ich das nicht getan habe?". Ich vergrabe meine Nase an seinem Hals und ziehe ihn an mich, wie einen Teddybären. "Hätte einer von ihnen einen Blick auf dein echtes Ich geworfen, hätten sie dich nie wieder gehen lassen. Du, Magnus Bane, bist ein Jackpot.".

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