11. Tür

Am nächsten Morgen werde ich nur langsam wach. Die Sonne scheint mir ins Gesicht. Anscheinend habe ich vergessen, die Jalousie herunter zu machen. Grummelnd drehe ich meinen Kopf und habe beim nächsten Atemzug sofort Haare in der Nase.

Mit einem Zischen ziehe ich mich zurück und öffne blinzelnd meine Augen. Mein Blick fällt auf meinen Mitbewohner, der seine Decke bis zum Hals hoch gezogen hat. Träge hebe ich einen Mundwinkel. Als in der Hütte die Heizung ausgefallen ist, hat er halbnackt geschlafen und eine unglaubliche Hitze ausgestrahlt. Hier, in unserer geheizten Wohnung, ist ihm anscheinend kalt.

Nachdem wir beide Teile von Kevin geguckt haben, hat er mich gefragt, ob er bei mir schlafen kann. Nur schlafen. Wie in unserer Kindheit lagen wir nebeneinander im Bett, ohne uns zu berühren.

Mein Blick wandert von meinem besten Freund zu meinem Wecker, der auf dem Nachttisch neben mir steht. Ich brauche einen Moment, um die Uhrzeit genau zu erkennen. "Scheiße.", fluche ich ungehalten und springe aus dem Bett.

Hüpfend schlüpfe ich in meine Hose. Gerade als ich mir mein Schlafanzug - Oberteil ausziehe, dreht Magnus sich zu mir herum und guckt mich verschlafen an. Sein Blick gleitet langsam von meinem nackten Oberkörper zu der Haut, die meine immer noch offene Jeans frei legt.

"Was machst du da?", fragt er mich mit einer von Schlaf belegten Stimme.

Ich nicke zum Wecker. "Mein Handy liegt im Wohnzimmer und jetzt habe ich verschlafen.". Suchend laufe ich durch mein Zimmer. Irgendwo habe ich doch einen sauberen Pullover hingelegt. Mit einem Achselzucken gebe ich auf, um dann an meinen Schrank zu gehen.

Magnus schwingt langsam seine Beine aus dem Bett und reibt sich müde über das Gesicht. "Wozu beeilst du dich denn jetzt noch? Die erste Vorlesung hast du sowieso verpasst.".

"Ich habe danach noch ein Tutorium.", nuschel ich undeutlich durch den schwarzen Pullover, den ich mir gerade über den Kopf ziehe.

Fragend hebt er eine Augenbraue. "Meinst du etwa das Tutorium, wo die restliche Abgabe freiwillig ist und du es sowieso wiederholen musst, da dir der Übungsschein fehlt?".

Ich möchte ihm eine scharfe und kluge Antwort um den Kopf hauen, doch mein Mund bleibt offen stehen. Abwartend guckt Magnus mich mit seinen bernsteinfarbenen Augen an. Unschlüssig hebe ich meine Schultern, "Ja, genau das.".

Mit seinem Zeigefinger winkt er mich zu sich. Langsam setze ich mich in Bewegung. Ich verringere den Abstand zwischen uns und gucke auf seine schwarzen Haare hinab. Mit einem zufriedenen Brummen schlingt Magnus seine Arme um meine Hüfte und vergräbt seinen Kopf an meinem Bauch.

Ich weiß nicht, was ich mit meinem Händen machen soll. Vorsichtig lege ich sie auf seinen Kopf und spiele mit seinen Haaren. "Lass uns heute Zuhause bleiben.", murmelt er gegen den Stoff meines Pullovers, "Es schneit draußen und es schreit regelrecht nach einem gemütlichen Tag im Bett".

Unsicher beiße ich mir auf meine Unterlippe. "Bitte, Alexander.". Bei meinem Namen läuft mir ein Schauer über den Rücken. Mit einem undeutlichen Brummen stimme ich zu.

Wir machen uns beide schnell frisch, bevor wir uns in bequemen Jogginghosen und Pullovern wieder ins Bett legen. Schon wieder liegen wir beide auf dem Rücken und starren an die Decke. Eine kleine Bewegung und unsere Arme würden sich berühren.

Ein kleines Federn der Matratze lässt mich meinen Kopf drehen. Magnus hat sich in meine Richtung gedreht und guckt mich nachdenklich an. "Was ist?", frage ich verwirrt und fahre mir mit meiner Hand über den Mund. Habe ich etwa noch irgendwo Zahnpasta Reste?

Stumm mustert Magnus mein Gesicht, ohne mir zu antworten. "Woran denkst du gerade?", meine Stimme ist leise, während ich versuche den Ausdruck in seinen Augen zu deuten.

"Ich habe gerade überlegt, dass wir uns jetzt schon so lange kennen und ich erst jetzt das Gefühl habe, dich richtig zu sehen.".

Vorsichtig drehe ich meinen Kopf gänzlich in seine Richtung, während mir seine Worte durch den Kopf gehen. Ich denke an die ganzen Dinge, die wir in unserer Kindheit zusammen erlebt haben. Hätten man mir vor fünf Jahren gesagt, dass ich irgendwann mit Magnus Bane in einem Bett liegen würde und mehr als freundschaftliche Gefühle für ihn hegen würde, wäre ein lautes Lachen meine Antwort gewesen.

Bis vor kurzem war er bei mir als bester Freund abgestempelt und ich hätte nicht gedacht, dass sich das mal ändern würde. "Bereust du es?", frage ich ihn nachdenklich. Wir werden wahrscheinlich nicht auf die Einfach - Freunde - Stufe zurück kommen. Ich werde die Zeit mit ihm immer einteilen. Es gibt die Prä - Hütten - Zeit und dann alles, was danach kommt.

"Nein.", seine Antwort ist nur gehaucht. Eine Warme Hand legt sich auf meine Brust und streicht über den schwarzen Pullover. "Dafür genieße ich viel zu sehr, wie es sich anfühlt, so neben dir liegen zu können und dich zu berühren.". Vorsichtig kommt er näher gerutscht und sieht mich unsicher an.

Stumm fragt er mich um Erlaubnis. Ich drehe meinen Körper auf die Seite und ziehe den schwarzhaarigen Mann eng an mich. Magnus schlingt seinen Arm um mich und fährt mir mit seiner Hand über den Rücken. Ich vergrabe meine Nase in seinen Haaren und atme tief den mir so bekannten Duft ein.

Den Duft, den ich schon seit meiner Kindheit kenne und der für mich gleichbedeutend mit Familie ist.

"Weißt du was mir die ganze Zeit durch den Kopf schwirrt?", nuschelt Magnus undeutlich gegen meine Brust. Abwartend ziehe ich eine Augenbraue nach oben. "Was?", frage ich, nachdem er nicht weiter gesprochen hat.

"Ich frage mich die ganze Zeit, wann ich angefangen habe, in dir mehr, als einen besten Freund  zu sehen.".

In Gedanken gehe ich die letzten Tage durch und ich komme ebenfalls auf keine Lösung. "Ich schätze, es kam schleichend.", sage ich zögerlich. "An einem Tag stehe ich nur mit einem Handtuch vor dir und verfluche dich, weil du schon wieder mein Shampoo mit Glitzer ruiniert hast und im nächsten Moment breitet sich alleine wegen deiner Anwesenheit eine Gänsehaut bei mir aus.".

Ich höre ihn leise lachen. Ein stolzes Lächeln breitet sich auf meinen Lippen aus und am liebsten würde ich diesem Geräusch noch viel länger lauschen. Es macht mich glücklich, dass ich es ausgelöst habe.

"Das kenne ich.", sagt er und ich kann mir das anzügliche Grinsen auf seinen Lippen sehr gut vorstellen. "In dem einen Moment stehst du nur mit einem Handtuch bekleidet vor mir und beschwerst dich darüber, dass du schon wieder mein Shampoo benutzt hast und im nächsten Moment wünsche ich mir, dass du immer nur im Handtuch herum läufst. Und dann am besten auch nass.".

"Mein Shampoo.", knurre ich gespielt böse, während ich zärtlich an einer Haarsträhne ziehe.

Lachend drückt Magnus seine Hände gegen meine Brust und rollt beinahe mit Schwung aus dem Bett, als ich meine Hände von ihm nehme. "Dann müsstest du aber auch wirklich immer nass sein.", sagt er mit einem Zwinkern und ignoriert dabei vollkommen meine Beschwerde. "Wenn du das nächste Mal nur mit einem Handtuch und klitschnass vor mir stehst, werde ich mich nicht zurück halten, sondern jeden Tropfen einzeln von deinem Körper lecken.".

Sprachlos und mit offenem Mund starre ich Magnus an, während er aus dem Bett springt und aus dem Zimmer verschwindet. Zu gut kann ich mir das vorstellen und abwägend lege ich meinen Kopf schief, vielleicht sollte ich schnell duschen gehen und ausversehen meine Sachen hier im Zimmer vergessen.

Etwas Hartes trifft mich am Kopf. Protestierend jaule ich auf und gucke finster zum Übeltäter. Grinsend steht Magnus vor mir und schiebt sich gerade ein Stück Schokolade in den Mund. "Hat da etwa jemand geträumt?", fragt er mich und leckt sich mit seiner Zunge über die Oberlippe.

Grummelnd schnappe ich mir den Kalender und pfriemel meine Schokolade aus der elften Tür. "Das war ein Angriff.", brumme ich, "Bestimmt zählt das zu schwerer Körperverletzung und ich könnte dich anzeigen.". Mit meinem Finger zeige ich auf ihn und ziehe meine Augenbraue zusammen, "Bestimmt würdest du im Gefängnis landen.".

Geschockt drückt Magnus seine Hände gegen die Brust. "Oh, nein. Bitte nicht!", flehend guckt er mich an und flattert mit seinen Wimpern, "Ich bin viel zu schön für das Gefängnis. Es muss doch etwas geben, was ich tun kann, damit du mich doch nicht anzeigst.".

Nachdenklich kräusel ich meine Nase, bevor ich ihn mit einem Winken meines Zeigefingers zu mir heran hole. Magnus krabbelt zu mir auf das Bett und guckt mich mit einem Funkeln in den Augen an.

Grinsend zeige ich auf die Stelle, wo mich dieser fiese Kalender getroffen hat. "Kuss.".

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