10. Tür

Schlecht gelaunt und mit nassen Haaren schließe ich die Wohnungstür hinter mir. Lautstark fange ich an zu fluchen, als meine gerade auf gehangene Jacke herunter rutscht und auf dem Boden landet. "Drecks Tag.", fauche ich, als ich hüpfend aus meinen Schuhen schlüpfe.

Finster starre ich die nassen Flecke auf dem Boden an. Magnus wird mich umbringen, wenn er sie sieht. Kurz überlege ich, ob ich sie weg wische, bevor ich meine Schultern hebe und ins Wohnzimmer gehe.

Mein schwarzhaariger Mitbewohner sitzt auf der Couch und guckt mich mit einer hochgezogenen Augenbraue fragend an. Im Hintergrund läuft der Fernseher. "Alles klar bei dir?". Stumm schüttel ich den Kopf. Der Tag war einfach nur Mist. Mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen breitet er seine Arme aus, "Na, dann komm her, mein kleiner Grummelbär.".

Wortlos lasse ich meine Tasche neben das Sofa fallen. Nicht zum ersten mal setze ich mich neben ihn und lege meinen Kopf auf seine Brust. Beruhigend streichelt er mir durch meine Haare und ich spüre, wie der Stress langsam von meinen Schultern fällt.

"Möchtest du darüber reden?", fragt er leise, ohne in seiner Berührung inne zu halten.

"Meine eine Tutorin hat mitten im Semester aufgehört und sie wissen nicht, wie sie jetzt die Übungsblätter bewerten sollen. Es steht jetzt im Raum, dass die Restlichen freiwillig sind und wir noch einmal extra vorrechnen sollen. Wir brauchen aber sechzig Prozent und von denen ist meine Übungsgruppe weit entfernt.", ich spiele mit dem Saum seines Oberteils. "Dann habe ich heute Morgen auch noch den Bus verpasst und bin zu spät gekommen. Ich musste ganz hinten sitzen, wo ich natürlich nichts gesehen habe.".

"Wenn sie es wirklich ohne ein Zusatzblatt durch ziehen, bekomme ich meinen Übungsschein nicht und darf dieses beknackte Modul noch einmal belegen.", gehe ich wieder auf mein eigentliches Problem ein. Sofort bekomme ich wieder schlechte Laune.

"Und?". Ich kann förmlich spüren, wie er mit seinen Schultern zuckt. "Und?", wiederhole ich seine Worte und gucke ihn von unten finster an, "Ob du es glaubst oder nicht, aber irgendwann möchte auch ich mit meinem Studium fertig sein.".

Mit einem Lächeln massiert er in kreisenden Bewegungen meine Kopfhaut. "Du wirst noch den Rest deines Lebens arbeiten müssen. Genieße doch einfach die Zeit, die du noch einigermaßen genießen kannst. Außerdem kommt es bei dir auf ein Semester mehr jetzt auch nicht mehr drauf an.".

Ich reagiere nur mit einem Augenrollen. Was das angeht, sind wir vollkommen unterschiedlicher Meinungen. Während ich so schnell, wie es geht, fertig werden möchte, um endlich Geld zu verdienen, genießt Magnus das Studentenleben und belegt nur ein paar Module pro Semester.

"Was guckst du?", brumme ich und wechsel das Thema. Spöttisch verziehe ich das Gesicht, als eine Frau im weißen Brautkleid erscheint.

"Tüll und Tränen.", murmelt er. "Das Kleid sieht an ihr einfach schrecklich aus.", entsetzt verzieht er seine Nase und starrt die Frau an, die vor Rührung angefangen hat zu heulen. "Tut mir übrigens wirklich leid, wie es gestern abgelaufen ist.".

Mit einem Seufzen setze ich mich auf und rutsche ein bisschen von ihm weg. Seine Hände fallen herab und landen auf seinem Bauch. "Ich hatte den gestrigen Abend anders geplant.", gesteht er. Mein Mundwinkel hebt sich. Ich drehe meinen Kopf und gucke ihn lächelnd an. "Ob du es glaubst oder nicht, aber ich habe erst schlechte Laune bekommen, nachdem die aufgetaucht sind.". Ich spiele auf Clary und was sie gesagt hat an.

Magnus entkommt ein lautes Lachen. Seine Hand gleitet von seinem Bauch auf den weichen Stoff der Couch. Er legt seine Füße zu meinen auf den Couchtisch. "Da ich dein Gesichtsausdruck davor und danach gesehen habe, kann ich dir das sehr wohl glauben.".

Unauffällig schiebe ich meine Hand näher zu ihn heran. Wenn ich mich anstrenge, kann ich die Wärme seiner Haut spüren. "Ich dachte, dass ich irre werde, als sie nach dem Film beschlossen haben, mit her zu kommen.", sagt Magnus.

"Jace hat mein Popcorn gegessen.", brumme ich und gucke ihn schmollend an. Da Magnus am anderen Ende der Reihe saß, musste ich mir einen eigenen Eimer holen. Jace, der neben mir saß, hatte Nachos, die er jedoch schon während der Werbung komplett aufgegessen hat. "Immer wieder hat er zugegriffen und er hat sich andauernd die Finger abgeleckt.".

Magnus tätschelt meine Hand. "Oh, mein armes Hascherl.". Ich habe das Gefühl einen Stromschlag zu bekommen. Die Haare auf meinem Arm richten sich auf, während ich herunter gucke. Er lässt nach dem Tätscheln seine Hand auf meiner und streichelt vorsichtig über meinen Handrücken.

"Was hältst du davon, wenn du dich umziehst und ich in der Zwischenzeit Popcorn mache?", beginnt er. Mit seiner freien Hand fährt er sich durch sein schwarzes Haar. "Wir könnten danach unser Date wiederholen, was unsere Freunde gestern ruiniert haben. Nur du und ich. Nicht zu vergessen Kevin.".

Gespielt nachdenklich lege ich meinen Kopf schief und wackel ein paar mal herum. "Du meinst also unseren typischen Filmabend, nur dass es diesmal ein Date ist?".

Zustimmend nickt er und wartet gespannt auf meine Antwort. "Du bist genial.", sage ich schlicht. Ich drehe meine Hand so, dass mein Handrücken den Stoff unseres Sofas berührt und drücke seine Hand. Ein liebevolles Funkeln tritt in seine Augen. Vorsichtig streicht er mir über meine Wange. Wortlos gucken wir uns in die Augen, während das Klingeln einer Glocke aus dem Fernseher erklingt.

Langsam gleitet mein Blick von seinen Augen hinunter zu seinen  Lippen, die im schwachen Licht der Lampe, die neben dem Sofa steht, verführerisch glänzen. "Geh dich umziehen, Alexander.", murmelt Magnus, bevor er sich von mir losreißt und vom Sofa hoch springt.

Nicht gerade elegant hieve ich mich hoch und bücke mich, um meinen Rucksack aufzuheben. Ein lautes Klatschen schallt durch den Raum. Erschrocken zucke ich zusammen und starre Magnus geschockt an. Dieser zuckt grinsend mit seinen Schultern. "Raus gestreckt.". Laut lachend verlässt er das Wohnzimmer und tänzelt in die Küche.

Sprachlos stehe ich einige Sekunden sinnlos herum, bevor ich mich daran erinnere, was ich gerade eigentlich tun wollte. In meinem Zimmer wechsel ich meine Jeans gegen eine bequeme Jogginghose. Grinsend schüttel ich meinen Kopf. Er hat mir gerade wirklich auf den Hintern gehauen. Beim hinausgehen schiebe ich mir die Schokolade aus der zehnten Tür in den Mund. In zwei Wochen ist schon Weihnachten, wie schnell die Zeit vergeht.

Vom Gefühl her standen wir erst gestern alle erst zusammen und haben auf das neue Jahr angestoßen. Meine Freunde und Familie haben sich alle irgendwelchen Quatsch als Vorsatz genommen. Doch ich halte nichts davon. Wenn ich etwas ändern möchte, kann ich das immer tun. Ich muss nicht auf einen bestimmten Tag warten.

"Verbringst du eigentlich dieses Jahr Weihnachten wieder bei uns, Mags?", rufe ich laut, während ich mich auf das Sofa fallen lasse. Genüsslich strecke ich meine Beine aus und stelle sie auf den billigen Tisch ab, den wir auf einem Flohmarkt gefunden haben. Ich konnte Magnus gerade noch davon abbringen, einen teuren Designer Tisch zu kaufen, den ich noch nicht einmal schräg hätte angucken dürfen.

Mit einer großen Schüssel in der Hand kommt Magnus herein. Er steigt über meine Beine und setzt sich neben mich. Das Popcorn auf seinen Bauch gestellt und mit seinen Rücken an mich gelehnt. Mein Herz fängt bei dieser ungewohnten Position schneller an zu pochen.

Vorsichtig lege ich einen Arm um seine Schulter. Ich kann das Lächeln auf seinen Lippen sehen, als er seinen Kopf zurück lehnt und mich mit seinen Haaren, die so gut nach seinem Shampoo riechen, im Gesicht kitzelt. Sandelholz.

"Ja.", antwortet er mir endlich, "Mein Dad muss einen wichtigen Deal in Australien abwickeln. Er versucht zum zweiten Weihnachtsfeiertag da zu sein. Dich möchte er übrigens auch sehen.". Zustimmend summe ich und stecke mir Popcorn in den Mund.

Hoch konzentriert drückt Magnus die Tasten auf der Fernbedienung. Er lässt sie neben sich auf das Sofa fallen, als die bekannte Anfangsmusik einsetzt. Ihm entkommt ein lautes Stöhnen. "Diese Musik. So viele Erinnerungen. Erinnerst du dich noch an das erste Mal, als wir den Film zusammen geguckt haben?".

Meine Mundwinkel heben sich. "Natürlich. Wir waren bei dir und hatten genau wie jetzt, eine riesige Schüssel Popcorn vor uns. Dein Dad hatte ein Auswärts - Essen und wir waren alleine.".

Lachend drückt er meinen Arm, der quer über seiner Brust liegt. "Wir haben uns fast in die Hose gemacht, als die Szenen mit dem Keller kamen.".

Er dreht seinen Kopf zu mir und strahlt mich an. "Dieses Date ist jetzt schon um Längen besser, als das, was wir gestern geplant haben.".

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