Kapitel 2
Es war einige Zeit vergangen seit der Geburtstagsparty von Hiko.
Noch immer hatte Emma ihrer besten Freundin nicht erzählt, was genau eigentlich an dem Abend passiert war und weshalb sie fast aus dem Taxi gefallen war.
Sie war sich sowieso mittlerweile nicht mehr so sicher, ob es vielleicht doch nur ein Traum gewesen war.
Nur ihr kleiner flauschiger Mitbewohner, dessen Auftauchen fast genauso mysteriös war, machte ihr bewusst, dass dies alles wirklich passiert war.
Die Frage, die sie sich stellte, was sollte sie nun tun? Alles auf sich beruhen lassen? So tun, als ob das alles nicht passiert war? Oder den Dingen nachgehen? Herausfinden, ob das alles wirklich stattgefunden hatte und sich nicht nur in ihrem Kopf abgespielt hatte.
Sie wusste, dass sie sich nicht völlig von alldem losreißen konnte.
Vielleicht sollte sie mit jemandem sprechen. Jemandem, dem sie vertraute und der keine blöden Fragen stellte. Hiko? Oder doch lieber ihrer Großmutter? Diese hatte ihr und ihrer Schwester schon immer tolle Märchen und Geschichten voller Fantasie erzählt. Emma hatte diese Erzählungen geliebt, Anna fand diese allerdings immer eher langweilig.
Ihre Großmutter würde sie nicht verurteilen, dessen war sie sich sicher.
Nach langem Überlegen entschied sie sich erst einmal nichts zu erwähnen. Es machte ja am Ende wahrscheinlich sowieso keinen Unterschied. Der Fremde hatte ja gesagt, wenn sie nicht mitkam würde sie ihn nicht wiedersehen.
Emma glaubte, dass dieser Mann, wer auch immer er war, es gewohnt war sich nicht wiederholen zu müssen. Er wusste ganz genau was er wollte.
Auf der einen Seite beruhigte sie das ungemein. Damit würden diese komischen Ereignisse der letzten Zeit hoffentlich aufhören. Auf der anderen Seite wollte sie ihn gerne wiedersehen, ihm so viele Fragen stellen und vor allem etwas Aufregendes erleben.
Emma saß zwischen den Stühlen. Aber sie hatte es wohl nicht selber in der Hand.
Sie sah wieder diese intensiven Augen vor sich. Irgendwas an ihm zog sie magisch an.
Magisch, das beschrieb seine Augen ziemlich gut. Es war wie verhext, die Gewissheit, dass er tatsächlich existierte und vor Hikos Geburtstag nicht nur eine Einbildung gewesen war, machte es eher noch schwieriger ihn zu vergessen. Denn genau das sollte sie tun, ihn vergessen. Die grauen Augen und die samtweiche tiefe Stimme.
Sie wünschte, sie hätte in dem dunklen Taxi mehr von ihm sehen können.
Manchmal dachte sie, dass sie wahnsinnig wurde mit den ganzen Gedanken und Gefühlen, die in ihr tobten. Aber was sollte sie dagegen tun? Wie konnte sie dagegen ankämpfen? Und wenn sie ehrlich zu sich selbst war, wollte sie das Geheimnis erkunden, aufdecken.
Sie musste nur aufpassen, dass sie dabei nicht die Rolle des Ikarus spielte und am Ende abstürzte.
Vier Monate waren bereits seit dem Treffen im Taxi vergangen und anstatt ihn zu vergessen hatte sie das Gefühl, dass er immer mehr Raum in ihren Gedanken einnahm.
Das konnte so, einfach nicht weitergehen. Vielleicht sollte sie doch das Angebot von Hiko annehmen und mit ihr einen Mädelsurlaub machen. Das hatten sie schon lange nicht mehr gemacht und es wurde mal wieder Zeit.
Emma konnte sich noch gut an ihre letzte gemeinsame Reise erinnern. Ihre Freundin hatte einen Roadtrip entlang der West Coast vorgeschlagen, einfach mit dem Auto drauf los und schauen wo sie ankamen.
Hikos Eltern hatten ihrer Tochter zum Geburtstag ein neues Auto geschenkt.
Einen Luxus den ihr ihre Mutter nicht bieten konnte.
Wie sie Hiko kannte, würde dieser Trip alles andere als vorhersehbar oder langweilig werden. Die quirlige Japanerin war immer für Überraschungen gut und Emma wollte nicht wissen, was dieses Mal wieder passieren würde. Aber sie freute sich einfach wegzukommen. Wohin war dabei erstmal völlig nebensächlich. Sie schickte ihrer besten Freundin eine Nachricht, dass sie es sich überlegt hatte.
Es war wahrscheinlich die beste Idee um einfach mal abzuschalten und was noch wichtiger war, sie würde endlich mal nicht überall nach grauen Augen Ausschau halten.
Hiko war natürlich sofort Feuer und Flamme, aber Emma kannte ihre Freundin auch nicht anders.
Sie hatte die richtige Entscheidung getroffen. Dieser Trip würde ihr helfen einiges hinter sich zu lassen. Nicht nur Kilometer, sondern auch ihre Gedanken.
Emma und Hiko beschlossen, sich am Abend zu treffen, um den Trip zu planen.
Ihre Freundin wollte unbedingt wieder mit Jack spielen, daher hatten sie beschlossen, sich bei Emma zu treffen.
Der kleine Kater hatte sich prächtig entwickelt. Er war kerngesund und verspielt. Jack eroberte sämtliche Herzen im Sturm
„Sollten wir nicht etwas mehr planen?", fragte Emma ihre Freundin.
„Wieso? Ungeplant ist es doch lustiger. Wir packen ein paar Sachen, nehmen mein Auto und ab geht's. Und dich nehmen wir natürlich mit."
Hiko kraulte Jack hinter den Ohren. Dann lächelte sie Emma breit an.„Und wer weiß auf was wir treffen werden." Elegant zog die Japanerin ihre Augenbrauen hoch.
Was meinte Hiko denn nun schon wieder und wie stellte sie sich das mit Jack vor?
"Hiko wie stellst du dir das vor mit Jack im Auto?", fragte Emma grinsend. "Du weißt schon, dass Katzen nicht unbedingt gerne Auto fahren"
Emma überlegte. An Jack hatte sie bis jetzt noch gar nicht gedacht. Es würde sich sicher eine Lösung finden lassen, denn sie hatte den kleinen Kater zu sehr lieb gewonnen, um ihn einfach zurück zu lassen.
Dann grinste Emma.
"Deine Eltern haben doch den alten Wohnwagen. Mit dem sind sie doch schon ewig nicht mehr in den Urlaub gefahren. Meinst du, sie würden ihn überprüfen lassen, ob alles in Ordnung ist und uns damit unseren Trip machen lassen?", fragte sie begeistert.
„Das wird der beste Trip überhaupt." strahlte Hiko. „Ich werde meine Eltern heute noch fragen."
"Genau und da können wir dann auch Jack mitnehmen, groß genug ist der Wohnwagen".
Als sie kleiner waren, durfte Emma manchmal mit Hiko und ihren Eltern zum Campen mitfahren. Sie erinnerte sich gerne an diese Tage zurück, denn es war für sie die glücklichste Zeit gewesen. Emma konnte es kaum erwarten ihre Sachen zu packen und mit Hiko und Jack loszufahren.
Hoffentlich waren die Eltern ihrer Freundin einverstanden.
Wie sich herausstellte waren sie es tatsächlich.
Wieso auch nicht. Sie hatten ihrer Tochter noch nie etwas abschlagen können.
Sie ließen den Wohnwagen gründlich durchchecken und reparieren.
Die Zeit verging und bald schon war der Tag gekommen an dem sie ihren Trip starten wollten.
Sie hatten vereinbart, dass Emma und Jack am Vorabend bei Hiko übernachteten, um dann von dort aus ihr Abenteuer zu beginnen.
Am Tag der Abreise standen sie früh auf, brachten ihr Gepäck in den Wohnwagen und bereiteten alles für Jack vor und nachdem sie sich von Hikos Eltern verabschiedet hatten ging es endlich los.
Die Sonne stand tief und es war ein schöner Tag.
Hiko machte ihre Lieblingsband an und sie sangen beide laut mit.
Die Straßen waren ziemlich leer, daher kamen sie schnell vorwärts, auch wenn sie immer noch nicht wussten, wohin sie eigentlich fahren wollten. Sie passierten die Grenze in die USA.
Nach anfänglicher Skepsis hatte sich auch der Kater zufrieden an ein Fenster gesetzt und schaute im Wohnraum, wie sich draußen die Landschaft änderte.
Irgendwann waren sie in der Nähe von Seattle und entschlossen sich, dort einen Abstecher zu machen und die erste Nacht in dieser Stadt zu verbringen.
Hiko wollte abends unbedingt noch um die Häuser ziehen, vielleicht auch noch in eine Bar. Ihrer Auffassung nach, lernte man eine Stadt nur dann richtig kennen, wenn man deren Nachtleben gefühlt hatte. Emma verdrehte lächelnd die Augen. So konnte auch nur Hiko denken. Aber wo sie Recht hatte. Sie selbst wollte den ersten Abend auf ihrer Tour ja auch feiern.
So entschieden sie sich, den Wohnwagen auf einem gesicherten Campingplatz abzustellen und mit dem Taxi in die Stadt zu fahren.
Sie machten sich fertig und Jack bekam noch eine große Portion Futter, danach machten sie sich auf den Weg.
Beide freuten sich schon riesig auf den Abend und Emma war gespannt, was es alles in Seattle zu entdecken gab, welche Lieder die Bars spielten und wie die Leute so waren. Die Freundinnen hofften auf eine Menge Spaß.
Sie riefen ein Taxi und als es endlich ankam, stiegen beide schnell ein.
Als Emma schließlich auf der Rückbank saß, kam ihr ihre letzte Taxifahrt in den Sinn und blickte darum reflexartig hoch, um im Spiegel nach den Augen des Fahrers zu suchen.
Und ihr stockte der Atem, das konnte doch nicht wahr sein.
Das war vollkommen unmöglich.
Nicht hier.
Nicht Meilen entfernt.
Verwirrt blickte sie in die Augen des Taxifahrers.
Grau. Glitzernd. Und so undurchdringlich.
Emma schluckte, schloss dann ihre Augen für einen kurzen Moment um sie dann wieder zu öffnen. Immer noch graue Tiefen.
Schnell blickte sie zu ihrer Freundin herüber, aber Hiko schaute nur verträumt aus dem Fenster und bekam nichts mit. Wieder richtete Emma ihren Blick nach vorne. Diese grauen Augen, die die sie glaubte hinter sich gelassen zu haben. Aber war es wirklich dasselbe Grau?
"Einmal bitte nach Downtown Seattle", sagte Hiko komplett abgelenkt.
Emma war noch immer komplett verwirrt.
Und dann sprach der Unbekannte und Emma lief es eiskalt den Rücken runter.
"Guten Abend Emma", mit einem Kopfnicken deutete er an, "Und das ist dann wohl deine Freundin."
Emma konnte nur nicken.
Sie war wie gelähmt.
Langsam drehte sich Hiko nun zu ihr um. Emma konnte ihrem Gesicht nicht ablesen, was ihre Freundin dachte, was so gut wie nie vorkam.
Was sollte sie jetzt tun? Sie war komplett überfordert mit der Situation.
"Sie sagten doch, wenn ich nicht mit ihnen komme, dann sehe ich sie nicht wieder" richtete sie ihr Wort an den Unbekannten.
Aus den Augenwinkeln konnte sie sehen, dass Hiko nun vollkommen dem Gespräch folgte. Noch hielt sie sich zurück, wahrscheinlich um herauszufinden was vor sich ging.
Stille im Taxi.
Emmas Herz schlug so laut, dass sie glaubte, dass es die anderen beiden im Wagen hören mussten und Hiko zeigte immer noch keine Reaktion, als ob sie eingefroren war. Die grauen Augen starrten auf den Straßenverkehr.
So fuhren Sie eine ganze Weile stillschweigend.
Hiko wurde unruhig und schaute ein wenig panisch aus dem Fenster. Dann blickte sie auf die Uhr und dann sah sie ihre beste Freundin an.
"Emma, was geht hier vor? Wir sind gerade nicht auf dem Weg nach Seattle. Wir hätten schon längst dort sein müssen."
Jetzt blickte auch Emma auf die Straße, was ging hier ab.
Mit nervöser Stimme wandte sie sich wieder an den Unbekannten. "Wohin fahren wir?"
„Ich bringe dich dorthin, wo du hingehörst, wo dein Platz ist", sagte er mit einer ruhigen, tiefen Stimme und ohne Emma im Spiegel anzuschauen.
Emma wurde immer nervöser. Was hatte dies zu bedeuten?
Aus dem Augenwinkel vernahm sie, dass Hiko unruhig auf ihrem Platz herum rutschte. Ihre Freundin war angespannt und neugierig zugleich.
"Mein Platz ist im Augenblick bei meiner besten Freundin in einer Bar in Seattle. Außerdem kann ich nicht einfach so verschwinden. In unserem Wohnwagen ist ein kleiner Kater", antwortete Emma aufgebracht.
Von Hiko kam ein leichter Räuspern.
"Emma, was zur Hölle ist hier los? Kennst du den Mann?"
„Nein!", sagte sie energisch.
Hiko schaute sie durchdringend an. Sie glaubte ihr nicht.
„Woher kennt er dann deinen Namen?", versuchte Hiko unauffällig zu flüstern.
Aber der Fremde hatte es natürlich gehört. Ein kurzes, raues Lachen folgte, das Emmas Herz höher schlagen ließ.
„Ich weiß sogar, dass dein Name Hiko ist, meine Liebe", sagte er dann langsam und gedehnt.
Hiko schaute ihre Freundin mit großen Augen an. Emma zuckte nur hilflos mit den Schultern.
Dann fuhr der Fremde fort: "Nur weil ihr mich nicht kennt, heißt das noch lange nicht, dass ich euch nicht kenne."
"Bitte sagen Sie uns endlich wer Sie sind und solange mein Kater noch alleine im Wohnwagen ist, gehe ich sowieso nirgendwo hin", sagte Emma nun etwas genervt.
Er seufzte und Emma konnte im Spiegel ein leichtes Kopfschütteln erkennen.
„Warum wollen Frauen immer alles sofort wissen?", fragte er rhetorisch, mit einem belustigten Unterton in der Stimme.
Hiko grinste sie leicht an.
Dann hörten sie ihn wieder sprechen.
„Thorne. Mein Name ist Thorne", meinte er schließlich.
Emma gefiel der Name und bevor sie etwas weiteres hätte fragen können, hielten sie plötzlich an einer Ampel an. Und Thorne drehte sich zum ersten Mal zu ihnen um.
Emma stockte der Atem. Es war eine Sache die Augen im Spiegel zu sehen, aber als er nun sein Gesicht zu ihr drehte und sie es endlich sehen konnte, war es um sie geschehen. Diese ebenmäßigen Gesichtszüge, der Dreitagebart und die langen, wie es schien dunkelblonden Haare ließen sie vergessen, wie man atmete. Emma starrte ihn weiter an und war nicht fähig zu denken.
Von weit weg hörte sie Hiko sagen: "Erde an Emma, ist jemand anwesend?"
Sie konnte immer noch nicht den Blick abwenden, auch nicht als sie Hiko neben sich leicht kichern hörte. Ihre Freundin kannte sie manchmal zu gut.
Thorne lächelte leicht.
„Vertraust du mir jetzt, Emma?", fragte er leise mit seiner rauen Stimme.
"Ich...", versuchte es Emma, aber ihr Gehirn spielte ihr einen Streich.
"Was sie versucht zu sagen ist, dass sie unsicher ist. Sie macht sich Sorgen um ihren Kater", wandte sich Hiko jetzt zum ersten mal direkt an Thorne.
Dieser nickte, blickte aber noch immer Emma in die Augen. Welche jetzt, da Emma sie direkt sehen konnte, noch intensiver funkelten.
„Ich habe gewusst, dass der kleine Kater bei dir in guten Händen ist."
Emma stockte der Atem. Ihre Augen wurden groß. Was wollte er ihr damit sagen?
"Wie meinen Sie ... Wie meinst du das?", flüsterte sie verwirrt.
Ihr Kopf schwirrte. Sie konnte nicht mehr klar denken. Was ging hier bloß vor?
„Ich dachte, dass du dich über den Kleinen freuen wirst und er brauchte auch ein Zuhause." Er grinste frech.
Wenn Emma nicht ganz verrückt geworden war, hieß das, dass Jack von Thorne war und das hieß wiederum, dass dieser bei ihr in der Wohnung gewesen sein musste. Emma wurde schwarz vor den Augen.
"Warte",nfing sie an. "Heißt das, du warst es, der mich nach Hause begleitet hatte? Mir war als würde ich von jemandem beschützt werden."
Emma blickte Thorne verwirrt an.
Hiko unterdessen, sah noch irritierter aus als noch vor wenigen Minuten.
Emma fuhr fort: "Woher wusstest du, dass ich vielleicht Hilfe gebrauchen könnte?"
„Ich weiß viel mehr über dich als du dir vorstellen kannst. Und mehr als du selbst über dich weißt." Er schaute Emma intensiv an.
„Abgefahren", hörte sie Hiko neben sich sagen.
Emma blickte ihn mit ihren grünen Augen an. "Was willst du damit sagen?", fragte sie.
Hiko meldete sich abermals zu Wort. "Leute, vielleicht sollten wir dieses Gespräch an einem anderen Ort führen und nicht in einem Taxi, mitten auf der Kreuzung. Es scheint ja hier wirklich Redebedarf zu geben."
„Deine Freundin hat Recht", gestand Thorne. „Kommt ihr jetzt mit?", fragte er dann und lächelte Hiko an, ganz so als ob er verstehen würde, dass Emma nicht ohne Ihre Freundin mitkommen würde.
„Und Jack natürlich auch", zwinkerte er dann.
Emma warf Hiko noch einen Blick zu, diese lächelte und daraufhin nickte sie schließlich zustimmend.
Irgendetwas sagte ihr, dass sie Thorne vertrauen konnte.
Dieser lächelte nun breit, drehte sich dann wieder nach vorne um und sagte mit spielerischem Ton nach hinten: „Schauen wir mal, was diese alte Kiste noch so kann."
Kurze Zeit später kamen sie wieder am Campingplatz an.
Emma hatte unterwegs vorgeschlagen, dass sie genauso gut im Wohnwagen reden konnten, aber Hiko hatte protestiert. Emma merkte ihr an, dass ihre beste Freundin ein Abenteuer roch und unbedingt mehr erfahren wollte. Sie brachte das schlagende Argument, dass der kleine Kater schlecht zurückgelassen werden konnte und sie so oder so erstmal zurück mussten.
Kritisch betrachtete Emma aus den Augenwinkeln diesen Thorne, der lässig an der Wohnwagentür angelehnt stand. Ihr war immer noch schleierhaft, was dieser mystische Typ von ihr wollte ,aber sie würden es schon herausfinden.
Sie nahm Jack auf den Arm und schaute sich noch einmal im Wohnwagen um. Sollten sie besser noch etwas mitnehmen?
"Was ist mit dem Wohnwagen?", fragte Emma jetzt an Thorne gerichtet. "Wir können ihn schlecht hier stehen lassen."
Hiko blickte sie fast ein wenig genervt an. "Dem geht es gut. Der steht auf einem bewachten Campingplatz. Ich habe dort meine Kreditkarte hinterlegt, dass bedeutet, solange er da steht, wird halt abgebucht."
„Können wir dann meine Damen?", fragte Thorne leicht genervt. Er strich sich eine lästige Haarsträhne aus dem Gesicht und Emma versuchte sich selbst zu überzeugen, dass das keinen Effekt auf sie hatte, mit wenig Erfolg. Thorne hielt ihnen beiden die Tür auf. Hiko hopste förmlich aus dem Wohnwagen. Als Emma, mit Jack auf dem Arm, an ihm vorbei ging, schaute er sie schon wieder so intensiv an.
Das Abenteuer konnte nun also beginnen.
Sie drückte den kleinen Kater etwas fester an sich.
Thorne verschloss die Wohnwagentür und folgte den Freundinnen.
Auf einmal spürte sie, wie Thorne seine Hand leicht auf ihren den Rücken legte. Vor Schreck zuckte sie leicht zusammen und blickte ihn reflexartig an. Sein leichtes Grinsen verwirrte sie noch mehr. Überhaupt hatte sie das Gefühl in seiner Gegenwart zu keinem klaren Gedanken fähig zu sein, aber dieser Blick gab ihr den Rest.
Sie fuhren wieder mit dem Taxi los. Nach einer Zeit bemerkte Emma, dass sie stadtauswärts fuhren. Sie bemerkte, dass Hiko neben ihr, mit jeder Minute mehr, nervöser wurde.
Hin und wieder schenkte diese ihr ein verunsichertes Grinsen.
Emma war gespannt, wo sie ankommen würden. Und mittlerweile musste sie sich eingestehen, dass sie es kaum erwarten konnte.
Sie fuhren eine ganze Weile, bis Emma bemerkte, dass sie an der Pazifikküste sein mussten. In der Ferne waren Lichter zu sehen. Was konnte das nur sein? Und Plötzlich hielten sie.
„Wartet hier", flüsterte Thorne.
Schon hatte er die Tür geöffnet und sprang aus dem Wagen. Nach ein paar Schritten verschluckte ihn die Dunkelheit.
„Was nun?", hauchte Hiko.
"Keine Ahnung", zuckte Emma mit den Schultern. "Wir scheinen irgendwo an der Küste zu sein."
Sie warteten eine ganze Weile schweigend. Sie kraulte gedankenverloren ihren Kater Jack, denn er hatte sich auf ihrem Schoß zusammengerollt und schlief entspannt.
Emma dachte, 'Kater müsste man sein' und lächelte liebevoll.
Es vergingen mehrere Minuten bis Hiko sie am Arm packte und nach vorne deutete. Aus dem Dunklen kamen mit langsamen Schritt, zwei Gestalten zu ihnen hinüber.
Emmas Herzschlag beschleunigte sich, denn keiner der beiden Männer war Thorne und sie schaute Hiko an.„Wo ist er?", presste die Japanerin zwischen ihren Lippen hervor.
„Ich weiß nicht."
„Das ist bestimmt ein Zuhälterring oder so was. Emma, was machen wir jetzt?", fragte Hiko panisch.
„Uns beruhigen?", hauchte Emma zurück. Ihr wurde schlecht. Sie bekam Angst, kalte Schauer liefen ihr über den Rücken, sie fühlte wie sich Hikos zierliche Hand in die ihre legte. Sie war so feucht wie ihre eigene.
Dann plötzlich, nahmen die Gesichter der beiden Männer im Scheinwerferlicht des Taxis erkennbare Konturen an.
Das konnte doch nicht sein oder? Wo waren sie gelandet?
Was sollte das alles?
„Rick?", hörte sie neben sich eine schwache Stimme ungläubig fragen.
Emma erstarrte und die Erkenntnis traf sie, sie hatte damals auf Hikos Geburtstag schon das Gefühl, dass er etwas verbarg und jetzt zeigte sich, dass sie sich nicht getäuscht hatte. Der Mann, der neben ihm lief kam ihr aber auch irgendwie vertraut vor, aber sie konnte sich nicht mehr erinnern woher.
In ihrem Kopf ratterte es.
Die Männer waren mittlerweile am Taxi angekommen und liefen direkt zum Kofferraum und hoben das Gepäck der Freundinnen heraus. Emma wusste nicht warum, aber sie fühlte sich mit einmal wieder ein kleines bisschen sicherer. Ein Menschenhändlerring würde sich nicht die Mühe machen und das Gepäck mitnehmen.
Die Türen wurden geöffnet. Stumm wurden sie aufgefordert auszusteigen.
Die ganze Situation hatte etwas Skurriles.
Der eine Typ ging voraus und dieser Rick bildete den Abschluss. Sie hörte Hiko leise zischen: „Rick, was machst du hier? Was soll das?"
Was hatte Emma denn da schon wieder nicht von ihrer Freundin mitbekommen? Sie presste ihren kleinen schwarzen Kater schützend an sich.
Noch immer wurden sie angeschwiegen.
"Rick, antworte mir gefälligst." Hikos Stimme wurde deutlich lauter. "Und wo steckt Thorne?", fuhr sie fort
„Wir sollen euch abholen", war die kurze Antwort des Asiaten und an Emma gewandt fuhr er leise fort, "Ich erkläre es dir später."
Er tauschte mit Hiko einen langen Blick aus, so dass sich Emma sicher war, dass da noch mehr zwischen den beiden war, als eine lockere Bekanntschaft.
Der andere Typ räusperte sich.
„Können wir dann? Wir müssen los und man wartet nicht gerne." Seine Stimme war schwer wie Blei, sein Blick starr. Emma wusste immer noch nicht, woher sie ihn kannte. Sie ärgerte sich über sich selbst. Denn eigentlich war er der Typ Mann, den man nicht vergaß. Blonde schulterlange gewellte Haare, leicht zerzaust und hellblaue Augen.
Durch seine dunkle Kleidung konnte man erkennen, dass er gut durchtrainiert war. Genau der Typ dem die Frauen in Scharen hinterher liefen.
Emma wurde ärgerlich. "Entschuldigung bitte, nicht in dem Ton. Wer sind Sie überhaupt, dass sie so mit uns reden?"
Ärgerlich zuckte der Fremde mit den Schultern.
Nachdem Emma ihn lange anstarrte ohne sich zu bewegen, stöhnte er.
"Mein Name ist Benjamin. Können wir jetzt gehen?"
Seinem Gesicht und seiner Körpersprache nach, war deutlich anzusehen, dass er genervt war und dann fiel der Groschen bei Emma. Sie hatte ihn bei dem Konzert umgerannt. Die gleichen Augen, der gleiche genervte Ausdruck. Warum war ihr das nicht früher wieder in den Sinn gekommen?
Sie setzte gerade an, um noch etwas zu sagen, da drehte Benjamin ihr schon wieder den Rücken zu und marschierte mit kraftvollen Schritten davon. Emma entging dabei nicht, dass er sich immer wieder nach rechts und links umblickte, ganz so, als ob er sich beobachtet fühlte.
„Unfreundlicher Typ", hörte sie Hiko hinter sich sagen.
Da Ihnen aber eh nichts anderes übrig blieb, setzten auch Sie sich nun in Bewegung und folgten dem unhöflichen Kerl.
Leise flüsterte Emma ihrer Freundin ins Ohr: "Er ist echt ein Kotzbrocken", widerwillig fügte sie hinzu, "Aber zugegebener Maßen ein extrem gutaussehender", zuckte sie mit den Schultern und musste dann kichern.
Auch Hiko konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.
"Wo du Recht hast", kam es amüsiert zurück.
Benjamin ließ ein leichtes Stöhnen von sich und schüttelte den Kopf.
Emma blickte diesen verdutzt an.
Hatte er sie etwa gehört?
Sie war sich sicher, dass sie so leise gesprochen hatten, dass er es eigentlich nicht hatte hören können.
Sie kamen vor einem unscheinbaren Gebäude zum Stehen.
Benjamin klopfte eine unregelmäßige Folge an die Eisentür und nach einer gefühlten Ewigkeit, wie es schien, schwang die schwere Tür auf. Nichts als Dunkelheit war zu sehen.
Benjamin ging voran.
Emma warf noch einen Blick zu ihrer Freundin, die entschlossen nickte, und dann folgte sie ihm mit starkem Herzpochen.
Zuerst sah sie überhaupt nichts. Doch dann stockte ihr der Atem. Als sich ihre Augen an die Lichtverhältnisse gewöhnt hatten, waren sie sprachlos. Das Gebäude war gar nicht so klein, wie es von außen aussah. Das Innere war am ehesten mit einer Halle zu vergleichen. In der Mitte erstreckte sich ein Wasserbecken und eine Art Schiff ragte aus dem kristallklarem Wasser hervor. Groß und mit goldener Farbe überzogen. Symbole und Zeichen waren vereinzelt auf der Oberfläche eingraviert.
„Was ist das?", hauchte Hiko.
„Unser Fortbewegungsmittel", antwortete Rick mit einem Lächeln.
Und jetzt erkannte es Emma. Das Tattoo, das Rick auf seinem linken Oberarm hatte, ähnelte dem Schiff vor ihnen.
"Was soll das bedeuten? Wo bringt ihr uns hin?", fragte Emma.
"Und was genau ist das für ein Gefährt?", fügte Hiko fasziniert hinzu.
Rick lächelte sie an. "Das ist ein U-Boot. Wohin wir fahren, werdet ihr noch früh genug herausfinden."
Emma drückte ihren Kater an sich. Sie spürte wie das kleine Tier unruhig wurde.
„Wo ist Thorne?", fragte sie unsicher. Sie wollte es insgeheim nicht zugeben, aber sie vertraute dem Dunkelblonden mittlerweile und fühlte sich unwohl, dass er so plötzlich verschwunden war.
Benjamin verschränkte die Arme vor seiner Brust.
„Er kommt, wann er kommt", zischte er grimmig.
"Was willst du damit sagen?", fragte Emma genervt.
Sie kannte Benjamin jetzt vielleicht eine Stunde und sie wusste schon jetzt, dass sie mit ihm nicht zurecht kommen würde.
Hiko jedoch hatte sich bereits dem Boot angenähert. Sie betrachtete die ganzen Symbole.
"Das ist echt verrückt. Komm her und sieh dir das an Emma", rief sie aufgeregt.
Sie ging auf Hiko zu, die die eingeritzten Symbole musterte. „Wie Schriftzeichen", grinste die Japanerin.
Emma ließ ihren Zeigefinger über die vielen Gravuren gleiten. Manche sahen aus wie Blätter und Blumen, andere hatten Ähnlichkeit mit Sternbildern.
Ein Symbol zog ihre Aufmerksamkeit auf sich, doch bevor sie es berühren konnte, wurde ihre Hand von hinten von einer anderen umschlossen und sofort durchfuhr sie ein leichter Blitz und ihre Hand kribbelte.
Sie drehte sich um und blickte direkt in Thornes graue Augen.
Sie schluckte. So nah waren sie sich noch nie gewesen.
"Kommt", sagte er sanft und mit einem Kopfnicken deutete er an, in welche Richtung sie gehen sollten.
Emma jedoch blickte auf die Hand von Thorne, die ihre noch immer sanft umschlossen hielt. Sie fühlte sich so angenehm und warm an. 'Wie es wohl war von diesen Händen gestreichelt zu werden?', so sehr sie es versuchte, aber sie konnte diesen Gedanken einfach nicht abstreifen.
Langsam fast schon bereuend ließ er sie los und zeigte den Freundinnen den Weg.
Rick und Benjamin waren bereits mit ihren Koffern verschwunden und Emma schaute wieder die unterschiedlichen Symbole an.
"Die Symbole sind wunderschön. Was bedeuten sie?", fragte sie Thorne.
„Das sind Chiffren", sagte Thorne kurz. „Jede einzelne steht für etwas in unserer Welt. Genauer gesagt, erzählen sie unsere Geschichte." Nun lächelte er Emma an.
„Was heißt das, eure Welt?", fragte sie leise.
Wieder lächelte er sie an. „Du wirst es bald erfahren. Es ist auch deine Welt." Er drückte ihre Hand. Dann ließ er sie los und ging auf Benjamin zu, der wieder aufgetaucht war.
Emma konnte ihr Gespräch nicht hören, denn die beiden Männer unterhielten sich schnell und sehr leise. Was meinte Thorne mit ihrer Welt? Was sollte das alles bedeuten? Und warum hatte sie das Gefühl einige dieser Chiffren schon mal vorher gesehen zu haben? Nochmal schaute sie auf die merkwürdig vertrauten Symbole. Dann folgte sie den Männern zum Eingang und fragte sich, ob sie wirklich hineingehen sollte.
Aber hatte sie überhaupt eine Wahl?
'Eigentlich nicht', dachte sie. War es nicht genau das was sie so herbeigesehnt hatte? Ein Abenteuer. Etwas entdecken. Hinter die Kulissen blicken.
Ohne weiter zu zögern stieg sie durch die Tür.
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