Mal'achs Gedicht
Seine Sicht
Sie erscheint ihm, während das Mädchen das Gedicht seines Mal'achs mit sanfter Stimme vorträgt. Es ist mehr als 24 Stunden her - zuletzt im Buchladen - als er sie gesehen hat. Es ist eine Qual für ihn gewesen. Er will sie doch so viel öfter sehen. Er hatte die Hoffnung, dass das Buch ihm helfen würde, doch leider hat es ihn enttäuscht.
'So funktioniert es nicht.' Wurde ihm beim durchblättern schmerzlich bewusst und er schleuderte das Buch wutentbrannt gegen die Wand, bis er den Entschluss fasste zu dem Mädchen zu gehen. 'Vielleicht kann sie es richten'. Sie ist seine Hoffnung.
Die sich Bewahrheitet.
Etwas hinter Luci erscheint die Gestalt seines Mal'achs. Sie lächelt und spricht die Verse Wort für Worte mit.
Das Monster ist so in ihren Anblick vertieft, dass er gar nicht bemerkt, dass das Gedicht ein Ende gefunden hat. Erst als Luci spricht, wird es ihm bewusst.
"Hier steht, dass sie 15 war, als die das geschrieben hat."
Sofort wird er sich wieder dem Mädchen vor ihm bewusst und sieht sie an.
"Du bist dran." Fordert sie ihn auf. Ihr ist nicht Bewusst, dass er die ganze Zeit nur ein Gedicht von ihr im Kopf hat. Ein Gedicht, welches sein Mal'ach ihm damals vorgetragen hat. Welches er seitdem nicht mehr vergessen hat. Welches er seitdem schmerzlich in seinen Herzen trägt.
Noch immer sieht er die Gestalt seines Mal'achs, weswegen er wieder seine ganze Afmerksamkeit ihr widmet. Es ist ihr Gedicht. Er richtet es an sie. Die Worte sind zu passend. Seine Stimme ist traurig. Sie ist mit der bitteren Wahrheit überzogen, dass sein Mal'ach nicht mehr da ist. Das sie fort ist und so ... ein Teil von ihm fehlt.
"Letzte Worte,
Letztes Glück,
gib mir Tage noch zurück.
Lass die Zeit kurz stehen bleiben,
Lass vergessen unser Schweigen.
...
Letzte Worte,
Letztes Glück,
-
Komm du zu mir zurück."
Beim letzten Verse bricht seine Stimme, denn die Gestalt von seinem Mal'ach schwindet.
"Das ist ein schönes Gedicht.", bricht das Mädchen vor ihm die Stille. "Und du kannst es sogar auswendig."
"Ja", murmelt das Monster und kommt einen Schritt auf sie zu. "Luci.", murmelt er und greift nach einer ihren Haarsträhnen. Für einen Augenblick legt sich das Gesicht seines Mal'achs über das des Mädchens. "Blonde Haare würden wirklich zu dir passen." Vielleicht würde er sein Mal'ach dann häufiger sehen. Vielleicht könnte er sein Mal'ach so wieder Nah sein.
"Ich kann es mir ja überlegen.", lächelt das Mädchen. Immer wieder flimmert das Gesicht von Mal'ach auf und verschwimmt mit ihren. Frustriert legt er seine Stirn an ihre.
Das ist Mal'ach. Das ist sein Mal'ach. Sie versucht bei ihm zu sein. Sie will bei ihm sein. Sonst würde sie ihm nicht so häufig erscheinen.
"Es tut mir so Leid." Die Worte richtet er an sein Mal'ach. Es sind die aufrichtigsten Worte, die er seit ihrem Tod gesprochen hat.
"Das muss es doch nicht." Es ist ihre Stimme. Sie ist nichtmal böse auf ihn.
"Luci.", murmelt er wieder. Er traut sich nicht, sie bei seinem Namen zu nennen. Das wäre zu schnell. Der Name 'Luci' ist dennoch Nah genug an seinem Mal'ach. Sanft legt sich die Hand des Monsters auf Lucis Wange.
"Willst du re-"
Er will nicht, dass sie weiter redet. Sie soll ihn nicht verzeihen. Nicht einfach so. Sein Mal'ach darf ihn nicht verzeihen.
Sein Mal'ach.
Sie ist so nah.
So warm -
so-
so -
so echt.
'Mal'ach' denkt er und es ist sein Körper, der reagiert. Denn seine Lippen legen sich auf ihre und verschmelzen zu einen innigen Kuss.
Ihre wärme,
Ihre nähe,
Ihr Körper.
Mit all seinen Sinnen nimmt er sie wahr, es ist nicht einer dieser verzweifelten Augenblicke, wo er sie nur einen Moment sieht.
Sie ist hier.
Ihre Sicht
Nach einer Weile lösen wir uns voneinander. Mein Herz schlägt schnell in meiner Brust und sofort sehne ich mich nach weiteren Berühungen.
'Was macht er mit mir? Wieso - wieso fühle ich mich so ... so hilflos.'
Ich bin meinen Gefühlen ausgeliefert.
"Ich weiß gar nicht was ich sagen soll.", breche ich die Stille. Meine Wangen sind vor Scham leicht errötet.
"Nichts." Die Traurigkeit ist aus seiner Stimme gewichen, stattdessen hat sie einen harschen Unterton angenommen.
Sofort presse ich meine Lippen zusammen. Solche Gefühlsschwankungen bin ich nicht gewohnt, aber sie sind das, was mich interessiert. Wie schon seine Narben.
Ich setzte mich auf meine Couch und blättere wieder in dem Buch. Wenn er reden möchte, dann wird er schon etwas sagen.
Auch er setzt sich hin und greift nach seinem Exemplar.
"Hast ... hast du schon Mal jemanden verloren?" Sein Blick ist starr auf das Buch vor ihm gerichtet, als er die Worte wieder mit der selben Trauer von vorhin spricht.
Bei seiner Frage fällt es mir wie Schuppen von den Augen. Er - er ist gebrochen.
Wie ich.
"Ja." Auch ich senke meinen Blick.
"Wann hast du es realisiert? Wann hast du damit abgeschlossen?"
Gespannt sieht er mich an.
Was soll ich darauf Antworten? Soll ich die Wahrheit sagen? Soll ich Lügen? Soll ich das Thema wechseln?
"Das habe ich nicht.", platzt es aus mir heraus. "Ich habe nie damit abgeschlossen und werde es auch nicht. Ich weiß aber, wie ich damit umgehen muss. Man entwickelt irgendwann eine Strategie."
"Und das findest du Legitim?"
Ich lächle matt. "Mir ist jedes Mittel recht. Und das sollte es dir auch. Du kannst nicht in der Zeit zurück gehen, aber du kannst dein Jetzt nach deinen Vorstellungen gestalten. Damit wird es leichter, weißt du?"
"Mhm." Eine richtige Antwort erhalte ich nicht. Stattdessen konzentrieren wir uns beide wieder auf unsere Bücher, unterhalten uns über die Gedichte von Lucia und reden über Spiele, wobei er das Thema auf Schach lenkt. Wir reden nicht über den Kuss, dennoch löst der Gedanke in mir Herzrasen aus.
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