Kapitel 20

'Das Museum!', verkündete Mr. Owen mit weit ausgebreiteten Armen.
Ja, als würden wir das nicht sehen.
Achtsam sah ich mich in dem weißen Raum mit den gotisch gewölbten Decken um. 
Meine Tante blickte wie ein kleines Kind über die Artefakte und auch manche Schüler staunten ganz schön über das Ausmaß des Raumes, der größer war als die Bibliothek und an dessen Ende man durch eine Tür in weitere Räume blicken konnten, so als würde man in einen Spiegel sehen.
Zugegeben, auch ich fand den Saal mit den Glaskästen voller maystischer Gegenstände und Bilder ziemlich eindrucksvoll.
Die große doppelflügelige Tür am Eingang war sicher zwanzig Zentimeter dick und schien sehr stabil zu sein, vielleicht zum Schutz gegen irgendwelche gefährlichen Feinde oder verrückte Monster.

Ein paar Bücherregale, voll mit dicken, alten Schmökern standen an den Wänden, doch das Herzstück des Raumes stellten ganz klar die Artefakte dar.
Der schwarze Steinboden glänzte wie frisch poliert, wobei man für das Putzen von so einer Fläche wohl ziemlich lange brauchte.
Interessiert blickte ich in den ersten Schaukasten ganz am Eingang.
Eine schlichte Silberkette lag darin,  war eigentlich ziemlich schön, doch an ihr hing ein dunkelgrauer, verzierter Schlüssel, der mir unerklärlicherweise Übelkeit bereitete und mich abschreckte.
Ich entfernte mich möglichst unauffällig von der Schlüssekette und blickte mich nach meiner besten Freundin um.

Als ich sie endlich entdeckte, kam Jen mir mit zwei Tassen dampfendem Coffee-to-go entgegen.
Ich lächelte freudig.
'Wo hast du die schon wieder her?' Jen zwinkerte mir zu und reichte mir einen der Becher.
'Eine wundervolle Tasse Milchkaffee vom besten Kaffeladen der ganzen Stadt.', erklärte sie stolz und ich zog spöttisch die Augenbrauen nach oben.
'Dir ist aber schon klar, dass das Entfernen von der Gruppe, nicht erlaubt ist.'
Jen warf empört ihren freien Arm in die Luft.
'Ohne einen vernünftigen Kaffee halte ich den jährlichen Museumsbesuch wohl kaum aus.
Was du immer von mir erwartest, Süße.'
Ich lachte leise und trank anschließend einen Schluck meines warmen Milchkaffes.
'Mmh' , murmelte ich, 'schmeckt wirklich gut.'
Jen legte mir fürsorglich eine Hand auf die Schulter.
'Auf mich kannst du dich immer verlassen, das weißt du doch.'
Sie trank ebenfalls gierig.
Nach meiner Erfahrung hatte ihr Kaffee mindestens drei Löffeln Zucker, sonst war er ihr nie süß genug.
'Außerdem', fügte Jen versonnen hinzu, 'Hat ja niemand bemerkt, dass ich weg war.'
Sie deutete zum Rest der Gruppe, die immer noch Mr. Owens Anfangsrede lauschten, wobei ich mir nach den Gesichtern der Mädchen sicher war, dass sie an etwas ganz Anderes als an den Vortrag dachten.

Fröhlich schlenderten wir zum Rest der Gruppe, wobei ich mir nach dem strengen Blick meiner Tante sicher war, dass unser Fehlen doch aufgefallen war.
Jen schien nichts zu bemerken, kicherte nur, als sie das beeindruckte Gesicht eines Mädchens vor uns musterte, das ganz in den Anblick von Mr. Owens Muskeln, die deutlich unter seinem engem, grauen Sweatshirt zu sehen waren, versunken war.
Sie hatte den Mund geöffnet und fing wahrscheinlich gleich noch an zu sabbern. Vielleicht nicht die beste Idee mit diesem Lehrer einen Ausflug zu machen.
Ich unterdrückte ebenfalls ein Kichern, schlug Jen jedoch ermahnend gegen den Arm.
'Sei nicht so unhöflich.
Du findest doch auch, dass er gut aussieht.'
Jen legte herausfordernd den Kopf schief und flüsterte leise ihre Antwort.
'Ja, er ist echt heiß.
Ich werde aber keine solche Gedanken mehr an ihn hegen.
Justin würde mir das sicher übel nehmen.'
Sie hob entschlossen den Kopf und ich klopfte ihr für ihre bedingungslose Treue gegenüber Justin auf die Schulter.

Mr. Owens Rede hörte ich nur mit halben Ohr zu, wobei er seinen freundlichen Blick mehrmals über die Schüler wandern ließ.
Er war ganz in seinen eigenen Vortrag vertieft und schwärmte gerade von der "kühnen" Architektur des Saales.
Ich stellte mich auf die Zehenspitzen und ließ meinen Blick durch die Menge der Schüler schweifen, bis ich tief schwarze Haare entdeckte.
Luis hatte mir den Rücken zugewandt, weil er sich gerade mit seinem Freund Hannes unterhielt, sodass ich mich nicht traute zu ihnen zu gehen und sie zu unterbrechen.
Die Beiden waren bei diesem Ausflug auch dabei, weil immer zwei Jahrgänge zusammen unterwegs waren.

'Ach komm, sehe dich doch nicht die ganze Zeit nach Luis um, ist seine Anwesenheit so blendend?
Wir sind in einem', sie verdrehte die Augen, 'wundervollen Museum, das voller magischer Artefakte ist.
Die sind doch viel mehr Blicke würdig.'
'Na gut, wenn du meinst.', sagte ich grinsend, wir drehten uns wieder zu Mr. Owen um und taten kaffeeschlürfend so, als würden wir zuhören, während Jen mir flüsternd unsere jährliche Route erklärte.

'Und nun wenden wir uns erst einmal der frühesten Zeit der Magie zu. Folgt mir bitte.', sagte Mr. Owen schließlich und leise murmelnd ging unsere Schülergruppe durch das Tor.
Jen und ich folgten als Letztes und meine Tante bildete hinter uns den Schluss, damit niemand verloren ging.

Außer uns waren nur noch ein altes Ehepaar und eine Familie mit zwei kleinen Kindern im Museum.
Die Erwachsenen beobachteten genau wie wir die Artefakte, wobei sie dabei jedoch nicht Mr. Owens großartige Führung mitbekamen.
Das kleine Mädchen spielte ausgelassen mit ihrem Bruder ein Klatsch-Spiel und lachte sorgenlos.
Als wir stehen blieben, wäre ich fast in das Mädchen vor mir hineingerannt und trotz Jen, die mich am Arm zurückzog, schwappte ein Schluck meines Kaffees auf den geputzten Boden.
Ich grummelte leise und dabei ging es mir ein wenig mehr um den verlorenen Kaffee, als um den dunklen Museumsboden.
Jen zog mich geschickt ein Stück nach vorne zwischen den Schülern hindurch, damit sie ihren Kaffebecher in einen Mülleimer schmeißen konnte.
Ich trank schnell zuende und warf meinen Pappbecher ebenfalls weg.
'Glaubst du, dass das mit dem Kaffee jemand sieht?', fragte ich mit dem Hauch eines schlechten Gewissens.
'Ne, das sieht doch keiner.', beruhigte mich Jen kopfschüttelnd und ich zuckte wiederstrebend mit den Schultern, obgleich ich ihr nicht glaubte.
'Kommt ihr mit?' , fragte meine Tante uns vom Ende der Gruppe, die bereits ein Stück weiter entfernt standen.

Als wir ankamen, beobachteten die Schüler gerade irgendeinen besonderen Gegenstand aus der Antike, während Mr. Owen mit seiner scheinbar nie endende Rede  fortfuhr.
'Das ist ein kleiner Altar, ein Mium Odem. Er wurde von den Ägyptern angebetet und sie opferten ihm an bestimmten Festen Tiere.
Viel mehr aus dieser Zeit ist nicht zu finden, denn die meisten Leute sahen Magie als Hokuspokus oder sogar verbotenes Hexenwerk an.
Die zweite Station wird euch sicher mehr interessieren.
Es ist ein Gemälde, welches einen Zeitsprung weiter entstand, aber ihr kennt diese Person sicher alle.
Den Entdecker der Magie, den mächtigsten Gewählten von allen.
Hannibal Traumfänger. '

Wir gingen in die Mitte des Raumes, wo zwei dicke, weiße Steinsäulen die hohe Decke tragend eine dünne Wand umrahmten.
In der Mitte war ein königlich anmutendes Bild mit goldenem Rahmen aufgegangen worden.
'Muss ich den kennen?', flüsterte ich Jen zu und diese sah mich stirnrunzelnd an, um zu sehen, ob ich einen Witz gemacht hatte.
Dann schüttelte sie fast schon ein wenig enttäuscht und zugleich belehrend den Kopf.
'Dieser Mann ist Hannibal Traumfänger. Er fand viel über die Magie und ihre Ursprünge heraus und schrieb alles in seinem berühmten Tagebuch auf.
Er wurde auch zum König der Gewählten ernannt.
Das ist wirklich das Erste, was man in der Schule lernt. Superwichtig.'
Mit einem lauten "Schht" versuchte Mr. Owen für Stille zu sorgen.
Dieses Mal hörte ich ihm interessiert zu.

'Hannibal Traumfänger war, wie ihr sicher alle wisst, ein großer König.
Er gab der Magie erst einen Sinn. '
Jen hob beschwichtigend die Arme und schien sich selbst für ihr Wissen zu preisen, sodass ich ein Grinsen unterdrücken musste.
'Dieses Portrait ist extra für ihn gerzeichnet worden, nachdem er zum König ernannt wurde.
Es ist einmalig, der Künstler jedoch unbekannt.
Seine Nachfahren herrschten immer als Könige und Königinnen, weil sich dieser Rang wie unsere Gaben durch das Blut vererben lässt. 
Diese Ahnenreihe endete jedoch, als sein letzter Tronfolger Richard Traumfänger untertauchte.
Nun weiß niemand, wo er ist.
Insgesamt besitzen alle Mitglieder der Königsfamilie unglaublich große und seltene Kräfte.
Bei ihnen besteht die Ausnahme, dass die Kraft nicht vererbt wird, wobei nicht bekannt ist, wie seine Nachfolger immer neue Kräfte bekamen.
Manche Leute munkeln, dass er einen Bund mit einem der Götter eingegangen ist.
Mit seiner seltenen Kraft als Träumer konnte Richard Traumfänger, also der verschollene Nachfolger, Träume kontrollieren, indem er die tiefsten Gefühle anderer herausfand und sie in die Träume einbaut.
So konnte er zum Beispiel Botschaften in Tagträumen verkünden, heimlich mit Personen reden, indem er sie Nachts in ihren Träumen besuchte, oder jemandem Angst einjagen.'

'Jaja, der Traumfänger macht seinem Namen alle ehre.', sagte einer der Schüler in den vorderen Reihen.
Viele seiner Freunde lachten laut, doch Jen schüttelte abschätzig den Kopf und verschränkte die Arme vor der Brust.
'Den Witz gab es schon letztes mal.' Ich lächelte über ihren Kommentar, während Mr. Owen den Ruhestörer einfach ignorierte.
'Eine sehr spezielle Kraft, die ihr sicher auch von dem Anführer ser Gewählten, Gabe Hanwen, kennt. Auch Träume dürft ihr nicht unterschätzen.'
Nun war es stiller, sodass die volle Aufmerksamkeit wieder auf Mr. Owen war, wobei diesem das sichtlich zu gefallen schien.
'Prägt euch dieses Bild gut ein, denn es ist wichtig für unsere ganze Welt der Magie.
Als nächstes geht es zu der Zeit des Krieges.'

Jen sprach seine letzten Worte genau synchron mit und seufzte dann, doch ich konnte mich nur noch auf das Bild konzentrieren, das mich bei näherer Betrachtung voll und ganz in seinen Bann gezogen hatte.
Irgendetwas an diesem Mann war faszinierend und ließ mich nicht mehr los.
Er trug ein dunkelgrünes Gewand aus samt, was gut seinen Wohlstand als König andeutete, sein vollständig graues Haar war glatt und am Ansatz zu einem ordentlichen Scheitel gekämmt.
Seine Augen glänzten in einem dunklen Braun, einem gütigen, aber auch gefährlichen Braun, das gerade unglaublich lebendig auf mich wirkte.  Das blasse Gesicht war schon faltig, wirkte zerbrechlich, aber sein breites Lächeln mit den kleinen Grübchen strahlte über das ganze Bild.
'Was war den seine Macht?
Also Hannibal Traumfängers.' , fragte ich willkürlich und Jen antwortete mir hilfsbereit.
'Soweit ich weiß, konnte er Telekinese anwenden. Eine seeehr seltene Kraft.'
Ich sah sie verwirrt an, wartete auf eine Erklärung.
'Er konnte Gegenständen und Personen nach seinem Willen bewegen.'
'Achso, es wäre irgendwie interessant ihn mal kennenzulernen, also hypothetisch, wenn er noch leben würde. Er sieht so...'
'reich, intelligent, magisch, alt?', schlug Jen hilfsbereit vor und ich lachte kopfschüttelnd.
'Naja ich meinte eher so etwas wie sympatisch.'
Meine beste Freundin zog verblüfft  die Augenbrauen hoch und legte den Kopf schief, um das Bild noch ein Mal näher zu mustern.
Da hörte ich die mahnende Stimme meiner Tante hinter uns.
'Es geht weiter ihr Beiden.
Wieso habe ich nur das Gefühl, dass ihr euch nicht besonders für die Rede von Mr. Owen interessiert?'
Jen drehte sich zu ihr um und lächelte unschuldig.
'Och, Mrs. Infusio. Das sind doch jedes Jahr genau die gleichen Worte Außerdem reden wir auch wirklich nur über die hier besprochenen Themen und ihre Nichte lernt viel mehr von mir, als von Mr. Owen.'
Sie zwinkerte meiner Tante zu, sodass Mrs. Infusio ein wenig verwirrt aussah, bevor sie anfing zu schmunzeln.
Ich betrachtete meine Freundin von der Seite, ihre rot braunen Locken, die spitze Nase und ihr stets lächelnder Mund.
Alle Leute irgendwie zum Lachen oder Grinsen zu bringen, das konnte wirklich nur Jen.
Wir schlossen uns gemeinsam wieder der Gruppe an.
Den Anfang des Krieges hatten wir leider verpasst, aber ich nahm mir vor beim letzten Teil gut zuzuhören.

***

'Jetzt zeigt euch Mrs. Infusio ein paar besonders wertvolle Artefakte.', leitete Mr. Owen nach seiner etwas langweiligen Rede geschickt die Aufmerksamkeit auf meine Tante. 
Sie schob sich die Brille auf der Nase ein Stück höher und tauschte mit Mr. Owen die Plätze.
'Zuerst sehen wir uns ein paar kleineren Artefakten, von denen ihr, wenn ihr alle gut aufpasst und euch benehmt, auch ein oder zwei anfassen dürft.
Dies wurde uns dieses Jahr einmalig vom Museumsdirektor erlaubt.'
Sie schritt langsam den langen Gang, der bis in den letzten Raum führte, entlang und bedeutete uns mit einem Handwink ihr zu folgen.
'Na, das wird ja doch noch interessant.', sagte Jen fröhlich und drängte sich mit mir zusammen durch die Menge nach vorne.
'Ey!', fuhr uns jemand an, aber als er mich erkannte, trat er einen Schritt zurück und neigte den Kopf, um mir nicht direkt in die Augen zu sehen.
'Hat der Angst vor mir oder was?', flüsterte ich Jen spaßeshalber zu.
Sie blickte ihn kurz an und nickte dann knapp, sodass ich entsetzt die Augen aufriss. 'Wieso das?'
Jen versuchte mich mit einem sanften Lächeln zu beruhigen und zog mich am Ellbogen weiter nach vorne.
'Ach was, Martin hat Angst vor allem.' Ich wusste nicht genau, ob sie die Wahrheit sagte, aber zu ihrem Glück kannte ich den Jungen nicht.

Wir blieben vorne stehen, während Mrs. Infusio mit einem Schlüssel einen abseits stehenden Glaskasten öffnete.
Ich schaute interessiert hinein und entdeckte eine kleine, runde Brosche.
Im kreisförmigen Rahmen waren viele fragile Striche, die zur Mitte hinstrebten und dann in einem noch kleineren Kreis endeten.
Unten hingen drei metallene Stäbe von der Brosche herab, glänzten um die Wette und schien jeden Moment hin und her schaukeln zu wollen.
Ein Traumfänger.
Ich kannte solche Glücksbringer und früher hatte ich immer einer über meinem Bett gehangen.
Er hilft gegen die bösen Albträume, hatten meine Eltern immer gesagt und ich hatte ihnen das geglaubt.
Diese Brosche glänzte in einem metallisch schimmernden Ton irgendwo zwischen Gold und Silber und unerklärlicherweise zog es mich zu ihr hin.
Es war dieser Drang sie anzufassen, sie mitzunehmen und zu behalten, denn sie wirkte so einfach und trotzdem so edel.
Ohne es zu merken hatte ich meine Hand ausgestreckt und meine Tante lächelte freundlich.
'Möchtest du zuerst?'
Ich nickte mechanisch, bis mir die Brosche übergeben wurde.
Sie lag kalt und schwer in meinen Händen und schien dennoch innerlich zu glühen und mich zu wärmen, mich aufzuladen.
Sie strahlte eine Magie aus, wie ich sie sonst nur bei starken Gewählten wie Mr. Wieland sah, nur das sie noch mächtiger war.
Dabei war es doch ein Gegenstand, so ein bedeutender Gegenstand oder vielleicht doch noch etwas mehr.

Jen stupste mich an.
'Hey, Süße. Die anderen wollen auch mal.', flüsterte sie frech, ich blinzelte wie aus einem Traum gerissen und übergab ihr dann möglichst langsam die Brosche, weil ich sie länger in den Händen halten wollte.
Dann atmete ich aus, sah dem mächtigen Artefakt hinterher, denn Jen gab die Traumfängerbrosche schon wieder weiter.
Wie konnte sie sich so schnell verabschieden?
Spürte sie nicht diese verführerische Macht?

'Über diese Brosche weiß man nicht viel. Sie scheint aus ganz normalem Material zu sein, stahl das hauchdünn mit echtem Gold und Silber überzogen wurde, aber wir wissen, dass Hannibal Traumfänger sie immer bei sich trug. Es war sein Markenzeichen und wahrscheinlich auch so etwas wie sein Glücksbringer.', meldete sich Mrs. Infusio zu Wort.
Oder er fand die Brosche einfach nur wahnsinnig anziehend und konnte sie nicht mehr loslassen, fügte ich in Gedanken hinzu, und beobachtete die desinteressierten Kinder.
Sie verdienten es nicht, die Brosche in den Händen zu halten.
Ich erstarrte schlagartig wie vom Blitz getroffen, lichtete meinen benebelten Verstand.
Was dachte ich da eigentlich?
Wer verdiente denn bitte eine Brosche?
Es war nur ein Schmuckstück. 

Verwirrt über diese magische Anziehunh und leicht beunruhigt wandte ich den Blick von der Brosche ab, bevor ich vollkommen durchdrehen würde und trat einen Schritt zur Seite, als die Brosche wieder an Mrs. Infusio abgegeben wurde.
Ich wusste nicht, wieso mich dieses Ding so anzog, aber eigentlich verspürte ich nicht den Drang, das herauszufinden
oder nur ein ganz kleines bisschen.
'Sie ist ein äußerst schönes Ausstellungsstück, findet ihr nicht?', fragte Mrs. Infusio in die Menge und einige murmelten zustimmend. Sie schloss den Kasten wieder und wir begutachteten eine Reihe wichtiger Artefakte aus allen möglichen Zeiten, unter denen auch viele Waffen waren.
Anschließend ging Mrs. Infusio zum Anfang der Halle, wo sie bei dem  Kasten stehen blieb, denn ich am Anfang begutachtet hatte.
Ja, eigentlich nur ein weiteres Artefakt, aber Eines das mir Schrecken bereitete.
Vielleicht war ich auch einfach nur sehr empfindlich, denn diese Gegenstände machten mit meinen Gedanken und Gefühlen was sie wollten.
Hallo? Gegenstände?
Ich war so ein Freak.

Meine Aufmerksamkeit wurde wieder auf Mrs. Infusio gelenkt, sobald ich das Klicken am Schloss des kleinen Glaskastens vernahm, sie öffnete den Kasten und nahm vorsichtig die Kette mit dem Schlüssel heraus. Ich meinte einen Geruch nach Fäulnis zu riechen und meiner Meinung nach sollte man das Artefakt wirklich mal restaurieren oder mit Raumspray eingeben.
Ich schluckte, als der schwarze, metallische Schlüssel drohend in der Luft baumelte.
Oder ihm am besten einfach wegwerfen.
Ich zog die Nase kraus, als die erste Person, ein großes, schlankes Mädchen, die Kette bewundernd anstarrte.
'Dies ist jetzt ein Schmuckstück der Ausgeschlossenen. Es ist das Einziege, was hier ihnen gehört, aber der Museumsverwalter will es ausstellen, damit ihr etwas von der Gegenseite bewundern könnt und nach Unterschieden suchen könnt.
Diese Kette wurde von vielen starken Ausgeschlossenen getragen, der Schlüssel steht hierbei symbolisch für dunkle Geheimnisse, die aufgedeckt wurden. Insgesamt wirkt er zwar  grober verarbeitet und robuster als die Brosche, Beides ist jedoch aus dem gleichen Metall gemacht.
Das eine verziert und veredelt, dass andere Roh und ohne Vergoldung. Wie ihr seht gibt es immer zwei Seiten einer Medaille und genau das sind gut und böse auch.
Sie scheinen sehr verschieden zu sein, ähneln sich aber doch mehr, wie man auf den ersten Blick denkt.
Die Grenze zwischen ihnen ist gefährlich schmal.'
Eine Mahnung lag in diesen Worten und sie verzog das Gesicht, als würde sich eine alte Erfahrung vor ihren Augen abspielen.

Jen hielt mir die Kette hin, doch ich schüttelte voller Widerwillen den Kopf. Diese Kette wollte ich unter keinen Umständen anfassen.
'Was ist, Nia?', fragte meine Freundin mich ernst.
Ich zuckte möglichst lässig mit den Schultern.
'Nichts, nichts. Mir geht es nur gerade nicht so gut.'
Jen hielt gedankenverloren den Kopf schief und schüttelte dann verwirrt den Kopf.
Sie konnte meine Gedanken nicht lesen. Um nicht zu lange zu warten, reichte sie die Kette genau vor meinen Augen zum nächsten Schüler und die Dunkelheit umhüllte mich für eine Millisekunde.
Meine Hände zitterten unkontrolliert, weil mir so kalt war.
'Nia?', fragte mich leise eine unsichere Stimme.
Ich zuckte zusammen, hatte nicht bemerkt, dass jemand an mich heran getreten war, war zu sehr in die eiserne Bosheit des Schlüssels versunken.
Als meine Beine drohten einzuknicken, stütze mich plötzlich eine starke Hand in meinem Rücken und ich konnte den Druck spüren,  der durch mich Drang und mich ein Stück weit erwärmte.
Gerade wollte ich Jen danken, als ich im Luis lebendige, blaue Augen blickte.
Die Augen sind die Fenster zur Seele, pflegte meine Mutter immer zu sagen und ich wusste nicht, wieso ich mich jetzt an diese Worte erinnerte, aber sie waren einfach da.

Mein Atem stockte, weil er so dicht stand, obgleich wir uns beim Kampftraining schon oft so nah gewesen waren. 
Alle Gedanken zu den Artefakten verschwanden aus meinen Gedanken, wurden von seinem holzigen Geruch verjagt und mein Kopf war von einem Moment auf den anderen wie leergefegt.
Luis schaute mich noch kurz an, mit seinem unergründlichen, emotionslosen Blick, dann trat er ein Stück beiseite, entzog mir seine Wärme und seinen Geruch.
'Geht es dir gut?', fragte er leise und ich nickte unkoordiniert.
Ein schlihtes Nicken half immer, denn dabei konnte man einfacher lügen.
Schon war er wieder in der Menge verschwunden, als wäre er nie da gewesen.
Ich seufzte tonlos und drehte mich langsam um.
Jen sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen und einem spöttischen Grinsen auf den Lippen an und auch meine Tante schien mich beobachtet zu haben, denn sie musterte mich besorgt aus dem Augenwinkel, während sie die Kette zurückschloss.

'Mir geht es seit heute morgen schon nicht so gut, aber jetzt wird es schlimmer. Kann ich kurz zur Toilette gehen?', fragte ich meine Tante leise und bemerkte, dass ich immer besser im Lügen wurde.
'Ja, natürlich. Die Toilette ist hinten durch und dann links. Soll ich mitkommen?'
'Nein!' , sagte ich ein bisschen zu schnell und zu laut und lächelte dann entschuldigend, 'Äh, ich meine, es wäre mir lieber wenn Jen mitkommt.' Sie wirkte verletzt und das tat mir sehr leid, sodass ich, um ihr Gesicht nicht weiter ansehen zu müssen, schnell den Gang entlang verschwand und bei der ersten Tür links einbog.
Vor dem Waschbecken blieb ich stehen und starrte stumm in den Spiegel.
Jen folgte still und blieb abwartend neben mir stehen.
Ich wusch mir grundlos die Hände und schüttelte sie dann vor mir aus, sodass der ganze Spiegel voller kleiner Tropfen war.
'Bist du mir nicht eine Erklärung schuldig?', fragte Jen schließlich und  wickelte sich Eine ihrer rot-braunen Locken um den Finger, die aus ihrem Zopf gefallen war.
Ich musste selber kurz nachdenken, einen Grund für das alles finden.
Dabei gab es nur eine logische Erklärung, die mir sofort hätte in den Sinn kommen müssen.
Die anderen Schüler hatten einfach mehr Übung, denn ich hatte, im Gegensatz zu den Anderen, noch nie zuvor einen Berührungspunkt mit Artefakten voller Magie gehabt. Außerdem hatte mich der Rat ja auch schon freundlichst darauf hingewiesen, dass ich ein schwaches und anfälliged Immunsystem hatte.
Es lag also auf der Hand.
Ich war nicht nur ein Freak.
Nein, ich war ein ziemlich schwacher Freak. Applaus.

'Ich habe ja dieses geschwächte Immunsystem.', fing ich widerstrebend an, 'Und das macht mir bei diesen Artefakten zu schaffen.'
'Und ich kann das?', fragte Jen mich und zog sich ihren Zopf gerade.
'Ja, so sieht's aus.', stellte ich fest und meine beste Freundin stimmte mir zu, bevor sie langsam den Kopf schüttelte und auf mich zu kam.
'Ich schätze, so wie ich die kenne, wollst du nicht mehr Aufmerksamkeit erregen und den Anderen nichts davon sagen, weil du dann in ihren Augen schwach sein könntest.'
Ich schaute sie verlegen an.
Jen kannte mich zu gut.
'So hatte ich mir das Gedacht.'
'Was mache ich nur mit dir?', murmelte sie lächelnd und stellte dann eine ernstere Frage,
'Wir wahren also den Schein, dass du schon seit heute morgen Bauchschmerzen hast und dass es dir nicht gut geht?'
Bevor ich mich entschuldigen konnte, war Jen schon einverstanden und zeigte mir damit  mal wieder, dass ich mich voll und ganz auf sie verlassen konnte.
'Und was sagt man da?', sagte sie nun mit erhobenen Händen.
'Danke, du bist super, Jen', sagte ich ehrlich, weil es stimmte, und umarmte sie fest.
Dabei wurde ich von einer Wolke  ihres blumigen, süßen Duftes umhüllt.
Jen schlang ihre Arme ebenfalls um mich.
'Ja, schleim ruhig weiter.
Hör ich doch gern.', spottete sie fröhlich.
Ich atmete tief ein und aus, genoss diesen Moment und ihre Freundschaft.
Manches würde sich hoffentlich nie mehr ändern.
Dazu gehörte Jen und ihr nie aufhörendes und unglaublich ansteckendes Grinsen.

***

Wir redeten noch kurz über dies und das, bevor wir wieder nach draußen gingen.
Die anderen Schüler durften frei im Museum herumlaufen und sich noch einmal alles ansehen.
Manche quatschten einfach oder entspannten sich auf einer der Holzbänke oder den wenigen königlich anmutenden Sesseln in der Halle.
'Geht es dir besser?', fragte meine Tante mich besorgt, während Mr. Owen mit provozierend musterte. Was hatte er eigentlich gegen mich? Alle, die ihn anschmachteten schien er ja zu mögen, doch auf dieses Niveau würde ich mich sicher nicht herunterlassen.
'Ja, mir geht es schon besser.', antwortete ich und mein Blick glitt durch die Bibliothek.
Sally begutachtete gerade ein glitzerndes Schmuckstück mit eingesetzten Diamanten, die meisten Schüler aus meiner Stufe interessierten sich kein bisschen für Artefakte, und Luis saß mit dem Rücken zu mir auf einer Sitzbank mit weicher, grüner Samtlehne und sprach mit seinem besten Freund.
Hannes sah mich und lächelte kurz, sodass ich das Lächeln freundlich erwiederte.
'Ihr habt noch ein wenig Zeit euch selbstständig umzusehen. ', sagte meine Tante schließlich.
'Okay', meinte Jen und zog mich zu den Juwelen-Artefakten in der Nähe von Sally.
'Wow.', seufzte sie und starrte auf eine echte hübsche Halskette mit großen Smaragden.
'Sicher teuer.', mutmaßte ich und Jen schaute mich empört an.
Sei doch kein Spielverderber'
Ich hob entschuldigend die Hände und tätschelte ihr gelassen die Schulter.
'Justin kann dir ja so eine Kette schenken.'
Jen streckte mir die Zunge raus und ging weiter zu einer altmodischen Schmuckschatulle.
Ich folgte stattdessen der von Waffen behängten Wand, wobei ich an  Schwertern mit verschnörlelten Griffen, Bogen mit Köchern und darin kunstvoll verzierten Pfeilen, Dolchen in verschiedenen Größen und anderen, mir unbekannten Waffen vorbeikam.
All diesen Waffen schenkte ich nur ein wenig Aufmerksamkeit, obgleich sie wirklich sehr beeindruckend aussahen und ich gerne mit ein oder zwei von ihnen gekämpft hätte, aber ich hatte anderes im Kopf.
Die Traumfängerbrosche.
Dabei schritt ich über den dunklen Marmorboden, auf dem man leise das Klacken meiner Schuhe hören konnte, bis ich an dem Glaskasten ankam und wieder vor der einzigartigen, magischen Brosche stand. 
Zu gerne würde ich sie noch einmal anfassen...
Nach einer Weile schüttelte ich mich, schüttelte dieses drängende, wenn auch nicht unangenehme Gefühl von mir, denn so langsam hatte ich das Gefühl, dass dieses Ding mich steuerte und meine Gedanken kontrollierte.
Es führte mich immer wieder zu ihm.

Ich war so in Gedanken verloren, als ich über das Schmuckstück nachgedacht hatte, dass ich die Welt um mich herum weitgehend ausgeblendet hatte.
Jetzt schien die Wirklichkeit wie ein kleiner Sonnenstrahl hindurch und ich wurde schlagartig hellwach und  zuckte zusammen.
Sie waren da.
Und es waren so viele.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top