Kapitel 12
Mehrere Tage vergingen, rasten an mir vorbei.
Ich hatte weniger Albträume, immer viel zu tun und einiges neu zu lernen.
Vielleicht war es paranoid, aber ich versteckte in meinen Stiefeln immer einen Dolch, denn ich mir aus der Sporthalle mitgenommen hatte. Dadurch fühlte ich mich einfach sicherer.
Mein fester Tagesablauf ließ mir nicht viel Zeit für schlechte Gedanken.
Ich ging in die Schule, versuchte, inzwischen nur noch jeden zweiten Tag, etwas über die Blockade meiner Kräfte herauszufinden und danach trainierte ich mit Luis.
An den Wochenenden traf ich mich meist mit Marc, wir unternahmen Ausflüge, hatten Spaß und vielleicht waren wir sogar ein Paar, ich war mir nicht sicher.
Bei meinen Kräften versagte ich kläglich.
Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, was mir fehlte.
Es war wirklich lacherlich, denn ich schaffte es kein einziges Mal auch nur den Anschein einer Illusion zu erschaffen, sodass meine Tante sich inzwischen sicher war, dass ich eine Blockade hätte.
Als müsste ich mein Versagen bei meinen Kräften entschuldigen, machte ich Fortschritte bei meinem Kampftraining.
Ich übte viel und gab alles, ich konnte manchmal sogar fast eine Minute gegen Luis durchhalten und er war wirklich gut.
Wir kamen uns näher, sprachen nicht nur in abgehackten Sätzen miteinander, und ich glaubte sogar, wir waren so etwas wie Freunde.
Zwar sah ich selten seine lustige oder sanfte Seite, aber das ich wusste, dass sie da war, reichte mir für den Moment.
Nur manchmal hatte er noch einen schlechten Tag, wo er sich abwesend und unnahbar verhielt.
Tatsächlich lernte ich Luis besser kennen und schätzen und ich wollte seine andere Seite nun endlich ganz kennenlernen.
Wie ich das machte war eine andere Sache.
***
Schließlich war es Sonntag und ich hatte nichts zu tun.
Die arme Jen hatte eine schlimme Erkältung und wollte den heutigen Tag im Bett verbringen, was ich ihr nicht verübeln konnte.
Marc hatte mir an diesen morgen gesimst, mir geschrieben, dass wir uns schon früher als sonst treffen könnten, weil er, als ausgiebiger Langschläfer, sich extra für mich einen Wecker gestellt hatte.
Freudig bereitete ich mich auf das Treffen vor und hörte dabei laute Musik wie ich es früher immer getan hatte.
Meine Tante fuhr mich mit ihrem Auto zu Marc.
Es war ein viel besseres Gefühl mich erlaubt mit ihn zu treffen und so fuhren wir, wie jede Woche, gemeinsam durch die Stadt.
'Es freut mich, dass du dich gut eingelebt hast.', sagte meine Tante gerade.
'Ja, mich auch.'
Ich starrte abwesend aus dem Fenster, versuchte die Bilder von ganz normalen Häusern, Gärten und spielenden Kindern in mir aufzusaugen, weil ich so etwas alltägliches einfach nicht mehr zu Gesicht bekam.
Ich hatte zwar immer noch viele Sorgen und Probleme, aber ich lebte im hier und jetzt, lernte viel dazu und meine Tante war sich sicher, dass auch die Blockade mit der Zeit brechen musste.
Gerade jetzt, wo alles so gut lief, vermutete sie einen Erfolg.
Auch meine Mutter hätte gewollt, dass ich glücklich war, das hatte sie immer nur gewollt.
Marc hatte gesagt, wir würden in den Park gehen und das Wetter war heute relativ gut.
Die Sonnenstrahlen bahnte kraftvoll sich einen Weg durch die dicken weißen Wolken, die Wattebäuschen glichen.
'Wann soll ich dich denn wieder abholen?'
'Das weiß ich noch nicht genau.
Kann ich dich vielleicht anrufen?', fragte ich zurück.
'Ja, klar. Ich habe heute sowieso nicht so viel zu tun und komme dann, so schnell es geht.'
Kurz blickte ich sie dankbar an, bevor ich wieder aus dem Fenster starrte. Gleich würden wir da sein.
Meine Tante lieferte mich am Park ab, ich stieg aus, schnappte mir meine Tasche und verabschiedete mich noch von ihr.
Da fuhr sie auch schon weg, sodass ich ihrem Auto hinterherblicken konnte und ein Gefühl der Freiheit verspürte.
Ich liebte diesen Moment, in dem sie mich alleine ließ, in dem ich nicht an meine Probleme auf dem Internat wartete und in dem ich auf den stets gut gelaunten Marc wartete.
Also sah ich mich um und schritt den Weg vor mir entlang.
Die Blätter raschelten unter meinen Füßen, als ich Marc auch schon emtdeckte.
Er stand nur ein paar Meter von mir entfernt.
'Hey, da bist du ja, du Frühaufsteher.', sagte ich grinsend und gab ihm zur Begrüßung einen Kuss auf die Wange. 'Und wie geht es dir so?', fragte er beiläufig, nur wenig besorgt.
'Ganz gut. Und dir?'
Er zuckte die Schultern.
'Es geht, ein bisschen Streit mit meinen Eltern, aber jetzt bist du ja da.' Ich zog die Augenbrauen hoch, fragte aber auf seine wegwerfende Handbewegung hin nicht nach.
Seine Eltern waren äußerst streng und nur selten zu Hause, sodass es öfters Streit gab.
'Wenn deine gute Laune nur an mir liegt, dann hast du in letzter Zeit echt Pech.'
Er sah mich aufmerksam von der Seite an.
'Keine Sorge, dein Bonus hält immer eine Woche.'
Ich grinste herausfordernd.
'Na, da hast du aber Glück gehabt, dass ich meine Abnormalitäten einmal die Woche im Internat lasse und auf dein menschliches Niveau heruntersteige.'
Er kickte einen Stein weg und lachte laut.
'Ja, da bin ich aber froh.'
'Ich könnte dich nämlich mit meinem kleinen Finger umhauen.', fügte ich hinzu und kassierte dafür eine Rache.
Marc schnappte mich einfach und kitzelte mich, bis ich nicht mehr aufhören konnte zu lachen.
'Stopp, stopp. ', presste ich zwischen zwei Lachsalven hervor und erinnerte mich ungewollt an Luis Worte, dass mein Gegner sich totlachen und daran sterben würde.
Marc hörte brav auf und strich mir liebevoll eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
'Du kannst mich auch ohne deinen kleinen Finger umhauen, nur auf eine andere Weise.'
Ich errötete, wusste aber nicht was ich sagen sollte, sodass wir schließlich unseren Weg weiterführten.
'Und was machen unsere, naja deine Freunde so?'
'Hauptsächlich saufen und feiern gehen, aber ohne dich ist es nicht das selbe.', erklärte Marc und fügte nach einer Pause hinzu, 'Wir müssen reden.'
Das klang schlecht, denn so ein 'Wir müssen reden'-Gespräch hatten wir noch nie geführt.
Wir hatten uns immer eine lockere Stimmung bewahrt, das Große und Ganze nicht so ernst genommen.
Das war jetzt anders.
Marc bedeutete mir mit seiner Hand, mich auf eine Bank zu setzte, ich schob ein paar Blätter zur Seite folgte seiner Aufforderung und er nahm neben mir Platz.
Eine kurze Pause entstand, auch das war nicht üblich.
'Wir sind jetzt schon seit einiger Zeit zusammen.', begann er und ich wusste sofort, worauf er hinaus wollte.
Was ich nicht wusste, war, ob ich jetzt mit ihm darüber sprechen wollte, über uns.
'Du weißt, dass ich dich liebe, dass ich dich immer geliebt habe und das nicht nur wie ein Bruder, der seine Schwester liebt.'
Schweigend senkte ich meine Lieder, versuchte die aufkommenden Zweifel auszublenden, einfach das Gleiche zu erwiedern, aber irgendwie funktionierte das nicht.
Konnte mir einfach mal jemand sagen, ob das wirklich Liebe war?
Ich biss mir auf die Lippen, konnte die Worte irgendwie nicht über mich bringen.
Dabei war er doch alles, was ich immer gewollt hatte, ich war mit ihm aufgewachsen, hatte so viel mit ihm erlebt, er hatte mich aufgebaut, war immer für mich da, zu jeder Zeit, es gab da seit den letzten Wochen dieses Knistern zwischen uns und ich wollte bei ihm sein, schon immer.
Aber war das wirklich genug?
Reichte das?
'Nia, ich muss es wissen...', sagte Marc leise und ich schaute ihn unsicher an, das gefühlvolle, tiefgründige Braun seiner Augen, sein breites, freundliches Gesicht, die glatte Haut, der Ort, wo sich beim Lächeln seine Grübchen befanden, jeden Zentimeter von ihm konnte ich sehen.
Dann küsste er mich plötzlich, wie aus dem Nichts.
Ich hatte ihn gar nicht kommen sehen.
Sein Kuss war sanft, liebevoll, aber ich spürte nicht dieses Prickeln, diese Leidenschaft.
Nicht das, was es sein sollte, so sehr ich ihn auf meine eigene Weise liebte, so sehr ich ihn nicht verletzen wollte.
Es ging nicht, das wusste ich schon die ganze Zeit und hatte es nur nicht wahrhaben wollen.
Ich schob ihn vorsichtig von mir weg, behutsam, und schüttelte bedauernd den Kopf.
'Nein, bitte tu das nicht.'
Marc schaute mich verletzt an, so unglaublich verletzt, dass es mir das Herz in tausende kleine Splitter zerbrach, weil ich es war die ihn verletzt hatte.
Seine Stimme klang brüchig.
'Wieso? Wieso hast du die ganze Zeit so getan, als würdest du das gleiche Empfinden. Wieso hast du mich ausgenutzt, Nia?'
Den Schmerz in seiner Stimme konnte ich schon kaum ertragen, aber seine Anschuldigungen war noch schlimmer, noch bedrückender, weil ich wusste, dass es stimmte.
Jetzt gab es kein Zurück mehr.
'Du bist ein wunderbarer Freund, Marc, ich würde dich für nichts hergeben, glaube mir das, aber das hier...'
Ich formte mit den Händen hilflos eine Verbindung zwischen uns, wusste nicht, wie ich meine Gedanken in Worte fassen konnte, und mein Gesicht verzog sich unkontrolliert zu einer Grimasse
Marcs traurige Augen zeigten, wie verraten er sich fühlte.
'Aber ich dachte wir seien das perfekte Paar, ich dachte du findest zu mir, lernst mich zu lieben.'
Ich schaute wieder auf den Boden.
Es war ein verhängnisvoller, dummer Fehler gewesen, dass ich nicht vorher mit ihm darüber gesprochen hatte.
Ich hatte eine Schulter zum Ausweinen gebraucht, jemand der bedingungslos für mich da war, wenn es mir schlecht ging, und mir Marc einfach genommen.
Jetzt, wo es mir besser ging, wollte ich ihn nicht mehr, zumindest nicht so, wie er mich wollte.
Ich war eine schreckliche Freundin.
'Es tut mir leid.'
Doch ich wusste, sobald ich diese Entschuldigungen aussprach, dass sie keinen Unterschied machte.
'Du hast jemanden anderen.', meinte er schließlich gedemütigt.
Ich schüttelte schnell den Kopf.
'Nein, wie kommst du darauf?'
Er zuckte mit den Schultern, suchte eine Erklärung für das Ganze.
Eine Stille entstand, die mich innerlich aufzufressen drohte.
Nie war die Stille so laut gewesen, so schrecklich laut.
'Dann bin ich zu spät.', sagte er müde und vielleicht, nur ganz vielleicht hatte er Recht, denn wenn er mich gefragt hätte, bevor meine Mutter gestorben war, bevor ich diese riesige, neue Welt für mich entdeckt hätte und bevor ich mich durch die Erfahrungen der vergangenen Wochen verändert hätte, wäre meine Antwort sicher anders ausgefallen, dann hätte ich mich für ihn entschieden.
'Ja', hauchte ich fast tonlos, 'das kann sein.'
Tränen glitzerten in meinen Augen, als ich verstand, und das bestätigte Marc nur noch mehr in seiner Annahme.
Er stützte den Kopf in die Hände und fuhr sich durch das braun, blonde Haar.
'Ich hätte dich früher fragen sollen, hätte die Chance ergreifen sollen, als du noch hier lebtest, als die noch mein kleines Mädchen warst.'
Doch seine Vorwürfe würden die Situation auch nicht besser machen, denn die Zeit war abgelaufen und man konnte nicht einfach auf die Repeat Taste drücken und alles ändern.
Ich legte ihm tröstend eine Hand auf die Schulter, doch er schüttelte sie ab.
'Ich will dein Mitleid nicht, Nia.', sagte er barsch und ich hatte ihn noch nie so wütend gesehen, er hatte nie so gegen sich selbst gekämpft.
'Ich muss jetzt alleine sein.'
Marc stand auf und ging einfach, ließ mich hier auf dieser Bank sitzen.
Ich rannte ihm ein Stück hinterher, um mit ihm Schritt zu halten.
'Marc, nein, ich möchte für dich da sein, so wie du immer für mich da bist, ich möchte das wieder gut machen.'
Selbst wenn es nichts gab, was ich sagen konnte, ich durfte ihn jetzt nicht verlieren.
Er griff grob nach mir und sah mir tief in die Augen, anders als vorhin, härter.
'Das geht nicht.
Bitte, lass mich jetzt einfach alleine.'
Und dann ging er wirklich.
Ich wusste, dass es keine gute Idee war ihm zu folgen und verstand, dass er mich jetzt nicht sehen konnte, wo ich doch alle seine Hoffnungen zerstört hatte.
Ich hatte unsere Freundschaft zerstört und das konnte ich nicht einfach rückgängig machen.
Ich konnte nur hoffen, dass er mir irgendwann verzeihen würde.
Früher hätte ich geweint.
Vielleicht wäre ich zusammengebrochen, weil Marc mein engster Vertrauter, mein Fels in der Brandung, mein Regenschirm im Unwetter war und das im wahrsten Sinne des Wortes, doch jetzt floss keine einziege Träne.
Ich war abgestumpft, eiskalt, genau wie Luis.
Dabei hätte ich dieses Mal so gerne geweint.
Um Marc.
Hatte ich die richtige Entscheidung getroffen?
Zweifel keimten in mir auf, während ihr einsam durch den Park wanderte. Ab und zu blieb ich stehen und schaute ins Leere.
Es wäre viel besser, wenn ich nur eine Hülle wäre, ich müsste an nichts denken und nichts fühlen, ich wäre unnahbar und stark.
Wenn ich nicht mal mein Liebesleben hinbekam, wie konnte ich mich dann gegen die Ausgeschlossenen wehren? Wahrscheinlich gar nicht.
Wahrscheinlich war alle Übung umsonst.
Irgendwann rief ich meine Tante an und sagte ihr, dass sie mich abholen sollte. Sie sagte noch, dass sie kommen würde und dann legte ich schon auf, mehr gab es nicht zu sagen.
Mrs. Infusio würde sicher verstehen, dass ich nicht reden wollte und das tat sie auch.
Auf der ganzen Rückfahrt sprachen wir kein Wort miteinander, nur mit einem knappen Hallo begrüßte sie mich und ich rechnete ihr das hoch an.
***
Als wir an der Schule ankamen, ging ich zuerst auf mein Zimmer, meinen Rückzugsort, doch die Stille schien in meinen Ohren zu kreischen und die Bilder an den Wänden, die Marc und mich zeigten schienen mich auszuschimpfen.
Also zog ich mir meinen Kampfanzug an und schnappte mir eine Flasche Wasser.
Irgendetwas musste ich jetzt machen. Ich joggte über den Hof, in der Hoffnung, dass niemand in der Sporthalle war.
Angekommen trat ich ein, suchte mir eine Sporthalle, streckte mich kurz und schaute mich dann um.
In der Halle, in der ich immer mit Luis trainierte, war niemand, doch ich mied sie bewusst, wollte nicht an in Denken, an Niemanden.
Also öffnete ich die nächste Tür und diese Halle war ebenfalls leer. Anscheinend wollte niemand Sonntags trainieren.
Die Halle war etwas kleiner, besaß beruhigende, dunkelgrüne Wände und es hingen fast genauso viele Waffen an den Wänden wie in den größeren Hallen, sodass der Raum regelrecht vollgestopft wirkte, obgleich in der Mitte eine große Fläche frei war.
Gegen mich alleine konnte ich schwer kämpfen, aber ich entdeckte rechts von mir einen leuchtend, roten Boxsack.
Genau das, was ich gesucht hatte.
Entschlossen stellte ich meine Wasserflasche ab und ging zum Boxsack hin, meine Ablenkung, mein Schlupfloch aus diesem Leben, diesen Gedanken, die mich einsperrten.
Ein Lächeln erschien auf meinem Gesicht.
Beim Kämpfen dachte ich an nichts anderes als an meine Bewegungen und die Kraft, die dahinter steckte. Außerdem hatte ich heute richtig Lust jemanden zu verhauen.
Ich stellte mich in Angriffsposition, die ich inzwischen richtig gut beherrschte und halten konnte und hielt meine Fäuste in die Luft.
Dann fangen wir mal an.
Mein erster Schlag traf voller Wucht mitten in die Mitte, sodass ich dem zurückschlagenden Boxsack ausweichen musste.
Ich setzte einen zweiten, einen dritten Schlag und fühlte mich merkwürdig frei. War es das, was Luis immer empfand?
Diese Freiheit.
Diese Stärke und Kontrolle beim zuschlagen.
Jetzt schlug ich mit Kombinationen auf den Boxsack an, trat mit meinem Fuß nach ihm und direkt dahinter folgte ein hoher Schlag.
Ich stellte mir vor, wie ich einen Ausgeschlossenen nach dem anderen zerschlug.
Alle, die mich bedrohten, gegen alle meine Feinde siegte ich, nur mit bloßen Händen.
Meine Schläge wurden härter, mein Puls beschleunigte sich und ich schwitzte.
Trotzdem konnte ich noch nicht von dem Boxsack ablassen, musste weiter kämpfen bis ich Wilkommen ausgelaugt am Boden liegen würde und keine Kraft mehr hätte, über Marc nachzudenken.
'Dieses Lächeln, wenn sie den Boxsack verhaut.', schallte eine bekannte Stimme durch den Raum. Ruckartig drehte ih mich um und zog die Augen zu schlitzen, weil ihr noch im Rausch des Schlagens gefangen war.
Zwei Personen standen im Raum, die eine war Luis und die andere... war der Junge, dem ich einmal in der Sporthalle begegnet war.
Hannes, wenn ich mich nicht täuschte. Er hatte eben gesprochen. 'Was macht ihr hier?', fragte ich mistrauisch und blinzelte ein paar Mal, sodass Luis auf mich zu kam.
Ich hatte gar nicht gemerkt, dass Beide eingetreten waren.
'Wir haben trainiert und dich gehört. Da wollten wir einfach mal rüberkommen.' , er lächelte mich kurz an, was mich äußerst verwirrte, 'Du machst dich gut, wenn du den armen Kerl hier verprügelst.'
Ihre konnte mir das Lächeln nicht verkneifen, wandte mich aber dann ab, weil ihr jetzt nicht auf sein verwegenes Grinsen oder gar in eisblaue Augen sehen konnte.
'Das hier ist übrigens Hannes.', stellte er seinen Freund vor.
Ich nickte.
'Wir kennen uns schon.'
Luis blickte verwundert zu Hannes und zog eine Augenbraue hoch, darauf lächelte dieser nur unschuldig und wandte sich an mich.
'Macht es dir was aus, wenn wir auch hier trainieren?'
Luis schaute mich ebenfalls fragend an und legte den Kopf dabei ein kleines bisschen schief.
'Klar.'
Eigentlich hatte ich nein sagen wollen.
Sie wandten sich ab, um sich Waffen auszusuchen und ich drehte mich wieder dem Boxsack zu.
Ich schlug zwei, dreimal nach ihm, aber wenn ich niht alleine war, konnte ich mich nicht richtig konzentrieren.
Die Neugier, wie sie gegeneinander kämpften, wuchs in mir. Luis wählte gerade einen Degen aus, während Hannes sich bereits eine Axt genommen hatte, zwei so unterschiedliche Waffen.
'Was dagegen, wenn ich euch zusehe?', fragte ich möglichst lässig und Hannes schien zu wissen, dass ich eher Luis gefragt hatte, denn er begutachtete weiterhin seine Waffe. Luis dagegen strahlte mich an, als hätte er nur darauf gewartet.
'Sicher nicht, vielleicht lernst du ja was von uns.'
Luis und Hannes fielen gleichzeitig in Angriffsposition und funkelten sich in einer Mischung aus Hinterlistigkeit und Spaß an.
Ich schaute vom einen zum anderen und hoffte insgeheim und war mir nicht sicher, wer gewinnen würde. Schon sprangen sie wie wilde Tiere aufeinander zu.
Luis stach sofort mit seinem Degen nach seinem Gegner, während Hannes weit mit seiner Axt ausholte.
Er merkte jedoch, dass Luis schneller sein würde, wich aus und schlug dann mit seiner riesigen Axt.
Ich war mir nicht sicher, ob ich diese Überhaupt über meinen Kopf halten könnte.
Gespannt sah ich dem hin und her der beiden zu.
Sie konnten so gut kämpfen, was mich tritz meiner bereits angesannelten Vorkenntnisse beeindruckte.
Zuerst schienen beide gleich auf zu sein, doch irgendwann gelang es Luis unter Hannes Arm und somit seiner Axt hindurchzutauchen und im sein Schwert von hinten an die Kehle zu legen.
Unter Freunden machte man so einen Gewinner aus, denn das machte Luis auch immer bei mir.
Die Beiden lösten sich voneinander und schlugen mit ihren Händen ein.
'Das war unglaublich.'
Hannes hob nur die breiten Schultern.
'Du hast uns noch nie Seite an Seite im richtigen Kampf kämpfen sehen.' Ich ignorierte den leicht überheblichen Unterton in seiner Stimme, weil mir sehr bewusst war, dass ich um einiges schlechter war, als die beiden.
'Gibt es hier oft echte Kämpfe? '
Luis schüttelte den Kopf, was mich insgeheim ziemlich beruhigte.
'Die Ausgeschlossenen müssen es ja überhaupt erst einmal schaffen, in die Schule zu kommen.
Der letzte Kampf ist deswegen schon ein paar Jahre her.'
Na, das hörte sich doch gut an.
Die beiden legten ihre Waffen weg, schienen für heute fertig zu sein. 'Gehen wir?', fragte Hannes seinen Freund.
Luis Blick glitt kurz über mich, dann nickte er entschieden.
Nachdem die zwei die Turnhalle verlassen hatten, überlegte ich, ob ich noch etwas üben sollte, entschued mich aber dagegen, weil es schon so spät war.
Morgen hatten wir wieder Schule und da wollte ich ausgeschlafen und fit sein.
ch trank einen Schluck aus meiner Wasserflasche und ging hinaus, dachte über das Gesehene nach, denn vielleicht konnte ich mir ja ein oder zwei der Tricks merken, die die Beiden angewand hatten.
Damit wollte ich Luis überraschen, fals ich es hinbekommen sollte.
***
'Kopf hoch, Süße! Es musste passieren.', munterte Jen mich auf. Wir saßen zusammen in der Cafeteria und ich stocherte in meinem Salat herum.
Jen nieste und hustete ab und zu, aber sie war bester Laune.
Nicht einmal eine Erkältung konnte ihre Stimmung trüben.
'Er wird dir schon vergeben.
Im Prinzip kannst du nichts dafür.' Ich knabberte lustlos an einem Putenbruststreifen.
'Das ist Ansichtssache.'
Jen verdrehte die Augen.
'Liebe ist unkontrollierbar, sie fällt wo hin sie will. Und jetzt hast du ja
Zeit für deinen wundervollen Luis.'
Ich verschluckte mich fast an dem Fleisch und hustete laut, wurde dabei rot wie eine Tomate.
'Was redest du da?'
Sie kicherte, hatte mich aufziehen wollen.
'Na, du schwärmst mir doch immer davon vor wie toll er ist und was er alles kann, diese kaltherzige Killermaschiene.'
'Jetzt übertreibe nicht, so schlimm ist er nicht.'
Jen hob bedeutend die Hände und verzog den Mund zu einem spitzen Lächeln.
'Siehst du, du verteidigst ihn schon.'
Ich zuckte mit den Schultern und trank einen Schluck Wasser.
'Na und, du kennst ihn ja nicht.
Außerdem hat das nichts mit meinem Problem zu tun.'
Trotzig schob ich meine Salatschüssel von mir weg, weil ich jetzt nichts essen konnte.
'Ach komm, du hast schon schlimmeres hinter dir.
Es hätte kein gutes Ende genommen, wenn du Marc nicht wirklich liebst. Aber glaub mir, wenn er das für dich empfindet wird er wiederkommen.' Ich nickte, vielleicht hatte Jen ja recht.
Was hatte ich auch für eine andere Wahl, als darauf zu warten, dass er über mich hinwegkam. Ich hoffte nur, dass das nicht zu lange dauern würde.
'Ich bin die Kummerkastentante Nummer 1. Du must auf mich hören.', verkündete Jen und ich musste lächeln.
'Na also, geht doch', sagte sie nachdrücklich, 'Möchtest du trotzdem nichts mehr essen?'
Ich stand entschlossen auf.
'Nein, ich habe keinen Hunger mehr.' Jen musterte mich kurz von oben bis unten wie eine besorgte Mutter.
'Aber du wirst jetzt nicht so mager, wie Sally?'
Ich schüttelte beschwichtigend den Kopf.
'Niemals. Schon gar nicht, weil es Sally ist. Ich möchte nur jetzt nichts mehr essen, vielleicht komme ich später wieder.'
Meine beste Freundin stand auch auf und schob ihren Stuhl ran.
'Das beruhigt mich, Süße.'
Wir gingen zusammen durch den Saal, wobei uns noch ein paar Blicke folgten, was wir einfach ignorierten.
'Dann können wir ja noch zusammen Tonnen an Schokolade und Keksen und Chips und Gummibärchen futtern.', witzelte Jen.
'Das hättest du gerne, nicht?', grinste ich und Jen schlug spielerisch nach mir, doch ich wich ihr geschickt aus und tätschelte dann auf der anderen Seite ihre Schulter.
Durch mein Training war ich schon jetzt viel schneller und stärker geworden.
'Gegen dich kann man einfach nicht gewinnen.'
Jen hielt mir die Tür nach draußen auf und wir gingen noch ein Stück weiter bis sie laut niesen musste. 'Gesundheit.', sagte ich höflich und meine Freundin verzog ihr Gesicht. 'Doofe Erkältung.'
Da ging Mr. Owen direkt an uns vorbei und Jen blickte ihm hinteher, sodass ich an der Reihe war mit Seufzen.
'Er ist dein Lehrer.', rügte ich sie.
Jen sah mich nur entschuldigend an. 'Ich sag ja nichts. Er sieht nur echt richtig gut aus.'
'Und ist viel älter als du.', fügte ich hinzu, sodass ich als Antwort einen bösen Blick geschenkt bekam.
'Sagt das Mädchen, dass wie verrückt Luis hinterher rennt.'
Ich hob beschwichtigend die Hände, um dieser Diskussion aus dem Weg zu gehen. Langsam nervte das wirklich.
'Lass das doch, ich habe dir gesagt, ich stehe nicht auf ihn.'
'Das sagst du jetzt.', sie öffnete ihre Augen weit und sah mich vielsagend an, was ich schlichtweg ignorierte.
'Ich glaube nur, dass Mr. Owen mich nicht besonders gerne mag.'
Wir folgte dem Kiesweg.
'Ist mir nicht aufgefallen.'
Ich verkniff ich mir einen weiteren Kommentar darauf und wir setzten uns zusammen auf eine Bank.
Ich zog an den Ärmeln meines schwarzen Pullis, um die Kälte zu vertreiben und weil ich einen starken Druck um mich herum fühlte.
Etwas lag in der Luft, das wusste ich. Es war nur so ein Gefühl, aber ich wusste, dass bald etwas geschehen würde.
Wäre ich ein Seher und könnte ich in die Zukunft blicken, dann wäre es vielleicht klarer gewesen, aber ih spürte lediglich dieses Ziehen in meinem Bauch und wusste, dass da irgendetwas lauerte.
Es war in meiner Nähe.
Achtsam stand ich wieder auf und drehte mich vorsichtig im Kreis. Nichts.
'Nia?', fragte Jen und hielt mich wohl für verrückt.
Ich blickte verunsichert zwischen den Bäumen hin und her, suchte in ihren spärlich behangenen Kronen.
Ein Zischen schnitt durch die Luft.
Das konnte kein Mensch gewesen sein.
Plötzlich schoss etwas aus dem Schatten, eine lange Schlange, nein ein drachenähnliches Wesen.
Es hatte schuppige Haut, in unauffälligen braun und grautönen und schlängelte sich zischelnd über den matschigen Boden.
Kleine Flügel wuchsen an beiden Seiten des schmalen Körpers und
eine rote Zunge spielte zwischen ihren großen, scharfen Zähnen und das erinnerte mich an Albträume aus meiner Kindheit.
'Ein Schlangendrache.', keuchte Jen erschrocken und das riesige Tier schlängelte sich durch die entsetzten Schüler, die kreischend auseinandersprangen.
Sie schnappte nach mehreren hilflosen Schülern und verschlang diese mit einem Schluck, schien sich über diese leichte Mahlzeit zu freuen.
Einen kurzen Moment sah ich die leuchtend, gelben Augen des Schlangendrachens aufblitzen.
Purer Wahnsinn und Wut schimmerte darin.
Im nächsten Moment riss die Schlange einem mir fremden Mädchen einfach den Kopf ab, hinterließ ihren Körper, der leblos zusammenfiel.
Entsetzten und Übelkeit stiegen in mir auf.
Wenn sich diesem grauenvollen Wesen nicht bald jemand entgegensetzte, würden alle Schüler sterben.
Intuitiv zog ich den Dolch, den ich immer dabei hatte aus meinem Schuh und rannte los, direkt auf das Monster zu.
Ich wusste nicht, woher mein Mut kan, aber ich wollte die Anderen Retten, konnte ihr Leid nicht länger mitansehen.
'Nia!', schrie Jen hinter mir her, aber ihre Stimme wurde nur eine von vielen in dem lauten Geschrei um mich herum.
Ich kam auf die Schlange zu und diese wirbelte schlagartig herum, schien mich gespürt zu haben, so wie ich sie.
Ihre gefräßigen Augen richteten sich auf mich, aber ich hob nur mutig meinen Kopf, sie konnte mir keine Angst einjagen.
Dann warf ich meinen Dolch, wie ich es die letzten Wochen tausende Male geübt hatte, nur nie an etwas lebendigem.
Es war nur eine leichte Bewegung meines Arms, aber der Dolch segelte in einer unglaublichen Geschwindigkeit durch die Luft und bohrte sich zwischen die Augen des Wesens.
Dieses kreischte, ein schrecklicher, ohrenbetäubender laut erfüllte die Luft und ich musste mich zusammenreißen mir nicht die Ohren zuzuhalten.
Doch es wr noch nicht vorbei, der Sueg noch nicht geholt.
Weiterhin mit dem Dolch im Kopf schoss das Monster nach vorne.
Fassungslos sah ich in seine dunkelvioletten, verrückten Augen.
Das konnte es doch nicht überlebt haben.
In letzter Sekunde ließ ich mich auf den Boden fallen und rollte mich zur Seite.
Es war ein Reflex gewesen, der mein Leben gerettet hatte, vorerst.
Ich rappelte mich auf und suchte nach einer Waffe, während die Drachenschlange sich auf mich zu schlängelte.
Aus dem Augenwinkel konnte ich sehen, wie einige ältere Schüler ihr Schwerter in den Schwanz rammten, doch sie schien es nicht einmal zu bemerken, dafür waren ihre Schuppen zu dick, zu undurchdringbar.
Sie hatte sich ihr nächstes Opfer bereits ausgesucht.
Schnell trat ich ein paar Schritte zurück, versuchte auszuweichen, doch sie kam immer näher.
Es befanden sih auch einige Schüler in meiner Nähe, rührten sich nicht, halfen mir nicht, waren nicht so naiv wie ich.
Grünes Gift floss zwischen ihren Zähnen hindurch und tropfte zu Boden, verätzte vereinzelte Blätter und Sträucher.
Sie könnte mich mit einem Biss töten, da war ich mir sicher, und sie würde nicht zögern.
Ich ging einen weiteren Schritt zurück und mein Rücken stieß gegen einen Baum.
Mist.
Das Monster pustete mir eine Welle übel richenden Atem ins Gesicht, schien sich an meiner Angst zu erfreuen.
Ich war so gut wie tot.
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