Kapitel 10

Ich drängte mich durch die Menge an Schülern, die alle aus ihren Klassenräumen kamen.
Suchend sah ich mich um, versuchte die schwarzen Haare in der Menge zu finden.
Um besser sehen zu können, stellte ich mich auf Zehenspitzen und reckte mein Kinn weit nach oben.
Da war er, ich erkannte ihn sofort, nur ein paar Meter von mir entfernt drängte er sich mit groben Stößen durch die Menge, obgleich viele Schüler von alleine vor ihm zurückwichen.

'Warte!', rief ich ihm hinterher, natürlich beachtete er mich nicht.
Mit vier schnellen Schritten war ich bei ihm und packte ihn am Arm.
Er hatte seine schwarze Jacke in der Hand und war nur ihm T-shirt unterwegs, brr, da wäre ich erfroren.
Als ich ihn berührte, zuckte er zurück, als hätte er sich an mir verbrannt.
Sein kalter Blick streifte mich.
'Was willst du?', fragte er abweisend. 'Ich wollte nochmal nach unserem Training fragen.', meinte ich in der Hoffnung auf einen mehr oder weniger freundlichen Smalltalk über einen Termin.
Luis hatte aber anderes vor.
'Ich habe keine Zeit für dein albernes Training.'
'Aber...', setzte ich vorsichtig an, doch er schnitt mir das Wort ab. 'Verschwinde einfach, ja?'
Ich hörte aus seiner Stimme, dass es keine Frage war und das traf mich hart wie eine Backpfeife.
Bevor ich antworten konnte, drehte Luis sich um und verschwand um die nächste Ecke, sodass ich Enttäuschung verspürte, weil er mich scheinbar hasste.
Aber wieso? Was hatte ich ihm getan? Ich verstand wirklich nicht, wieso er immer so gemein war.

Eine beruhigende Hand legte sich mir auf die Schulter.
Jen stand hinter mir,hatte das Gespräch belauscht.
Sie hätte sagen können "Ich hab's dir ja gesagt" , aber sie stand nur stumm neben mir und tröstete mich.
Er war wirklich nicht mein Typ. Er war voreingenommen, unachtsam und zeigte einfach keine Gefühle, ein Eisklotz.

***

Am Nachmittag saßen Jen und ich in einem Gemeinschaftsraum, der ebenfalls im Schulgebäude war.
Es war ein relativ großer Raum, der durch den flauschigen, grauen Teppich und die vielen Sessel sehr gemütlich wirkte.
Am besten gefiel mir aber der Kamin, in dem immer Flammen loderten, denn das gemütliche Knistern des Feuers war im ganzen Raum zu hören.
Jen und ich saßen auf zwei nebeneinanderstehenden Sesseln und sie erzählte mir gerade von ihrer Grundschulliebe Jonas.
Wir unterhielten uns schon eine ganze Weile über unseren Mangel an Erfahrung in der Liebe.
Ich hatte noch nie einen richtigen Freund gehabt, aber Jen wusste inzwischen genau, wie unsicher es zwischen mir und Marc stand.
Sie erwähnte dies jedoch nicht, wofür ich ihr sehr dankbar war, weil ich darüber jetzt wirklich nicht auch noch nachdenken wollte.
Trotzdem erinnerte ich mich das Gespräch daran, mich heute Abend noch bei Marc zu melden.
Vor dem Internat hatten wir den ganzen Tag zusammen verbracht, aber diese Hürde schien unserer unbesiegbaren Freundschaft schwer zu schaden.
Und vielleicht auch dem, was noch in unserer Freundschaft verborgen lag.

Es gab jedoch auch noch unser anderes Problem, denn erst morgen würde meine Tante wieder da sein, damit wir mit ihr sprechen konnten. Mich überkam das dumpfe Gefühl, dass ich sogar in wenig erleichtert war. Jetzt konnten wir es noch ein bisschen vor uns herschieben und so tun, als gäbe es das Loch gar nicht, als wäre die Verfolgung gar nicht real.

Ich ließ meinen Blick durch den Raum schweifen.
Außer uns waren noch viele weitere Schüler in kleinen Gruppen lautstark redend anwesend und ein Pärchen saß zusammen am Kamin.
Ich beobachtete sie kurz, aber dann wandte ich doch meinen Blick ab.
Ich dachte dabei an niemanden bestimmten, aber fühlte mich merkwürdig einsam.
Marc liebte mich, aber ich...
Er war ein wunderbarer Freund und ich empfand so viel für ihn, aber tief in meinem Inneren bezweifelte ich, das es wirklich Liebe war.
Liebe war unbesiegbar, perfekt und in jedem Moment einfach unglaublich, in jedem Märchen war sie das Highlight und in jedem Leben das Ziel.
Ich würde doch sofort erkennen, wenn ich mich verliebt hatte, oder?

Jen sah mich fragend an.
Ich tat die ganze Zeit so, als hörte ich ihr zu, war aber ziemlich abgelenkt und nickte dann einfach.
Sie schien nichts zu bemerken, denn sie redete einfach weiter.
Ich erhaschte ein paar Wörter über ihren schrecklichen Matheunterricht und irgendeinen gutaussehenden Kerl, blieb aber in meiner eigenen Gedankenwelt versunken.

Wie würde meine Zukunft aussehen? Ich konnte mir schon vorstellen für die Gewählten zu kämpfen, obwohl ich nicht wusste, ob ich stark genug dafür war, ob ich stark genug dafür werden könnte, weil mir doch viel Erfahrung fehlte.
Außerdem war ich leider eine Niete im Kämpfen und in der Nutzung meiner Magie.
Das fiel also weg.
Aber war es mir jetzt noch möglich ein normales Leben, mit einem langweiligen Bürojob und vielen Kindern zu führen?
Nach all dem, was ich erlebt hatte, nachdem ich gemerkt hatte, dass der Tod mein Nachbar war...

Gerade ginh die Tür auf und meine Laune verschlechterte sich schlagartig, als ich die neuen Gäste erblickte.
Sally stolzierte auf hohen Absätzen herein, hinter sich ein mir fremdes Mädchen. Es war mir ein Wunder, wie sie immer ihre Anhängerschaft auftrieb und die armen Schülerinnen taten mir leid.
Unglücklicherweise blieb Sallys blick an mir haften und sie kam auf mich zustolziert.
Ihre hohen Schuhe klackten laut auf dem Boden, was ihr die Aufmerksamkeit der meisten Anwesenden verschaffte.
Das würde lustig werden.

'Ach Nia, meine Liebe.', sagte sie überschwänglich und mit heller Stimme.
Ich hörte wieder mal einen Anflug von Spott in ihrer Stimme und es war mir ziemlich unangenehm, das uns nun jeder im Raum neugierig musterte.
Sally schaute mich traurig an, was mich mehr als verwirrte, sodass ich mich innerlich schon gegen jegliche Attacken wappnete.
'Weißt du, ich habe gerade meiner Freundin erzählt, wie stolz meine Eltern sind, wenn ich gute Noten zurückbekomme, an einem Wettbewerb Gewinne oder einfach nur klasse aussehe, was man von dir nebenbei nicht sagen kann, lies bitte mehr Modezeitschriften.'
Ich verdrehte genervt die Augen, was interessierten mich ihre stolzen Eltern, ihr ausgeprägter, meinerserachtens zu extravaganten Modestil oder ihre Erfolge.
Gar nicht, doch Sally fuhr ungerührt fort, genoss die Aufmerksamkeit und erfreute sich an meinem unwissenden Blick.

'Wie kannst du nur so hart arbeiten, wenn doch niemand stolz auf dich ist, weil deine Eltern sind ja Beide tod.' Ich zuckte zusammen, erschrocken von ihren Worten, und Jen legte mir beruhigend eine Hand auf die Schulter.
Das konnte nicht ihr ernst sein, nicht jetzt, nicht hier.
Ich konnte sehen wie sich der Schmerz und die Verletztheit in meinem Gesicht in ihren giftgrünen Augen wiederspiegelte, doch ich konnte die Tatsache, dass sie so frei über den Tod meiner Eltern sprach, nicht einfach ignorieren.
Sie hatte meinen wunden Punkt getroffen und das wusste sie.

Sally grinste hämisch, ich war nie einer Hexe wie ihr begegnet.
'Ich frage mich, wie es sich anfühlt eine Waise zu sein, also falls du darüber sprechen kannst...'
Ich schnappte nach Luft.
Ihre Worte ließen meine Situation so viel realer werden, erinnerte mich an meine Einsamkeit.
Außerdem wusste nun jeder in Raum, dass ich eine Waise war und ich kannte und hasste diese mitleidigen Blicke, die einem nach einem Todesfall zugeworfen wurden, wollte nie wieder so angesehen werden, als wäre ich ein hilfloses, kleines Baby, welches man nur mit Samthandschuhen anpacken durfte oder eine Vase, die bei der kleinsten Berührung zersprang.
Ich wollte kein Mitleid, keine Aufmerksamkeit, wollte akzeptiert werden, und wollte nicht in diese Schublade gesteckt werden.
Das war immer noch mein Leben und ich konnte es selbst in die Hand nehmen.

Heiße Wut stieg in mir auf, brodelte gefährlich, ich konnte sie nicht mehr kontrollieren.
Es stand ihr nicht zu, so über mich zu sprechen.
Ohne nachzudenken stand ich auf, ballte die Hände zu Fäusten und gönnte ihr so den Erfolg, sodass sie lachte, was mir endgültig den Rest gab.
Ich trat drohend einen Schritt nach vorne und plötzlich entlud sich eine große Welle meiner Wut auf Sally. Diese wurde von meiner Kraft mehrere Meter nach hinten geschleudert und fiel entsetzt auf den Boden.
'Aua', stöhnte sie und blitzte mich wutentbrannt an.
'Das bereust du!', schwor sie mir und rappelte sich mühsam wieder auf, kam wackelig auf ihren Absätzen zum stehen.
Ich war völlig perplex, wusste nicht, was ich gemacht hatte oder was passiert war, aber alle im Raum starrten mich ungläubig an.
Ein paar von ihnen verließen mit Angst in den Augen hinter Sally, die sich zum Ausgang aufgemacht hatte, den Raum.
Die anderen starrten mich fassungslos an und ich wusste nicht, was besser war, konnte ihre Blicke nicht länger ertragen und flüchtete ebenfalls aus dem Raum.
Meine Wut hatte nachgelassen, nachdem ich Sally gegen die Wand geschleudert hatte, war verschwunden, wie als hätte ich mich komplett entladen.
Jen eilte fröhlich hinter mir her.
'Da hast du es ihr aber gezeigt, Süße.', versuchte sie mich aufzuheitern.
Ja, ich hatte es Sally gezeigt, aber ich hatte mich dabei nicht unter Kontrolle gehabt und jetzt war sie nach Rache aus und mehrere Schüler hatten Angst vor meinen Wutausbrüchen.
Darüber hinaus würde ich dafür sicher bestraft werden, dabei wollte ich sie doch gar nicht angreifen.

Ich blieb stehen und ließ noch einmal den Moment revue passieren.
Ich hatte einfach nur einen Schritt nach vorne gemacht und meine Wut an Sally ausgelassen und dann war sie plötzlich weggeworfen worden, von mir, durch meine... Kraft?
Jen umarmte mich tröstend, bevor ich weiter über die Ursache nachsinnen konnte.
'Es war doch nicht deine Schuld, Süße. ', murmelte sie.
Wenigstens einer, der das glaubte, denn selbst ich bezweifelte das.
Sally war zwar der Auslöser der Sache gewesen, aber die unkontrollierbare Wut kam aus mir. Ich hatte sie gefühlt, wusste das sie da war.

***

Ich saß in meinem Zimmer und versuchte mich auf die Hausaufgaben, die vor mir lagen, zu konzentrieren.
Irgendwelche einfachen Sätze standen darauf, aber sobald ich versuchte sie zu lesen, verschwammen die Wörter vor meinen Augen, die Buchstaben wollten nicht zueinanderpassen.
Ich war einfach zu aufgewühlt, um mich konzentrieren zu können. Genervt legte ich meinen Kopf auf die vielen, ungeordneten Blätter, als es an meiner Tür klopfte.
Überrascht erhob ich mich, denn eigentlich erwartete ich niemanden, kannte niemanden der mich besuchen würde.
Ob Jen mir noch etwas sagen wollte?

Ich öffnete vorsichtig die Tür und erblickte Marc.
Er grinste mich verschlagen an. 'Überraschung!'
Mit einem Satz warf ich mich in seine Arme, genoss seine Wärme.
'Hi, da bist du ja, ich hab dich sooo lange nicht gesehen.
Ich wollte dich noch heute Abend anrufen, wirklich.'
Marc nickte gegen meine Schulter und schielte an mir vorbei in mein Zimmer.
'Bist du beschäftigt?'
'Nein, nein!', antwortete ich etwas schnell und ließ ihn ein.
Mit ein paar raschen Handbewegungen beförderte ich meine Hausaufgaben auf einen mehr oder weniger ordentlichen Stapel und drehte mich unschuldig blickend wieder um.
Marc schaute wissend auf den Stapel Blätter, freute sich aber, dass ich mir für ihn Zeit nahm.
'Viel zu tun?'
Ich sah ihn müde an.
'Kann ich auch noch morgen machen, oder übermorgen.'

Marc setzte sich an den Schreibtisch, so wie er es auch vor ein paar Tagen gemacht hatte, und musterte mich. 'Du siehst gut aus.
Macht ihr hier viel Sport?'
Ich ließ mich auf mein Bett fallen und streckte mich aus.
'Wenn du Kampfunterricht als Sport siehst, dann ja.'
Mein bester Freund hob überrascht beide Augenbrauen und zog seine Stirn in Falten.
'Du kämpfst? '
Ich hörte einen spöttischen Unterton aus seiner Stimme heraus, ignorierte diesen aber, er sollte ja nicht so überrascht schauen, schließlich wusste er von meinen Selbstverteidigungskursen und dem Judo, was mir sogar Spaß bereitet hatte.
'Ich könnte dir ja mal eine Kostprobe zeigen.', meonte ich herausfordernd und hob mein Kinn hoch.
Marc lachte laut und ausgelassen.
'Nein danke. Ich schlage keine Mädchen und ich möchte schon gar nicht von einem besiegt werden.'
Er glaubte mir nicht wirklich, doch das störte mich nicht.

Wenn ich etwas mit Marc unternahm oder mich einfach nur mit ihm unterhielt, konnte ich die Schule einfach mal vergessen und mich ganz normal fühlen.
Ich atmete tief aus und drückte mir ein Kissen vor den Kopf, sodass Marc zu mir rüber kam.
'Was ist denn alles passiert in den letzten Tagen?'
Ich stöhnte, fing aber trotzdem an ihm von den neusten Geschehnissen zu erzählen.
Er hörte gespannt zu und warf ab und zu eine Frage ein, besonders meine Gabe schien ihn zu interessieren.
Er strich mir sogar beruhigend das braune Haar aus der Stirn, als ich von meinen Fehlversuchen und dem anschließenden Gespräch erzählte.
Marc konnte ich mich einfach immer anvertrauen, ohne mir Sorgen machen zu müssen, dass ich etwas falsches sagte.
Nur von meinem Wutausbruch und Luis erzählte ich ihm nicht.
Luis schien mir nicht so wichtig und der Wutausbruch...
Nun ja, es war mir selbst noch nicht ganz klar und ich wollte nicht, dass er mich noch verrückter und abnormaler fand, wie ich schon war. Ich fand es schon super, dass er sich überhaupt noch mit mir abgab und mir glaubte.

Wir saßen noch länger zusammen und erzählten, denn auch Marc hatte Neuigkeiten.
Es war einfach entspannend den Abend mit ihm ausklingen zu lassen und den Rest der Welt tz vergessen.
Als er sich verabschieden musste, fiel mir etwas ein.
'Wie bist du eigentlich hier rein gekommen?'
'Ich habe das Loch benutzt.
War das okay?', fragte er unsicher. Ich wollte ihn nicht unnötig aufregen, ein letztes Mal das Loch zu benutzen würde schon nicht schaden.
'Ja klar. Nur ab morgen wird das Loch zugemacht, wegen der Sache mit den Feinden.'
Er nickte verwirrt, doch Verständnis blitze in seinen dunkelbraunen Augen auf, auf dass ich dankbar lächelte.

'Ich werde aber sicher mal Fragen, ob Mrs. Infusio mich zu dir fahren kann. Ich habe sie bisher noch nicht belästigt, da wird sie mich ja mal rüberfahren können.'
'Gut, bis dann, Nia.'
Er sagte meinen Namen so sanft, dass der Klang seiner Stimme mir eine angenehme Gänsehaut verursachte.
Marc nahm ich in die Arme, brachte mir dabei fast alle Rippen, wobei ich mich durch ein Ächzen bemerkbar machte.
'Entschukdigung, ich wollte dich nur nicht mehr loslassen.', gab er zu.
Ich drückte ihn noch einmal etwas weniger fest.
'Kein Problem, ich bin ja nicht aus Glas.'
Einen Moment blickten wir einander in die Augen, sagten nichts, stummes Verstehen, und schließlich drückte Marc mir noch einen Kuss auf die Wange.
'Bis dann', murmelte ich glücklich und er verschwand durch die geöffnete Tür, verließ mich wieder.
Nach einem Moment des Wartens ging ich zurück in mein Zimmer und schloss die Tür.
Es war schon spät und ein Berg an Hausaufgaben lag noch vor mir. Vielleicht konnte ich mich ja jetzt besser konzentrieren.

***

'Das kann nicht sein.
Rund um den Campus gibt es eine magische Schutzhülle, die nicht zerstört werden kann.', sagte Mrs. Infusio.
Ich konnte jedoch in ihre Stimme leichte Unsicherheit vernehmen.
Jen hielt standfest dagegen.
'Wir konnten aber hinaus gehen, das Ding muss kaputt gewesen sein.' 'Genau, man kann durch die Lücke rein und raus gehen. Ich schätze, dass jemand die Schutzhülle absichtlich an dieser Stelle zerstört hat.', ergänzte ich und drehte eine meiner hellbraunen Haarsträhnen um den Finger.
Es musste wohl ein Schüler gewesen sein, der aus dem Internat rauswollte, weil niemand fremdes heraingekommen war
In dem Fall gab es einen Spion unter uns, einen Feind.

Meine Tante schien zum gleichen Schluss gekommen zu sein.
'Du denkst, jemand auf diesem Internat ist ein Ausgeschlossener.', stellte sie fest.
'Ich weiß es nicht. Es könnte schon sein.'
Jen blickte mich von der Seite an.
In ihrem Blick aus ihren aufmerksamen grünen Augen konnte ich sehen, dass sie meinen Gedanken nicht ganz folgen konnte, nicht akzeptieren wollte, dass einer der Schüler ein Ausgeschlossener war, doch meine Tante nickte vorsichtig.

'Danke, dass ihr Beiden es mir gesagt habt. Wir müssen die Gefahr so schnell wie möglich aus dem Weg räumen. Über unseren Verdacht bewahrt ihr stillschweigen, ist das klar?'
Ihre Worte klangen härter umd strenger als sonst und sie musterte Jen ein bisschen länger als mich, doch ich war mir sicher, dass wir beide schweigen konnten wie ein Grab. 'Und Nia? Ich erwarte dich heute zum Unterricht für deine Kraft.'
Sie sagte das bestimmt und ich war mir sicher, dass sie mir noch etwas alleine sagen wollte, dass sie vielleicht etwas herausgefunden hatte.
Mit einer raschen Handbewegung entließ Mrs. Infusio uns, wirkte aber abgelenkt.

So schlimm war es gar nicht gewesen und niemand würde uns die Schuld geben.
Jen und ich schlenderten den Flur entlang.
'Aber was wenn es einer von unseren Freunden ist?'
'Eher deinen Freunden.
Ich habe hier niemanden außer dich.', dachte ich niedergeschlagen, aber ich antwortete nur ehrlich 'Demjenigen, denen du wirklich vertraust, die du gut kennst, werden es nicht sein.'
Ich versuchte dabei Optimismus in meiner Stimme mitschwingen zu lassen und hoffnungsvoll zu klingen, damit Jen jetzt nicht jede ihrer Freundschaften in Frage stellen würde.
'So weit ich weiß, dass wir jetzt sicher sind, ist alles gut.'
Erleichterung tränkte ihre Stimme.

Ein paar Schüler beobachteten mich, während wir den Gang entlang gingen.
'Wieso schauen die so? Habe ich was im Gesicht?', fragte ich verwirrt.
Jen schüttelte den Kopf, nachdem sie mein Gesicht begutachtet hatte und blickte sich danach zu den tuschelnden Mädchen um.
'Ich weiß nicht, aber warte ich checke mal ihre Gedanken.'
Wir gingen langsam weiter und Jen blickte immer noch ein blondes Mädchen an, das nichts zu ahnen schien, und mit dem Rücken zu uns stand.
'Oh oh.', murmelte sie und ging geradeaus weiter.
Ich passte mich ihrem schnellen Tempo an.
'Was denn?', fragte ich neugierig.
Sie konnte mich jetzt nicht auf die Folter spannen.

'Sie reden darüber, dass du gestern Sally durch die Luft geschleudert hast. Sie denken du wärst, nun ja... abnormal.'
Ich war mir sicher, dass das Mädchen ein anderes Wort für mich benutzt hatte, ein gemeineres, und stieß mit meiner Hand gegen meinen Kopf.
'Ich bin ein Freak.'
Jen nickte undeutlich, schien dann aber ihre Aussage zu verstehen, und schüttelte schnell den Kopf.
'Ja, sie denkt das, aber es stimmt ganz und gar nicht.
Sally hat dich einfach an einem wunden Punkt getroffen und das mit deinen Eltern war unglaublich gemein. Das war eindeutig ihre Schuld und das weißt du.'
Ich fühlte mich durch Jen's Aufmunterungen etwas besser, auch wenn ich ihren Worten keinen Glauben schenkte, aber als wir durch die Klassentür traten, folgten mir auch dort alle Blicke.
Meine Wangen erröteten und ich setzte mich mit gesenktem Blick auf meinen Platz, doch Jen blitzte jeden wütend an, der mich auch nur ansatzweise anstarrte, doch das Getuschel wurde nicht leiser.
Wie schnell sich so eine Nachricht doch verbreitete und wie schnell mir von einem Tag auf den anderen Aufmerksamkeit geschenkt wurde...

Ich dankte meiner besten Freundin leise, sie stand für mich ein und kümmerte sich um mich.
Nach wenigen Minuten kam Mrs. Infusio endlich in die Klasse und der Unterricht begann.
Wenn sie anwesend war, waren die anderen Schüler leiser und blickten mich nicht so merkwürdig an, also machte ich einfach den Unterricht mit und vergaß sie.
Meine Mutter hatte immer gesagt, ich sollte mich nicht zu sehr nach den Anderen richten, weil jeder seine eigene Meinung hätte und man bloß kein Mitläufer werden sollte.
Nach diesem Vorsatz würde ich mich jetzt richten.

***

In Geschichte hörte ich schon wieder Mrs. Infusio zu und dieses Mal fand ich sehr interessant, über was meine Tante sprach.
Geschichte war hier, wie ich zugeben musste, mein Lieblingsfach.
Meine Tante erzählte mit ihrer ruhigen Stimme über die Götter und das Abnormale, zeigte mir einen Weg in ihre magische Welt, die nun auch meine war.
'Die Götter waren die Mächtigsten Wesen in der Welt und es gab 5 von ihnen.
Den Gott des Krieges, den Gott der Weisheit, die Göttin der Schönheit, die Göttin der Vergebung und den Gott des Unsinns.
Der letztere ist der, der die Ausgeschlossenen anführt und die meisten wissen es sicher schon, der Gott des Unsinns war und ist grausam.'

Meine Tante blickte traurig aus dem Fenster, in die Ferne, während die meisten Schüler gespannt an ihren Lippen hingen.
Nur Sally feilte sich in aller Ruhe die Nägel und warf mir ab und zu einen bösen Blick zu, den ich immer ignorierte.
Ich kaute nachdenklich an dem Ende meines Stiftes, war mir unsicher ob ich die Geschichte mit den Göttern für wahr halten sollte.

'Die 5 Götter waren Geschwister und lebten zusammen.
Sie teilten sich ihre Schätze gerecht auf, doch irgendwann wollte der Gott des Unsinns der alleinige Herrscher sein und wollte die ganzen Schätze und vor allem die ganze Macht für sich alleine. Aus diesem Grund erschuf er heimlich eine Armee.
Diese nennen wir heute die Ausgeschlossenen.
Er kannte die Schwächen seiner Geschwister gut und konnte sie somit hintereinander umbringen, bevor sie die Gefahr aus seiner Richtung überhaupt wahrnahmen.'
'Er hat alle einfach umgebracht?', fragte ein kleines, schwarzhaariges Mädchen mit ängstlicher Stimme. Meine Tante nickte.
'Zuerst hat er jedoch nur die Göttin des Vergebens, die Göttin der Schönheit und den Gott des Kampfes umgebracht, denn sie hätten nicht gedacht, dass ihr Bruder sie mit ihren geheimsten Schwächen schlägt.
Nur der Gott der Weisheit bemerkte den Verrat früh genug.
Er fand heraus, was sein Bruder im Schilde führte und erschuf ebenfalls eine Armee für das Gute.
Er nannte sie die Gewählten, damit es ein beständiges Gleichgewicht gab und forderte den Gott des Unsinns zum Zweikampf heraus.
Er wusste zwar genau, dass alle Götter die gleiche Stärke hatten und keiner von ihnen in einem fairen Kampf siegen konnte, aber seinem Bruder war dies nicht bewusst.
Der Gott der Weisheit nahm seinen eigenen Tod in kauf, zumal er nur so den Gott des Unsinns aufhalten konnte.
Sie kämpften beide bis in den Tod.'

Mrs. Infusio machte eine kurze Pause und blickte auf den Boden, sie schien über den Verlust der Götterwelt zu trauern.
Ein paar andere Schüler folgten ihrem Beispiel, doch ich konnte mich nicht wirklich in sie hinein versetzten, obgleich ich den Gott der Weisheit unglaublich tapfer fand, was ihn in meinen AUGEN sympathisch machte.
Er war für das Gute gestorben, hatte für unser Leben sein eigenes gegeben.

Nun hatte meine Tante ihre Stimme etwas gesenkt, was die Spannung in unserer Klasse deutlich steigerte.
'Alle Götter waren gestorben, verloren, aber die zwei Armeen würden genauso verbittert kämpfen, wie ihre Herrscher.
Sie würden immer Feinde sein.
Die Ausgeschlossenen wollten Rache und Macht über ihre Gegner.
Die Gewählten mussten die Schätze der Götter bewahren oder sie zurück erkämpfen.'
Mir war so einiges durch ihren Vortrag klar geworden und ich verabscheute den Gott des Unsinns, falls es ihn den gab, schon jetzt.

Danach mussten wir in Einzelarbeit, mehr Details zu den Göttern heraufinden und zum Glück verschonte meine Tante uns mit Hausaufgaben.
Das war auch gut so, denn ich hatte noch ein paar alte Hausaufgaben zu erledigen, die ich gestern nicht mehr ganz geschafft hatte.
Mit einem Lächeln erinnerte ich mich an Marc's Besuch.
Es war tausend mal besser als Hausaufgaben gewesen.
Gute Erinnerungen an mein befreiendes Gespräch halfen mir durch den Rest des Unterrichts an diesem Tag, stärkten mich.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top