Kapitel 58
Mit einigen konzentrierten, zielgenauen Schlägen, hatte ich den ersten Gegner zurückgedrängt, der völlig überfordert von diesem überraschend starken Angriff zu sein schien.
Lächelnd, ja vielleicht sogar ein bisschen beseelt, zog ich ihm die Füße unter dem Körper weg, liebte diesen Trick und war schon ganz in meinem Element.
Um diesen erfolgreichen ersten Kampf zu besiegeln legte ich ihm das Schwert an die Kehle.
Den Hauch einer Sekunde später stürzte sich Lindsay mit all ihrer Kraft auf mich, warf mich fast um, wäre ich nicht intuitiv ausgewichen.
Auch ihr lag ein wachsames, mutiges Lächeln auf den Lippen, nur war meines weniger demonstrativ als ihres.
Es folgte ein wilder Schlagabtausch, ein hin und her und keiner wollte aufgeben, verlieren, dem anderen die Genugtuung gönnen.
Wir verwendeten eine Reihe Tricks, schlugen immer härter und ich trug sogar eine kleine Schnittwunde an der linken Hand davon. Der Kampf dauerte länger an als gedacht, kein Ende war in Sicht, bis Lindsay die Geduld verlor. Wütend schnaubte sie und hob ihren Säbel in einer weit ausholenden Bewegung. Ich nutzte diesen Moment der Unaufmerksamkeit, griff nach dem Dolch in meinem Stiefel und blockte kurz darauf mit aller Kraft ihren Angriff von oben. Sie hob herausfordernd die Augenbrauen, weil sie in dieser Position stärker war und ich ihr nur zitternd unter Aufbringung meiner ganzen Kraft entgegen kommen konnte.
Schnell und unbemerkt zog ich mit der freien linken Hand meinen Dolch hoch und legte ihn Lindsay an die Kehle.
Schreck über das Auftauchen des Dolches, Wut über sich selbst und Enttäuschung über die Niederlage erfüllten ihre großen, dunkel violetten Augen, die wahrscheinlich nicht wirklich diese merkwürdige Farbe besaßen.
Mit einem tiefen Seufzen senkte sie sowohl ihren Blick als auch ihre Waffe, hatte in ihrer Siegesgewissheit wohl nicht damit gerechnet, gegen mich zu verlieren.
Um nicht noch einmal in diese gerade geöffnete Wunde zu drücken, steckte ich unauffällig meinen Dolch weg und nickte ihr sachte und ohne eine Spur von Überlegenheit zu, da wir beide gut gekämpft hatten.
Sie ignorierte mich nur und lief schnell zu der Bank mit besiegten Schülern, die sich langsam aber sicher füllte.
Ich sah mich kurz um, damit ich sichergehen konnte, ob irgendjemand aus unserem Team Hilfe brauchte. Nicht weit entfernt entdeckte ich ein Mädchen aus meiner Stufe, das gegen Luis kämpfte und ihm restlos unterlegen war.
Ich konnte nicht anders.
Schnell kam ich zu ihnen und stieß Luis Schwert weg, dass er gerade an die Kehle des Mädchens setzten wollte.
'Willst du nicht lieber gegen einen ebenbürtigen Gegner kämpfen?', schlug ich vor und stellte mich schützend vor das Mädchen, dass sich bereits ein Stück weiter mutig auf einen schmächtigeren Gegner geworfen hatte.
'Ebenbürtig?', fragte Luis und hob provozierend die Augenbrauen.
Dem würde ich noch zeigen, was ich konnte. Geschickt ließ ich mich in den Kampf fallen und schlug mit einer komplizierten Kombi meiner Schwerter auf ihn ein.
Zuerst musste Luis meine- dem Anschein nach für seine Erwartung überraschend komplizierten- Schläge parieren und ausweichen, doch dann gab auch er sich mit aller Kraft unserem Kampf hin.
Seine Schläge waren hart und durchdacht gesetzt, aber ich hatte auch so einiges dazugelernt seit unserem letzten Kampf.
Unsere Schwerter schwangen wild umher und zischten gefährlich. Von Außen schien es ein tödlicher Kampf zu sein, selbst wenn wir eigentlich und trotz vergangenen Problemen zur gleichen Seite gehörten.
Mein lauter Herzschlag ging im Klirren der Waffen unter, als wir im Kreis herum wirbelten und gegenseitig aufeinander einstachen, doch der Partner wusste zu parieren. Nur aus dem Augenwinkel bemerkte ich, wie viele der anderen Schüler, die noch nicht aufgegeben hatten, sich ein Stück von uns entfernten. Sie hatten eindeutig Respekt.
Von da an musste ich mich voll und ganz auf unseren Kampf konzentrieren, wobei wir uns wie Tänzer umher bewegten, während unsere aufeinander schlagenden Waffen die Musik bildeten. Das wichtigste war nur nicht aus dem Takt zu kommen.
Nach einer Weile schwitzte ich bereits, doch auch Luis Haare waren am Ansatz leicht feucht.
Trotzdem fuhren wir den ausdauernden Kampf fort und niemand gönnte dem anderen auch nur einen Schlag.
Gegen Luis zu kämpfen war etwas völlig anderes als gegen Federico oder gar einen der Ausgeschlossenen; das hatte ich schnell gemerkt.
Gerade duckte ich mich unter einem Schlag hinweg und konterte.
Auf meine Tricks konnte ich mich nur schwer verlassen, denn er hatte sie mir fast alle persönlich beigebracht. Also musste ich etwas anderes versuchen.
Mit dieser neuen Idee schwang ich meine beiden Schwerter, von denen ich eines extra für diesen Kampf hinzugeholt hatte, von oben auf Luis herab. Er parierte gekonnt über seinem Kopf, doch statt die Schwerter aufeinanderprallen zu lassen, verwandelte ich mich in einen Lichtstrahl.
Kalvin hatte gesagt wir sollten alles nutzten, was wir hatten und das würde ich tun.
Mit Lichtgeschwindigkeit flog ich als greller Lichtschein über Luis hinweg, verwandelte mich zurück und entwaffnete ihn mit einer geschickten Bewegung von hinten.
Noch bevor er sich umdrehen konnte, hatte ich eines meiner Schwerter an seine Kehle gelegt. Er wirkte nur einen kurzen Moment überrascht, ehe seine üblich gleichgültige Maskerade wieder überhand gewann. Wahrscheinlich hatte er nicht gedacht, dass so etwas in meiner Macht lag. Ich verstand es selbst noch nicht ganz, aber das Training war durchaus nützlich gewesen.
'Gib auf!', forderte ich streng.
Erst zu spät bemerkte ich das gefährliche Glitzern in seinen Augen. Schon hatte er sich unter meinen Schwertern hindurchgeduckt und in einer komplizierten Bewegung meine Hände gepackt.
Irgendwie bekam er es hin, dass nach einem starken Schmerz die Waffen aus meinen Händen fielen.
Ein neuer Trick?
Nur er hätte diesen Schritt wagen können. Es war viel zu gefährlich anzugreifen, während man ein Schwert an der Kehle hatte, doch Luis war nicht umsonst der beste Kämpfer dieser Schule. Seinen Mut konnte niemand anzweifeln und der war im Kampf enorm wichtig.
Ich schlug mit meiner Faust nach seinem Kopf, doch er drückte meine Hand lediglich nach oben weg.
Dann warf er mich mit seiner übermenschenlichen, wahrscheinlich aber nicht annährend ganz genutzten Kraft um.
In einem letzten Versuch stemmte ich mich gegen ihn, versuchte unter ihm wegzukommen, aber Luis drückte mich starr zu Boden.
Gegen seine Stärke als Kämpfer kam ich nicht an.
Schließlich blieb ich still liegen. Hier kam ich sicher nicht mehr heraus. Dafür würde er schon sorgen. Die Anspannung verließ mich ein wenig, da der Gewinner dieses Kampfes jetzt bereits feststand. Stumm und ein wenig enttäuscht blieb ich unter ihm liegen.
In diesem Moment merkte ich erst, wie nah wir uns waren.
Unsere Körper berührten sich an mehreren Stellen und auch sein Gesicht war nur wenige Zentimeter von meinem entfernt.
Schlagartig wurde mein Mund trocken. Ich konnte nichts gegen diese aufkommenden Gefühle tun und mein Körper schien sich innerlich weiter an Luis pressen zu wollen, was ich natürlich nicht erlauben konnte. Die Zuneigung zu ihm hatte mich eindeutig noch nicht verlassen.
Unausweichlich glitt mein Blick zu seinen eisblauen Augen. Sie schienen mich verschlingen zu wollen.
Zwischen zwei Winpernschlägen sah ich in einem unkontrollierten Augenblick auf seine Lippen. Wir gerne würde ich mich meinem innigsten Wunsch jetzt hingeben, doch es wäre nicht richtig. Nicht hier und jetzt.
Mit viel Mühe brachte ich die Worte 'Ich... ergebe mich.', hervor.
Die Botschaft war klar und deutlich. Trotzdem verweilte Luis noch eine Sekunde und hielt mit seinen unergründlichen Augen meinen Blick, bevor er mich freigab.
Sobald er seine Hand wegnahm, rollte ich mich zur Seite und stand ruckartig auf. Mein Atem ging ungewöhnlich schnell und das nicht nur wegen des harten Kampfes, den wir ausgetragen hatten.
Mit dem Rücken zu Luis richtete ich meinen Zopf und straffte die Schultern. Ich konnte ihn jetzt nicht länger ansehen, ohne dass ich an die falschen Sachen dachte. Vor allem konnte ich nicht in diese verdammt blauen Augen sehen. Das war zu viel auf einmal.
Trotzdem war es ein kleiner- oder vielleicht auch großer- Trost, dass ich meine Kraft unter Kontrolle hatte. Sie hatte während des ganzen Kampfes nur leise in meinem Inneren geklopft und ich hatte mich voll und ganz zurückgehalten, obwohl Luis und ich uns sehr sehr Nahe gekommen waren und uns mehrmals berührt hatten. Fast musste ich lächeln.
Da hörte ich hinter mir wütende Schritte abgehen. Als die Tür der Sporthalle laut zuknallte, wusste ich, dass Luis gegangen war.
Die meisten Kämpfer waren besiegt worden und saßen am Rand. Viele von ihnen hatten nichts besseres zu tun, als mich zu beobachten. Das würde ihnen sicher viel neuen Gesprächsstoff geben, doch das war mir gerade egal. Auch Kalvin sah mich fragend an und ich erkannte irgendetwas zwischen Bewunderung über unseren Kampf, stolz auf seine Schüler und Verwirrung über Luis Fortgang in seinem Blick. Alles war verständlich, aber ich konnte jetzt nicht hier bleiben.
Also biss ich mir auf die Lippe und joggte zum Ausgang. Vielleicht konnte ich Luis noch erreichen.
Nein, ich würde ihn erreichen. Ein ernstes Gespräch war schon so lange fällig.
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