Kapitel 24

Nun stand ich hier wie angewurzelt und starrte in die unschuldige, weiße Welt. Ich ließ meine Gedanken kreisen, sie ballten ein rotes Wollknäul und doch dachte ich über nichts wirklich nach. Einfach nur stehen und atmen und ruhen, während alles so lebendig schien und während alles mich vorantrieb weiterzugehen.
Kleine, wilde und doch nicht ganz so unschuldige Schneeflocken wirbelten um mich herum und ließen mich erzittern. Einzelne Schüler strömten an mir vorbei, um in die Bibliothek zu gelangen, die vor mir aufragte.
Das imposante Gebäude besaß eine runde Kuppel, die sich weit über das große, poröse Steingebäude zog und zu beiden Seiten standen kleine Türmchen, die wie Wächter über die Bibliothek wachten.
Davor war die Marmortreppe mit den flachen Stufen, die nur leicht von Schnee bedeckt waren. Jack musste noch heute morgen den Schnee der Nacht weggeschaufelt haben.
Die Treppe war kunstvoll verziert, musste vor ein paar Jahren, Jahrzehnten, vielleicht auch Jahrhunderten einmal viel Blut und Schweiß gekostet haben.
Sie war von vielen, manchen mehr und manchen weniger furchteinflößenden, Steinstatuen gesäumt, und wenn ich es nicht gewusst hätte, hätte ich mit nicht vorstellen können, dass sich in diesem Gebäude eine Bibliothek befand.
Bei den Menschen wäre das kirchenähnliche Haus wahrscheinlich unter Denkmalschutz gesetzt worden, aber hier war so etwas schon fast normal.

Ich hauchte eine Dampfwolke in die kühle Luft.
Heute würde ich Jack wirklich besuchen.
Die letzten beiden Tage war es bereits zu spät gewesen, um ihn noch in der Bibliothek anzutreffen.
Zumindest hatte ich mir das eingeredet. Eigentlich wollte ich dem Treffen nur ausweichen und die wenige Zeit hatte mir als gute Ausrede  gedient.
Wieso ich das genau getan hatte, wusste ich auch nicht. Wahrscheinlich war es die Angst davor, dass Jack keine Lösung für mich hätte und das meine letzte Chance ein Reinfall wäre.
Ich wollte es einfach nicht einsehen, dass alle meine bisherigen Versuche schiefgegangen waren und dass ich noch keinen Schritt weiter wie am Anfang war.

'Es gibt immer eine Lösung, egal wie aussichtslos die Situation ist.', hatte meine Mutter mir immer gesagt, wenn ich als Kind etwas nicht verstanden hatte. Dann hatte sie mir geholfen.
Mein jetziges Problem war jedoch um einiges größer wie zum Beispiel der ungeschickt Versuch ein Glas mit Bonbons zu öffnen, welches verklemmt war. Außerdem war dieses mal etwas Entscheidendes anders.
Ich hatte niemanden, der mur half und der mein Problem lösen konnte, weil er stärker oder erfahrener war als ich.
Niemand wusste von dem von mir gehassten Teil meiner Gabe.
Ich war also auf mich alleine gestellt.
Trotzdem konnte Jack mir vielleicht irgendwelche hilfreichen Tipps geben. Er hatte mir nun schon öfters geholfen und deswegen musste ich es einfach probieren.

Ein Ellenbogen stieß mich hart in die Seite, sodass ich nach links taumelte und mich gerade noch an einer Greifenstatue festhalten konnte. 'Hey!,' japste ich empört und sah in giftgrüne Augen, die mich abschätzig musterten.
'Sieht ja fast so als wärst du im stehen eingeschlafen.', kritisierte Sally, 'wobei das bei deinen 10 Meter Augenringen natürlich stimmen könnte. Wenn du mich fragst, brauchst du dringend einen neuen Concealer.'
Ich verdrehte die Augen. Sie schon wieder. Nach außen hin setzte ich nur ein falsches Lächeln auf und sagte: 'Ich habe dich aber leider gar nicht gefragt. Vielleicht mache ich das ja nächstes mal, wo ich jetzt Bescheid weiß.'
'Solltest du auch, denn du siehst wirklich schrecklich aus.', erwiederte sie mit ebenso aufgesetzter Freundlichkeit.
Ihre Begleitung kicherte leise und konnte die Beiden Kaffee to go in ihren Händen dabei nicht ruhig halten, sodass der eine ein wenig überschwappte.
'Auja sie sieht wirklich schrecklich aus.'
Das hatte sie aber schön wiederholt.

Das mein Aussehen so schrecklich war, fand ich persönlich zwar nicht unbedingt, da ich heute meine Lieblingslederjacke anhatte und sogar mit dem Abdecken meiner Augenringen relativ zufrieden gewesen war, aber jeder hatte ja bekanntlich andere Präferenzen.  'Wenn du möchtest, helfe ich dir ein bisschen beim Stylen. In meiner unendlichen Großzügigkeit.', schlug sie mir mit zuckersüßer Stimme vor und hob das Kinn noch ein Stückchen höher.
'Nein danke, darauf kann ich wirklicj verzichten.', war meine schlichte Antwort. Wer weiß schon, was sie mit mir anstellen wollte.

Eigentlich wäre ich zu diesem Zeitpunkt an ihr vorbei in die Biblithek gegangen, doch da flüsterte sie nicht besonders leise ihrer Anhängerin zu: 'Da habe ich mich doch tatsächlich auf ihr niedriges Niveau heruntergelassen und sie weiß es nicht zu schätzen. Undankbare Göre.'
Verärgerg drehte ich mich wieder zu ihr um. Meine hellbraunen Augen blitzten sie an, obwohl ich wusste, dass ich ihre Bemerkung hätte ignorieren sollen.
'Sag mal, hast du keine anderen Hobbys, als mich zu schikanieren?!', fragte ich sie direkt.
Sally antwortete in einem ähnlichen Tonfall. 'Doch habe ich, aber es macht einfach so viel Spaß.'
Sie stieß einen Zischlaut aus, der ihren Sieg in dieser Auseinandersetzung verkünden sollte und klang dabei wie eine Schlange.
Am liebsten hätte ich sie genau in das verwandelt, aber ich hielt mich zurück.

Stattdessen ließ ich einfach einen großen Kaffefleck auf ihrer neuen, weißen Bluse auftauchen.
Dann tat ich so als würde ich erschrecken, in dem ich meine Hand kurz vor den Mund legte und anschließend  schadenfroh grinste. 'Was?', giftete sie und sah an sich herunter.
'Ich will dir ja nicht zu Nahe treten, aber hast du schon den Fleck auf deiner Bluse entdeckt. Sieht echt unschön aus.'
Sally bemerkte den Fleck fassungslos und riss die Augen weit auf. Sie sah aus, als hätte sie gerade eine Nachricht von der nahenden Apokalypse erfahren, wobei ich sagen musste, dass der braune, noch leicht feuchte Fleck mir auch ziemlich gut gelungen war.
Zusätzlich ging ich davon aus, dass ein Kaffefleck zu Sallys Situation passte, da ihre Begleitung wohl die Trägerin ihres Getränkes war.
'Kann selbst der königlichen Hoheit passieren.', meinte ich schulterzuckend, konnte mir aber ein kleines Lächeln nicht verkneifen. Sally bedachte mich eines wütenden, nahezu tödlichen Blickes und fauchte dann das Mädchen neben ihr an.
'Wieso hast du nichts gesagt, Vanessa?'
Ihre Begleitung verzog schuldig das Gesicht. 'Ich... Ich hab es nicht gesehen.', gab sie zu.
Mit einem lauten, frustrierten Seufzen drehte sich Sally von mir weg und stapfte mit hocherhobenem Kopf davon. Ihr wasserstofblondes Haar, das zu einem einfachen Zopf zusammen gefasst war, wackelte beim Gehen unruhig hin und her.

Zu viel Aufmerksamkeit auf das Erscheinungsbild zu legen, war eben doch nicht so klasse.
Zufrieden steckte ich die Hände in die hinteren Hosentaschen und blickte ihr nach.
Wenn sie merkte, dass der Fleck nur eine Illusion war, würde ich ganz schön Ärger bekommen.
Egal, dieses mal hatte ich unsere Auseinandersetzung gewonnen.
Ich atmete noch einmal tief ein und aus und stieg dann entschieden die Treppen hinauf.
Hoffentlich hatte Jack gerade ein bisschen Zeit für mich.

***

Das Licht floss in einem breiten Strahl durch die Buntglasfenster, erhellte den Raum mit dessen Farben und blendete mich für einen Moment. Schnell blinzelte ich und blickte auf den Boden.
Ich stand am Tresen der Bibliothek und wartete darauf, dass Jack einem jüngeren Schüler erklärt hatte, wo es Bücher über magische Orte gab.
Der helle Holzboden wirkte an dieser Stelle mitgenommen und alt, da hier wahrscheinlich viele Leute standen, aber niemand schien so nervös dabei wie ich.
Endlich war Jack fertig und wendete sich mir zu.
'Hallo Nia, was ist los?', fragte er mich freundlich und schien meine Unsicherheit zu spüren, als ich zaghaft begann zu sprechen.
'Könnten wir vielleicht unter vier Augen über etwas sprechen?'
Unsicher spielte ich mit der Kette mit dem Sternenanhänger an meinem Hals.
Jack musterte mich kurz aus seinen alten Augen, die im Licht silbern zu schimmern schienen. Dann nickte er bedacht und blickte noch einmal durch die ganze Bibliothek, um sicher zu gehen, dass jeder sich ruhig verhielt und dass niemand während seiner Abwesenheit Lärm verursachte.

'Na gut, dann Folge mir.'
Ich musste um den breiten Tresen herum laufen, bevor ich ihm durch eine kleine schwarze Tür folgen konnte, die ich noch nie wirklich beachtet hatte.
Ein großes, gemütliches Zimmer tauchte vor mir auf, nachdem Jack mit einem kleinen, goldenen Schlüssel die Tür geöffnet hatte.
Direkt neben dem Eingang stand ein großer Schreibtisch auf dem mehrere gut geordnete Stapel von Dokumenten lagen.
Jack musste wirklich ein ordentlicher Mensch sein, wenn er über alle Bücher und Akten hier den Überblick behielt.
Die anderen beiden Wände waren von Regalen gefüllt von weiteren Büchern und Ordnern eingenommen, die dem Anschein nach zu Jacks Privatsammlung gehörten.
Die Rechte Seite wurde von einem breiten Kamin gesäumt, in dessen Mitte Flammen knisterten, welche  flackerten und eine angenehme Wärme im Raum verbreiteten.  'Setzten wir uns?', fragte der alte Bibliothekar und deutete auf die beiden altmodischen Sessel, die vor dem Kamin standen.
Ich wartete kurz bis er sich auf einen der Sessel gesetzt hatte und nahm dann den Platz gegenüber von ihm ein.
'Was liegt dir auf dem Herzen?', fragte er nun direkt.
Ich drückte mich enger in die Kissen. 'Du hast mir ja schonmal geholfen, als ich nicht mit meiner Barriere zurecht kam', begann ich, 'und da dachte ich, dass du mir vielleicht noch einmal einen Rat geben kannst, weil du ja auch eine sehr starke, seltene Kraft hattest, meine ich.'
Jack musterte mich weiterhin ruhig. Er schien noch nicht genau zu wissen, worauf ich hinaus wollte, doch er wirkte auf eine gewisse Weise  interessiert.

'Also ich wollte einfach wissen, wie man eine sehr starke Kraft besser kontrollieren kann.', sagte ich sehr genau auf meine Wortwahl bedacht. Dann lächelte ich möglichst gelassen, um nicht zu zeigen, wie stark mich das Problem belastete und wie schlecht ich meine Kraft in Bezug auf meine Lebensenergie nutzten konnte. Jack sprach mit seiner ruhigen, in Gedanken versunkenen Geschichtenerzählerstimme, die mich immer etwas müde werden ließ.
'Ja, das scheint anfangs schwer. Ich hatte zu viele Informationen in meinem Kopf und konnte sie nicht kontrollieren. Alle Gedanken sind auf mich eingeschlagen und so ein Ort wie diese Bibliothek war die Hölle für mich. Ich habe sie tatsächlich gehasst.' Er lachte leise in sich hinein und wendete danach seine Aufmerksamkeit wieder mir zu: 'Magst du mir erklären, was genau schwierig für dich ist?'
Ich zögerte einen Moment, da ich ihm nicht von meiner lebensenergiedurstigen, raubenden Macht erzählen wollte.
Er mit dem ganzen Wissen in seinem Kopf würde sicher seine Schlüsse daraus ziehen und alleine die Gedanken klangen verrückt für einen Außenstehenden.
Trotzdem wollte ich, dass er weitersprach.
Es schien als wäre er der Einziege hier, der mich verstand.
Er hatte so etwas Ähnliches durchgemacht und vielleicht konnte mir seine Lebenserfahrung ja helfen.

'Mich verwirrt dieses Gefühl, wenn ich andere... berühre... Meine Kraft reagiert wohl sensibel auf  Gedanken oder Gefühle, die ich dann spüre. Das kann ich nicht ausschalten.', erklärte ich vage. Jack nickte langsam.
Er schien meine Worte nicht im geringsten anzuzweifeln und dachte emsig über eine Lösung nach.
Mein Blick glitt ins knisternden Feuer. Meine Mutter hatte eine Vorliebe für alte Kamine gehabt.
Sie hatte sich ihr ganzes Leben gewünscht, Einen zu besitzten. Dazu war es leider nicht mehr gekommen. Ich formte kleine Sterne aus den züngelnden Flammen und ließ sie wild herumhüpfen.
Als Jack wieder anfing, zu reden, erloschen sie Einer nach dem Anderen.

'Einer starken Kraft muss man immer viel Mühe und Hingabe schenken. Nur dann ist sie zu kontrollieren. Das musste ich auch einst lernen.
Man kann nicht von jetzt auf gleich, mit ihr umgehen.'
Ungeduldig bewegte ich mich hin und her und schluckte laut.
'Also kommt das irgendwann von selbst?' Irgendwann, das waren ja tolle Aussichten.
Jacks Augen schienen im Licht des Feuers vollständig silbern geworden zu sein.
'Ich denke schon.', sagte er leise, 'Mit der Zeit verändert sich Vieles. Und das nicht nur zum negativen. Man darf nur nie den Glauben daran verlieren.'
Er schmunzelte freundlich, doch seine Antwort beruhigt mich nicht im Geringsten.
Sie war indirekt und half mir außerdem nicht, eine Lösung für mein Problem zu finden.
Außerdem blieben viele Fragen offen. Was wäre, wenn die Zeit meine fehlende Kontrolle nicht verbesserte? Wenn ich nie richtig...
Nein, Jack musste noch mehr Erfahrungen gemacht haben.
Zeit konnte nicht das Einziege sein, was einem dabei half die Kraft zu kontrollieren, denn ich hasste es, wenn es nichts gab, dass ich tun konnte.
'Aber gibt es nicht noch etwas, das mir dabei helfen kann?'
'Nun ja.', meinte Jack, 'Ich weiß nicht genau, ob das dir hilft, aber für mich war es ein wichtiger Schritt, mit meiner Kraft zu kooperieren.'
'Was soll denn genau Kooperieren heißen? Man muss schließlich immer mit der Macht zusammenarbeiten, wenn man sie benutzt, oder?'
Fragend blickte ich den alten Mann an.
Er hob die Hände und versuchte, sich zu erklären: 'Man kann die Nutzung der Kraft nicht einfach mit der Zusammenarbeit mit der Kraft vergleichen. Bei letzterem bilden die Person und ihre Magie eine Einheit und somit ist die Kraft auch stärker. Nur durch diese Kooperation kannst du deine Kraft wahrhaftig  kontrollieren und zielgerichtet nutzen.
Denkst du, dass du mit deiner Kraft als Einheit zusammenarbeitest, wenn du das so hörst?'

Ich rieb mir nachdenklich die Schläfen und tat so, als würde ich über diese Sache nachdenken.
Dabei wusste ich genau, dass ich nicht mit ihr zusammenarbeitet, zumindest nicht mit dem Teil, der die Lebensenergie anderer Menschen raubte. Den Teil meiner Kraft, den ich hasste.
Jack hatte zuvor gesagt, dass die Kooperation der Kraft die betroffene Person stärkte. In dem Moment war mir eingefallen, wie Gabe Hanwen mir von meiner waren Herkunft berichtet hatte.
Danach hatte ich verstandenen, dass ich der Familie der Traumfänger angehörte und so hatte ich mich auch gefühlt.
Ich war quasi explodiert und hatte willentlich meine ganze Macht aus mir herausgelassen.
Zu dem Moment war ich sehr mächtig gewesen; wahrscheinlich zu mächtig. Doch irgendwie hatte es langfristig nicht gereicht.

'Ich glaube nicht.', gab ich zu.
Jack runzelte die Stirn. 'Und woran liegt das?'
Ich kaute unruhig auf meiner Unterlippe. 'Ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube es liegt daran, dass ich meine Kraft nicht besonders... mag. Manchmal frage ich mich, warum ich diese Kraft habe.
Es stört mich, diese... Gefühle zu empfangen und ich frage mich, wie es wäre, wieder normal zu sein.
Ohne das alles hier.'
Mit einer raschen Handbewegung fasste ich gedanklich die ganze magische Welt ein.
Dann verzog ich das Gesicht, weil ich wahrscheinlich zu viel gesprochen hatte.
'Ich weiß, dass das doof klingt. Ich wollte nur sagen...' Ja genau, was wollte ich sagen?

Jack legte seinen Kopf schief wie ein vertrauensvoller Hund und als er endlich sprach, war ich allein vom Ton seiner Stimme beruhigter, obgleich seine Worte nicht besonders positiv waren.
'Du erinnerst mich immer wieder an deine Mutter. Sie wollte auch lieber normal sein.
Nachdem sie mir das erzählt hatte, verschwand sie aus der magischen Welt.'
Ich schüttelte nur wiederwillig den Kopf. 'So meine ich das überhaupt nicht. Ich würde diese Welt nie verlassen. Es ist meine Welt und hier fühle ich mich besser aufgehoben, als zwischen den Tausenden Lügen in der anderen Welt.
Außerdem ist es nicht so, dass ich alles an meiner Kraft hasse. Nur es gibt vielleicht einen Teil...  manchmal mag ich ihn nicht.
Deswegen würde ich der magischen Welt aber nie den Rücken zukehren. Allein mit meinem Gewissen könnte ich das nicht ausmachen.'

'Du musst dich dafür nicht rechtfertigen. Nur weil deine Mutter uns verlassen hat, heißt das nicht, dass du genau das Gleiche machen wirst.', sagte Jack verständnisvoll, 'Ich bin sicher, dass du eigene Entscheidungen treffen kannst und willst und das du von den Ihren nicht beeinflusst wirst.'
Einen kurzen Moment sah ich ihn einfach nur an, um herauszufinden, ob er von seinen Worten überzeugt war.
Danach starrte ich wieder ins Feuer, um seinem hartnäckigen, undurchschaubaren Blick auszuweichen. Die unausgesprochene Frage im Raum ließ mich nicht mehr los.
War ich wirklich so wie meine Mutter?
Früher wollte ich immer wie sie sein und auch mein Leben wie sie führen. Nun war ich mir da nicht mehr so sicher.
Ich verstand einfach nicht, wie sie alles stehen und liegen lassen und diese Welt einfach verlassen konnte. Es war einfach nicht richtig, so rücksichtslos zu handeln.

Mein Vater hatte damit einen noch viel schlimmeren Fehler begangen.
Er trug das Erbe der Traumfängerfamilie auf seinen Schultern, doch er hatte es einfach missachtet.
Er hatte die magische Welt sich selbst überlassen und mir als Andenken einen großen Druck und die schier unmögliche Aufgabe, alleine zu siegen, vererbt.
Nun sollte ich Gabe Hanwen umbringen, obwohl ich noch nicht einmal bereit dafür war.
Darüber hinaus hatten sie unvorsichtig in der normalen Welt gelebt. Wahrscheinlich hatten sie nicht daran gedacht, dass ich nach einem Angriff alleine war und niemanden mehr hatte.
Für den guten Rat meines quasi nie vorhandenen Vaters oder die liebevolle Geste meiner Mutter hätte ich so viel getan, doch nun musste ich mich so gut es ging alleine zurechtfinden.

Ich merkte fast gar nicht, dass Tränen in meinen Augen glitzerten, doch Jack schien es sehr wohl zu erkennen, denn er legte mir vorsichtig eine Hand auf die Schulter.
Ich konnte nicht anders als mich unter seiner Hand hervorzuwinden, sobald ich seine starke Lebensenergie spürte.
'Es ist immer da.', flüsterte ich als Entschuldigung und er wirkte bedrückt darüber, zog seine Hand aber rasch wieder zurück.
'Leider kann ich dir nicht viel weiter helfen.', sprach er weiter, wo wir zuvor aufgehört hatten, 'Aber du darfst deine Kraft nicht einfach ignorieren.
Du musst sie akzeptieren, wie sie ist und das bei jedem Teil von ihr.
Nur wenn du sie aus vollsten Herzen annimmst, können du und deine Kraft eine Einheit werden.
Das ist eine Sache der Einstellung und der Einsicht und ohne diesen Schritt, wirst du sie wohl nie kontrollieren können.'
Das war leichter gesagt als getan und den unheilvollen letzten Satz hätte ich lieber nicht gehört.
Stur versuchte ich ihnen aus meinen Gefanken zu verdeängen und probierte es nach außen mit einem Lächeln.
Irgendwie würde ich das schaffen, oder?

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