2. Interpretationsspielraum

„Master, jemand klopft an der Tür", meldete der Hauself. „Ich erwarte keinen Besuch", grummelte Draco Malfoy, tauchte seine Falkenfeder in das Tintenfass und verfasste gefühlt den hundertsten Brief an das Ministerium, im Streit um seine Hauselfen.

„Auch wenn Master keinen Besuch erwartet, hat es an der Tür geklopft", Jotti konnte penetrant sein und wenn er eine Andeutung nicht verstehen wollte, tat er es einfach nicht. „Dann lass ihn klopfen bis er aufgibt", entgegnete Draco ihm. Seine Feder senkte sich erneut auf das Blatt.


Das Manor begann zu erbeben, als ganz offensichtlich die Haustür mit Bombarda Maxima angegriffen wurde. „Master, er klopft immer noch", machte ihn Jotti auf das Offensichtliche aufmerksam. Draco betrachtete den eben verfassten Brief, den nun ein Strich quer über das Pergament verunzierte. Er seufzte. Wer auch immer da kam, er würde nicht einfach wieder weggehen.


Genervt schlenderte Draco in Richtung Eingang. Putz bröckelte bei jedem weiteren Einschlag von den Wänden. Er riss die Tür auf.

„Malfoy, alter Kumpel!", Blaise... „Heute ist dein Glückstag alter Freund." Draco sah ihn aus zusammengekniffenen Augen an. Wenn Blaise jemandem sagte, dass sein Glückstag wäre, meinte er damit immer seinen eigenen. „Blaise, was willst du hier? Ich bin beschäftigt!"

Blaise warf ihm ein strahlend weißes Lächeln zu. „Ich mein Lieber, werde deinem Leben eine Wendung zum Besseren geben", er ließ sich selbst ins Manor ein. Sein Blick wanderte über die Wände. „Hat alles schon mal bessere Tage gesehen, hier."

Draco starrte ihn an. „Du bist nicht wirklich gekommen um dich über mein Zuhause zu beschweren, oder? Du weißt, dass meine Hauselfen derzeit zum Teil verhindert sind. Ganz zu schweigen davon, dass du gerade eben einen nicht unbeträchtlichen Teil dazu beigetragen hast, es weiter herunterkommen zu lassen." Blaise verdrehte die Augen. „Nein Mann, dein Manor ist mir echt sowas von egal", er zog ein Klemmbrett unter seinen Roben hervor, „du mein Lieber, bekommst die einmalige Chance, durch meine Partnervermittlung deine große Liebe zu finden."

Draco schnaubte. „Ernsthaft? Deswegen bist du hier? Dann kannst du gleich wieder gehen." Aber Blaise dachte gar nicht daran. „Für dich, gibt es das erste Date umsonst. Freundschaftsrabatt. Wenn es nichts ist", er zuckte mit den Schultern, „dann war es das eben. Aber du musst mal hier raus. Ernsthaft Alter", Blaise sah sich um, „das hier ist echt trostlos."

„Und mich hinter Illusionen verstecken, wie du es tust?", wollte Draco wissen, „nur damit sie mich zerfetzen, wenn sie rausfinden wer ich wirklich bin? Danke. Darauf hab ich wirklich absolut keinen Bock." - „Bah, alter Schwarzseher", Blaise grinste während er seinen Weg durch das Manor machte, „alles was ich möchte ist, dass du ein einziges Date probierst. Wenn es nicht passt, passt es nicht." Draco hob eine Augenbraue. „Und dann lässt du mich mit dem Scheiß in Frieden? Ein für alle Mal?" Blaise warf ihm ein Lächeln zu, dass Frauen sicher bezaubernd gefunden hätten, Draco aber nur von seinen niedrigen Beweggründen überzeugte. „Ich möchte nur dein Bestes mein Freund. Aber gut, wenn du nach dem ersten Date behauptest, dass es vollkommen unmöglich ist, dass du deine große Liebe durch ein 'Magical Blind Dating' finden kannst, werde ich es akzeptieren."


Etwas an dem Braten roch faul. Draco kniff seine Augen zusammen. „Wer ist es?", wollte er wissen. Blaise schenkte ihm ein überlegenes Lächeln. „Wir haben derzeit zweiunddreißig wunderhübsche Hexen registriert, die nur darauf warten einen einnehmenden Zauberer wie dich kennen zu lernen. Allerdings darf ich dir ihre Namen nicht nennen. Ansonsten wäre es ja kein Magical Blind Date mehr." Draco schnaubte, während Blaise ihn überlegen angrinste. Blaise prüfte die Couch. „Nur um es festzustellen: Ich gehe nicht, bevor du dich eingeschrieben hast." Suchte er sich gerade einen Schlafplatz um ihn Tag und Nacht belagern zu können?


Was hatte Draco für eine Wahl? Blaise plante etwas... man musste nicht einmal ein Slytherin sein, um das zu erkennen. Aber gerade dadurch, dass er es so offensichtlich machte, zeigte er, dass er von diesem Vorhaben nicht abzubringen wäre. Wenn Draco ablehnte, würde Blaise wohl tatsächlich noch dazu übergehen, bei ihm einzuziehen.


So gern er auch einmal einen Abend mit Blaise einen guten Feuerwhisky trank, wollte er doch nicht, dass dieser als Nomade in sein Heim einzog. Daphne. Der Gedanke schlug in seinen Kopf ein wie ein Blitz. Daphne wäre die Nächste. Und dann müsste er sich jeden Abend die Geräuschkulisse anhören, die beiden beim Sex fabrizierten. Widerlich... allein die Vorstellung.


„Gut, dann spiel ich eben einen Abend den Romeo. Aber nur ein Date und wenn es vorbei ist, möchte ich nie wieder etwas davon hören." Blaise grinste ihn an.


„Dann fangen wir einmal an. Hobbys?", fragte er in geschäftsmäßigem Ton. Draco seufzte. Das Ganze artete jetzt schon in Arbeit aus. „Keine." Blaise verdrehte bei seiner Antwort nur die Augen. „Du mochtest Quidditch", warf er ein. „Das war während meiner Schulzeit. Das war auch das letzte Mal, dass ich auf einem Besen gesessen bin." Blaise schrieb dennoch etwas auf das Blatt. „Was machst du sonst noch?" - „Außer mich mit dem Ministerium herumschlagen?", Draco sah ihn an, „mich vor der verdammten Öffentlichkeit verstecken. Verdammt Blaise, ich kann froh sein, wenn kein verfluchter Mob das Manor stürmt." Was auch immer Blaise da schrieb, es war sicher nicht das, was Draco sagte. Aber er schien zufrieden zu sein.


„Was wünschst du dir von einer Frau?"


Stille.


„Na was ist los? Sag jetzt nicht, dass du dir nie gewünscht hast, dass eine sexy Hexi dir das Bett wärmt."


Draco schnaubte. „Das ist jetzt wirklich lächerlich Blaise. Jede Frau, die irgendein Interesse an mir gezeigt hat, war nur hinter meinem Gringottsvermögen her." Blaise zuckte mit den Schultern. „Na und?" Es brachte Draco zum Aufstöhnen. „Denkst du das ist eine gesunde Grundlage für eine Beziehung?" Blaise zuckte erneut mit den Schultern. „Naja, zumindest in dieser Beziehung kannst du einer Frau wirklich alles bieten, was sie begehrt. Aber wenn es dir lieber wäre, dass sie kein Interesse an deinem Geld sondern an etwas anderem hat, dann ist das deine Sache."


Wieder verging ein Moment der Stille. „Weißt du, dass das Ganze hier wirklich deprimierend ist? Denkst du wirklich, dass das alles ist, was ich einer Frau zu bieten habe? Mein Gringottsvermögen? Sonst ist da nichts?" Eine gewisse Verzweiflung schwang in Dracos Stimme mit. Blaise hob nur eine Augenbraue. „Spielt es wirklich eine Rolle, was ich denke?" Die Antwort blieb unausgesprochen. „Alles was ich will ist, dass sie mich um meinetwillen liebt und nicht das Gehirn einer Erdnuss hat. Du glaubst nicht, wie ermüdend es ist, wenn eine Frau dir von dem neuesten Nagellack erzählt der am Markt ist."


Blaise hob eine Augenbraue. „Daphne erzählt mir solche Sachen oft." - „Siehst du, deswegen ist sie deine Freundin und nicht meine." Blaise Grinsen wurde lüstern. „Ich beschwere mich nicht darüber und danach vögle ich ihr das Hirn raus." Ein Stöhnen Dracos war alles, was er als Antwort bekam. Deswegen ging er zur nächsten Frage über. „Blutstatus?"


Draco hob eine Augenbraue, als er ihn ansah. „Ihr fragt ernsthaft, nach dem Blutstatus?" Blaise zuckte mit den Schultern. „Es ist eher eine Formalie. In den ersten Dates mussten wir feststellen, dass an diesem Punkt am häufigsten gelogen wird. Reinblüter wurden zu Muggelgeborenen und Muggelgeborene zu Reinblütern, nur, um den Partner zu beeindrucken. An zweiter Stelle der häufigsten Lügen sind übrigens die Schule, die man besucht hat oder dem Hogwarts Haus dem man zugeteilt war, dicht gefolgt vom Alter. Die anderen Sachen vornweg zu nehmen wäre unklug, da sie zu viel über die Person offenbaren. Aber der Blutstatus ist nun einmal wie er ist."


Draco holte tief Luft. „Du weißt, dass ich reinblütig bin."


Als keine Antwort kam, sah Draco Blaise ins Gesicht. Der sah ihn nur mit einer hochgezogener Augenbraue an. „Bist du dir da sicher?" - „Ja, verdammt." - „Keine zufälligen Muggelbegegnungen in deiner Familie?" Dieses Gespräch ging in eine Richtung, die Draco wirklich unangenehm war. Aber er wusste, warum Blaise sie stellte. Es gab... Vorbehalte. Viele der reinblütigen Familien wurden nach dem Krieg wegen einer vermeintlichen Nähe zu Voldemorts Lakaien ausgegrenzt. Die Meisten wehrten sich dagegen. Aber als Stammhalter der Familie Malfoy blieb ihm diese Option nicht. Seine Verbundenheit mit Voldemort war in seinen Arm tätowiert worden.


„Es gibt die letzten fünfhundert Jahre keine Aufzeichnungen über irgendwelche Vorfälle dieser Art in meiner Familie", erklärte Draco trocken.


„Was bedeutet, dass es durchaus ältere Vorfälle geben könnte oder welche, die deine Familie sauber unter dem Teppich verschwinden hat lassen. Es besteht also durchaus eine gewisse Art des Interpretationsspielraums was deinen Blutstatus betrifft." Auf solch eine Logik konnte wirklich nur Blaise kommen.


Inzwischen waren sie im Herrenzimmer angekommen. Ein eher kleines aber edel eingerichtetes Zimmer, in dem sein Vater in seiner Kindheit lange Abende mit Freunden verbracht hatte. Draco führte diese Tradition fort, auch wenn inzwischen weniger geraucht, dafür mehr dem Feuerwhisky zugesprochen wurde. Es war wohl das letzte Zimmer im Manor, dass noch auf irgendeine Weise lebte. Ironischerweise hatte sein Vater nie einen anderen Todesser in diesen Raum geladen – und da er weniger pompös war, als die anderen Gemächer, wurde er auch während der Zeit in welcher der dunkle Lord hier gastierte, weitgehend ignoriert. Der Rest der Zimmer... es schien als wäre das ganze Haus mit dem Einzug der Todesser eingegangen, wie eine welke Pflanze.


Draco holte eine Flasche Feuerwhisky aus einem der Schränke entkorkte ihn und goss zwei Gläser ein.


Das Pendant seiner Mutter, zum Herrenzimmer, war ein lichtdurchfluteter Wintergarten für Kaffeegesellschaften gewesen. Draco erinnerte sich, an die Papageien und Schmetterlinge, die dort herumgeflattert waren um die Gäste zu entzücken. Seine Mutter hatte mit ihm als Kind jedes Gelege bestaunt und jeden einzelnen Vogel betrauert.


Kaum einen Tag nachdem der erste Todesser eingezogen war, lagen hunderte von Schmetterlingen tot am Boden. Eine Woche später gingen die Vögel ein. Als es offensichtlich wurde, dass keiner der Vögel überleben würde, hatte seine Mutter mit blutendem Herzen die letzten mit Schutzzauber versehen, bevor sie ihnen die Freiheit schenkte. Ein zweifelhaftes Geschenk, wie Draco wusste. Sie hatten vorher schon Vögel ausgewildert, wenn es zu viele wurden. Aber zuvor hatten sie die Vögel sanft an die neue Umgebung angepasst, ihnen Rückzugsorte geliefert und sie an Futterstellen gewöhnt.


Wenn je wieder eine Frau im Manor einziehen würde, dann wäre der Wintergarten der erste Ort, den er für sie renovieren würde. Licht und Leben, Symbole dass sie ihm Hoffnung und Lebenswille zurückgegeben hatte.


Wunschträume. Er nahm einen Schluck Feuerwhisky.


„Ich gehöre zu einer der achtundzwanzig reinblütigen Familien Großbritanniens. Aber bitte, wenn du unbedingt an meinem Stammbaum rütteln willst, tu dir keinen Zwang an. Meine Schuld wird es nicht sein, wenn deine Portraits in Zukunft deshalb von meinen Ahnen verfolgt werden."


Blaise tippte noch einmal mit der Feder gegen das Papier. „Welchen Blutstatus soll deine Angebetete haben?"


Draco überlegte nicht lange. „Reinblut."


Das brachte nun seinen Freund dazu, seine Augen zu verdrehen. „Du bist doch nicht immer noch auf diesem 'Wir halten unsere Ahnenlinie rein'-Trip? Das ist out. Schon seit Jahren!"


Ein lautes Seufzten war die Antwort. „Ich denke nur, dass eine reinblütige Hexe mich und meine Handlungen eher nachvollziehen kann. Außerdem wären meine Eltern nicht besonders glücklich über eine muggelgeborene Schwiegertochter."


„Deine verdammten Eltern sind nach Frankreich ausgewandert. Du bist hier und es geht darum, dass du eine Frau kennen lernst. Wenn sie dich genau so lieben könnte, wie du bist, würdest du sie ablehnen wenn sie eben nicht reinblütig wäre?" Blaise kniff die Augen zusammen und sah ihn prüfend an.


Draco trank das Glas, das sich in seinen Händen befand, mit einem Zug leer. Die Vorstellung, dass eine Hexe ihn lieben könnte... Wunschvorstellung.


„Du beantwortest dir deine Frage selbst, Blaise. Von mir ist nicht mehr genug da, das es Wert wäre, geliebt zu werden. Also ist der Blutstatus vollkommen irrelevant."


Blaise machte ein letztes Kreuzchen auf dem Bogen. Dann ließ er ihn mit einem Flick seines Zauberstabs verschwinden. Was auch immer er von Dracos Worten aufgeschrieben hatte, er schien mehr als zufrieden.


„Darauf, dass dein Singleleben bald zu Ende ist", prostete er Draco zu. Dieser schaffte es nicht, den Satz auf irgendeine Weise auszukommentieren. Trotzdem hob er das Glas um mit Blaise anzustoßen. Erst, als er sich den Alkohol die Kehle hintunterschütten wollte, merkte er, dass das Glas, das er an seine Lippen hielt, bereits leer war.

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