17. Ruinen
Es war nun sechs Wochen her, seit sie Edmond... oder besser Draco, das letzte Mal gesehen hatte. Man sagte, dass Zeit alle Wunden heilen würde, aber ihr kam es eher so vor, als würde sie ihn mit jedem Tag der verging mehr vermissen. Früher war er kein Teil ihres Lebens gewesen, also sollte es normalerweise nichts geben, das auszufüllen war.
Und doch... es schien, als würde ein Teil ihres Herzens verdorren, wenn sie Abends in ihr Apartment kam. Ihr Leben wurde beherrscht von Einsamkeit... Verlassenheit...
Der Moment, in dem sie sich eingestehen musste, dass es so nicht mehr weiterging, war gekommen, als sie sich ein Denkarium in ihre Wohnung hatte liefern lassen. Nur was die Konsequenz aus dieser Erkenntnis sein solle, darüber war sie sich noch nicht im Klaren.
Sie hatte alle ihre Dates mit Edmond in Phiolen archiviert. Eines Tages hatte sie beschlossen, diese zu vernichten und so für immer aus ihrem Kopf zu verbannen... doch dann als sie die kleinen Glasbehälter in der Hand hielt, hatte sie es nicht über sich gebracht. Entgegengesetzt zu ihrem ursprünglichen Plan, hatte sie stattdessen immer mehr Zeit mit dem Denkarium verbracht.
Inzwischen hatte sie jede Verabredung mehr als einmal nacherlebt. Öfter, als sie sich selbst eingestehen wollte. Am Anfang, hatte sie ihre Liebe wiedergesehen. Edmond Montague... der Mann ihrer Träume, der doch nie existiert hatte. Dann, ganz langsam hatte sie seine Gesichtszüge studiert. Die Traurigkeit, die ihn umgab, die beinahe schüchterne Zurückhaltung, die Unsicherheit, die einem Malfoy so gar nicht zu Gesicht stand. Aber da war auch diese Gewissheit gewesen, dass sie ihn ablehnen würde, die sich langsam in ungläubige Hoffnung gewandelt hatte. Wenn sie diese Emotionen in Edmonds Zügen sah, erblickte sie Draco hinter der Maske, konnte ihn sehen, wie ein zweites Gesicht das im Verborgenen lag.
Noch mehr zu schaffen machte ihr, als sie sich immer sicherer wurde, dass es nicht gespielt gewesen war. Draco Malfoy war ein Lügner und alles was er von sich zeigte, war auf das beschränkt, was er andere sehen lassen wollte. Aber als er die Maske von Edmond auf hatte, war da mehr gewesen. Da war diese Sehnsucht gewesen, der Einsamkeit zu entfliehen. Sie hatte die Hoffnung in seinen Augen gesehen. Das scheue Vertrauen, dass er ihr langsam entgegenbrachte.
Jedes Mal, wenn ihr Gesicht aus dem Denkarium aufstieg, tropften erneut Tränen in die Flüssigkeit. Gerade so, als wolle ein Teil der Erinnerung sie nicht loslassen.
Normalerweise hätte sie sich in ihrer Arbeit vergraben und ihre Freizeit auf ein Minimum reduziert. Allerdings sah sie sich auch in ihrem Berufsleben mit einem Problem konfrontiert, an dem sie fast verzweifelte; oder besser, zwei malfoyschen Problemen. Inzwischen verstand sie nur zu gut, was sie angerichtet hatte. Sie hatte gedacht, drei Elfen aus den Klauen von Malfoy zu befreien. Aber in Wahrheit war es eine Hauselffamilie gewesen, die sie zerrissen hatte. Jotti war noch ein Teenager, zumindest in Hauselfmaßstäben und Totti... ihr Start war denkbar schlecht gewesen und der Elf machte ihr seither das Leben schwer. Vielleicht würde er irgendwann begreifen, dass sie gerade alle ihre Beziehungen spielen ließ um ihm zu helfen. Wenn er es nicht tat, würde sie sehr düsteren Zeiten in ihrem Leben entgegensehen.
Nur selten gab es Lichtblicke in ihrer Arbeitswelt. Beispielsweise die Sache mit Theo. Diese hatte ebenfalls düster begonnen. Eines Tages hatte sie Harry in einer sehr schlechten Laune angetroffen. Als sie ihn nach dem Grund gefragt hatte, hatte er ihr erzählt, dass Theo bei Borgin&Burkes gekündigt wurde, nachdem er eine Woche in Askaban eingesessen hatte. Verzweifelt hatte sich dieser an Harry gewandt und ihn gefragt, ob er nicht jemanden kenne, für den er arbeiten könne. Nachdem sie eine Weile überlegt hatten, machte Hermione den Vorschlag für eine Stelle, der Harry gar nicht gefiel. „Das Ministerium drängt doch seit einiger Zeit darauf, dass du dir einen Assistenten nimmst", hatte sie in den Raum geworfen. Harry verzog sofort sein Gesicht. Nicht nur, war Ron früher sein Assistent gewesen, den Harry nie durch einen anderen hätte ersetzen können, es war auch so, dass einige Prominenz der Zaubererwelt bereits versucht hatte ihren Einfluss geltend zu machen um ihre Nachkommen auf diese Stelle zu befördern. Harry hatte alles abgelehnt und Hermione sah ihm an, dass auch Theo keine Chance auf diese Stelle hatte. „Gib ihm doch wenigstens ein Praktikum", schlug sie vor, „es wird sich gut in seinem Lebenslauf machen und seine Chancen bei anderen Stellen werden um einiges steigen." Harry atmete tief durch bevor er dem Praktikum zustimmte. "Aber nur ein Praktikum und nicht länger als eine Woche!"
Eine Woche später war Theo der fest angestellte Assistent von Harry geworden. Was Harry dazu bewegt hatte, ihn fest einzustellen, hatte er ihr nicht gesagt. Theo... einen Slytherin und Reinblüter... geächtet von der Zaubererwelt... ausgestoßen und verachtet... wie Malfoy.
All diese Gedanken schossen ihr durch den Kopf, während sie sich beharrlich weigerte aufzustehen und sich erneut dem Papierkrieg um die malfoyschen Hauselfen zu stellen. Die ganze psychische Belastung um Malfoy machte sie krank. Richtig krank! Ob ihm das gefallen würde? In ihrem Gedanken sah sie den Schuljungen, der sie keckernd auslachte.
Sie griff nach ihrem Zauberstab und sprach einen einfachen Diagnosezauber, nur um sicherzustellen, dass es nichts ernsthaftes war. Es grenzte an Hypochondrie.
Das Ergebnis... sie setzte sich auf und starrte es an. Alle Farbe wich aus ihrem Gesicht. Das... war etwas ernsthaftes. Das konnte niemand bestreiten. Sie starrte noch mehrere Minuten auf den provisorischen Körperanalysezauber, den sie in ihrem letzten Jahr in Hogwarts gelernt hatte.
Dann stand sie auf, zog sich an und flohte direkt ins St. Mungos.
Erst am Nachmittag schaffte sie es ins Ministerium. Sie schrieb eine offizielle Entschuldigung für ihr Zu-Spät-Kommen, bevor sie sich an ihren Schreibtisch setzte und die viele Papierarbeit maß, die sich darauf stapelte. Bis gestern hatte das Meiste davon noch Zeit gehabt, aber jetzt...
Als erstes musste sie die Sache mit den Hauselfen in Ordnung bringen und danach... ihr würde wohl nichts anderes übrig bleiben als immer mehr Aufträge abzugeben. Vielleicht sollte sie sich auch einen Assistenten nehmen?
Dann machte sie sich an die Arbeit. Viele der Formulare der malfoyschen Hauselfen hätte Malfoy eigentlich selbst ausfüllen müssen. Aber sie sah keinen Sinn darin ihn dort lange einzuweisen und ein Fehler könnte alles zerstören. Als sie fertig war, genehmigte sie alles und gab die Zettel zur Weiterverarbeitung an die verschiedenen Stellen. Insbesondere bei der Überschreibung der Besitzverhältnisse von Totti blieb sie direkt am Schreibtisch des entsprechenden Kollegen stehen, bis dieser die Formulare mit seiner Unterschrift und dem magischen Siegel verifizierte, den neuen Besitzer des Hauselfen katalogisierte und ihr entsprechende Besitzurkunde aushändigte.
Irgendwann schaffte sie es wieder in ihr Büro. Sie setzte sich kurz und warf einen Blick auf die Uhr und erstarrte, wo war die Zeit hingelaufen? Sie hatte nur noch dreißig Minuten!
Schnell packte sie ihre Sachen zusammen und machte sich fertig. Ein Blick in den Spiegel und... bei Merlin ihre Haare standen noch mehr ab als sonst! Aber sie hatte keine Zeit mehr, diese Mähne zu bändigen.
„Totti", rief sie nach dem Hauselfen. Dieser erschien sofort und maß sie mit dem bösen Blick, den er für sie reserviert zu haben schien. Sie seufzte schwer. Hatte sie wirklich erwartet, dass er sich von einer Sekunde auf die nächste ändern würde?
„Kannst du mich bitte zum Malfoy Manor apparieren? Ich muss Draco Malfoy über die neuen Besitzverhältnisse offiziell in Kenntnis setzen."
Der Elf griff wortlos nach ihrer Hand, ein Ziehen breitete sich in ihrer Magengegend aus und im nächsten Moment standen sie schon vor dem großen Herrenhaus. Totti ließ ihre Hand so schnell los, als hätte er sich verbrannt. Sie holte tief Luft. Dann klopfte sie magisch an.
Nichts.
Sie klopfte erneut an.
Wieder nichts.
Wertvolle Minuten ihrer Arbeitszeit verstrichen.
„Verdammt Malfoy, bitte...", sie war gerade dabei ein drittes Mal anzuklopfen, als ihr Blick auf Totti fiel. „Totti, kannst du noch Zugang zum Manor gewähren?" Der Elf zuckte zusammen. Dann legte er seine Hand auf die Tür. „Zugang kann gewährt werden, aber braucht Zustimmung des Masters."
„Ich erteile die Zustimmung", erklärte Hermione. Kurz focht sie ein Blickduell mit dem unwilligen Hauselfen aus, dann öffnete er die Tür ohne ein weiteres Wort. Als sie eintraten, fragte sich Hermione, in welche Welt sie gerade kam. Nichts erinnerte mehr an das düstere hochherrschaftliche Haus, in dem sie gefoltert worden war. Es wirkte nach wie vor groß, aber die Dunkelheit war aus dem Gebäude gewichen. Stattdessen war alles in hellen Farben gehalten... und... zerstört. Der weiße Marmorboden war aufgerissen. Laub hatte sich feucht und klebrig an ihm festgesaugt. Es war offensichtlich durch die Risse in der Wand nach innen gelangt. Bevor die Zerstörung eingesetzt hatte, musste dies ein lichtdurchfluteter edel eingerichteter Raum gewesen sein. Jetzt lag teilweise der Schutt der Wände und der Decke auf dem Boden. Was war hier geschehen?
Der Elf neben ihr hob zu einem langen Trauergeheul an. Sie ging in die Knie und legte ihm mitfühlend eine Hand auf die Schultern. „Totti...", ihr fehlten die Worte, „wusstest du es nicht?"
Totti schüttelte den Kopf. „Totti wusste, dass Master verletzt war... aber Totti hatte keine Ahnung, wie sehr..." Sie lächelte den Hauselfen milde an. „Es ist nur das Haus, Totti. Ich bin mir sicher, Master Draco geht es gut." Wie seltsam es sich anfühlte, nur Malfoys Vornamen auszusprechen.
Der Elf schüttelte erneut vehement den Kopf, so dass seine Ohren schlackerten. „Das Haus eines Zauberers, zeigt sein Herz. Wenn Herz von Zauberer kaputt, Haus geht auch kaputt..."
Sie strich zärtlich über den Kopf des kleinen Wesens, das immer noch vollkommen durch den Wind schien. Und das alles nur wegen... sie stockte. War es wirklich nur Hauselfengeschwätz? Das Haus der Weasleys mochte nicht groß sein, hatte aber Platz für jeden, genau wie Misses Weasleys Herz. Und das chaotische Haus der Lovegoods, das so trist gewirkt hatte, als Luna sich in den Händen der Todesser befand...
Vielleicht war mehr an diesem Hauselfenaberglauben, als sie sich zuerst eingestehen wollte.
„Weißt du, wo sich Master Draco befindet?", fragte sie Totti. Dieser zögerte kurz, dann führte er einen schnellen Suchzauber aus. Sie konnte das Ergebnis nicht erkennen, aber der Elf nickte nur. „Master Draco ist im Herrenzimmer", meinte er kurz angebunden. „Bring mich zu ihm", befahl sie dem Hauselfen, „du wirst sehen, es kommt alles wieder in Ordnung."
Mit hängenden Ohren tapste der Elf voran. Als sie den Raum verließen, nahm sie eine Bewegung bei einem der Schutthaufen war. Sie ging darauf zu. Es war eine Marmorstatue, die zwischen den Gesteinsbrocken saß. Etwas an ihr, kam Hermione vertraut vor. Sie näherte sich dem Bildnis und als dieses schweigend zu ihr aufblickte erkannte sie, um wen es sich handelte. Diana! Ihr altes Ego blickte traurig zu ihr auf. Feuchte Stellen zogen sich wie Tränenspuren ihr Gesicht hinab. Dann wandte sich die Statue wieder dem zu, was in ihrem Schoß lag. Hermione war so nah an sie herangetreten, dass sie auch das erkennen konnte. Es war das Gesicht von Edmond, dass Diana zärtlich streichelte, als wäre es ein verstorbener Liebhaber.
Ironisch, dass Malfoy ausgerechnet eine Marmorstatue von ihr in seinem Haus aufgestellt hatte. Das Ganze erinnerte sie, an ihr zweites Date. Die Königin Hermione im Wintermärchen von Shakespeare gab vor, eine Statue zu sein, um sich vor der Rachsucht ihres Mannes zu verstecken. Aber war der Umstand, dass er noch immer eine Statue seiner Frau um sich haben wollte, nicht ein Anzeichen seiner Liebe gewesen? Wenn das Haus, das Herz eines Zauberers widerspiegelte, war sie dann immer noch in Malfoys Herzen? Sie zögerte. Dann flüsterte sie der Statue zu. „Es wird alles gut." Dabei wusste sie selbst nicht, wie dies alles enden würde.
Ihr Weg führte sie weiter. Im nächsten Raum lagen Bücher verstreut herum.
Ein paar kannte sie, es war Muggelliteratur. Andere... sie konnte die Titel nicht einmal lesen, aber die Autoren sagten ihr etwas. Da war „Madame Bovary" von Flaubert, „El ingenioso hidaigo Don Quixote de la Mancha" von Miguel de Cervantes, „Krieg und Frieden" von Tolstoi, über Dantes „Göttliche Komödie" bis hin zu „Moby Dick" und „Die Schatzinsel". Hatte er diese Bücher vor kurzem gelesen, um sie beeindrucken zu können? Ein Lächeln schlich sich auf ihre Lippen. Er hatte sie doch bereits damit beeindruckt, dass er überhaupt Muggelliteratur gelesen hatte. Die wenigsten Zauberer kannten auch nur einen klassischen Muggel-Roman. Sie hätte nie erwartet, dass gerade ein Malfoy so etwas lesen würde.
Sie folgte dem Hauselfen weiter, der vor ihr einher trottete. Irgendwann kamen sie vor einer unscheinbaren Holztür an. Es schien beinahe, als hätte Jotti Angst, diesen Raum zu betreten.
„Es ist okay", flüsterte Hermione ihm zu, „von hier ab übernehme ich." Kaum hatte sie die Worte gesprochen, war der Hauself schon disappariert. Sie biss sich auf die Lippe und öffnete dann die Tür und wich sofort zurück. Was zum...
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Cliffhanger :D
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