10. Mehr als ein Idiot
Lange hatte Hermione das immer wiederkehrende Klopfen an ihrer Tür ignoriert. Aber irgendwann waren ihre Tränen soweit versiegt, dass sie es schaffte, sich aufzuraffen und an die Tür zu gehen. Am Liebsten hätte sie diese sofort wieder in die Angeln geworfen, als sie die Person draußen erkannte. Doch die Frau trat ohne auf eine Einladung zu warten in ihre Wohnung und nahm sie in die Arme.
Hermione dachte, sie hätte alle Tränen bereits verweint, doch sie hatte sich geirrt. Kaum dass Naomis Arme sie umfangen hatten, fing sie erneut an zu schluchzen. „Warum...", fragte sie nur. Die Andere drückte sie mitfühlend an sich und strich ihr durch die Haare. „Ich weiß es nicht", flüsterte die blonde Frau ihr zu, „wir dachten, dass alles glatt liefe zwischen euch zwein. Alle Berichte die ich vorliegen hatte, legten nahe, dass Edmond... na ist jetzt auch egal."
Sie strich Hermione beruhigend über ihre Haare. „Es wird alles gut, du wirst sehen. Wir finden jemanden, der dich glücklich macht." Sie redete weiter beruhigend auf Hermione ein. Es waren weniger die Worte, die sie zur Ruhe kommen ließen, sondern die Stimme und die Zärtlichkeit mit der Naomi sie berührte. Nichts war mehr von der strengen Geschäftsfrau übrig. Hermione fühlte sich fast wieder wie ein Kind, dass von ihrer Mutter getröstet wurde.
Vielleicht machte sie ja einen Fehler, wenn sie nach einem Mann in ihrem Leben suchte. Vielleicht...
„Hast du eigentlich einen Freund?", es war keine zu offensichtliche Frage oder? Das ließ Interpretationsspielraum.
Naomi lachte. „Ja, die Partnervermittlung gehört meinem Freund." Nun, es war einen Versuch wert gewesen.
„Wie ist er so?", wollte Hermione wissen.
Naomi verdrehte nur die Augen. „Er ist eingebildet, arrogant, hochnäsig und ein richtiger Vollidiot. Reißt seinen Mund immer viel zu weit auf und baut mehr Scheiße an einem einzigen Tag, als andere in ihrem ganzen Leben. Aber...", sie zögerte, „er ist mein Vollidiot." Sie schnaubte. „Weißt du, man muss die Männer so akzeptieren wie sie sind, mit all ihren vielen verdammten Fehlern. Nur wenn man das schafft, dann kommt man auch in den Genuss der guten Seiten."
„Und die wären?", fragte Hermione herausfordernd.
Naomi lachte. „Er ist witzig und charmant. Er ist immer für jeden da. Nicht nur für mich, sondern für seine Freunde und jeden anderen der ihn um Hilfe bittet. Er gibt einfach alles dafür, die Welt im Großen wie auch im Kleinen zu einem angenehmeren Ort zu machen."
Sie schloss die Augen. „Wir haben schwere Zeiten zusammen durchgemacht, weißt du. Damals musste ich mir viel von der Seele reden und er war immer für mich da. Er hört immer zu. Inzwischen mache ich mir manchmal einen Spaß daraus und erzähle ihm stundenlang von MakeUp, nur um ihn zu ärgern. Aber selbst da versucht er Aufmerksamkeit zu heucheln, auch wenn es ihm nicht immer gelingt." Naomi zwinkerte ihr zu.
„Und er schläft dabei nicht ein?" Hermione erinnerte sich an Ron, der bei so interessanten Themen wie alte Runen immer weggenickt war.
Wieder lachte Naomi. „Das Schlafen heben wir uns immer für danach auf."
Edmond... er war auch nicht eingenickt, im Gegenteil. Er hatte sich von Hermiones Ausführungen mitreißen lassen, hatte sich eingebracht, war... er war perfekt gewesen... bis sie sich an den schwarzen Rauch über seinem Zauberstab erinnerte. Warum? War sie zu bieder? Wenn sie es richtig bedachte, war ihr Dating Vorschlag wohl zu langweilig gewesen. Männer kochten nicht gerne. Es war zu... häuslich. Sie machte wirklich den Eindruck einer verödeten Hausfrau... Und dann war das Ganze noch sprichwörtlich ins Wasser gefallen.
Erneut kamen ihr die Tränen und erneut musste Naomi sie trösten.
„Wenn das vorbei ist, lass uns Freundinnen bleiben. Wir könnten ab und zu so eine Art Mädelsabend machen...", schlug sie Naomi vor. Diese lächelte sie warm an. „Gerne."
Hermione konnte nicht sagen, wie dankbar sie dafür war, dass Naomi sie so tröstete. „Kümmert ihr euch um alle eure Kunden so sehr wie um mich?" Naomi schüttelte den Kopf. „Du bist etwas Besonderes." - „Weil ich eine Kriegsheldin bin?", fragte Hermione verbittert. Naomi biss sich auf die Lippen, als sie offensichtlich überlegte, was sie antworten sollte. Hermione wollte es schon gar nicht mehr hören, als Naomi endlich zum Sprechen ansetzte. „Ich kann nicht leugnen, dass wenn eine Hermione Granger über unsere Agentur ihre große Liebe finden würde, das einen gewissen Grad an Medienwirksamkeit mit sich brächte. Aber...", sie hob ermahnend den Zeigefinger, „es gibt noch zwei andere Gründe."
Sie lächelte Hermione verschmitzt an. „Der Eine ist, dass du es ernst meinst und der Andere, dass du es wert bist. Edmond ist ein Idiot. Du wirst sehen, wir finden etwas besseres für dich."
Die Art wie Naomi sprach, war vertraut. „Kennst du Edmond? Also... außerhalb der Partnervermittlung?" Naomi verdrehte die Augen. „Ja. Wenn ich ehrlich bin, ich hab von Anfang an Zweifel gehabt, dass ihr zusammenpassen würdet. Aber... ihr habt glücklich gewirkt und... Edmond ist... ich habe ihn nie zuvor glücklich gesehen. Früher war er immer zu ambitioniert, als das er mit irgendetwas das er erreicht hat zufrieden gewesen wäre. Und später... er ist jemand dem der Krieg übler mitgespielt hat, als den Meisten. Nur will das niemand sehen. Seitdem resigniert er und schottet sich fast allen gegenüber ab."
„Wer ist er?", die Frage stand kurz im Raum, aber Naomi schüttelte nur den Kopf. „Das darf ich dir nicht sagen, es widerspricht den Regeln." Damit war dieses Thema geklärt. Hermione würde nie erfahren, wer Edmond war.
Aber sie hatte ihn gesehen, hinter der Maske des Avamagi. Da war diese Traurigkeit und Unsicherheit, die ihn umgab. Er hatte nicht nur ihr gegenüber diese unnahbare und verlassene Aura gehabt, von der sie dachte, dass sie diese langsam durchdrang.
Es gab auf der einen Seite so viele, die der Krieg traumatisiert hatte und auf der anderen Seite solch verabscheuungswürdige Leute wie Malfoy, die so rücksichtslos durchs Leben gingen, dass sie ihre Fehler immer noch nicht einsahen.
Malfoy zu visualisieren brachte sie aus ihrem Loch heraus. Wut hatte sie immer angetrieben. In der Schule war sie wütend gewesen, dass man erwartete, dass sie schlechter war als die Kinder aus alten Zaubererfamilien. Dann als Voldemort aufstieg, war sie wütend gewesen, dass Muggelgeborene ausgegrenzt wurden. Und nach dem Krieg... da war sie zu Harry Potters Helferin geworden. Man hatte ihr zugestanden, dass sie „geholfen" hatte, den Krieg zu gewinnen. Dass ihr Beitrag dem Harrys kaum in etwas nachstand, das wollte niemand sehen. Damals hatte sie beschlossen, dass sie Karriere machen würde um es allen zu zeigen. Und da waren die Schäden, die der Krieg bei so vielen Hexen und Zauberern hinterlassen hatte. Hatte man körperliche Behinderungen davongetragen, wurde man unterstützt. Aber Schäden an der Psyche wurden als 'zu vernachlässigend' abgetan. Als sie ins Ministerium eingetreten war, hatte sie es sich auf die Fahne geschrieben, die Schäden jeglicher Art, die der Krieg angerichtet hatte, zu sühnen. Sie selbst hatte viele der neuen Gesetze zur Wiedergutmachung auf den Weg gebracht und deren Einhaltung penibelst genau überwacht.
Selbstsüchtige Egoisten wie Malfoy waren daran Schuld, dass es Kriegsopfern wie Edmond so schlecht ging. Ihre Wut zu fokussieren gab ihr Kraft, über den Schmerz hinwegzukommen. Vielleicht mochte sie nicht Edmonds Freundin werden, aber helfen konnte sie ihm immer noch und sie würde damit anfangen, dass sie Draco Malfoy unangespitzt in den Boden rammte.
Auch Naomi schien bemerkt zu haben, dass die Trauer etwas anderem gewichen war. Sie lächelte sie sanft an und strich ihr über die Wange. „Kann ich kurz weg? Mein Freund versucht mich schon seit ungefähr einer Stunde zu erreichen." Sie zeigte auf ihr Armband. „Ein Proteuszauber."
Hermione nickte. „Ist schon ok. Ich glaub, ich hab mich schon wieder gefangen."
Naomi sah sie misstrauisch an. Dann zögerte sie kurz, bevor sie zum Kamin ging. „Ich komme wieder sobald es geht, versprochen..." Kurz darauf verschwand sie in den grünen Flammen.
^*^*^*^
„Sag mal spinnst du?", schrie Blaise ihn an. Draco schloss seine Augen und atmete tief durch. „Was hast du dir dabei gedacht? Ich dachte sie wäre perfekt... und du gibst ihr eine Absage?", warf ihm sein Freund weiter an den Kopf.
„Ich will noch ein Date", brachte Draco schließlich heraus. Blaise blinzelte überrascht. „Was?"
Draco holte erneut tief Luft, bevor er antwortete. „Sagt ihr, dass ich noch ein Date will." Er starrte die Couch an. Blaise starrte ihn immer noch stinksauer an. „Okay, ich will eine Erklärung. Und zwar jetzt!"
Es dauerte einen Moment, bevor Draco seinen Blick hob und ihn grimmig ansah. „Unser Date war gut. Nein, es war besser als gut. Es war perfekt... vielleicht ein bisschen zu hausfrauenhaft... nein eigentlich war es das nicht. Es war... Diana ist..." Er holte tief Luft. „Aber es ist gescheitert, weil ich schwarzen Rauch heraufbeschworen habe. Das sind doch die Regeln von Blind Magical Dating oder? Drei erfolgreiche Dates, dann wird man dem Anderen ohne Avimagi vorgestellt. Diana und ich hatten aber nur zwei erfolgreiche Dates. Wir haben einen Anspruch auf ein Drittes, bevor wir uns zeigen müssen."
„Das Date war gar nicht scheiße." Blaises Blick durchbohrte ihn. "Du bist sowas von feige, Draco."
Der Angesprochen seufzte als Antwort. „Ist dir das erst jetzt aufgefallen?"
Stille machte sich zwischen den beiden breit.
„Kannst Du noch ein Date einfädeln?", Draco sah bittend zu ihm auf, was Blaise nur dazu brachte, seinen Kopf zu schütteln. „Das mein Lieber, liegt jetzt bei Diana. Aber ich werd Daphne Bescheid geben, dass du noch gern eins hättest."
^*^*^*^
Es dauerte nicht lange, bis Naomi wieder in Hermiones Kamin erschien. „Edmond will noch ein Date", platzte sie heraus, „natürlich liegt es an dir. Niemand kann es dir verübeln, wenn du ihn nie wieder sehen willst."
Hermiones Herz wurde für einen Moment weit. Edmond wollte sie doch wiedersehen. Dann schrumpelte es wieder zusammen. Was, wenn er erneut so plötzlich und unerwartet das Date als gescheitert bezeichnen würde?
Sie war sich unsicher, was sie antworten sollte.
„Was hat dein Freund dir sonst noch gesagt? Weißt du, warum das Date gescheitert ist?" Vielleicht gab ihr das einen Hinweis, was sie in Zukunft vermeiden sollte oder ob es vielleicht besser wäre, ein erneutes Date auszuschlagen.
„Wir haben nicht wirklich viel miteinander geredet", gestand Naomi, „ich hab ihm danach an den Kopf geworfen, dass er Edmond für diese Scheiß-Aktion den Kopf abreißen sollte." Sie zwinkerte Hermione zu. „Er meinte, dass er das schon getan hätte, aber es gerne noch einmal tut."
Erst jetzt bemerkte Hermione, dass sie keinen Namen zu dem großen blonden Mann hatte, der Edmond einführte. „Wie heißt er eigentlich?"
Naomi verdrehte stöhnend die Augen. „Er nennt sich Mr. Love."
Hermione blinzelte. „Ernsthaft?" - „Ja, ich sag doch, er ist ein Idiot... aber er ist mein Idiot."
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