Kapitel 8

Sie ließen die letzten Häuser hinter sich. "Und du meinst, sie sind hier?", fragte Katrin. "Es sind nur selten Leute im Wald", erwiderte Joel, "Ein guter Ort, um sich zu verstecken. Außerdem war Antonia hier. Wir müssten nur herausfinden, wo genau." "Warum könnten sie verschwunden sein?", fragte Katrin. "Ich weiß es nicht", antwortete Joel, "Ich hoffe, dass Lara uns das beantworten kann." Sie betraten den Wald, allerdings nicht an der Straße, sondern über einen kleinen Feldweg. "Warum sind hier eigentlich so wenig Leute im Wald?", fragte Katrin. "Das weiß ich auch nicht so genau", erwiderte Joel. Sie gingen schweigend weiter. "Sieh mal", sagte Joel plötzlich. Er war stehen geblieben und deutete auf den Wegrand. Was sonst voll mit dichten Bäumen und Gebüsch war, bot hier eine Lücke. "Wahrscheinlich menschengemacht", vermutete Joel, "Das Gebüsch an den Seiten ist eingedrückt." "Und die Spuren am Boden lassen vermuten, dass sie vor kurzem benutzt wurde", ergänzte Katrin. "Gehen wir durch?", fragte Joel. Katrin beantwortete die Frage, indem sie durch die Lücke kroch. Man konnte nicht durchlaufen, aber krabbeln ging gut. "Pass auf die Dornen auf", sagte Katrin. Joel folgte ihr. "Für Erwachsene sicher nicht geeignet", kommentierte er. "Ob das so beabsichtigt ist?", fragte Katrin. "Besonders viel bringen würde es nicht", erwiderte Joel, "Erwachsene könnten einfach außenrum gehen. Aber wahrscheinlich ist es eine Abkürzung. Wohin auch immer." Sie gingen einfach gerade weiter. Ein kleiner Trampelpfad war dort bereits entstanden. Joel blieb schnell wieder stehen. "Ich glaube, wir werden beobachtet", sagte er. Katrin sah sich suchend um. "Ich sehe niemanden." Etwas unsicher gingen sie weiter. "Sieh mal", sagte Katrin und deutete nach vorne. "Adlerauge", erwiderte Joel. Er rannte vor zu der Hütte, die Katrin gesehen hatte. Sie war aus Holz. Nicht sehr groß, aber als Unterkunft könnte es reichen. Oder als Geheimversteck. "Scheint nicht von einem Profi gemacht worden zu sein", sagte Joel, als Katrin ihn eingeholt hatte, "Aber trotzdem stabil." "Sogar mit Fenster", fügte Katrin hinzu, "Aber wer ist auf die Idee gekommen, die Tür vom Weg weg zu orientieren." "Wird schon seinen Sinn haben", erwiderte Joel, "Aber woher hat der Erbauer Gitterstäbe für das Fenster? Warum sollte man das überhaupt vergittern?" "Lass mal nach der Tür schauen", schlug Katrin vor, "Vielleicht ist sie auf der anderen Seite, weil man nicht von hier kommen soll." Die beiden gingen neugierig auf die andere Seite, aber sie kamen nicht dazu, sich umzusehen. "Keinen Schritt weiter!", rief jemand hinter ihnen. Katrin und Joel drehten sich um. Joel prüfte die Gegend, aber er sah niemanden. Katrin musste das nicht tun. "Lara?", rief sie. "Katrin?", kam eine überraschte Antwort. Lara sprang aus einem Baum und sah ihre Schwester nun auch mit der Überraschung an. "Was machst du hier?" "Das gleiche könnte ich dich fragen", erwiderte Katrin, "Wir suchen dich schon die ganze Zeit." "Woher wisst ihr, dass ich hier bin?", fragte Lara. "Nur eine Vermutung", antwortete Katrin. "Wir hatten eine Theorie und nach der musstet ihr hier sein", fügte Joel hinzu. "Ihr wisst also auch, dass ich nicht alleine hier bin", erwiderte Lara. "Delia, Jan, Jonas und Max", zählte Katrin auf. "Elli", erwiderte Lara, "Vielleicht heißt sie Delia, aber ich kenne sie nur als Elli und die anderen nennen sie auch nur Elli." "Was ist denn überhaupt passiert?", fragte Joel. "Mama und Papa haben mir oft Sachen verboten", berichtete Lara, "Ich habe oft mit Elli darüber geschrieben. Einmal meinte sie, dass ihre Eltern ihr auch viel verbieten. Als ich dann zu ihr bin, um sie zu besuchen, hat sie mir erzählt, dass sie vorhat, mit ein paar Freunden abzuhauen. Sie hat gefragt, ob ich mitkommen wolle. Ich habe zugesagt. Wir haben alle das gleiche Problem. Unsere Eltern verbieten uns immer alles. Ich wollte mich bei dir melden, Katrin. Dir sagen, dass alles in Ordnung ist und du dir keine Sorgen machen musst. Aber ich wusste nicht wie." "Lara!", rief jemand. "Max?", erwiderte Lara, "Was ist los?" Jetzt kam Max bei der Gruppe an. "Du kennst Katrin?", fragte er. "Sie ist meine Schwester", antwortete Lara. "Woher kennst du mich?", fragte Katrin. "Von Elli", erwiderte Max, "Gestern Abend, als wir schon geschlafen haben, hat sie sich nochmal mit Antonia getroffen. Und Antonia hat ihr erzählt, dass es jemanden gibt, der kaputt machen will, was wir uns so lange und so mühsam aufgebaut haben. Und dieser jemand ist Katrin. Seit heute morgen habe ich Katrin beobachtet." "Also hat Antonia wirklich was damit zu tun", stellte Joel fest. "Sie ist unsere Kontaktperson zur Außenwelt", erklärte Lara, "Aber nur Elli spricht mit ihr." "Erzählt ihr nicht mehr als sie sowieso nicht wissen darf!" Ein Mädchen war dazu gekommen. "Elli", sagte Lara überrascht, "Du wolltest doch nochmal mit Antonia sprechen", sagte Max. "Habe ich", erwiderte Elli, "Wer ist der eigentlich?" "Detektiv Yang", stellte Joel sich vor. "Seit wann nennst du dich Yang?", fragte Lara. "Antonia hat enthüllt, wer Yin und wer Yang ist", erklärte Joel. "Ich habe schon von dir gehört, Yang", erkannte Elli, "Du hast deine Schwester getötet." "Das war nicht mehr Johanna", erwiderte Joel, "Johanna hätte nie etwas getan, was mich in Gefahr bringt. Antonia hat sie manipuliert. Außerdem habe ich mich nur verteidigt. Es war ihr Schuss, der sie getötet hat." "Also gibst du dir nicht mehr die Schuld?", fragte Katrin. "Doch", antwortete Joel, "Jede verdammte Minute muss ich daran denken, dass ich mitverantwortlich für den Tod meiner Schwester bin. Ich glaube, das wird mich für immer verfolgen." "Und jetzt spielst du Detektiv", sagte Elli, "Was detektivierst du denn so?" "Willst du uns auch in die Quere kommen, so wie Katrin?", fragte Max. "Eigentlich habe ich nichts gegen das, was ihr tut", erwiderte Joel, "Ich hätte es besser gefunden, wenn ihr eure Familien nicht in Sorge zurückgelassen hättet. Aber Elli, nach dem, was Katrin erzählt hat, was Max erzählt hat und was du erzählt hast, muss ich fragen, warum du deine Freunde anlügst." "Was soll das jetzt?", fragte Elli, "Max, der nervt. Kümmer dich um ihn! Und am besten dabei auch um die beiden Mädchen." "Beantworte zuerst seine Frage", widersprach Max. "Seit wann lässt du eine Gelegenheit aus, deine Macht zu zeigen?", fragte Elli. "Ich bin nicht so gefühllos und sadistisch", erwiderte Max, "Aber ich hasse Lügen. Und ich würde dir sehr empfehlen, mal endlich die Frage zu beantworten." Er geriet stark in einen Befehlston. "Ich lüge nicht", antwortete Elli, "Ich weiß nicht, wovon er spricht." "Und unsere Begegnung gestern Abend?", fragte Katrin, "Anstatt zu behaupten, es wäre nie passiert, könntest du dich vielleicht mal dafür bedanken, dass ich dich noch nicht umgebracht habe." Sie war sehr wütend. Verständlich. Und das Noch war verdächtig stark rauszuhören. "Was ist denn los?", fragte Lara. "Deine angebliche Freundin hat unsere Eltern getötet", erklärte Katrin. Immernoch wütend. Lara starrte Elli an. "Elli, hast du uns etwas zu sagen?", fragte Max. "Es tut mir Leid", sagte Elli, "Es war Kollateralschaden. Und ich habe nichtmal geschafft, was ich schaffen wollte." "Was wolltest du?", fragte Katrin. "Dich!", erwiderte Elli, "Du bist uns zu nah gekommen. Ich dachte, du wärst schon im Bett, würdest schon schlafen. Ich hätte nachschauen sollen. Ich will nicht, dass Lara uns verlässt. Sie ist so wichtig für unsere Gruppe." "War", fauchte Lara wütend, "Oder denkst du, ich würde nach dem noch hier bleiben? Ich bleibe bei Katrin. Wir brauchen uns. Jetzt noch mehr." "Und wo warst du gerade?", fragte Joel, "Sicher nicht bei Antonia. Die ist schon auf dem Weg nach Dingenskirchen." "Das ist nicht wichtig", erwiderte Elli. "Ich halte es für sehr wichtig", widersprach Max, "Eine weitere Lüge, die du erklären musst." "Ich sagte, es ist nicht wichtig", beharrte Elli. "Mit der Einstellung machst du dir keine Freunde", kommentierte Max, "Und so bleibe ich sicher nicht bei dir." Er legte Lara eine Hand auf die Schulter. "Wir sind raus!" Lara nickte. "Hol Jonas und Jan", befahl Max Lara, "Sie sollten wissen, wem sie da folgen." Lara nickte und rannte los. Als sie an Elli vorbei rannte, hielt diese sie fest. "Ihr könnt nicht gehen." Sie klang verzweifelt. "Wir haben doch erreicht, was wir wollten." "Warum verspielst du das dann?", konterte Lara. Mit einer blitzschnellen Bewegung wandte sie sich aus Ellis Griff und lief in den Wald. Elli ging auf die Knie. Traurig hockte sie auf dem Boden, das Gesicht in den Händen vergraben, und flüsterte ein kurzes "Nein". "Was auch immer du vor hast, Elli", sagte Max, "Du hast verloren." "Du wirst dich für das, was du getan hast, verantworten müssen", fügte Joel hinzu. Elli stand auf. Man sah ihr die Verzweiflung immernoch an, nicht die Trauer. "Nein", sagte sie entschlossen, "Ich gehe nicht zurück. Ich habe die letzten 3 Jahre darauf hingearbeitet." Sie holte etwas aus ihrer Tasche. "Mama wird für alles bezahlen!" "Der Kristall", erkannte Joel. "Also hatte sie ihn?", fragte Katrin, "Woher?" Elli hielt den Kristall nach oben, so wie Johanna es getan hatte. Nichts passierte. Sie drehte ihn ein wenig, aber es passierte nichts. Ein Dolch aus Eis kam angeschossen und schoss Elli den Kristall aus der Hand. Joel und Katrin schauten zu Max, der bereits einen zweiten Eisdolch in der Hand hatte und auf Elli zielte. Er schoss auch, aber der Dolch prallte gegen irgendwas und fiel zu Boden bevor er Elli erreicht hatte. "Was sollte das?", fragte Katrin und sah Joel an. "Ich wüsste gerne, was überhaupt los ist", erwiderte Joel. Er ging zu Elli. "Magst du mir sagen, wofür deine Mutter bezahlen soll?", fragte er freundlich.

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