Kapitel 4

Leon ging die Straße entlang. In Gedanken war er schon bei seinem Auftrag. Der gelbe Splitter vom Kristall. Er wusste, wo dieser Splitter war. Er musste ihn nur bekommen. Als er bei dem Haus angekommen war, sah er, wie jemand dort aus dem Fenster stieg. Der Mann hatte sich keine Mühe gemacht, sein Gesicht oder irgendwas anderes zur Identifizierung zu verbergen. Leon wusste genau, was in dem kleinen Säckchen war, welches gerade in der Jackentasche des Mannes verschwand. "Sie werden doch wohl nicht stehlen", sagte Leon. Der Mann drehte sich erschrocken zu Leon um. Aber der Schreck legte sich schnell. "Ich stehle nicht", sagte er, "Ich hole zurück, was mir gehört." "Das müssen Sie erklären." "Ich war im Gefängnis", erklärte der Mann, "2 Monate wegen Fahrerflucht. Ich durfte meinen Glücksbringer nicht mit ins Gefängnis nehmen und als ich mich geweigert habe, ihn abzugeben, wurde er mir gewaltsam abgenommen. Ich habe ihn mir zurückgeholt." "100€, wenn Sie es mir verkaufen", bot Leon an. "Nein", antwortete der Mann, "2000 mindestens, aber ich will nicht verkaufen." "Mit anderen Worten: Sie wollen verkaufen, tun aber auf sentimental, damit ich mit meinem Angebot auf 2000 hoch gehe, worauf Sie dann eingehen und mir einen Gegenstand verkaufen, der Ihnen in Wahrheit gar nicht gehört und nie gehört hat", stellte Leon fest, "Dieser eine Satz hat Sie komplett verraten. 500." "2000", beharrte der Mann. "Sie sehen aus wie jemand, der das Geld dringend braucht", erwiderte Leon, "Und wie ich gerade schon gesagt habe: Es gehört ihnen nicht. Sie sind also nicht in der Position, zu verhandeln. 1000. Aber auf die 2000, die Sie verlangen, gehe ich nicht." "1000 und du erzählst niemandem von unserem Gespräch und diesem Verkauf", bot der Mann an. "Weil Sie nicht für den Diebstahl eines Gegenstandes bestraft werden können, den Sie nie hatten, was ich Ihnen natürlich bestätigen werde", erkannte Leon, "Na schön." Er holte ein paar Geldscheine aus seiner Hosentasche und zählte ab. 1000 gab er dem Mann. Den Rest steckte er wieder in seine Hosentasche. "Woher hast du so viel Geld?", fragte der Mann, während er Leon das Säckchen gab. "Woher haben sie das?", erwiderte Leon und wies auf das Säckchen, welches sich nun in seiner Hand befand. Dann ging er.

Antonia erwartete ihn bereits. Leon gab ihr wortlos das Säckchen. Antonia schaute rein. "Sehr gut", sagte sie, "Wurdest du erwischt?" "Jemand anderes ist mir zuvor gekommen", erwiderte Leon, "Ich habe es ihm abgekauft. Mit deinem Monopolygeld." "Der hat Monopolygeld für echtes Geld gehalten?" Dass er unerlaubt Geld aus ihrem Monopoly genommen hatte, schien sie nicht zu interessieren. Ungewöhnlich. "Ja. Und ich musste versprechen, niemandem davon zu erzählen." "Das hast du damit auch erfolgreich nicht eingehalten", sagte Antonia lachend, "Jetzt komm. Norra ist sicher auch bald soweit. Bis dahin können wir ja noch eine Runde Schach spielen." Die beiden gingen in Antonias Zimmer. Sie bauten das Schach auf und spielten eine Partie. Es dauerte keine zwei Minuten, bis Antonias König im Matt stand. Antonia starrte ihren Bruder an, als wollte sie ihn mit diesem Blick töten. Leon wusste, was sie machen wollte. Sie tat es nicht, weil sie verloren hatte. Ihr war jede Ausrede dafür recht, ihrem Bruder wehzutun. Um zu zeigen, dass sie stärker war. Mehr, als nur seine große Schwester.

Norra kam bei Niko an. "Hast du ihn?", fragte Niko. "Ja", antwortete Norra, "Was ist mit den anderen Splittern?" Niko gab Norra ein kleines Kästchen. Norra öffnete es. "Darin hat Light sie uns gegeben", erklärte Niko, "Wir haben sie nicht angerührt." "8 Plätze", erkannte Norra, "Aber nur 6 Splitter." Er holte einen weiteren Splitter aus seiner Jackentasche und legte ihn auf einen der beiden freien Plätze. "7", sagte er, "Aber vielleicht ist es auch besser, wenn es nicht alle 8 sind. So ist es nicht so gefährlich, wenn sie gefunden werden. Und die Versuchung ist nicht so groß." "Bist du dir sicher, dass du das schaffst?", fragte Niko. "Es war deine Idee", erwiderte Norra, "Und du hast selber gesagt: Selbst wenn Joel herausfindet, dass ihr die Splitter nicht mehr habt, würde er sie doch nicht bei einem seiner Verbündeten vermuten. Nein, ich bin mir nicht sicher. Aber es ist zu spät. Ich werde das Risiko eingehen."

Es klingelte ohne Ende. Luna öffnete die Tür. "Katrin", erkannte sie, "Was ist denn los?" Katrin drückte sich an Luna vorbei ins Haus und gab ihr dabei einen Zettel. "Lies", sagte sie, "Und beeil dich. Es ist schon zu spät."
Laut einer Legende soll der verlorene Freund die Welt retten. Light.
"Zieh dir Schuhe an", befahl Katrin, "Wir müssen sofort los." Etwas verwirrt zog Luna sich ihre Schuhe an und ging mit Katrin raus. Wohin sie gingen, wusste sie nicht. "Ich habe diese Nachricht bekommen, am Tag nachdem Joel und Johanna an die Schule gekommen sind", erklärte Katrin, "Ich bin mir sicher, dass Joel gemeint ist. Ich habe immer gedacht, ich sehe ihn nie wieder. Und ich denke, ich weiß auch, welche Legende gemeint ist. Es soll jemanden geben mit einer speziellen magischen Fähigkeit. Und er wird sie einsetzen, um ein Monster zu besiegen." "Und du meinst, dieser jemand ist Joel?", fragte Luna. "Genau", antwortete Katrin. "Und wo gehen wir hin?", fragte Luna. "Was denkst du denn?", erwiderte Katrin, "Dass Joel gleichzeitig der Böse und der Gute ist?" "Du meinst, Norra...", fragte Luna. Sie hinterfragte nicht, woher Katrin wusste, was Norra ihnen erzählt hatte. "Hat euch angelogen", ergänzte Katrin, "Und gerade hat er sich mit Antonia und Leon getroffen." Sie kamen bei Antonia Zuhause an. Norra und Leon kamen gerade raus. "Wo ist Johanna?", fragte Luna. "Weg", antwortete Leon, "Unterwegs mit Antonia. Sie haben die 8 Splitter dabei." "Und wo ist Joel?", fragte Katrin. "Wissen wir nicht", antwortete Norra, "Antonia hat gesagt, sie kümmert sich um ihn. Seitdem ist er verschwunden."

Joel saß in einem leeren Raum. Er hatte es schon aufgegeben, zu versuchen, hier wegzukommen. Die Tür war abgeschlossen und durch das kleine, vergitterte Fenster passte er nicht. Er hatte auch schon probiert, die Tür aufzubrechen, aber es gelang nicht. Seit ein paar Tagen saß er nur in einer Ecke und machte gar nichts. Das änderte sich jetzt. Von draußen kam eine Stimme: "Hier bist du ungestört." War das Antonia? Joel stand auf und schaute raus. Draußen waren Antonia und Johanna. Antonia gab Johanna gerade etwas, aber Joel erkannte nicht, was. "Ich habe dir erklärt, wie es funktioniert", sagte Antonia, "Jetzt bist du dran. Ich muss gehen." Sie ging. Joel schaute gespannt, was seine Schwester jetzt tat. Sie hielt den Gegenstand, den Antonia ihr gegeben hatte, in die Luft. Jetzt sah Joel dieses Etwas. Es war ein Kristall mit vielen verschiedenen Farben. Wie ein Regenbogen. "Joel", sagte jemand hinter ihm. Erschrocken drehte er sich um. Eine kleine, weiße Lichtkugel schwebte direkt vor der Tür. "Ich bin Light", sagte sie, "Weißt du, was Johanna da macht?" "Nein", antwortete Joel. "Sie macht einen Fehler", erklärte Light, "Dein Vergleich mit dem Taijitu ist nicht so schlecht. Denn das besagt auch, dass in allem bösen auch etwas gutes steckt. Und selbst wenn du das nicht merkst: Johanna liebt dich. Sie kann nicht ohne dich. Das weiß sie. Und das ist der Funken Gutes in ihr. Aber Antonia hat sie ausgetrickst. Johanna hat diesen Funken verloren. Jetzt will sie dich töten." "Ich sollte am besten wissen, dass man Johanna nicht unterschätzen sollte. Aber sie ist trotz allem immer noch nur ein blindes Mädchen. Ihre Waffe ist einzig die Psychologie." "Du warst jetzt eine Woche hier. Hast nichts mitbekommen", widersprach Light, "Antonia hat sich darum gekümmert, dass Johannas Möglichkeiten weit über Psychotricks hinausreichen." Sie schwebte ein bisschen zur Seite, sodass sie die Sicht auf den Schlüssel freigab, der in der Tür steckte. "Du musst dich ihr stellen, bevor es zu spät ist. Bevor sie den Kristall eingesetzt hat. Nur du kannst sie noch aufhalten."

Zum Glück hatte Leon in den letzten Jahren seine Schwester gut kennengelernt. Er wusste, wo Joel sein könnte. Also gingen sie dahin. Als sie nur noch wenige Meter vom Haus entfernt waren, leuchtete etwas auf dem Hof auf. Es war ein schwarzes Licht. Sofern man es Licht nennen konnte. Und es war schnell wieder weg. Und dann waren sie angekommen. "Kommt her, bevor sie euch sieht!", kam ein befehlendes Flüstern. Antonia lauerte hinter einem Gebüsch und winkte die 4 zu sich. "Wer?", erwiderte Luna. Antonia deutete auf den Hof. Erst jetzt sah Luna, dass jemand dort lag. Johannas Gesicht lag in Richtung Boden und ihre Arme lagen neben ihrem Kopf, als wäre sie tot. Leon hatte sich bereits bei seiner Schwester versteckt und schaute gespannt zu Johanna. Norra und Katrin folgten ihm. Erst als Johanna sich bewegte, kam auch Luna dazu. "Was ist denn los?", fragte sie. Antonia legte ihren Zeigefinger auf Lunas Mund. Sie verstand. Johanna durfte sie nicht finden. Johanna war mittlerweile aufgestanden und stand nun einfach da. Joel kam hinter ihr aus dem Gebäude. "Hallo Joel", sagte Johanna ohne sich zu ihm umzudrehen.

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