Kapitel 23

"Wo ist eigentlich Max?", fragte Joel, nachdem Lilli gegangen war. "Gute Frage", antwortete Luna, "Er muss doch eigentlich wissen, dass wir uns treffen." "Er hat aber auch nicht gesagt, dass er nicht kommt", sagte Niko. "Wir können ihn ja mal anrufen", schlug Gaby vor. Otto nahm sein Handy vom Ladekabel und rief Max an. Ohne Erfolg. "Geht nicht ran", sagte Otto, "Er war auch schon eine Weile nicht online. Kein Wunder, dass er nicht weiß  wann wir uns treffen." "Sollen wir mal zu ihm nach Hause?", fragte Linda. "Gute Idee", sagte Otto, "Wenn sie nicht von dir wäre." "Dann bringe ich es jetzt als meine Idee ein", sagte Niko, "Du hast doch nichts dagegen, Linda, oder?" "Wenn Linda nichts dagegen hat, habe ich was dagegen", erwiderte Otto. "Mir reicht's", sagte Joel,  "Ihr kommt auf keinem Fall beide mit! Keine Diskussion!" Otto und Linda sahen sich kurz an. "Gut, Otto bleibt hier", bestimmte Linda.

Sie diskutierten noch ein paar Minuten, aber dann entschieden sie einstimmig, also mit Joels einer Stimme, dass es vermutlich wirklich das beste wäre, wenn Otto zuhause bleiben würde. Zu fünft gingen sie also zu Max nach Hause. Linda klingelte. Keine Reaktion. "Macht niemand auf", sagte sie. "Was eine Überraschung", antwortete Joel sarkastisch, "Steht hier ja auch gar nicht." Linda ging ein paar Schritte zurück und sah jetzt auch, was Joel meinte. Bei sämtlichen Fenster war der Rolladen heruntergelassen. Und in jedem einzelnen klebte ein Schild.
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"Fragt sich aber, warum Max uns nicht informiert", sagte Luna. "Und was machen wir jetzt?", fragte Gaby. "Können wir noch was machen?", erwiderte ihr Bruder. "Was ist eigentlich mit dir, Joel?", fragte Linda, "Du wirkst so genervt." "Da fragst du noch?", fragte Joel. "Wegen Otto und mir?", fragte Linda. "Ehrlich gesagt", antwortete Joel, "Nicht nur. Ich bin etwas gestresst, wegen meiner Familie. Meine Mutter und Tante Ingrid sind so schon so anstrengend. Zumindest, wenn einen nicht interessiert, was das letzte war, das Napoleon gegessen hat, oder was der erste Krieg in der Geschichte der Menschheit war. Das einzige, was mich daran interessiert ist, wie Tante Ingrid auf die Idee kommt, es könnte der zweite Weltkrieg sein. Was diese Gesellschaft aber noch schlimmer macht, ist, dass keiner auch nur ansatzweise versteht, dass blind kein Synonym für Worte wie Unfähig, Hilflos, oder auch Schwach ist. Johanna hat ganze Arbeit geleistet. Hinzu kommt noch, dass meine Eltern nie 2 Kinder haben wollten. Und wie es das Schicksal so will, bin ich das zweite Kind." "Sei froh drum", sagte Light. Wo auch immer die jetzt schon wieder her kam. "Wieso?", fragte Joel. "Nie gefragt, warum Johanna blind war?", erwiderte Light. "Eigentlich nicht", antwortete Joel, "Aber doch schon seltsam, dass nie eine Augenkrankheit festgestellt wurde. Sie war halt einfach blind." "Ich weiß, warum", sagte Light, "Du wirst es früh genug erfahren. Was ich dir aber sagen kann: Wenn du der erste gewesen wärst, hätte es dich getroffen." "Da ich nicht davon ausgehe, dass du in dem Punkt noch mehr sagen wirst, wüsste ich jetzt gerne, ob du weißt, was mit Max ist", fragte Joel. "Klar", antwortete Light, "Aber das soll er euch selbst sagen. Gibt da aber keinen Grund, sich sorgen zu machen." "Das klingt ja schonmal beruhigend", sagte Luna, "Aber wie soll er es uns sagen, wenn er nicht da ist?" "Da braucht ihr euch auch keine Sorgen zu machen. Er wird es euch sagen können." Light verschwand wieder.

Otto öffnete die Tür. Er kannte den Mann nicht. "Guten Tag", sagte der, "Ist Lilli Mink hier?" "Ja, warum?" "Ich bin Joshua Mink, ihr Onkel. Als ihr nächstes Verwandter sehe ich es als meine Aufgabe, mich um sie zu kümmern." "Joshua Mink sagen sie?", fragte Otto, "Dann haben sie den Unfall verursacht?" "Ich garantiere dir: Ich habe seit dem keinen Tropfen Alkohol mehr angerührt", erwiderte Joshua, "Natürlich tut mir Leid, was passiert ist. Umso mehr ist es meine Pflicht, für Lilli zu sorgen." "Ich bringe Sie zu Herr Kreh", sagte Otto.

Am Abend trafen sich Lilli, Biene und Katrin erneut. Es war Lillis letzter Abend hier. Morgen würde sie zu ihrem Onkel ziehen. Ob sie das wirklich wollte, wusste sie nicht. "Ich habe mit Luna telefoniert", berichtete Katrin, "Light hat Epsilon tatsächlich mal erwähnt. Es ging dabei um Antonia. Light meinte, sie sei nur ein Spion und dass Epsilon sich um Antonia kümmern würde. Und es sei besser, dass sie ihn nicht kennen." "Womit bestätigt wäre, dass sie ihn kennt", sagte Lilli. "Ist es möglich, dass sie wegen Antonia hier her sind?", fragte Biene. "Glaub ich kaum", antwortete Lilli, "Außer Antonia ist mehrere Milliarden Jahre alt." "Ich hätte noch was", sagte Katrin, "Aber das ist nicht von Light, sondern von Light753." "Noch eine Light?", fragte Lilli. "Light753 hat sich nach Light benannt", erklärte Katrin, "Sie hat eine Website, auf der sie von verschiedenen Sachen erzählt. Vihane wird in einem Satz genannt. Als die Schöpferin der Magie." "Das heißt, Light753 weiß von Vihane und weiß von Light", stellte Lilli fest, "Du weißt nicht zufällig, wer sie ist?" "Leider nicht", antwortete Katrin, "Aber ich kann sie trotzdem anschreiben." "Das wäre natürlich ganz gut", sagte Lilli. Ein paar Sekunden stille. "Das ist irgendwie lustig", sagte Lilli, "Ich glaube, ich erinnere mich an meinen Tod." "Ich dachte, du hast dein Gedächtnis bei der Wiederbelebung verloren", erwiderte Biene. "Nein", widersprach Lilli, "Ich denke, und Joel hat das auch so gesagt, dass man dabei nur vergisst, was in der Welt der Toten passiert ist. Mein Gedächtnisverlust muss bei dem Unfall passiert sein. Es sind nur wenige Sekunden, an die ich mich erinnere. Nur dass ich irgendwo lag und mir alles wehgetan hat. Dann hat sich die Sonne in irgendwas über mir gespiegelt und dann weg." "Bist du nicht beunruhigt?", fragte Katrin, "Schließlich wohnst du ab morgen bei deinem Mörder." "Vor allem ist er mein Onkel", antwortete Lilli, "Und er wird nie erfahren, dass er mich damals getötet hat. Ganz einfach."

Am nächsten Tag gegen Mittag war es soweit: Joshua kam, um Lilli abzuholen. Er gab nur noch ein Formular bei Herr Kreh ab. Lilli verabschiedete sich von ihren beiden Freunden. "Du meldest dich bei uns?", fragte Biene. "Natürlich", antwortete Lilli, "Sobald ich kann, rufe ich an." Dieser unbeabsichtigte Reim zauberte ihnen ein Lächeln auf die Lippen. "Und du schreibst Light753 an", sagte Lilli zu Katrin. "Mach ich gleich direkt", antwortete Katrin, "Bis später." "Bis später", erwiderte Lilli. Noch eine Gruppenumarmung, dann stieg Lilli ins Auto. Es war kein langer Weg und normalerweise ginge das einfach zu Fuß oder mit dem Fahrrad. Da Lilli Gepäck dabei hatte, war aber vermutlich trotzdem das Auto die beste Wahl. Sie kamen schnell bei dem Haus an. Es wirkte irgendwie einladend, auch wenn es sich kaum von den anderen unterschied. Das war etwas, was man nicht vergaß, selbst mit Gedächtnisverlust. Lilli wusste genau, dass sie hier schon oft gewesen war. "Willkommen Zuhause", sagte Joshua.

Light erschien. "Was ist so wichtig, dass wir es nicht einfach telepathisch besprechen können?", fragte sie. Light753 sah ihre Freundin erstmal nur an. Aber dann antwortete sie: "Katrin. Ihr ist der Name Vihane aufgefallen. Sie hat mich angeschrieben, ob ich näheres dazu sagen kann." Light überlegte kurz. "Lösch den Satz!", befahl sie dann, "Leugne, dass du jemals diesen Namen gehört hast! Wenn wir Glück haben, denkt sie, sie hätte sich irgendwas eingebildet." "Katrin kennt alles auswendig. Die lässt sich nicht verarschen. Was, wenn sie es merkt?" "Ich weiß es nicht. Katrin ist die Verbindung zwischen dir und den Hütern. Wir brauchen sie." "Aber sie versucht schon, was herauszufinden. Sie könnte gefährlich werden." "Es ist unmöglich, dass sie errät, was mit Vihane und Epsilon ist. Sie weiß ja nichtmal, dass es zwischen den beiden eine Verbindung gibt. Was wir beide und die Blume damit zu tun haben, kann sie auch nicht einfach erraten. Und Leon wird ihr nicht verraten, dass Antonia sich in der Spielgruppe im Wald genauso genannt hat wie Hoa mich. Wahrscheinlich ist ihm selbst das nicht klar." "Ich weiß nicht, ob mich das beruhigt. Aber du hast recht. Was sollen wir sonst machen?"

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