4 - repercussion

Die Bogensehne schnitt in seine Fingerkuppen, zitterte leicht unter der Spannung. Schnellte zurück und der Pfeil zischte vom Bogen durch die Halle, bohrte sich mit der Spitze in die Zeilscheibe, sodass die Feder noch leicht zitterte. Entschlossen griff Adrien nach dem nächsten Pfeil.
Es war Samstag, 8 Uhr morgens und in der Schießhalle war niemand anwesend. Dass er selber alleine gar nicht hier drin sein dürfte, hatte er ignoriert - ebenso wie die abgeschlossene Eingangstür.
Als Chat Noir brauchte man so etwas banales wie Türen nicht, um in ein Gebäude zu kommen.

Er war frustriert. Nach dem kräftezehrenden Kampf am gestrigen Abend und dem daraus resultierenden vorschnellen Ende des Picknicks, hatte er am späteren Abend zu allem Überfluss noch stundenlang stillstehen müssen, während Menschen, die er nicht einmal kannte, um ihn herumgewuselt sind, seine Maße nahmen oder Kleidungsstücke an seinen Körper hielten, dabei wahllos an seinen Armen zerrten oder ihn hin und her schoben, als wäre er eine Stoffpuppe - während seine Muskeln sich mit wütender Müdigkeit zu Wort meldeten. Diese Prozedur musste er öfter über sich ergehen lassen, mindestens alle drei Wochen - es könnte ja im Bereich des Möglichen liegen, dass er zunahm - oder abnahm - oder ein Stück gewachsen war - vielleicht trainierte er auch zu viel. Und vorallem kurz vor der Veröffentlichung einer neuen Kollektion, musste sichergestellt werden, das die modischen Kunstwerke auch der Schaufesterpuppe passten. Oder eben ihm.
So war er fast zu spät zu seinem nächtlichen Treffen mit Ladybug gekommen - sie war gerade im Begriff gewesen, ihr Dach wieder zu verlassen.

Ein weiterer Pfeil traf ins Schwarze, nur Zentimeter neben dem Ersten.

Es war eine Art Tradition geworden, sich nach Akuma-Angriffen nocheinmal zu treffen. Nichts Verbindliches, keine Uhrzeit, kein Ort. Meistens nach Gefühl. Manchmal blieb sie weg. Andere Male kam er nicht. Und manchmal brauchten sie es beide, einfach nur um die Geschehnisse noch einmal zu überdenken. Oder um zu schweigen.

Ein dritter Pfeil durchbrach die Luft.

Ladybug hatte ihm noch von dem Opfer erzählen können. Sebastian Bernard war tatsächlich Astronom, mit abgeschlossenem Studium, aber arbeitslos. Während Jean Renard als Elektriker in einem kleinen Betrieb arbeitete und Aidan Durand in seiner Freizeit an einer Doktorarbeit über die Geologie der Arktis arbeitete. Chat Noir hatte sich nur gefragt, wie der Mann es schaffte, drei verschiedene Leben zu leben, wenn er selber sein eigenes nur gerade so auf die Reihe bekam. Laut seiner Partnerin wusste Jeans Arbeitgeber über dessen Probleme nicht Bescheid, und hatte es nicht akzeptieren können, selbst nachdem er ein klärendes Gespräch mit Jeans Psychater gehabt hatte. Und Shadow Moth hatte Jean Renards Verzweiflung und Verwirrung - als er anscheinend mitten in dieser Situation die Persönlichkeit gewechselt hatte - schamlos und eiskalt ausgenutzt.

Der vierte Pfeil traf einen anderen und bohrte sich schief in die Zielscheibe.

Seufzend ließ Adrien den Bogen sinken und trottete zum Ziel, um die Pfeile wieder einzusammeln. Früher hatte er diese Art von Frust ablassen immer nur im Fechten gefunden, doch er wurde besser als alle anderen - abgesehen von seiner guten Freundin Kagami - und vorallem - agressiver. Bogenschießen bot sich als eine gute Alternative an - ebenso 'edel', wie sein Vater es ausdrückte, nicht so gewöhnlich, wie alle anderen Sportarten und eben keine Disziplin, in der Adrien ein Naturtalent war und ihm somit tatsächlich herausforderte. Und ungemein ablenkte.
Und so brach Adrien Agreste regelmäßig in die Schießhalle ein, meist früh Morgens oder Nachts, jedes Mal genau dann, wenn Shadow Moth besonders brutal und grausam angegriffen - und fast gewonnen hätte - und bisher wurde er erst ein einziges Mal erwischt.

Gedankenverloren begutachtete Adrien die Pfeilspitzen, als er eine Tür laut hallend zufallen hörte. Korrigiere. Zwei Mal.

,,Monsieur Agreste! Soll ich mich daran gewöhnen, sie hier zu überraschen?" Mit einem strengen, aber dennoch gutmütigen Gesichtsausdruck sah ihn der ältere Mann an. Schuldbewusst ließ Adrien die eingesammelten Pfeile wieder in den Köcher gleiten und hängte sich in der gleichen Bewegung den Bogen um die Schulter.
,, Wie sind Sie diesmal hereingekommen - und bevor Sie antworten, die Fenster hab ich gestern Abend selbst verschlossen."
Adrien lächelte leicht, als er an seine letzte, recht notdürftige Ausrede zurückdenken musste. Schnell entschied er sich für eine weniger höfliche, aber glaubwürdigere Antwort - ,,Wenn ich es Ihnen sage, wird mir der Weg wohl nicht mehr offen stehen, nicht?"
Er ließ seinen Trainer, den Besitzer dieser Schießhalle nicht aus den Augen, während er langsam den Köcher und Bogen zurück an ihren angestammten Platz legte.

Sein Trainer seufzte, runzelte die Stirn. Langsam fuhr er sich durch die schon leicht ergrauten Locken.
,,Adrien - Wir verstehen uns gut, aber ich kann Ihnen dennoch nicht erlauben, ohne Aufsicht und außerhalb des Trainings die Halle zu nutzen. Selbst wenn sie Dampf ablassen müssen, ist Bogenschießen nicht die sicherste Lösung dafür."
,,Wenn ich mit dem Boxen anfange, dreht mein Vater durch", ließ Adrien in einem Anflug von Ärger verlauten, bevor er den Blick verlegen abwandte. Monsieur Moreau als Zielscheibe seiner Frustration zu benutzen lag nicht in seinem Interesse.

Moreau seufzte erneut, legte seine kräftige Hand auf Adrien Schulter und schob ihn Richtung Ausgang. ,,Letzte Verwarnung, Adrien, sonst muss ich Ihren Vater informieren. Jeder sollte sich an die Regeln halten."
Adrien nickte, schwor sich aber im gleichen Moment still, in Zukuft besser aufzupassen. Oder er schickte Plagg zum Schmiere stehen - zumindest wenn Adrien ihm extra Käse versprach, würde der Kwami wahrscheinlich auch einwilligen.
Bis auf eine dünne, hellgrüne Jacke hatte Adrien nichts dabei - er war heute früh aus seinem Fenster entkommen, gerade als die ersten gelben Strahlen den grauen Himmel erleucheten.
,,Es tut mir leid, Monsieur Moreau," besann sich Adrien noch auf Höflichkeit, entlockte dem Mann aber nur ein müdes Lächeln. Ihm war bewusst, dass sein Trainer ihn spätestens jetzt aus dem Verein hätte rauswerfen müssen.
,,Wir sehen uns am Dienstag, Adrien, und sei pünktlich." Moreau schloss die Tür hinter Adrien.

Der Parkplatz war bis auf einen grauen Peugeot leer. Die Birken, die den Platz säumten, trugen bereits gelblich gefärbte Blätter und drei Tauben spazierten gemütlich über die Pflastersteine, vorbei an zwei großen, dunkelgrünen Müllcontainern.

,,Na, das war doch mal was", meldete sich Plagg keck aus seinem Versteck und durchbrach die Stille des Morgens. ,,Ich hab dir ja gleich gesagt, dass du erwischt wirst!"
Das hatte er nicht, aber Adrien fand es unnötig, ihn darauf hinzuweisen.
,,Gehen wir jetzt nach Hause? Ich hab Hunger!" fragte der Kwami und setzte sich auffordernd auf Adriens Schulter.

,,Ich will noch nicht heim, Plagg", murmelte Adrien, klopfte gedankenverloren seine Taschen ab und stellte fest, dass er sein Handy ebenfalls in seinem Zimmer gelassen hatte. Mist.
Hastig huschte Adrien hinter die Müllcontainer, außer Sichtweite der Straße. ,,Plagg, verwandle mich", flüsterte er, ließ seinem Kwami so nicht einmal Zeit für einen überraschten Laut.
Wenn Natalie in sein Zimmer kam und er war nicht da - nicht mal zu erreichen - würde ihm definitiv mehr drohen, als eine bloße Strafpredigt. Sie ließ ihn ja schon recht viel durchgehen, hinter dem Rücken seines Vaters. Von der Halle aus brauchte man fast zwanzig Minuten mit dem Auto, wenn der Verkehr günstig war, und mehr als eine Stunde zu Fuß. Chat Noir brauchte nicht länger als zehn Minuten. Mehr als einmal riss er dabei beihnahe Blumenkästen von Balkonen, kollidierte fast mit einer Taube im Flug und landete einmal mit dem Kopf voran in einer Wäscheleine auf einer Dachterasse. Er blieb nicht stehen, um die blauen Vorhänge wieder aufzuhängen.

Ein Blick durch die Fensterfront reichte, um zu sehen, dass seine Zimmertür geöffnet war. Mit dem Fuß auf den letzten Centimetern des Daches gegenüber, änderte Chat Noir die Richtung und landete knapp hinter der Grundstücksmauer, verborgen zwischen dichten, dunkelgrünen Blättern eines Ligusterbusches.
,,Verwandle mich zurück", hauchte Adrien tonlos, fischte im selben Moment ein Stück Camembert aus der Jackentasche, drückte es in Plaggs Pfoten.
,,Die Haustür geht auf", warnte Plagg ihn, die Katzenohren zuckten nach Links. Das Rascheln der Blätter drang unangenehm laut in Adriens Ohren, als er sich zwischen den Zweigen hindurchschob, ein vertrocknetes Blatt verfing sich in den blonden Haaren. Adrien hatte Zeit genug, sich auf den penibel geschnittenen Rasen zu legen, die Beine anzuwinkeln und den Blick in Richtung der Wolken zu lenken, bevor die schwarzhaarige Frau um die Hausecke kam. Natalies Haut schien blass, ihre dünnen Finger umklammerten fast krampfhaft ihr Tablet und Adriens Handy. Ihr gehetzter Blick traf Adriens, der bemüht überrascht den Kopf drehte, die kurzgeschnittenen Grashalme kitzelten seinen Nacken. Ihr Ausdruck im Gesicht wechselte innerhalb Sekunden von Erleichterung zu Ärger.

,,Adrien!"

Mit wenigen Schritten erreichte sie die Rasenflächen, brachte Adrien dazu, sich aufzurichten - er wollte es vermeiden, dass sie von oben auf ihn herabblicken musste.
,,Entschuldigung. Ich konnte nicht schlafen. Ich brauchte nur frische Luft." Seine Stimme hörte sich hohl für ihn an, Natalie fiel es nicht auf. Ihre Augenbrauen wanderten in die Höhe, als sie ihm sein Handy reichte. Dann richtete sie ihren Blick nach oben zu Adriens Fenster - Eines stand offen, dicke Efeuranken schlängelten sich am unteren Fensterrand entlang, bildeten einen dichten Teppich auf der beigen Backsteinmauer.
Der Efeu war Adriens Alibi, jedes Mal wenn er aus dem Fenster stieg, statt die Zimmertür zu nutzen. Natalie setzte zum Sprechen an, doch Adrien ließ sie nicht zu Wort kommen - ,,Lass gut sein. Ich wollte alleine sein. Ich hatte nicht vor, das Grundstück zu verlassen."
Die Lüge drang leicht über seine Lippen, doch aus dem Ton konnte er seinen Frust diesmal nicht verbannen. Sie runzelte die Stirn, schob mit dem Zeigefinger ihre Brille zurecht.
,,Geht es dir gut, Adrien?"
Adrien setzte ein leichtes Lächeln auf - ,,Sicher."

Er wartete nicht auf eine Antwort, lief an ihr vorbei, zurück ins Haus. Er ignorierte das im Esszimmer bereitete Frühstück, betrat sein Zimmer. Lenkte seine Gedanken ausschließlich auf seine Hausaufgaben vom Freitag. Das Natalie ihn gefragt hatte, wie es ihm gehe, riss an seinen Nerven - es war immer einfacher der brave, talentierte Sohn zu sein, wenn keiner näher hinschaute.
In den nächsten Stunden schaffte er es erfolgreich, ausschließlich im Hier und Jetzt zu bleiben - er erledigte alle Hausaufgaben, übte zwei Stunden lang am Klavier, bis seine Finger taub wurden und sich jede Note gleich anhörte, verließ das Haus am Nachmittag zum Fechttraining.

Er war zu früh in der Schule, die Umkleide war noch leer. Der kleine Katzenkwami nutzte die Gunst der Stunde und schwebte frei sichtbar neben Adriens Kopf herum, musterte angeekelt den roten Apfel, den Adrien sich noch aus der Küche gemopst hatte.
,,Ehrlich, du isst den ganzen Tag nichts, und dann nur so ein Stück Pflanze! Uää!" Mit übertriebenen Bewegungen tat Plagg so, als würde er sich übergeben, entlockte Adrien ein kleines Lächeln.

,,Ich esse nach dem Training. Und außerdem - nicht jeder isst so viel wie du", sagte er schulterzuckend, Plagg schnaubte. Dann weiteten sich seine grünen Augen plötzlich und ein fettes Grinsen zeigte sich auf seinem Gesicht.
,,Apropos, Essen - ich glaub ich hab noch was in deinem Spint!"
Bevor Adrien überhaupt realisierte, was Plagg gerade von sich gegeben hatte, huschte der Kwami bereits durch Adriens Spinttür hindurch, begleitet von einem leisen >Plopp< - im nächsten Augenblick drang ein leiser Schrei aus dem Schrank und Adrien beeilte sich, die Tür aufzusperren. Er ahnte schon, was Plagg zum Schreien gebracht hatte - die letzte Fechtstunde hatte für Adrien vor vier Wochen stattgefunden, am Anfang der Ferien, kurz bevor er mit seinem Vater in den Urlaub geflogen war. Und wenn Plagg seinen Käse dort drin hatte liegen lassen -
Eine Giftwolke schlug Adrien aus dem geöffneten Schrank entgegen, ließ ihn zurückweichen. Der Kwami hingegen flüchtete so schell, dass er geradewegs gegen Adriens Gesicht knallte. Sofort tastete Adrien nach der Tür und schmiss sie wieder zu.

,,Mein Camembert!" Pures Entsetzen zeigte sich in den Katzenaugen - jammernd krallte sich der Chaosgeist in Adriens Haaren fest, die kleinen Ohren flach angelegt. ,,Mein - Mein Käse!"

Adrien starrte auf die entsetzte, absolut verzweifelte Katze, die er aus seinen Haaren fischte, dann brach das Lachen aus ihm heraus. Sicher, in den letzten Jahren hatte Adrien kein einziges Mal länger als ein paar Tage Paris verlassen, sodass Plagg nie in die Verlegenheit gekommen war, den Käse lange zu lagern (außerhalb eines Kühlschranks), hatte seinen geliebten Camembert niemals lange rumliegen lassen und lieber aufgegessen. Damit, dass Käse verschimmeln konnte, hatte Plagg überhaupt nicht gerechnet.

Das Lachen verstummte zum kichern, als Plagg eine beleidigte Schnute zog und die kleinen Pfoten verschränkte.
,,Jaja, lach nur! Vielleicht - vielleicht ist er ja noch zu retten -", fing Plagg zögerlich an, brachte Adrien zum verstummen.
,,Oh nein! Davon isst du nichts mehr, sonst vergiftest du dich noch. Das landet im Müll, verstanden?" Eindringlich starrte er den Kwami an, bis dieser murmelnd nachgab.
Eine Minute später lag das grünlich-graue Etwas in der zugeknoteten Mülltüte in der Ecke des Raumes, die Spinttür weit offen, das Fenster ebenfalls.

Adrien war nur froh, dass noch kein anderer Fechtschüler anwesend war - das zu erklären wäre peinlich gewesen.
Mit einem Lächeln beobachtete Adrien den Kwami, der sich Adriens Sportshirt geschnappt hatte und damit wild herumwedelte, um den kleinen Metallschrank durchzulüften - leise drangen Verwünschungen an Adriens Ohr.
Mit einem Schmunzeln griff Adrien in seine Jackentasche - dass er noch eine kleine Tupperdose mit Camember darin verstaut hatte, würde er Plagg wohl erst ein wenig später erzählen.

***

Mit halb geöffneten Lidern beobachtete Adrien den Sonnenaufgang. Der Himmel war leicht bewölkt, die Wolken stahlten rosa. Leichte Atemwölken bildeten sich, seine Arme umschlungen seinen Oberkörper. Er trug die dünne, hellgüne Jacke und nur dicke, graue Wollsocken, deren Unterseiten vom taubesetzten Rasen nass waren. An diesem Sonntagmorgen hatte er die Zimmertür genommen - die Nachtwache, ein Mann mitte dreißig, war ihm stirnrunzelnd gefolgt, als er in aller Herrgottsfrühe, noch im Dunkeln und nur mit der Handytaschenlampe bewaffnet das Haus verlassen hatte. Jetzt stand er in der Nähe und ließ ihn nicht aus den Augen, betrat jedoch nicht die Wiese. Er überlegte wahrscheinlich gerade, ob er dem jungen Agreste nicht doch noch eine Jacke holen sollte, aber so genau achtete Adrien nicht auf ihn.

Er war genauso wie gestern aufgewacht, schweißgebadet, unruhig. Seine Bettdecke war zu schwer und warm gewesen, die Dunkelheit des Zimmers zu dicht.
Er wollte es nicht wagen, erneut in die Schießhalle einzubrechen, verzog sich deshalb im Garten. Er hatte sich bemüht, beide Füße normal zu belasten, auch wenn sein linker Fuß krampfte und unangenehm ziepte, dass Adrien bei jedem Schritt ein Wimmern unterdrücken musste. Er hatte den schlafenden Kwami in die Jackeninnentasche gelegt, sein leises Schnarchen nur für ihn hörbar. Sein Rücken schmerzte, als hätte er die Nacht auf dem Boden verbracht, sein Gesicht glühte, als hätte er Fieber.
Aber seine Körpertemperatur war normal, das hatte er überprüft, bevor er aus dem stickigen Zimmer geflohen war.

Adrien hasste die Tage danach, nach den Kämpfen. Er hasste die Alpträume und die Schmerzen, die er hatte, auch wenn er geheilt war. Es waren Phantomschmerzen, die ihn in den Wahnsinn trieben. Träume, die ihn wach hielten.
Frische Luft half dagegen, morgendliche Stille, wenn selbst der Stadtlärm verstummt war.

Die ersten Sonnenstrahlen trafen sein Gesicht, als er im Augenwinkel eine Bewegung wahrnahm. Adrien reagierte nicht, blinzelte erst als das Sonnenlicht ihn blendete, verschränkte die Finger ineinander, lehnte die Stirn dagegen. Die Kälte der Steinwand kroch bereits durch die Kleidung die er trug, betäubte die Schmerzen im Rücken. Seufzend schloss Adrien die Augen, blendete das Pochen in seinem Fuß aus, bis es gänzlich verschwand.
Etwas Schweres legte sich auf seine Schultern, der Duft nach Minzblättern erreichte seine Nase.
,,Sie sollten wieder ins Haus gehen, Monsieur Agreste. Es ist schon zu kalt." ertönte die recht sanfte Stimme des Mannes, der plötzlich direkt neben ihm stand - seine schwarzen Lackschuhe waren nass, er trug selber nur eine Anzugjacke, braune Augen sahen den Jungen besorgt an. Schuldgefühle meldeten sich, Adrien wusste nicht einmal seinen Namen.
Langsam nickte er, stemmte sich an der Hauswand hoch. Seine kühlen Finger umklammerten den Saum des dicken Fließmantels, der seinem Vater gehörte und wohlige Wärme spendete, obwohl er seit Monaten unbenutzt an der Garderobe hing.

,,Sagen Sie bitte Niemandem was hiervon", sagte Adrien bittend, der Mann nickte, nahm ihm den Mantel wieder ab, sobald sie die große Eingangshalle betraten. Das Weiß in den Marmorfliesen leuchtete in dem dunklen Raum, die ersten Sonnenstrahlen spiegelten sich darin, wurden an die Wand geworfen, erleuchteten als einzigste Lichtquelle die breite Saaltreppe.

Adriens nasse Wollsocken quitschten leise auf dem glatten Fliesenboden, das Geräusch von ihren Schritten hallte durch die Stille. In seinem Zimmer schloss Adrien die Tür, legte Plagg wieder auf seinem Kopfkissen ab. Die Luft hier drin war warm und dick, Adrien überlegte kurz, das Fenster zu öffnen, entschied sich dagegen, es war ihm schon kalt. Langsam zog er sich die nassen Socken von den kalten Füßen, tauschte auch deinen Pyjama gegen einen Trockenen, bevor er sich wieder unter der Bettdecke versteckte. Aber schlafen konnte er nicht mehr. Dafür wurde es zu hell in seinem Zimmer und Plaggs Schnarchen wirkte zu laut in seinen Ohren. Die Staubflusen in der Luft leuchteten vom Sonnenlicht, waren viel zu fesselnd, um die Augen zu schließen.
Plagg quietschte leise, als er gähnte, die kleinen spitzen Reißzähne zeigte, bevor er sich im Schlaf wälste und sich gegen Adriens Wange schmiegte. Die Schnurrhaare kitzelten ihm am Ohr, Adrien musste lächeln, als Plagg im Traum mit den Pfoten wedelte und sie immer wieder gegen sein Gesicht drückte.

Es war Plagg, der ihm durch den restlichen Tag half - ob nun bewusst oder unbewusst, seine sarkastischen Kommentare zu Adriens (zugegeben miserablen) Klavierübungen am Morgen und das Grimassen schneiden, wenn er hinter dem Rücken von Adriens Chinesischlehrer schwebte, sodass Adrien nur mit Mühe sein Lachen unterdrücken konnte, ließen die letzten Schatten der Träume verblassen. Auch wenn der Kwami häufig so tat, als wäre ihm nichts wichtiger, als seine Leibspeise, so schien er instinktiv zu wissen, wann er Adrien aufmuntern musste.

,,Du sag' mal -", murmelte Plagg am Abend, eingekuschelt im Kopfkissen, den Schwanz um den kleinen Körper, über die Schnauze gelegt, mit müder Stimme. ,,Wie lange willst du diese Sprache eigentlich noch üben? Du kannst sie doch schon -" Plagg unterbrach sich selbst mit einem Gähnen.
,,Ich werde sicherlich nicht ewig -" setzte Adrien zur Antwort an, aber Plagg schnarchte bereits. ,,Gute Nacht, Quälgeist." murmelte Adrien stattdessen und lächelte.

In den nächsten Nächten ließen die Visionen nach, verblichen zu leichten Schemen von Unwohlsein, rissen ihn jedoch nicht mehr unsanft aus dem Schlaf. Die Augenringe verblassten und seine Mitschüler hörten am Mittwoch bereits auf, ihm besorgte Blicke zu schenken.
Bis auf Marinette.

In der letzten Pause, kurz vor der Chemiestunde, hatten sie sich zu viert unter der grünen Treppe im Innenhof verkrümelt. Ninos dicke Daunenjacke war ihm zu warm, diente ihm und Alya stattdessen als Sitzkissen. Er hatte seine Kopfhörer mit dem Handy verbunden und hielt sie zwischen sich und den Kopf seiner Freundin und sie lauschten einen seiner neuesten Songs. Marinette saß direkt unter der fünften Stufe auf dem blanken Boden, ihr Skizzenbuch lag aufgeschlagen auf ihrem Schoß, der Bleistift lose in ihrer Hand.

Ihre Aufmerksamkeit lag jedoch seit einigen Minuten auf Adrien, der versuchte sich auf das Chemiebuch zu konzentrieren, dabei las denselben Satz bereits zum siebten Mal.
Eine Haarsträhne hing genau zwischen ihren blauen Augen, als sie schließlich die Augenbraue hochzog und ihn ansprach.
,,Wenn - wenn dir was zu viel wird, musst du nicht alles machen, Adrien." Sie hielt ihre Worte recht unspezifisch, aber Adrien wusste trotzdem was sie meinte. Als er mit den zusätzlichen Spanischstunde und Bogenschießen angefangen hatte, hatten seine Freunde recht einstimmig mit Unverständnis reagiert - das er seine rare Freizeit freiwillig weiter kürzte als sie es eh schon war. Er hatte ihnen nur schlecht sagen können, dass Stress ihm Ablenkung schenkte.
Adrien reagierte mit einem Lächeln.

,,Du schaffst doch auch ziemlich viel", meinte er. Dass Marinette trotz Schule, Nähen und Backen noch Zeit hatte, sich regelmäßig, teilweise den ganzen Nachmittag mit ihren Freunden zu treffen, wunderte ihn schon länger. Er wusste von ihr, dass wenn sie an einem neuen Kleidungsstück arbeitete, dafür mehrere Stunden, wenn nicht sogar Tage opferte.
Marinettes Wangen färbten sich rosa.
,,Eben nicht - ich verschlafe ständig."

Alya kicherte leiste, grinste breit - ,,Und sie kommt immer zu spät!"
Marinette grinste verlegen, Adrien schmunzelte.
,,Apropos zu spät - Adrien, du musst jetzt mal irgendwann festlegen, ob du feiern willst oder nicht, sonst ist die Playlist nicht rechtzeitig fertig", meldete sich Nino, legte die Kopfhörer neben sich auf den Boden. Adrien öffnete den Mund, aber Alya kam ihm zuvor - empört plusterte die Brünette ihre Wangen auf, schob ihre Brille zurecht.
,,Natürlich feiert er! Er wird volljährig! Ich erwarte eine große Party, mit allem Drum und Dran!" Sie wedelte mit ihrem Zeigefinger vor Adriens Nase herum, starrte ihn dabei mahnend an.
Adrien grinste. Seine letzten Geburtstage hatten sie immer heimlich gefeiert, es als "Hausaufgabengruppe" getarnt, da sein Vater ihm eine richtige Geburtstagsfeier nicht erlaubte. Nach seinem (katastrophalen) fünfzehnten Geburtstag, dessen Feier der Akumatisierte Nino und so indirekt von - damals noch - Hawkmoth organisiert wurde, hatte Adrien keine Lust gehabt, Gabriel Agreste umzustimmen. Diesmal jedoch hatte er die gute Stimmung seines Vaters während der Ferien ausgenutzt und ihn - ganz nebenbei - bei einem Abendessen im Restaurant gefragt, ob er seinen Achtzehnten Zuhause feiern dürfe - genau in dem Moment, in dem sie nicht alleine im Raum waren und das Live-Essemble ihr Lied beendet hatten, so dass alle (in der Nähe) Anwesenden ihn hören konnten. Sein Vater hatte gar nicht ablehnen können.

,,Alles geregelt. Papa hat zugestimmt." sagte Adrien, zuckte erschrocken zusammen, als Alya aufquietschte und beigeistert in die Hände klatschte.
,,Super! Ich hab schon mit der Planung angefangen - wenn es dir nichts ausmacht - und ich hätte das nicht gerne umsonst gemacht!" - ,,Vergeblich", korrigierte Marinette und grinste ihre beste Freundin an. Erleichtert, dass das Interesse an seinem Gemütszustand abgelenkt wurde, fragte er nach, woraufhin Alya ihr Tablet aus ihrer Tasche kramte.
Die restliche Schulpause redete sie ununterbrochen, stellte ihm ihren Organinsationsplan vor, sodass Adrien das Gefühl hatte, sie würde eine Gala vorbereiten und keinen Geburtstag. Nur die Gästeliste hatte sie ausgelassen.

,,Wen du einlädst, kannst du aussuchen", beendete sie ihren Vortrag, gerade als die Schulglocke ertönte.
,,Welch' Güte!", meinte Adrien sarkastisch, brachte Marinette zum lachen. Grinsend drücke Alya Nino seine Jacke in die Arme und schnappte sich ihre Schultsche - ,,Ach was! Du kannst mir immernoch reinreden."
Belustigt folgte Adrien seinen Freunden ins Klassenzimmer.
,,Das werd' ich mir merken."

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Helluuuu^^

Es ist offiziel... ich hasse Gabriel Agreste, da könnte er sonst noch was machen, die Meinung ändere ich nicht mehr! Ich hab die letzte Folge der 5. Staffel geguckt, und hätte diesem Kerl am liebsten eine rein gehauen - sorry, aber er ist echt nicht mehr ganz dicht *-* (Kwamis Choice Part 1)

So... was anderes - mal eine Frage an euch :)) Wenn ihr einen Kwami als Gefährten/Freund wählen könnten, welchen würdet ihr nehmen? Also ich bin ja absolut in Plagg verliebt xD

Ich hoffe euch hat das neue Kapitel gefallen ^^ Lasst doch gerne ein Kommentar da (Wird das irgendwann bescheuert, wenn ich das immer schreibe? ... egal xD)
Ich wünsche euch noch einen wunderschönen Tag/Abend/Morgen und schonmal einen schönen 4. Advent (wenn ihr das hinterher lest: nachträglich ^^)
LG Danni


Artwork

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