21 - mania
Chat Noir hatte den Blick von Marinettes Mutter nicht lange ertragen können. Ihr Blick hatte plötzlich eine Härte angenommen, die er von der sanften Frau nicht kannte.
Also hatte er den Stapel Papier auf den Schreibtisch abgelegt, hatte versucht ihrer stummen Wut standzuhalten, bevor er aufgab.
„Und er wird dafür bezahlen."
Es waren die letzten Worte, die er noch an Ladybugs Mutter gerichtet hatte, bevor er gegangen war. Er hatte nicht weiter auf eine Reaktion warten können.
Jetzt, hier, nur wenige Meter von der Agreste-Villa entfernt, fragte er sich, was Sabine getan hätte, wenn er länger geblieben wäre. Mit einem Kopfschütteln verdrängte er die Gedanken wieder. Er hatte keine Zeit, sich darüber den Kopf zu zerbrechen - sein Zimmerfenster stand noch offen, Chat Noir machte sich auch nicht die Mühe, es wieder zu schließen. In der Mitte des Raumes blieb er schließlich stockend stehen.
Er hatte keine Ahnung, was er jetzt tun wollte. Sollte.
Einfach zu seinem Vater gehen, ihn als Chat Noir angreifen? Alles in ihm wiederstrebte diesem Gedanken. Mit der Wahrheit hatte sich seine gesamte Gefühlswelt verschoben - der Hass ShadowMoth gegenüber war einem Chaos gewichen, den er nicht einmal genau bestimmen konnte.
Früher war es ihm relativ egal gewesen, was ShadowMoths Ziele gewesen waren. Jetzt glaubte er sie zu kennen - und das war auch das Einzige, was ihn davon abhielt, kopflos loszustürmen.
Das Einzige, was ihn dazu brachte, sich doch wieder zurückzuverwandeln.
Nur noch einmal musste er mit seinem Vater reden. Er konnte nicht sagen, warum - er wusste nur, dass er nicht gegen ihn kämpfen wollte.
Ohne ein Wort zu sagen, reichte Adrien seinem schwarzen Kwami ein Stück seines Camemberts. Plagg sah ihn nur an - sein Gesichtsausdruck war undeutbar für Adrien.
„Was wirst du jetzt tun?", fragte Tikki ihn leise - sie hatte ihren Platz auf seiner Schulter nicht verlassen, wirkte ungewohnt angespannt. Adrien musste das Zittern in den Händen unterdrücken, als er statt einer Antwort nach der Kette um den Hals griff. Das Metall war warm von dem Körperkontakt - die Ohrringe, die daran hingen, schimmerten leicht im Tageslicht.
„Tikki, du bleibst hier", sagte er schließlich, die Stimme klanglos mit einem Zittern darin. Er hatte die Ohrringe seit Wochen nicht abgelegt - es jetzt zu tun, fühlte sich wie ein Verrat an. Aber es war zu gefährlich.
Tikki holte Luft, wollte protestieren, dass sah er ihr an - bestimmt schüttelte er mit dem Kopf - „Bitte, Tikki. Er soll dir nicht zu nahe kommen."
Seine Stimme klang flehender, als er es wollte - es reichte. Tikkis blaue Augen glitzerten, als sie nachgebend nickte - plötzlich wirkte sie viel kleiner, als vorher.
Sie würde alleine sein, begriff er - Adrien blinzelte heftig, bevor er ihr die Kette hinhielt.
„Geh zur Schatulle. Sag den anderen Kwamis, wo ich hin gehe - wenn ich nicht zurückkomme - dann müsst ihr zu Alya. Sie kann euch beschützen, wenn ich -"
Tikkis Blick ließ ihn verstummen. Sie hatte plötzlich genau den gleichen dunklen Ausdruck, wie Sabine Cheng zuvor - „Erzähl keinen Stuss, Adrien. Du wirst zurückkommen. Verstanden?", sagte sie mit scharfer Stimme, bevor ihr Gesichtsausdruck wieder weicher wurde.
„Du bist ein Held, Adrien. Du bist der Träger eines der mächtigsten Miraculous. Du hältst die Macht der Zerstörung in deinen Händen. Wenn es jemand schaffen kann, dann du."
Ihre Worte klangen unwirklich - Adrien glaubte ihr nicht, dafür hatte er zu oft versagt. Und welche Chance würde er schon haben - gegen seinen Vater hatte er noch nie etwas ausrichten können, weder als Adrien, noch als Chat Noir.
Aber Tikki ließ sich nicht beirren - sie nahm ihm die Ohrringe ab, bevor sie ihn wieder ansah. Das Kwamimädchen starrte ihn so an, dass er den Wunsch verspürte, ihrem Blick auszuweichen. Er gab ihm nach.
Kalter Wind blies durch das offene Fenster, ließ ihn frösteln. Tikki sagte nichts weiter - er spürte ihren Blick, auch wenn er zu Boden sah, zuckte zusammen, als sich plötzlich etwas Warmes gegen seine Wange drückte.
„Sie hat Recht. Du bist stark genug, mich unter Kontrolle zu halten. Aber du musst aufhören, dich weiterhin in deinen eigenen kleinen Käfig zu sperren. Dir geht es nicht gut, das weiß ich, aber du musst dich jetzt konzentrieren. Auch wenn du es nicht siehst, du hast ShadowMoth gegenüber einen vielleicht entscheidenden Vorteil - du weißt, wer er wirklich ist. Du kennst ihn. Er hat keine Ahnung, wer du bist."
Adrien seufzte leise, als er den Worten des schwarzen Kwamis lauschte. Er war sich nicht mehr sicher, ob er seinen Vater wirklich kannte - oder es überhaupt jemals getan hatte. Oder? Der Gedanke, dass Gabriel durchaus ShadowMoth sein könnte, den hatte er schon länger - seit Jahren. Es war immer nur eine wage Idee gewesen, die er mit aller Kraft und erfolgreich ignoriert hatte.
Und Ladybug musste den Preis dafür zahlen.
***
Als Adrien das Arbeitszimmer seines Vaters betrat, landeten dessen Augen sofort auf ihm. Er ballte seine Hand zur Faust, spürte die Kühle seines Ringes an der Hand. Allem langen Überlegen und Grübeln zum Trotz, wusste er absolut nicht, was er sagen wollte, alle Gedanken waren plötzlich wie weggewischt - Er hatte genügend Zeit gehabt, sich seine Worte zurechtzulegen, solange er sich abgemüht hatte, die Treppe herunterzukommen. Niemand hatte ihn dabei gesehen, die Eingangshalle gespenstisch leer.
Die Temperatur des Raumes schien mit jeder Sekunde weiter zu sinken - die grauen Augen seines Vaters wirkten dunkel und starr.
Seine Wut auf Adrien nach ihrem gestrigen Streit schien noch längst nicht verraucht zu sein.
Als Adrien schließlich den Mund öffnete, dachte er überhaupt nicht mehr darüber nach, was er eigentlich hatte sagen wollen.
„Du hast Marinette ermordet", hauchte Adrien einfach aus dem Impuls heraus, die Augen fest auf Gabriel gerichtet, damit er nicht anfing zu zittern. Die Tatsache nun direkt auszusprechen, machte das Ganze nur noch hundertmal schlimmer. Er wusste nicht, was er erwartete - Gabriel regte im ersten Moment keinen Muskel, als hätte er Adriens Worte gar nicht gehört.
Dann änderte sich seine Miene abrupt, wurde zur Maske aus purer Irritation - ein Ausdruck, die Adrien bei ihm noch nie gesehen hatte.
„Wie bitte?" Kein bisschen Nervosität schwang in seiner Stimme mit.
Adriens Puls beschleunigte sich - was wenn er sich doch irrte - wieder ballte er die Hände zu Fäusten, verbannte die leisen Zweifel in seinem Hinterkopf. Es war zu offensichtlich. Er brauchte nur noch eine Bestätigung.
Plötzlich wurde ihm klar, warum er auf ein Gespräch beharrt hatte - Warum er nicht einfach als Chat Noir hierher gekommen war. Er wollte die Wahrheit hören. Aus dem Mund seines Vaters - Ohne, dass auch nur einer von ihnen seine Maske trug.
Mit einem letzten Atemzug versuchte er, auch die letzten Gefühle zu bannen, die ihn meistens daran hinderten, sich gegen seinen Vater aufzulehnen.
„Bitte Vater, lüg mich nicht an. Ich weiß, das du ShadowMoth bist -"
„Adrien, sei nicht so dumm. Die Pfauenbrosche ist eine Nachbildung. Das habe ich dir einmal erklärt und damit ist genug. Wenn du diese Tatsache nicht verstehst -", in Gabriels Stimme klang Verachtung mit, verärgert verzog er das Gesicht.
Mit einem Schaudern erkannte Adrien, wie absolut perfekt sein Vater seine Masken wechseln konnte - er würde ihm die Emotionen abkaufen, wenn er nicht verzweifelt genug gewesen wäre, an seiner Vermutung festzuhalten. Sein Vater tat gut daran, ihm die Unschuldsmaske zu zeigen - als Adrien alleine, wäre er wahrscheinlich nie auf die Idee gekommen, seinen Vater hinter ShadowMoth zu vermuten - und wenn doch, dann hätte die falsche Brosche und Gabriels Erklärung dahinter ausgereicht, um ihn zu beschwichtigen. Sein Vater konnte jedoch nicht wissen, dass Chat Noir einiges mehr wusste, als Adrien Agreste.
Etwas, was Adrien seinem Vater jedoch nicht sagen konnte. Er wollte darauf hoffen, dass sein Vater seinem Sohn die Wahrheit sagen würde, wenn er ihn danach fragte - wenn er ihm all das vor die Füße warf, was er (offiziell) wissen konnte.
„Du meinst die Nachbildung, die du mir erst gezeigt hast, als ich danach gefragt habe? Wie passend, das du sofort einen Gegenbeweis parat hattest, als ich auch nur ansatzweise angefangen habe, einmal Fragen zu stellen!"
Adrien schaffte es diesmal nicht, das Zittern aus seiner Stimme herauszuhalten. Diesmal zuckte er nicht vor der Verachtung in den Zügen seines Gegenübers zurück. Als hätte sich sein Unterbewusstsein dafür entschieden, den Respekt für seinen Vater zumindest für den Moment zu vergessen.
„Du nennst mich dumm - aber das war ich lange genug. Dein verdammtes Firmenlogo ist ein Schmetterling. Du hast die Zeit, das Geld und den Raum dafür. Du hast mich eingesperrt, mich mit Aufgaben beladen, so dass ich zufällig niemals in Kontakt mit den Akumatisierten gekommen wäre. Du bist der Einzige, der schon in der Vergangenheit Kontakt mit den Miraculous hatte, als du das Buch erhalten hast. Es gab keine Angriffe, wenn du nicht in der Stadt warst. Und vergiss es, dass ich weiterhin so hübsch ignorieren werde, dass du durchaus skrupellos genug bist, um andere Menschen zu verletzen!"
Unwillkürlich war Adrien drei Schritte nach vorne getreten. Gabriel hingegen hatte sich nicht bewegt. Keine Regung zeigte sich auf seinem Gesicht, die Wut, die Adrien in seine Worte gelegt hatte, schienen an ihm abzuprallen.
Er wirkte überhaupt nicht mehr, wie jemand, der auch Emotionen zeigen konnte.
Adrien musste an die letzten Sommerferien denken - das war das letzte Mal, wo ihm sein Vater wie ein Vater vorgekommen war. Er hatte zufrieden ausgesehen, als hätte er sich endlich von seiner permanenten Trauer um seine Frau lösen können.
Jetzt wusste Adrien, dass er nicht deswegen glücklich gewesen sein konnte - wer konnte sich schon von einem Verlust lösen, wenn der Grund dafür im Keller gebettet war -
Als hätte Gabriel Adrien Gedanken vernommen, zeigte sich plötzlich ein Lächeln auf seinem Gesicht - es sah gekünstelt aus, seine Augen blieben leer.
„Genug jetzt, Adrien. Du lässt dich mittlerweile zu oft zu solchen unsäglichen Aussagen herab." Gabriels rechte Hand zuckte kurz, das Lächeln wurde spöttisch. „Wenn du mir keinen richtigen Beweis liefern kannst -"
„Du willst maman zurückholen. Das würdest du tun, wenn du die Miraculous bekommen könntest - du hast mir dasselbe für Marinette angeboten, damit ich dir bei diesem Wahnsinn helfe. Dir ist egal, wer verletzt wird. Dir ist sogar egal, dass du ein Leben für Ihres opfern müsstest. Du bist wahnsinnig genug, um Mamans Leiche zu verstecken, statt Sie zu bestatten -"
Adriens Stimme überschlug sich, zischend hielt Adrien den Atem an, als die Worte seine Lippen verließen - so viel hatte er nie sagen wollen -
Das war der Moment, in dem Gabriel Agrestes Gesichtszüge verrutschten. Sein falsches Lächeln fiel in sich zusammen, er riss die Augen auf - Adrien überkam ein drückendes Gefühl, als er begriff, dass er fliehen musste, solange er noch konnte.
Gabriel gewann die Fassung schneller zurück, als Adrien. Es war echte Wut, die er nun zeigte, die Schultern bebten, sein Blick verdunkelte sich, er griff nach dem silbernen Ehering an seiner rechten Hand.
„Woher weißt du das!?"
Adrien dachte plötzlich nicht mehr wirklich darüber nach, was er tat. Sein Verstand klinkte sich einfach aus.
Sein Wunsch zur Flucht verpuffte ins Nichts, als hätte sein Vater ihm ins Gesicht geschrien, als würde sein Instinkt glauben, sich nicht mehr anders schützen zu können -
Diesmal tat die Verwandlung zu Chat Noir nicht mehr weh. Für einen kurzen Augenblick fühlte und dachte Adrien überhaupt nichts mehr - dann schwappte die Panik hoch, als er viel zu langsam realisierte, was er da tat -
Die Überraschung in Gabriels grauen Augen war echt.
Und gerade als sich Chats Gewissen wieder meldete, er sich entsetzt fragte, warum er seine Identität jetzt einfach so, nach fast vier Jahren akribischer Geheimhaltung, direkt vor seinem Vater aufgab - da schien sich bei dem Mann vor ihm ein Schalter umzulegen. Die Überraschung verschwand aus seinem Blick, machte einem Ausdruck Platz, der Chat Noir einfach nur Angst einjagte - Triumph.
Gabriel Agreste verschwendete keinen Gedanken daran, dass er jahrelang gegen sein eigenes Kind gekämpft hatte. Er verschwendete keinen Gedanken daran, dass er seinen eigenen Sohn verletzt hatte - und fast getötet hätte. Mehrmals. Stattdessen grinste er jetzt, mit einem Blitzen in den grauen Augen, die lebloser nicht mehr hätten wirken können.
„Nooroo, Duusu, verwandelt mich!"
Das Purpur, als sich das violette Leuchten von Nooroo und das dunkelblaue von Duusu mischten, war die schrecklichste Farbe, die Chat je gesehen hatte - denn obwohl das purpurfarbene Licht so hell leuchtete, dass es fast weiß war, wirkte die Magie dunkler als Schwarz.
Die grauen Iriden in seinen Augen wurden zu glühendem Violett, musterten Chat Noirs Bewegungen mit morbider Faszination. Chat wurde übel, das war nicht geplant - wich die drei Schritte wieder zurück.
„Du kannst gleich aufgeben - du bist gelähmt, du dummer Junge." ShadowMoths tiefe Stimme dröhnte in Chats Ohren. Er war sich seines Sieges bereits gewiss, rechnete fest damit, ihm vollständig überlegen zu sein.
Doch er rechnete nicht damit, dass Chat Noirs Verstand weiterhin dazu neigte, dumme Entscheidungen zu treffen. Und das Chat Noir durchaus laufen konnte.
Und während ShadowMoth ihn weiterhin höhnisch musterte, machte Chat einen abrupten Satz nach vorne, griff in einer fließenden Bewegung nach seiner Waffe und griff seinen Vater frontal an.
Im Nachhinein wusste Chat nicht mehr, wie lange genau der Kampf in dem Arbeitszimmer andauerte. Vor den vielen Schlägen und Tritten konnte sich Chat meistens nur durch waghalsige Sprünge nach hinten retten - ShadowMoth war schneller, stärker und vor allem größer als er.
Eine der Ausstellungspuppen machte Bekanntschaft mit der Wand hinter Chat Noirs Rücken, als er sich ohne Atemzüge zu Boden warf.
Eine der Deckenlampen schlug funken und zersplitterte, als Chats geworfener Stab seinen Gegner verfehlte.
Der Gehstock, den ShadowMoth wie einen Degen nutzte, prallte gegen seine silberne Waffe - Chat spürte ein dumpfes Kratzen auf der Brust, als sein Vater ihn mit dem Pfauenfächer traf - dessen Kanten blitzten kurz auf, als sich das Licht an den Klingen daran spiegelte. Plaggs magisches Schutzschild hielt einwandfrei stand. Chat wurde klar, dass ShadowMoths körperliche Stärke sich nicht mit der des Sentimonsters messen konnte - trotz zweier magischer Miraculous.
„Dir ist es egal, oder?", rief Chat Noir, wich einem neuen Schlag seines Vaters aus, der mit seinem Fächer stattdessen einen der schweren Vorhänge zerteilte. Chat wurde zurückgerissen, als sich die Finger ShadowMoths um das Ende seines Gürtelbandes schlossen, das Glas des Fensters splitterte, als sein Rücken dagegen schlug. Scherben fielen auf den Marmorboden, verfingen sich in seinen blonden Haaren.
„Mir ist so vieles egal, Chat Noir - habe ich dir nicht beigebracht, präziser zu sein?", sagte ShadowMoth, packte Chat bei seinen Worten an der Schulter und warf ihn zwischen die Scherben auf den Boden. Die Kanten der Glassplitter stachen ihn zwischen die Schulterblätter, ein kurzer scharfer Schmerz hinter dem Ohr, als eine der Splitter die Haut anritzte.
Zischend biss er die Zähne zusammen, krallte sich an den Händen seines Vaters fest, der ihn nicht losließ, versuchte mit den Krallen dessen Handschuhe zu durchstechen - „Dir ist es egal, das - du bist -", Chat stockte, als ShadowMoth nach seinem Hals griff, sich mit seinem Gewicht darauf lehnte, ihm die Luft plötzlich ausging, ein dumpfer Schmerz, der seinen Hals zerquetschte - „ein Mörder -"
Schwarze Flecken tanzten in seinem Sichtfeld, ließen die purpurnen Augen nur noch heller glühen.
„Hast du das -", seine Stimme versagte, Taubheit breitete sich aus, die Gedanken wurden lahm - Rauschen erfüllte seine Ohren, er sah nichts mehr, außer das violette Höllenfeuer - „zumindest - einmal - bereut?"
Das stimmlose Flüstern aus seinem Mund erfüllte die Stille, nur begleitet durch das Knirschen von Glasscherben, dem Pfeifen seiner mühsamen Atemzüge, das leise tiefkehlige Lachen aus dem Mund seines Vaters.
ShadowMoths Lippen verzogen sich zu einem Grinsen, Chat konnte den warmen Atem im Gesicht spüren, als er sich zu ihm herunterbeugte und das Glühen seine Sinne benebelte - „Nein - keine Sekunde lang."
Chat Noir wollte nicht mehr, er wollte aufgeben, einfach ruhen - sein Kopf dröhnte, die Lunge brannte, und er glaubte, die Pflanze würde ihn erneut zerquetschen wollen, ein Feuer verbrannte ihn von innen, eine Kälte fraß sich durch seine Kehle - und wenn ShadowMoth Ja gesagt hätte, dann hätte Chat diesem Wunsch nachgegeben. Irgendetwas in ihm brach, so wie das Fenster vor einigen Minuten, zerfiel in hunderttausend kleine Teile und Splitter, nährte das Feuer in seinem Inneren zu einem wütenden Sturm aus Flammen, Zorn und Hass. Chat Noir war nicht mehr fähig, zu sprechen, seine Gedanken zersplittert.
Diesmal war es alleine Plaggs Magie, die seine Kraft entfesselte, ohne, dass Chat Noir irgendetwas dazu beitrug. Vielleicht wollte Plagg nicht einfach so aufgeben. Vielleicht war es auch der Teil von Chat, der Ladybug liebte, der Teil von ihm, der in erster Linie ein Held war und nicht der Teil, der Gabriel Agrestes Sohn war.
Der Ring an seinem Finger fing schwarzes Feuer, glühende Dunkelheit wirbelte auf, hellgrüne Funken trafen zischend auf das Handgelenk, das Chat umklammerte, pure Zerstörung bohrte sich mit seinen Krallen durch den magischen Schutz und traf auf bloße Haut.
ShadowMoths Schrei riss Chat aus seiner Dunkelheit, das Gewicht verschwand von seiner Kehle, die Luft riss kalt an seiner Lunge, als er einatmete. Sein Körper handelte instinktiv, er landete auf den Füßen, die linke Hand bereits wieder mit seiner Waffe erhoben - dann viel sein Blick auf seinen Vater.
Sein ganzer linker Unterarm rauchte schwarz, grün-violette, leuchtende Risse zogen sich über den magischen Stoff, die rechte Hand umklammerte den Arm, den zusammengeklappten Fächer noch immer im Griff - ShadowMoths Gesichtszüge gleichen einer zerrissenen Maske, ein Blutrinnsal löste sich von seiner Unterlippe.
Chat erstarrte, als ihm klar wurde, weshalb ShadowMoth geschrien hatte, als ihm klar wurde, was er getan hatte - Sein Herzschlag dröhnte in seinen Ohren, die Krallen bohrten sich in seine Handflächen, ihm wurde eiskalt.
„Nein - papa!"
Seine Stimme krächzte nur, die Worte schmerzten in der Kehle. Seine Augen brannten, ein Zittern erfasste seine Schultern. ShadowMoth - nein, Gabriel, hörte ihn, hob den Blick von seiner Wunde am Arm - ihre Blicke trafen sich.
Und Chat Noir sah in diesem Blick nichts anderes als blanker Hass. Zorn. Schmerz. Wahnsinn. Ein tiefes, animalisches Knurren ertönte aus Gabriels Kehle, sein Gesicht verzerrte sich nur noch mehr zu etwas Unmenschlichen, purpurne Flammen tanzten in seinen Iriden. Als der Mann schrie, war es nicht mehr Schmerz, der darin mitklang.
Diesmal hörte Chat Noir auf sein Gefühl - oder es war wieder Plagg, der die Kontrolle an sich riss - er ignorierte sein Gewissen, seine Pflicht, vergaß sein Herz und seinen Verstand.
Er rannte weg.
Eine Glasscherbe knirschte unter seiner Schuhsohle.
Kalter Winterwind riss an seiner Gestalt.
Feiner Eisregen peitschte in seine Augen.
Das Brüllen folgte ihm wie ein wildes Raubtier seine Beute.
In den letzten Monat hatte er jede Nacht Albträume gehabt. Albträume von Feuern und Pflanzen, Monstern und Krallen, Zähnen und Dornen. Von Schreien der Menschen, die ihm am Herzen lagen und Lachen von Menschen, die er hasste.
Träume von schwarzen Nebeln und leuchtenden Schmetterlingen, schwarzer Magie, die nichts hinterließ, außer purpurfarbener, glühender Asche und reißenden Winden, deren Kälte alles verbrannte.
Doch jetzt wachte er nicht auf. Seine Kehle brannte wirklich, sein Herzschlag ließ seinen Brustkorb zerspringen, in seinem Kopf nichts als reine Panik.
Er wollte weg, weit weg, so weit wie er konnte.
Das Herzklopfen zerriss sein Trommelfell, die Tränen froren zu Eis auf seinen Wangen, er stolperte beim Sprung an einer Dachkante, schlug auf den Knien auf, stand auf, lief weiter.
Und dann holte ihn sein Vater ein.
Ein Schrei entfloh Chats Lippen, die Kopfhaut brannte, als ShadowMoth in an den Haaren zufassen bekam, zurückriss. Sein Kopf wurde ruckartig nach hinten geworfen, seine Halswirbel knackten, seine Füße knickten weg, die Schienbeine schlugen auf den Dachplatten auf.
Die breite Hand drückte seinen Kopf auf den Boden, ein Knie bohrte sich in seinen unteren Rücken, da, wo der Bruch gewesen war - scharfe Krallen rissen an seinen Nerven, Stiche zogen sich den Rücken hoch, Chat biss sich auf die Zunge, um die Schreie in seiner Kehle zu verschließen.
Sein Anzug wurde durch den rauen Untergrund aufgeschliffen, als ShadowMoth ihn an den Haaren zur Dachkannte zerrte, die Schmerzen am Hinterkopf waren kaum spürbar, so taub war ihm. Jede scharfe Dachfuge schnitt über seine Schultern - sein Kopf knallte auf die Dachkante, als sein Vater seinen Kopf losließ, das Knie wieder in seinen Rücken bohrte, dass er sich kein Stück bewegen konnte.
„Seht - seht her - euer kostbarer Held hat versagt - Erneut!"
Die tiefe Stimme dröhnte in seinen Ohren, die Taubheit ins einem Inneren breitete sich aus - Chat Noir konnte die Reaktionen der Menschen auf der Straße nicht hören, so laut rauschte sein Blut, so laut klopfte das Herz ShadowMoths.
Seine Sicht verschwamm, als er den Kopf drehte, seine Wange wurde gegen die Kante gedrückt. Chat fing den Blick seines Vaters auf - kalte, glühende Augen und kein Stück Menschlichkeit darin.
„Und nun seht zu, wie er stirbt."
Für einen kurzen Augenblick blieb die Zeit stehen. Chat Noirs Herz stockte in seiner Brust, der Atem setzte aus, die Gedanken blieben leer. Alles Licht verschwand, als er die Augen schloss, versuchte, sich an ihr Gesicht zu erinnern -
Chat Noir spürte die Hand um seinen Hals nicht, hörte nur das feine Klingen des Fächers, als ShadowMoth ausholte.
Er sah Marinette, ihr Lächeln, ihre blauen Augen, in denen sich das goldene Licht einer untergehenden Sonne spiegelte.
Ein Ruck durchfuhr ihn, als sein Körper wieder reagierte, er griff nach ShadowMoths verwundeten Unterarm, bohrte seine Krallen in den glühenden Riss auf der Haut - Gabriel brüllte, Chat, mit aller Kraft die er noch hatte, drehte sich unter dem Knie um, trat nach dem anderen Bein, dass ShadowMoth das Gleichgewicht verlor. In einer fließenden Bewegung langte er nach den Hals seines Vaters.
Chat Noir schaffte es nicht, zu blinzeln, als sich aus dem Nichts ein feuerfarbener Schatten gegen ShadowMoth warf, sein Gewicht verschwand von Chats Oberkörper, doch seine Hand hatte sein Ziel bereits zwischen den Krallen.
Die Luft strömte schmerzhaft in seine Lungen, seine Seite brannte, seine Finger umschlossen den Gegenstand in seiner Hand.
Chats Sicht klärte sich, sein Blick fokussierte sich auf die beiden Kämpfenden - Rena Rouges Anzug schimmerte in einem dunklen Rot, dunkler als früher, wütender - Das Fuchsmädchen nagelte den Schurken mit ihrer Waffe fest, dessen Augen vor Schmerzen noch geschlossen waren, dessen Unterarm noch stärker rauchte.
Sein Anzug glühte.
Die Pfauenmuster erloschen in dem violetten Licht, der schillernde Fächer mit den Klingen zerfiel zu Asche - Chat Noir hielt die blaue Brosche in seiner Hand, als HawkMoth ihn anstarrte, das Gesicht zu einer Fratze aus Hass verzerrt.
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Hello, wie geht es euch?
Wir sind jetzt schon beim großen Finalkampf :o Zumindest dem ersten Teil davon. Wie hat es euch gefallen?
Danke again an alle Kommentare die ich bis jetzt bekommen habe <3 Es ist jedes Mal herzerwärmend, eine kleine Rückmeldung zu erhalten ^^
Ich muss (Leider) ankündigen, dass sich die Geschichte nun dem Ende neigt - es folgen noch zwei Kapitel und ein Epilog. Aber, wie ich im letzten Kapitel schon geschrieben habe, arbeite ich gerade an der Konzeptplanung einer Fortsetzung^^ Ich kann noch nicht allzu viel über den Plot verraten, einige nähere Infos gebe ich dann später noch dazu.
Ich höre mal lieber auf und wünsche euch eine weitere schöne Woche und bis nächsten Montag^^
LG Danni
Artwork
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