19 - truth

Plagg musste zugeben, dass er in den letzten Jahren niemals auch nur daran gedacht hatte, mehr von Adriens Zuhause sehen zu wollen, außer seinem Zimmer und der Küche - zwangsweise hatte er noch weitere Räume gesehen, aber neugierig war er nie weiter gewesen.
So hatte er in den dreieinhalb Jahren nie auch nur verstanden, wie verdammt groß dieses Haus war.

Der Kwami wusste, dass Adriens Vater weitaus reicher war, als alle anderen Menschen, mit denen Plagg (indirekt durch Adrien) Kontakt hatte (in dieser Zeit). Allerdings machte sich der kleine Chaosgott auch nichts aus materiellen Besitz (bis auf seinem kostbaren Camembert - der war ihm heilig, seitdem die Menschheit diese Köstlichkeit erfunden hatte).

Und während er unauffällig durch die Wand von Adriens Zimmer schwebte, die für einen Kwami kein weiteres Hindernis darstellte, fragte sich Plagg, was er in den letzten Jahren so, verdammt nochmal, falsch gemacht hatte.

Plagg war schon unglaublich alt - älter als dieser Planet und dessen Bewohner, älter sogar als diese wunderbar warme Sonne, die er so liebte. Und er hatte schon unglaublich viele Fehler gemacht (Und die meisten davon, bereute er auch).
Er hatte viele Träger, Menschen, alle mit unterschiedlichen Charaktern und Lebensweisen, alle mit mal mehr oder weniger guten Absichten. Allerdings war noch nie einer dieser Ringträger gestorben - auch die von dem kleinen Marienkäfer nicht. Niemals.

Mit dem Tod kannte Plagg sich aus - viele Menschen, die ihn getroffen hatten, hatten ihn selbst schon als 'Tod' betitelt, aber das war natürlich völliger Humbug.

Plagg war Chaos.

Plagg war Zerstörung.

Und auch wenn er damit den Tod mit einbeschloss, war Plaggs Wesen weiter gefächert, als das bloße Ende eines Lebens. Für den Tod an sich waren eh andere Götter, aus anderen Kulturen dieser Welt zuständig - das lag vor allem daran, dass es vor der Entstehung des Lebens, soetwas wie den Tod noch gar nicht gegeben hatte.

Früher, ganz früher, da gab es nichts, außer die Entstehung von Materie und dessen Vernichtung. Schwarz und Weiß. Ordnung und Chaos. Tikki und Plagg. Yin und Yang.

Doch im Laufe seines Langen Lebens war nicht nur der Aspekt von Tod und Leben dazugekommen.
Sondern auch Gefühle. Gefühle, die auch Wesen, Götter, Uralte, Kwamis, wie Tikki und ihn betrafen, befielen und nicht losließen.

Wenn ihm am Anfang allen Lebens vielleicht egal gewesen war, wenn etwas starb, so war es längst nicht mehr so. Und er hatte niemals zugelassen, dass einer seiner Träger sein Leben ließ. Je älter er war, desto stärker wurde sein Wunsch, soetwas Zerbrechliches wie Leben erhalten zu wollen - desto schneller gewöhnte er sich an den Menschen, der seinen Ring trug, desto schneller lernte er, den oder diejenige beschützen zu wollen.

Umso schlimmer war es, mitzuerleben, wie Tikki einen solchen Menschen an den Tod verlieren musste.

Plagg konnte jeden Tag sehen, wie sehr seine zweite Hälfte darunter litt.

Und vielleicht - vielleicht war das ganze ja nur so, weil Plagg nicht aufmerksam genug gewesen war.

Plagg fühlte sich unglaublich dumm und blind, während er still und heimlich den holzvertäfelten Raum neben Adriens Zimmer abflog. Es war das Zimmer von Natalie. Aber bis auf einem gerahmten Bild von der Schwarzhaarigen und Adriens Mutter, Arm in Arm, fand er nichts auffälliges.

Er war unglaublich blind, wenn Adrien tatsächlich Recht hatte und Gabriel Agreste ShadowMoth war.

Es war so verdammt offensichtlich, dass sich Plagg immer wieder fragte, wieso zum Teufel es ihm nicht aufgefallen war.

Da war das Buch der Miraculous - das sich zufällig im Besitz des Designers befand, schon seit vielen Jahren - da war das Logo der Marke Agreste, das einen Schmetterling zeigte - da war die ständige Abwesenheit des Mannes, der sich beihnahe niemals aus dem Haus begab (an und für sich kein Beweis, aber ein Indiz) - da war die Brosche in Pfauenform, die Plagg schon vor Jahren in diesem Safe gesehen hatte.

Vielleicht war es seiner Natur geschuldet, dass er das alles für bloße Zufälle gehalten hatte - Er war der Gott des Chaos, nicht nur der Zerstörung - und Zufälle waren dem Chaos geschuldet. Vielleicht war er aber auch einfach nur zu ignorant und faul gewesen.

Nooroo war die ganze Zeit nur einen Raum weiter - der Kwami das Schmetterlings, welchen Plagg seit Jahrzehnten nicht mehr gesehen hatte.

Andererseits - Plagg hatte von Meister Fu damals nur die Information erhalten, dass jemand das Schmetterlings-Miraculous missbrauchte - Tikki und er wurden danach zu ihren neuen Besitzern gebracht. Keiner hatte Plagg gesagt, dass der Pfau ebenfalls verschwunden war - er hatte damals also einfach nicht damit gerechnet, dass eine Brosche in der Form eines Pfaus, im Safe des Vaters seines Trägers, ausgerechnet Duusus Miraculous sein könnte.

Aufgewühlt durchquerte der Kwami die Eingangshalle, flog ganz oben an der Decke entlang, dass ihn keiner von unten sehen könnte - dort stand nur der Bodyguard - die Tür zum Arbeitszimmer stand offen, Plagg konnte Adriens Stimme nur leise aus dem Raum vernehmen.

Entschlossen flog er weiter - er kannte die Gefühle seines Trägers mittlerweile besser, als Adrien selbst, er wusste, dass sich Adriens unglaublich großer Respekt vor seinem Vater schon längst in Angst verwandelt hatte - dennoch hatte Adrien seinem Plan schließlich zugestimmt.

Seine eigene Idee, dass Adrien Gabriel ablenken sollte, hatte Plagg überhaupt nicht gefallen. Dennoch war es notwendig. Wenn Plagg es sich hätte aussuchen können, hätte er Adrien überhaupt nichts von seinem Plan erzählt, über den er schon seit letzten Freitag nachgrübelte.
Er hätte ihn am liebsten einfach durchgezogen - auf eigene Faust, ohne Adrien oder Tikki.
Doch sollte Gabriel Agreste zufällig den schwarzen Katzenkwami entdecken, während dieser in dessen Schlafzimmer herumflog, dann war alles aus. Ob er ShadowMoth war - oder auch nicht.

Und genau darum ging es Plagg - er musste einfach endlich die Wahrheit finden. Wenn Gabriel Agreste ShadowMoth war - dann gab es Beweise. Es musste sie einfach geben. Eine kleine Spur würde ausreichen - irgendetwas. Und Plaggs erster Schritt dahin war es, dass Anwesen der Agreste einmal auf den Kopf zu stellen (den Inhalt des Safes kannte er ja bereits, sonst würde er zu Not nochmal darin nachsehen).

Im ersten Stock des Anwesens befand sich nur der obere Teil des Eingangshalle, Adriens Zimmer, ein Schlaf- und Arbeitszimmer für Natalie und das Schlafzimmer von Gabriel Agreste. Dieses war genau gleich aufgebaut, wie Adriens - zwei Stockwerke hoch, mit einer Galerie, jedoch ohne die breite Fensterfront - da gab es nur an der Rückseite des Gebäudes - vermutlich hätte ein seitliches Panoramafenster die Symmetrie der Fassade gestört.

Gabriels Schlafzimmer war überraschend schlicht eingerichtet.

Aus irgendeinem Grund hatte Plagg Gemälde erwartet, so ähnlich wie dieses Große in der Eingangshalle, das traurig graue Gemälde von Adrien und seinem Vater.
Das Bild im Flur war grässlich depressiv, wie Plagg einmal herumgenörgelt hatte - Adrien hatte ihm erklärt dass sein Vater es anfertigen und aufhängen ließ, kurz nachdem seine Mutter verschwunden war. Es sollte hängen bleiben, bis sie zu ihnen zurückkehrte - als Erinnerung an ihren Verlust.
Adrien hatte recht mechanisch geklungen, seine Erklärung bestand aus Worten, die sein Vater ihm in den Mund gelegt hatte. Der Junge hatte überhaupt nicht glücklich ausgesehen, aber Plagg hatte damals nicht weiter darauf herumhacken wollen - sonst hätte er ihm gesagt, das das bescheuert war, da es diese ganze verkorkste Familiensituation noch unangenehmer und kälter gemacht hatte - das es traurig war, dass sein Vater in dazu bringen wollte, auf ihre Rückkehr zu hoffen, wo es doch am wahrscheinlichsten war, dass Emelie Agreste schon längst nicht mehr am Leben war.

Stattdessen hing dort kein einziges Bild an der Wand - sie war schlicht weiß, genauso wie der flauschige Teppich auf dem dunkeln Holzboden und das Ehebett, bei dem nur die eine Hälfte mit schwarzer Bettwäsche bezogen war. Die andere Hälfte war leer.
Dicke Vorhänge verdeckten die beiden hohen Fenster, ließen das Zimmer unheimlich dunkel erscheinen, auf der Galerie standen Bücherregale, ein Kleiderschrank darunter. Ein breiter Schreibtisch aus dunklem Mahagoni stand in der Ecke, dessen Oberfläche gänzlich leergeräumt. Hier drin fand Plagg absolut gar kein Anzeichen, dass hier überhaupt jemals jemand drin war, außer zum Schlafen.

Plagg war überhaupt nicht zufrieden - war das hier doch der einzige Raum, von dem er wusste, bei dem Gabriel seinem Sohn verboten hatte, es zu betreten. Doch selbst nach einer zweiten Durchsuchung, blieb der Raum so gut wie leer.

Der Kater unterdrückte sein Fluchen, flog durch die Decke hindurch - Adrien hatte ihm erzählt, dass sie einen Dachboden hatten/ einen dritten Stock, er da aber seitdem er klein war nicht mehr dort oben gewesen war (Adrien hatte Plagg mit hochrotem Kopf gestanden, dass er sich dort immer beim Versteckenspielen versteckt hatte, bis er einmal einer handgroßen Spinne begegnet war - danach war er nie wieder da hoch gegangen).

Der Kwami fand einen großen Raum vor, mit hoher Decke, die von Stahlstreben gestützt wurde, die Wände waren zum Dach hin abgerundet, ein großes, rundes Fenster flutete das Zimmer mit Abendlicht. Der Boden war schlicht aus Beton. Plagg sah hier keine riesige Spinne, aber was anderes sah er auch nicht. Der Dachboden/dritte Stock war gänzlich leer.
Plagg seufzte geschlagen auf. Er hatte gehofft, nicht im Erdgeschoss suchen zu müssen. Diesmal entwich ihm das Fluchen, konnte doch keiner ihn hier oben hören - doch bevor er genervt wieder durch den Boden verschwinden konnte, stockte er, mitten im Flug.

Er wusste er nicht was es war, aber irgendetwas störte ihn - und zwar gewaltig. Er brauchte einige Sekunden, um zu realisieren, was es war - Wie konnte Adrien als kleines Kind hier hoch kommen - wenn es keinen Eingang gab?!

Plagg riss seine grünen Augen auf, ließ ein Zischen hören - er bezweifelte, dass Gabriel Agreste den Dachboden/dritten Stock versiegeln würde, nur damit sein Sohn die riesige Spinne nie wieder sehen musste - gleichzeitig sah der Dachboden/dritte Stock alles andere als unbenutzt aus - die Staubschicht am Boden war zu dünn, um Jahre alt zu sein, die Glasscheiben des Fensters waren zu klar, um seit Jahren nicht geputzt worden zu sein.

Es gab nur diesen Raum im dritten Stock, hinter den Wänden befanden sich nur die Dachplatten - er sah extra nach.
Der Boden wies kleine Risse auf, die ganz normal waren, bei Betonböden, vorallem wenn sie älter waren. Nur eine Fläche im hinteren Teil des Raumes sah neu betoniert aus - als hätte jemand den Boden dort ausbessern - oder einen Eingang verschließen wollen. Nur ein einzelner Riss in Form eines perfekten Kreises durchzog den Boden, zu perfekt, um zufällig zu sein.
Im Boden darunter fand Plagg einen schmalen Schacht aus Glas, schwach beleuchtet mit grünem Licht, komplett eingeschlossen in der Hausmauer. Die Backsteine hier waren neuer, als die der Außenwände des Hauses, hatten vielleicht einen viel größeren Schacht verschlossen - vielleicht eine alte Treppe, die zum Dachboden geführt hatte - nun ersetzt von einem modernen Aufzug.

Entschlossen folgte Plagg dem grüngetauchtem Tunnel nach unten - passierte im Abflug eine Unterbechung der roten Backsteine, dort, wo der Etagenboden durchbrochen wurde, weiter durch das Erdgeschoss und weit darunter hinaus. Es überraschte ihn ein wenig, hatte der Kwami doch unbewusst geglaubt, der Schacht würde ins Erdgeschoss führen - das Haus hatte zwar einen Keller, der war aber nicht größer, als ein Heizungsraum, einer Waschküche und einem Weinkeller mit Vorratskammer, die im östlichen Teil des Anwesend lagen, direkt unterhalb der Küche (die mit einem Speisenaufzug vom Keller aus versehen war) und dem Esszimmer.
Dieser Aufzug lag auf der westlichen Seite. Und Plagg glaubte, nicht, dass die Kellerräume groß genug waren, um die gesamte Fläche der Villa einzunehmen.

Es dauerte einige Augenblicke, bis ein helles Licht die Dunkelheit des Schachtes erhellte. Die Backsteine verschwanden in der Decke, die Sicht wurde frei auf einen Raum, der Plagg den Atem raubte.

Das war kein Zimmer. Und definitiv kein Keller. Er würde es nichtmal als Raum bezeichnen.

Plagg stockte mitten im Flug, blinzelte heftig, aber das Bild vor seinen Augen veränderte sich nicht. Das da, das war eine Halle - nein, ein Saal - ein riesiges Konstrukt, gehalten von breiten Stahlträgern an den Wänden, mindestens drei Stockwerke tief, wenn nicht sogar mehr - Plagg glaubte eine Unterirdische Höhle entdeckt zu haben, und vielleicht war es das auch mal gewesen - vielleicht ja ein Stück dieses gruseligen und unerforschten Labyrinths, dass Paris' Untergrund durchzog, welches Plagg erst einmal von innen gesehen hatte - damals, vor mehreren Jahrhunderten (war es das Zwölfte? Plagg wusste es nicht so genau, das mit der Zeitrechnung war noch nie so wirklich sein Ding gewesen), als sein damaliger Besitzer die Stollen als Fluchtweg genutzt hatte.

Sein Träger hatte sich darin nicht ausgekannt. Die Tunnel und Höhlen waren zu weit verzweigt, zu lang gezogen, stellenweise zu eng, das man hindurch kriechen musste, manchmal verschüttet, dass sie umdrehen mussten, zu viel verwinkelt, dass man vergaß, in welche Himmelsrichtung man lief, verliefen steil nach unten, steil nach oben, dass man klettern musste, ohne zu wissen, wie tief man unter der Erde war.

Kurz blitzten die Erinnerungen wieder hoch, der Geruch von Kalk- und Ton kam ihm in die Nase, der Staub schien seine Augen wieder zu reizen, die knirschenden Schritte seines Trägers auf den losen Kieseln und das flackernde seiner Fackel, die die einzige Lichtquelle war, da die Tunnel zu dunkel waren, dass selbst Plagg kaum etwas sehen konnte - Unruhig schüttelte der Kwami die Erinnerungen ab. Sie hatten sich verlaufen und waren tage- vielleicht sogar wochenlang in diesen Tunnelsystemen herumgeirrt. Als sie den Weg hinaus gefunden hatten, hatte Plagg geglaubt, vielleicht auch gehofft, nie wieder nach Paris zurückzukehren, war jedoch eines besseren belehrt worden.

Als Chat Noir sich das erste Mal in den Abwasserkanälen der Stadt versteckt und zurückverwandelt hatte, war Plagg kurz in Panik ausgebrochen - er hatte diese Tunnel gehasst, nachdem er und sein damaliger Träger darin herumgeirrt waren, ohne Licht (Fackeln brannten nicht ewig), ohne essen und nur Wasser, was aus den Steinen der Decke tropfte. Plagg hatte jedoch schnell bemerkt, dass die Gänge der Kanalisation nicht die Stollen waren, vor denen er sich fürchtete, dazu waren die Wände zu glatt gewesen, der Geruch zu - stinkig - und das Licht zu hell.

Der Kwami blinzelte noch einmal, dann verließ der den Schacht durch die Glasscheibe hindurch. Beihnahe sofort kroch im der penetrante Geruch nach Pfefferminze in die Nase, dass er niesen musste. Der Saal/die Halle war in künstlich gelbes Licht getaucht, das von Lampen an den Wänden abgegeben wurde, sowie von einem großen, runden (künstlichen - sie waren Unterirdisch!) Fenster - das dem auf dem Dachboden gleich war. Der Aufzugschacht lag in der Ecke des Saales, auf der Seite, wo die riesige Plattform lag, die mit Pflanzen überwuchert war. Ein Stahlsteg führte von dort über einen See hinweg, dessen Grund nicht einsehbar war, so trüb war das Wasser. Auf der anderen Seite der Höhle/des Saales war ein weiterer Schacht aus Glas, mittig im Raum.

Das muss der eigentliche Eingang sein, dachte Plagg, wurde jedoch nicht wirklich schlau daraus, was Gabriel mit solchen Räumlichkeiten vor hatte.
ShadowMoth brauchte vielleicht einen Raum, in dem er sich verwandelte und aufhielt, solange er seine Akumas kontrollieren musste. Einen Raum, wie einen unzugänglichen Dachboden, den niemand betreten konnte. Aber ShadowMoth brauchte keine kirchengroße Höhle direkt unter seinem Grundstück, zumindest wusste Plagg nicht, wofür.

Plagg verharrte auf dem halben Flug zu dem anderen Aufzug, drehte sich wieder zurück. Sein Blick fiel auf den angelegten Garten, der dort Untertage wucherte. Dicke Wurzeln lagen dort, gerahmt von breiten Büschen mit weißen Blüten, die wiederum von Pfefferminzplanzen umrundet waren - daher auch dieser unangenehm starke Geruch.
Aber die Minzpflanzen waren gar nicht das, was Plaggs Blick auf sich zog.

Es war die weiße Kapsel? Kasten? Plagg wusste nicht wirklich, wie er dieses Ding bezeichnen sollte, dass mit goldenen Linien verziert war. Neugierig schwebte er näher, begutachtete die grünen Lampen an der Unterseite, die runde Abdeckung aus einem Kunststoff, die den Inhalt dieser Kapsel vor ihm verbarg.
Technikkram, dachte er. Ihm wäre eine magische Truhe mit einem verfluchten Schloss daran lieber gewesen - mit Magie kannte er sich aus. Mit modernen Maschinen nicht.

,,Was solls", seufzte Plagg leise, schwebte durch die Abdeckung.

Er bereute es sofort. Im Inneren empfing in eisige Kälte, dass er meinte, sein Atem würde gefrieren. Selbst durch das mangelnde Licht, konnte er genug erkennen, um entsetzt wieder fliehen zu wollen - nur war er zu geschockt, um zu reagieren.
Das Innere der Kapsel (oder Sarg, wie er jetzt erkannte) war weiß gepolstert und auf dem glatten Stoff lag eine Leiche.

Plagg konnte spüren, dass irgendetwas in ihr so vernichtet war, dass da kein Leben mehr war - obwohl der Ausdruck in ihrem schlafenden Gesicht friedlich wirkte.

Er wimmerte. Tote verursachten immer ein bestimmtes Gefühl - Leere, Tod, ein raues Gefühl von Asche unter den Pfoten. Diese hier war schlimmer. Er konnte die Asche ihrer Seele nicht nur fühlen, sondern auch riechen - schmecken - wie das Gefühl, Sand zu verschlucken. Es war, als hätte dunkle Magie ihren Körper eingenommen. Verdorben. Ihre Seele zerrissen und verbrannt.

Der Kwami starrte auf das Gesicht vor ihm, erkannte die Form ihrer Augen, selbst wenn sie geschlossen waren. Erkannte die goldene Farbe ihrer Haarsträhnen, die dieselbe Farbe hatten, wie Adriens. Es war dasselbe Gesicht, von dem Adrien ein Foto auf seinem Nachtschrank stehen hatte.

Endlich reagierte der Kwami, ruckartig verließ er die Kapsel, floh förmlich vor Emelie Agrestes leblosen Körper.

Plagg hatte nach Hinweisen gesucht. Nach Beweisen, dass Gabriel Agreste ShadowMoth war.
Er hatte nicht erwartet, Adriens Mutter zu finden.

Ohne sich weiter gegen seinen Instinkt zu wehren, flüchtete geradewegs durch die Decke.

***


Adrien hatte sich, gleich nach seinem Besuch bei Alya, Plaggs Plan angenommen. Und ihm war immer noch ein wenig kalt und übel, von dem Streit, den er eben gezwungenermaßen mit seinem Vater führen musste. Er hatte sich mehrmals innerlich schelten müssen, um nicht einfach wieder zu fliehen. Stattdessen hatte sein loser Mund Worte gesprochen, von denen er bisher immer Angst gehabt hatte, sie seinem Vater gegenüber auszusprechen.

Sie hatten über seine Mutter geredet. Gabriel war ausgewichen, wie er es schon immer getan hatte, aber Adrien hatte diesmal nicht nachgegeben. Adrien würde jetzt, im Nachhinein, nicht mehr wiedergeben können, um was es genau ging. Was genau er gesagt hatte und was genau sein Vater erwidert hatte.

Er wusste nur noch, dass er sich nicht mehr hatte aufhalten können, zu fliehen, in dem Moment, wo sein Vater wütend auf ihn zugelaufen war. Er wusste nur noch, dass sein Vater kurz vorm durchdrehen gewesen war, als Adrien ihn gefragt hatte, warum seine Mutter keine Beerdigung erhalten hatte.

Er wusste nur noch, dass er sich in der Gegenwart seines Vaters das letzte Mal so unerwünscht und falsch gefühlt hatte, als dieser vor Jahren einmal getrunken hatte - der Tag, an dem Adrien geflohen und allein auf einem einsamen Dach gelandet war, der Tag, an dem Chat Noir weinend von Ladybug gefunden wurde.

Jetzt wollte Adrien jedoch nur noch wissen, ob Plaggs Plan Erfolg hatte. Jetzt wollte er nur noch, dass er die letzten Minuten nicht umsonst von seinem Vater angeschrieen wurde, bis zu dem Punkt, in dem Adrien Angst hatte, sein Vater würde ihn schlagen wollen, damit er aus seinen Augen ging.

Plagg sah irgendwie blass aus, auch wenn sein schwarzes Fell die Farbe nicht wechseln konnte - noch blasser, als Adrien sich fühlte. Irgendwas in den grünen Katzenaugen schien verdunkelt zu sein, gemeinsam mit dem Licht seines Zimmers, als Adrien dieses betreten hatte - die Sonne berührte bereits den Horizont, verborgen hinter dichten grauen Nebelschwaden, die im Laufe des Tages nur dichter geworden waren.

Plagg sah irgendwie klein aus, als wolle er sich in den Schatten der Dämmerung verstecken, was ihm dieses eine Mal nicht gelingen wollte.

Und plötzlich wollte er Plaggs Antwort nicht mehr hören.

Er wollte die Wahrheit nicht mehr kennen.

Er war zu zittrig, um den schwarzen Kwami aufzuhalten. Adrien wich seinem Blick aus, konnte Plaggs Stimme aber trotzdem hören.

,,Adrien - Ich habe deine Mutter gefunden."


***************
Hello und guten Mittag/Nachmittag^^

Keine Angst, es wird jetzt nicht zur Gewohnheit, die Kapitel erst so spät raus zu bringen ;) Ich hab jetzt wieder Vorlesungen, und hatte davor noch einige Prüfungen und eine Hausarbeit, die Vorang hatten^^

Also... die Katze ist aus dem Sack ^^ Ich habe diesmal aus Plaggs Sicht geschrieben, einfach weil - ich mag ihn. Und ich finde es wahnsinnig interessant, da er kein Mensch ist und viel älter ist als alles andere. Er wirkt jetzt im denken dennoch recht menschlich, wie ich finde xD
Wisst ihr, was mich schon immer verwirrt hat? Der Ring von Plagg lag auf dem weißen, die Ohrringe von Tikki auf dem schwarzen Feld des Yin&Yang-Zeichens. Zumindest in der Miraculousbox von Meister Fu. Dabei steht Schwarz eigentlich für Schatten, für Negativ und weiß für Hell und Positiv - alsooo soll Tikki als negativ gelten und Plagg als positiv? Ich finds jetzt nicht sonderlich schlimm, aber normalerweise würde man doch Zerstörung als negativ bezeichnen und nicht Erschaffung - naja, ich nehme das jetzt einfach mal so hin xD

Zu dem Keller von Gabriel - hab ihr euch auch schon mal gefragt, wie zum Teufel er das Ding gebaut hat? xD Zumindest, ohne dass es jemand mitkriegt - Adrien kennt das Teil sicher nicht, und eine Baufirma hat das wahrscheinlich auch nicht ausgegraben, die hätten nachgefragt. (Toll, jetzt hab ich Kopfkino - Gabriel mit einer Buddelschaufel, wie er im Keller eine Höhle gräbt xD).
Also hab ich ein wenig getrixt - Praktischerweise hat Paris seine berühmten Katakomben, von denen nur ein kleiner Teil bisher erforscht wurde. Also, was wenn es unter der Stadt auch größere Höhlen gibt, die Gabriel dann einfach umgebaut hat, um sie einsturzsicher zu machen ;))

Nagut, das Nachwort wird wieder zu lang ;) Ich wünsche euch noch eine schöne Woche und bis nächsten Montag (ja, ich wechsel jetzt mal den Update-Tag xD) ^^
LG Danni^^

Artwork

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