10 - void

Vögel zwitscherten, eine leichte Briese bauschte die weißen Vorhänge auf. Seichtes, goldenes Sonnenlicht durchflutete das Zimmer durch das geöffnete Fenster hindurch. Die Luft prickelte angenehm kühl auf der Haut.

Die grünen Augen Adrien Agrestes starrten auf die goldenen Blätter an den Bäumen, beobachteten ihren Tanz im Herbstwind. Er beachtete die Menschen nicht, die in seinem Zimmer herumwuselten und Worte an ihn richteten. Er hätte nicht sprechen können.
Sein Hals fühlte sich durch den Verband geschwollen an, sein Kopf war Verbunden und sein Arm im Gips gefangen. Bei jedem schweren Atemzug drückten die Rippen gegen seine Lunge, die Muskeln krampften und ziepten, selbst durch die Schmerzmittel hindurch. Er hatte seine Finger in die weiße Decke gekrallt, einen kleinen Anhänger umschlossen. Es war ein einfaches Band, mit bunten Perlen bestickt.

Adrien konnte seinen Vater sprechen hören, reagierte aber nicht darauf. Er wollte seine Vorwürfe nicht hören müssen, wieso er wieder nicht gehört hatte, oder weshalb er sich so in Gefahr gebracht hatte, warum er an diesem Tag in dieser Gasse gewesen war, oder auch nur seine leeren Versprechen, das es wieder gut werden würde, das er heilen würde.

Er dachte an die blauen Augen, die in diesem Herbstlicht wie zwei Saphire gefunkelt hätten.

Er hörte das Seufzen seines Vaters, der ihm mit leiser Stimme sagte, er würde bald wiederkommen, bevor er nur noch die Schritte und eine zuschlagende Tür hörte. Erst jetzt drehte sich Adrien vom Fenster weg, starrte auf den leeren Stuhl neben seinem Bett, den Infusionsständer neben dem Nachttisch, auf dem ein Glas Wasser und sein Handy lagen. Sein Blick fiel auf seine Schultasche, die angelehnt an der Wand lag. Sie hatten alle seine Sachen dort hineingetan, auch den Schmuck den er trug. Und doch wollte Adrien den Ring da lassen, wo er jetzt war. Er wollte Plaggs Stimme nicht hören, und vorallem wollte er Tikkis Augen nicht sehen.

Zitternd atmete er ein, schloss die brennenden Augen.
Adrien wünschte sich einzuschlafen, träumen zu können. Nur für einen kleinen Augenblick lang aus diesem Albtraum zu fliehen.

Als Gabriel Agreste das Zimmer seines Sohnes wieder betrat, hatte sich die Luft schon merklich abgekühlt. Mit wenigen Schritten durchquerte er das kleine Einzelzimmer, zögerte, ließ das Fenster jedoch offen. Langsam drehte er sich zu Adrien um und betrachtete ihn. Er schlief, die Augen geschlossen und leicht gerötet, als hätte er geweint. Durch den Kopfverband blitzten nur einzelne goldblonde Strähnen hervor, die Kratzer über der Wange und Lippe leuchteten rot auf der blassen Haut. Leise trat Gabriel näher, befreite die Bettdecke von Adriens verkrampfen Fingern, stich sie glatt. Dabei rutschte etwas kleines aus dem Griff des Schlafenden.

Ein rosafarbenes Band, bunte Holzperlen in verschiedenen Größen und Formen. Gabriel hatte solch ein - Schmuckstück schon einmal gesehen - Adrien hatte es gebastelt, ein kindisches Geschenk, wie Gabriel fand, für dieses Mädchen - Marinette.

Marinette Dupain-Cheng.

Gabriel Agrenste setzte sich auf den Stuhl, legte den Anhänger auf dem Nachtisch neben Adriens Handy ab.

Marinette Dupain-Cheng.

Gabriel starrte gedankenverloren auf den weißen Gips am Arm seines Sohnes. Er fragte sich, was Adrien wusste - wie viel hatte er von dem Nachmittag vor zwei Tagen erfahren können - Gabriel selbst hatte mit keinem Wort das Thema auf den einen Tag gelenkt, hatte darauf geachtet, niemanden zu seinem Sohn zu lassen. Er wusste nicht, ob Adrien die Wahrheit über dieses Mädchen kannte.

Und es missfiel ihm, dass Adrien Halt in einem dummen Geschenk einer Mitschülerin suchte, anstand sich an ihn zu wenden. Dass Adrien nur aus dem Fenster starrte oder so tat, als würde er schlafen, anstatt seinen Vater anzusehen und mit ihm zu reden.

Erst als Gabriel Agreste das Zimmer nach einer halben Stunde endgülig verließ, riss Adrien die Augen wieder auf. Hektisch richtete er sich auf, fuhr keuchend zurück, als seine Rippen anfingen zu brennen - tastete fahrig nach dem Nachtschrank. Als sein Vater ihm den Glücksbringer aus den Fingern entwedet hatte, war Adrien fast in Panik ausgebrochen.

Er hatte diesen Glücksbringer nicht auch noch verlieren wollen - erst als seine Finger die Perlen ertasteten, beruhigte sich sein rasender Herzschlag. Sein Griff verkrampfte sich um den Anhänger, sein Kopf sank in sein Kissen zurück. Die Luft entwich pfeifend seiner Lunge, der Raum drehte sich um ihn herum, sein Schädel dröhnte.

Mit den Tränen kämpfend, kniff Adrien die Augen zu. Ihm war schlecht und kalt, seine Hänge zupften kraftlos an der Bettdecke, wollten sie hochziehen, doch sie war zu schwer.

,,Warte, ich helfe dir."

Die warme Stimme drang durch das Rauschen, die Decke wurde bis unter sein Kinn geschoben. Blinzelnd öffnete Adrien die Lider, brauchte Sekunden, um seine Sicht zu klären.
Nino Lahiffe durchquerte den Raum, schloss das Fenster. Er trug nur Jogginghosen und ein viel zu weiten Pulli, die Füße verschwanden in flauschigen Hausschuhen. Adrien blinzelte erneut, seine Gedanken waren zu zäh, er brauchte zu lange, versuchte sich zu erinnern, weshalb Nino plötzlich hier war - da redete er schon weiter.

,,Ich werde heute Abend schon entlassen. Ich wollte dich aber vorher nochmal besuchen." Nino stockte, legte den Kopf schief und musterte ihn. - ,,Du siehst schon besser aus."

Adrien verkrallte sich im Bettlaken, drehte den Kopf zur Seite. Er konnte sich nicht erinnern, dass Nino schonmal hier gewesen war - Die letzten Tage waren verschwommen, wie im Traum, obwohl er nicht schlafen konnte.

Die Matratze senkte sich unter Ninos Gewicht, die braunen Augen musterten Adrien besorgt. Ein Druck machte sich breit, innerlich schrie Adrien auf - Nino sollte ihn nicht so ansehen, sie sollten alle aufhören, so mit ihm zu reden -

Nino beobachtete, wie sein Freund die trüben Augen schloss, ein kleines Nasenzucken war seine einzige Reaktion.
Als Nino vor zwei Tagen hier eingeliefert wurde, verbrachte er mehrere Stunden im Bett, die Ärzte wollten ihn mit seiner Unterkühlung und den Schrammen an Armen und Schultern noch da lassen. Sie hatten es nicht gewagt, den Jungen nach Hause zu schicken, der seit Stunden apathisch wirkte, seitdem die Polizei ihn an der Seite einer Leiche aufgegabelt hatte.

Nino erinnerte sich nicht wirklich an die Minuten nach Chat Noirs Verschwinden. Sie meinten, er hätte das Mädchen in den Armen gehalten, hatte krampfhaft versucht, sie nicht loszulassen. Dass er gezittert hatte und seine Lippen blau waren, seine Haare tropften noch vom Flusswasser und an seinen Händen klebte das Blut des Superhelden. Und er hatte das Gefühl, sein Versprechen an Chat Noir gebrochen zu haben, in dem Moment, wo seine Fingerspitzen den Kontakt zu Marinette verloren hatten.

Er hatte erst am nächsten Morgen erfahren, dass Adrien nur ein Stockwerk über ihm lag. Seine Mutter hatte es ihm erzählt, die es nur zufällig herausfinden konnte - als sie ihrem Sohn Tee geholt hatte und unfreiwillig das Gespräch zwischen zwei Mitarbeitern belauschen konnte.

Nino hatte sich augenblicklich von seinem Bett erhoben, stülpte sich seine Hausschuhe über die Socken und verließ, eingewickelt in eine Flauschdecke sein Zimmer. Seine Mutter hatte ihn nicht aufhalten können. Die fünf Minuten, die er brauchte, zogen sich in die Länge, als sich die Angst um seinen besten Freund in der Brust festsetzte und seine Schritte zu lähmen schien. Bisher war es sein einziger Trost gewesen, dass zumindest Adrien bei seinem Fotoshooting, bei dem er hätte sein sollen, in Sicherheit gewesen war.
Er hatte Glück, dass Adriens Bodyguard ihn kannte, ihn ins Zimmer ließ, obwohl Adriens Vater ihn angewiesen hatte, niemanden einzulassen.

Adrien war wach gewesen, auch wenn Nino nicht das Gefühl gehabt hatte, dass der Achtzehnjährige irgendwas um ihn herum wahrnahm. Seine Haut wirkte blasser, als die weiße Bettwäsche, dicke Verbände störten das Bild von ihm. Die grünen Augen starrten an die Zimmerdecke, sein Mund war leicht geöffnet, sein Atem hob nur zögernd die Decke über seiner Brust.
Ein durchsichtiger Schlauch lag unter seiner Nase, ein Sauerstoffgerät in der Ecke gab Geräusche von sich, die wie das Gurgeln eines Baches klangen und den Dunkelhaarigen unangenehm an die Sekunden erinnerten, in denen er Unterwasser nach Luft geschnappt hatte, mit nichts als finsterem Nass unter und blutroter, rauer Pflanzenhaut über ihm.

Nino hatte es schrecklich gefunden, hatte mit Adrien geredet - er hatte es nur nicht gewagt, Marinette zu erwähnen.
Er wollte nicht derjenige sein, der Adrien beichten musste, was mit dem Mädchen passiert war, für die er so viel empfand.

Jetzt, einen Tag später, war Nino erleichtert, dass sich Adrien überhaupt bewegte. Die Sauerstoffzufuhr war bereits entfernt worden, Adrien war weniger blass, dafür hatte er geweint. Vorsichtig wischte Nino ihm eine Träne von der Wange, achtete darauf, die Wunde im Gesicht nicht zu berühren.

Adrien zuckte unter der sanften Berührung zusammmen und sah Nino direkt an. - ,,Alya wollte mich nachher abholen kommen. Meinst du - sie kann dich auch mal besuchen kommen?" fragte Nino einfach geradeaus, Unsicherheit zeigte sich auf seinem Gesicht. Adrien nickte nur. Sollten sie doch alle kommen, die die er sehen wollte, würde nicht kommen können.

Adriens Gedanken drifteten ins Leere, Ninos Worte drangen nur dumpf an seine Ohren, ihre Bedeutungen verblassten zum Nichts.
Das Pochen in seinem Schädel wuchs langsam zum Hammerschlag an, er konzentrierte sich nur noch auf das Rauschen seines Blutes und den schnellen Herzschlag.
Und während die Stimme seines Freundes zu einem monotonen Hintergrundsummen verstummte, fiel Adrien endlich in den Schlaf.

Die nächsten Stunden schlief Adrien durch, schreckte erst aus einem Traum, als durch das Fenster nur noch das Licht des Vollmonds schien und das Zimmer kalt wirken ließ.

Die Zimmertür war geschlossen, das Licht im Flur ausgeschaltet. Adrien lauschte in die Stille, ließ den Nachhall der Bilder in seinem Kopf abklingen, bis ihm die Bettdecke zu schwer auf den Brustkorb drückte. Schwach versuchte er die Decke vom Bett auf den kalten Boden zu strampeln, drehte sich auf die Seite.

Adrien stieß zischend die Luft aus, als er meinte, von vielen Armen umschlungen zu werden - der Stoff des Lakens fing an zu kratzen, scharfe Dornen zerrten an seinen Nerven. Auf einmal war die Stille zu laut und die Luft zu dünn.
Er nahm es kaum wahr, dass sich sein Körper selbstständig machte - dass sein Körper auf dem Linoleumboden aufschlug, als die Muskeln in den Beinen nicht reagieren wollten, sich die Füße in der Bettdecke verfingen und nur seine Unterarme seinen Kopf davor bewahrten, erneut aufzuschlagen.

Erst als ihm das Atmen leichter fiel und die Kopfschmerzen abklangen, fand sich Adrien auf dem Boden wieder - sein Herzschlag schlug gegen seine Rippen, als er mühsam seine Beine zu sich zog, mit den Armen umklammerte. Seine Finger erfassten den Saum seiner Tasche, die neben seinem Bett lag, als er wie manisch nach den Schmuckstücken zu suchen begann.

Das Glühen der Kwamis war stärker, als das Mondlicht. Adrien hatte das Gefühl wieder am Kamin zu sitzen, die Wärme des Feuers auf der Haut zu spüren, ihre Stimme klang wie Musik in seinen Ohren - Etwas Flauschiges drückte sich gegen seine kalte Wange, wischte die Tränen beiseite, die er unbemerkt vergossen hatte.
,,Adrien -"

Der Klang seines Namens durchbracht die Stille, wirkte wie ein Hammerschlag gegen den Damm, der aufbrach - ein Schluchzen ließ Adrien erbeben, suchte sich seinen Weg aus seiner Kehle.
Haltlos umklammerte Adrien den schwarzen Kwami, kniff die Augen zusammen, um die salzigen Tränen zu stoppen. Die beiden Kwamis waren die einzige Wärme, die er hatte, an die er sich festhielt.

Wie hatte er die Miraculous so lange weggesperrt, wie hatte er ohne Plaggs Anwesenheit überhaupt atmen können - Angst kam in ihm hoch, Angst, Tikki und Plagg wieder loszulassen, wieder alleine in der Dunkelheit zu sitzen. Ohne ihre Stimmen würde er in der Stille erfrieren.

Der kleine Marienkäfer saß an seiner Halsbeuge, die blauen Augen leuchteten in den Schatten. Sie wartete, bis Adrien seinen Griff um Plagg lockerte, die Handfläche öffnete und sein Schluchzen verstummte, bevor sie ihre Stimme erhob. Während Plagg auf seiner Handfläche sitzen blieb, die grünen Augen nicht von Adriens Gesicht abwandte, stupste sie ihm sanft gegen das Kinn.

,,Ich vermisse sie auch."

Tikki war die Erste, die Marinette erwähnte, die Erste, die das Schweigen um Ladybug brach.

,,Sie hat dich geliebt," erklärte Tikki einfach, wusste, es war viel zu wenig, was man über Marinette sagen konnte, aber dennoch reichte es für den Moment - es löste den Druck nicht auf und nahm Adrien nicht die Schmerzen, die er hatte. Die Worte flickten nicht die Leere in seinem Inneren. Aber sie reichten, um Adrien ein Stück der Kälte zu nehmen, die das Schweigen der letzten Tage hinterlassen hatte.

***

Alya trat am nächsten Mittag über die Türschwelle. Dabei waren ihre Schritte zu leise, als dass Adrien aufsah. Die Brünette wusste nicht, was sie erwartet hatte, kannte nur Ninos Schilderungen über seinen Zustand, hatte seinen Ängsten gelauscht - aber sie hatte definitiv nicht erwartet, den blonden Jungen auf dem kalten Boden vorzufinden.

Sie wusste nicht, dass die Ärzte ihn am Morgen genauso vorgefunden hatten, ihn ins Bett zurücktragen mussten, in welchem er sein Frühstück erhielt, aber doch nicht anrührte.
Er hatte sich den Verbandswechsel am Kopf, Hals und Rücken über sich ergehen lassen, die grünen Augen von den Kopfschmerzen zusammengekniffen. Der Arzt hatte einige Sätze mit ihm geredet, aber keine Antwort erhalten. Der Mediziner hatte ihm eine Kanüle am Arm gelegt, versorgte ihn mit Schmerzmitteln, bevor er ihn allein ließ.

Es hatte keine zwanzig Minuten gedauert, bis Adrien aus dem unruhigen Dösen erwachte, aus dem Bett flüchtete, wie er es letzte Nacht getan hatte. Die Nadel in seinem freien Arm piekste leicht, der kalte Boden kühlte seine müden Muskeln.

Alya blieb ihr Atem im Halse stecken. Adrien Agreste wirkte furchtbar dünn, blass wie Schnee. Er hatte den Kopf auf den Knien ruhen, die Arme umklammerten die Scheinbeine, so fest, dass die Adern unter der blassen Haut seiner Finger zum Vorschein kamen.
Mechanisch ließ sich Alya auf die Knie fallen, direkt vor den kauernden Jungen. Ihre Hand war nicht wärmer als Seine, dennoch glaubte sie, Eis zu fühlen, als sie seine rechte Hand ergriff.

,,Adrien!" Der Teenager zuckte nur, verzog den Kopf noch ein wenig von ihr weg. Er nahm sie also doch wahr - ,,Du solltest nicht auf dem Boden -" flüsterte Alya, doch Adrien schüttelte nur vehement mit dem Kopf.

Jetzt sah er sie doch an - seine grünen Augen trafen Ihre und spiegelten genau das wieder, was Alya seit Tagen fühlte - abgrundtiefe Leere.

Nino hatte Adrien schützen wollen, hatte es nicht übers Herz gebracht, ihm zu sagen, dass seine Freundin gestorben war. Alya aber erkannte, dass es Adrien schon längst bewusst war.

Sie wusste nicht woher, aber das war auch nicht wichtig.

Adrien wusste von Marinette und das Wissen schien ihn zu verschlingen.

Und während Nino jeden Abend bei Alya anrief, hörbar weinte und mit ihr redete, baute sich Alya eine Mauer aus Stille auf, die ihr verbat, an Marinette zu denken. Sie klappte die Bilderrahmen in ihrem Zimmer um, entsperrte ihr Handy nicht mehr und mied die Blicke ihrer Eltern.

Ihre beste Freundin war tot. Und Adriens Zerbrechlichkeit erinnerte sie daran, deutlicher, als es Worte hätten tun können.

Jetzt in die grünen Augen zu sehen, ließ die Mauer bröckeln, erlaubte ihr die erste Träne zu vergießen.

Wenn sie tatsächlich genauso - verloren - aussah, wie Adrien, dann wusste sie plötzlich, warum Nino so vehement darauf bestand, mit ihr über Marinette reden zu wollen.

Es half nicht nur ihm. Nino wollte auch ihr damit helfen.
Auch, wenn sie sich dagegen wehrte.

Ein Seufzen verließ Alyas Lippen, bevor sie Adrien beherzt unter den Achseln packte und vorsichtig hochzog - mit einer farigen Bewegung wollte er sie wegschieben, hatte jedoch keinen Erfolg - Alya spürte das leichte Stupsten gegen ihre Schulter kaum, zog Adrien stattdessen in eine leichte Umarmung. Immer darauf bedacht, ihm noch Freiraum zu lassen.

Adriens Oberkörper sackte gegen ihre Brust, seine Beine schienen ihn nicht tragen zu können - schwer lag er ihr in den Armen, ein Wimmern verließ seine Lippen, als ihr Griff zu fest wurde.

Schnell aber sanft setzte sie Adrien auf der Matratze ab, berührte nur noch seine Schulter, befürchtete, er würde sich nicht aufrecht halten können.

Alya konnte nicht erkennen, ob Adrien in der Lage war, zu sprechen - ob physisch oder psychisch - und wusste auch nicht, ob er das wollte.

Er wirkte klein, wie er dort saß, die blassen Hände zu Fäußten geballt. Entschlossen setzte sich Alya neben ihn auf die Matratze. Ihr war klar, dass niemand, nicht Nino, nicht ihre Eltern und Schwestern, ihr helfen konnten - mit ihren Gefühlen und ihrer Schuld musste sie alleine leben.
Aber vielleicht konnte sie wenigstens Adrien helfen. Ihm eine Hand reichen und aus dem Abgrund holen, an dessem Rand er zu hängen schien.

Adrien war leicht übel, alles in ihm wehrte sich gegen Alyas Anwesenheit - ihre gesamte Erscheinung erinnerte ihn gewaltsam an das Mädchen mit den blauen Augen. Bilder, Gedanken und Gefühle blitzten auf, Lachen und Worte, kleine Erinnerungen, die eigentlich keine Wichtigkeit besaßen.

Alyas Stimme drang an seine Ohren, die Bedeutung ihrer Worte wurden nur träge von ihm erfasst - Sie redete darüber, dass die Schule für die Woche geschlossen hatte. Sie redete davon, dass sie gestern spazieren war und plötzlich vor Marinettes Haustür gestanden hatte. Dass sie geflohen war, bevor Marinettes Eltern sie sehen konnten. Dass sie versuchte, möglichst oft alleine zu sein, auch wenn es ihr weh tat.

Adriens Faust umschloss noch fester den Ring und die Ohringe, die er seit der letzten Nacht nicht mehr losgelassen hatte. Die Ohrstecker stachen ein wenig in seine Handfläche - sie waren nicht mehr schwarz, wie sie es bei Marinette gewesen waren, hatten denselben Silberton angenommen, wie der Ring.
Er lauschte stumm dein Worten seiner Freundin, fragte sich stumpf, wann sie ihn endlich wieder allein lassen würde, so wie es am Ende alle getan hatten - während er gleichzeitig hoffte, sie würde es nicht tun.

Er begriff nicht, was Alya von ihm erwartete, was sie damit bezwecken wollte, dass sie ihren Redefluss nicht mehr abbracht.
Stattdessen trugen ihre Worte keine Bedeutung mehr, als sie ihm erzählte, dass sie in den nächsten Ferien ein Journalismusseminar besuchen wollte, dann abrupt das Thema wechselte und von ihren letzten Sommerferien redete.

Adrien ertrug es nicht, drehte sich von ihr weg.
Das Pochen in seinem Schädel hatte schon lange nachgelassen und eine Kälte hatte seinen Körper taub werden lassen, erstickte das Stechen und Brennen.

Und dennoch strahlte allein ihre Anwesenheit eine Wärme aus, die er nicht erkären konnte.

Als der Klang ihrer Stimme schließlich verstummte, kehrte ein Stück der Schatten zurück, die ihn zu umklammern schienen. Das Rauschen seines Blutes füllte die entstandene Stille, Adrien konnte nicht verhindern, dass sein Körper zurück ins Kopfkissen sackte.
Er konnte ihren Blick auf sich spüren, obwohl er die Augen schloss, sich abwehrend weiter von Alya abwandte.

Es vergingen Minuten, in denen sich keiner von ihnen rührte. In denen nur ihr Atmen die Stille durchschnitt.

Adrien unterdrückte das Zittern seiner Glieder, versuchte ihre Anwesenheit auszublenden, wollte zurück in die Leere flüchten, die ihm so viel Ruhe gegeben hatte.

Erst als sich Alyas Schritte entfernten, durchfuhr Adrien ein Ruck - ein unbändiger Wunsch kam auf, als er die Hand ergreifen wollte, die Alya ihm nicht mehr hinhielt -

Die Worte verließen seinen Mund, brachte die Kehle zum Brennen und klangen wie ein leiser Windstoß im Sturm.

,,Kannst du bleiben?"

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Helloo, wie geht es euch?

Danke nochmal an Planetenwandlerin, für deine Kommentare <3 ^^
Ich hoffe euch hat dieses Kapitel genauso gefallen, wie die letzten :)

Dann wünsche ich euch noch eine schöne Woche! Bis nächsten Mittwoch :))

LG Danni

Artwork

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