Kapitel 43
"Wo geht es denn hin so früh am Morgen?", fragte Lucas und holte mich ein. Seine dunklen Haare waren noch nass vom Duschen, doch das liess ihn nur noch heisser aussehen. "Zu meinem Grossvater. Wir gehen ihm helfen seine Hütte auf Vordermann zu bringen", antwortete ich. "Na dann, viel spass", lachte er. "Wie läuft es eigentlich so mit deinem Grossvater? Ist ja schon irgendwie... speziell... so wie ihr euch kennengelernt habt." Ich nickte langsam. "Ja, schon irgendwie. Aber ich hatte auch nicht wirklich viel Zeit, um darüber nachzudenken. Und dann, war er nunmal immer da und wir haben uns gut verstanden. Ausserdem möchte ich nicht zu viel Zeit damit vergeuden darüber nachzugrübeln, wie komisch es ist, sondern einfach geniessen, dass ich noch mehr Familie übrig habe, als ich dachte." "Stimmt. Du hattest ja vorher nur noch deine Grossmutter." "Genau. Und sie ist ja nicht auf dieser Insel, also vermisse ich sie sehr. Da tut es gut wenigstens meinen Grossvater hier zu haben." Wir schlenderten weiter zum Hauptgebäude. "Ich muss dann in Richtung Eingangstor", meinte ich. "Die Anderen warten bestimmt schon." "Okay, dann viel Erfolg", sagte er und drückte mich zum Abschied kurz an sich. "Möchtest du vielleicht auch helfen kommen?", fiel mir die Frage ein. Lucas schüttelte den Kopf. "Ich würde echt gerne, aber ich habe schon was mit meiner und Melanie's Familie vor", erwiderte er. Ein stechen machte sich in meiner Brust bemerkbar. "Achso", sagte ich nur enttäuscht. Ich gab es nicht gerne zu, aber es machte mich eifersüchtig, dass er sich so gut mit Melanie und ihrer Familie verstand. Lucas schien dies jedoch nicht aufzufallen. Er lächelte mich nur schief an, drückte mir dann einen sanften Kuss auf die Stirn und lief zum Esssaal.
"Kleine Erfrischung?" Mein Grossvater trat in das Zimmer und stellte ein Tablett mit einem Krug Limonade und zwei Gläser ab. Niall stürzte sich sofort auf die Erfrischung. Wir beide hatten den ganzen Tag damit verbracht, die alten und kaputten Möbel und sonstiger Schutt und Abfall aus der Hütte in den Abfallcontainer zu tragen, welcher im Garten stand. Gerade waren wir im 2.Stock angekommen. Währenddessen hatte Jenny mit ein wenig Hexerei hinter uns nach geputzt und Leonie hatte damit begonnen, die guten Möbelstücke aufzupolieren. Grayson hatte sich heute als Handwerkergenie herausgestellt. Zusammen mit meinem Grossvater bauten sie gerade eine neue Küche. "Wie weit seid ihr bei der Küche", fragte ich gleich und nahm das Glas entgegen, das mir Niall reichte. "Ach, die wird noch eine Weile brauchen", antwortete George. "Wär auch nicht schlecht gerade mal ein paar Fenster zu ersetzen und die Löcher im Fussboden zu reparieren", meinte Niall und deutete auf die Löcher im Fussboden und zum Fenster, wo sich leider gar kein Glas mehr befand, sondern nur mit Holzbrettern zugenagelt wurde. Mein Grossvater seufzte. "Ja, das wär keine schlechte Idee." "Wie konntest du eigentlich so lange hier so leben? Ich meine nicht mal der Abfluss der Toilette funktioniert mehr richtig", sagte ich. "Naja, weisst du irgendwann gewöhnt man sich daran, so zu leben. Ausserdem hatte ich so immer was zu tun im Haus. Ihr habt ja noch gar nicht den Keller gesehen. Dieser sieht einwandfrei aus." "Wieso hast du mit dem Keller begonnen zu renovieren?", fragte Niall kritisch. George zuckte mit den Schultern. "Irgendwo muss man anfangen."
Wir arbeiteten noch einige Stunden weiter bis wir zum Abendessen zurück ins Camp gingen. Wir waren alle so erschöpft vom heutigen Tag, dass wir die ganze Heimfahrt kein Wort miteinander wechselten. Zurück im Camp hatten wir noch Zeit zu duschen, bevor wir uns zum Abendessen im Esssaal trafen. Als ich im Esssaal eintraf entdeckte ich Leonie, Jenny und Grayson am Tisch von Lucas, Henry, Melanie und ihrer restlichen Truppe. Ich blickte hinüber zu unserem Tisch, der leer war. Also lief ich zum anderen Tisch hinüber. "Wo sind denn Niall, Ellie, Mara und Elsa?", fragte ich anstatt einer Begrüssung. "Och wieso? Kommst du ohne dein Niall nicht zurecht?", fragte Melanie gespielt mitleidig. Ich schaute sie nur verwirrt an. "Ellie hat Probleme zu Hause und Niall ist bei ihr. Mara und Elsa sind glaube ich noch in der Stadt", beantwortete Jenny meine Frage. Ich nickte nur und wollte hinüber zur Essensausgabe laufen, als mein Blick auf Lucas' Gesicht fiel. Sein linkes Auge war rot-blau unterlaufen. Ich wollte ihn fragen, was passiert ist, aber wollte dies nicht vor all den anderen machen. Also lief ich zur Essensausgabe. "Denkst du, er mag mich?" Ich zuckte zusammen. Leonie stand hinter mir. "Was? Wer?", fragte ich völlig aus der Bahn geworfen. "Henry", sie machte eine Kopfbewegung zu ihm hinüber. "Denkst du, dass er mich mag? Oder sieht er mich nur als eine Kollegin?" Ich blickte zu Henry und dann wieder zu Leonie. Ich war völlig perplex. Leonie war nie sehr offen über ihre Gefühle. Sie war eher kalt und setzte immer eine gleichgültige Miene auf. Wenn man mir ihr über Jungs oder romantisches Zeug sprach verzog sie immer nur das Gesicht oder verdrehte die Augen. Aus diesem Grund kam diese Frage wie aus dem nichts. Ich hatte zwischen ihr und Henry zwar schon immer eine gewisse Chemie gespürt. Sie neckten sich immer und liessen Sprüche fallen, aber dabei lachten sie immer zusammen. Und ich hatte auch das Gefühl, dass er gut mit Leonies Temperament zurechtkam. Aber ich hätte nie gedacht, dass Leonie tatsächlich Interesse an Henry hatte. Unsicher nickte ich zunächst. "Ja... Ja, könnte sein. Henry ist echt ein netter Kerl und ihr versteht euch echt gut. Ich wollte schon lange mal fragen, ob da was zwischen euch läuft. Andererseits ist er auch ein kleiner Player, wie Lucas denke ich. Also ist es schwer zu sagen." Hastig nickte sie. "Schon klar. Naja danke. Was möchtest du zu trinken? Ich gehe es dir holen", wechselte sie schnell das Thema. "Ich wollte dich damit nicht verletzten", sagte ich ruhig. "Ich wollte dich nur auch vorwarnen, dass er - auch wenn er noch so ein lieber und aufrichtiger Kerl ist- auch ein kleiner Player ist. Aber ich denke, wenn du ihn wirklich magst, kannst du es mal probieren. Wie gesagt, ich habe schon immer was zwischen euch gespürt und ich denke, er könnte wirklich aufrichtig was von dir wollen." Leonie schüttelte den Kopf. "Schon gut. Deshalb hab ich nur dich gefragt. Ich wollte nur mal eine ehrliche Meinung. Aber du hast recht; er ist ein Player. Und Player ändern sich nicht." Sie drehte sich um und lief zu den Getränken. Ich schob mein Tablett weiter. Sie hatte recht; Player ändern sich nicht. Lucas ändert sich nicht. Auch wenn er sich in mich verlieben würde, er würde ein Player bleiben und früher oder später würde jemand anderes kommen. Oder er würde wieder zurück zu Melanie gehen. "Hier." Leonie tauchte wieder neben mir auf und stellte eine Flasche Wasser auf mein Tablett. "Du hast nicht gesagt, was du möchtest also hab ich dir einfach irgendwas mitgebracht." "Danke", sagte ich und trug mein Tablett zum Tisch zurück. "Weisst du was Lucas am Auge hat?", fragte ich Leonie besorgt, als ich ihn wieder am Tisch sah und vergass was Leonie über Player gesagt hatte und dass es wahrscheinlich auch auf Lucas zutraf. "Du hast doch gesagt, er sei heute wieder bei seiner Familie gewesen, oder?", fragte Leonie zurück. Ich nickte. "Naja, er kommt meistens mit einem blauen Auge oder sonstigen blauen Flecken von seiner Familie zurück. Ich habe ihn nie gefragt, aber so gut wie jeder weiss, dass es wahrscheinlich wegen seinem Vater ist." Traurig schaute ich zu Lucas. Er lachte gerade mit Grayson über etwas. Ich dachte zurück an die Nacht als ich ihm im Wald begegnet bin. Da hatte er auch ein blaues Auge und eine Wunde an der Schläfe. War das auch sein Vater gewesen? Leonie setzte sich zurück an ihren vorherigen Platz neben Henry und ich wollte mich an den Rand neben Grayson quetschen, doch Lucas sah mich und deutete mit einer kleinen Handbewegung mich neben ihn zu setzten. Er rutschte näher zu Melanie und schuf so Platz neben sich für mich. Ich atmete tief durch und lief um den Tisch, um mich zwischen Lucas und seinem Freund Louis zu setzten. "Wie war es bei deinem Grossvater? Habt ihr viel erreicht heute?", fragte Lucas. Ich nickte und wollte gerade antworten, als mir Melanie ins Wort fiel: "Bei deinem Grossvater? Ich dachte du hättest nur noch deine Grossmutter?" Irritiert blickte ich zu ihr. Woher wusste sie, dass ich nur noch meine Grossmutter hatte? Noch mehr irritierte mich aber, dass es das erste war, das sie mir gesagt hatte ohne mich beleidigen zu wollen oder schnippisch zu sein. Es war das Erste, dass nach aufrichtigem Interesse mir gegenüber klang. "Ja, dachte ich auch. Aber vor ein paar Wochen habe ich dann meinen Grossvater George durch Zufall kennengelernt." "Durch Zufall? Interessant", sagte Melanie abwesend und drehte sich ab. Noch verwirrter suchte ich Lucas' Blick. Doch er schaute mit zusammen gekniffenen Augen Melanie an und schien ebenfalls über ihre Reaktion zu grübeln. "Hey Lilly! Kommst du heute Abend auch den Basketball Match schauen? Wir spielen heute wieder mit ein paar aus dem Camp", erkundigte sich Grayson. "Ja. Ich spiele auch. Zusammen mit Grayson und Henry", sagte Lucas und blickte nun mich an. Ich nickte. "Warum nicht?"
"Los Grayson!", schrie Jenny neben mir. Sie hatte ihre kleine Schwester Mia auf dem Schoss und gemeinsam feuerten sie Grayson und sein Team an. Leonie sass weiter hinten und unterhielt sich mit Chris. Ich sass neben Jenny und Niall. Niall und die anderen waren nach dem Abendessen zu uns gestossen. "Wie geht es Ellie?", fragte ich Niall leise und verfolgte mit den Augen den Ball. Lucas warf ihn gerade Grayson zu und der dribbelte weiter. "Ganz okay", sagte Niall und neigte sich leicht zu mir. "Hat's nur nicht gerade einfach zu Hause momentan." Ich nickte mitfühlend. "Und wie geht es dir so?", fragte Niall. "Dein Leben hat sich in den letzten Monaten ja drastisch verändert. Muss auch nicht leicht sein." "Ja, schon. Aber irgendwie geht es mir trotzdem ganz gut. Mein Leben hat sich stark verändert, aber dafür habe ich gute Freunde gefunden. Ihr habt mir so einiges erleichtert und dadurch, dass wir so viel spass zusammen haben und ihr mich immer unterstützt bin ich meistens auch abgelenkt und habe gar keine Zeit so viel nach zu denken. Und wie geht es dir so?" Er schaute mich kurz an bevor er sein Blick wieder auf den Match richtete. "Mir? Ganz gut", er machte eine kurze Pause. "Ich war vorher noch mit Ellie bei Sky und da hat mich Sky gefragt wie es so lief bei George und ob wir viel geschafft hätten... Ich fand das ein wenig komisch. Du nicht auch? Wieso weiss sie, dass wir bei deinem Grossvater waren? Hast du's ihr gesagt?" Ich schüttelte teilnahmslos den Kopf. "Ist doch nicht komisch. Mein Grossvater und Sky kennen sich gut. Wahrscheinlich haben sie miteinander geredet und mein Grossvater hat es ihr gesagt. Keine Ahnung", ich zuckte die Schultern. Eine Weile lang schwieg Niall. Dann sagte er: "Ja, schon. Aber wieso kennen die sich so gut? Und auch die Nacht in der wir deinen Grossvater das erste Mal trafen war doch irgendwie schräg. Oder nicht?" Verwirrt schaute ich ihn an. "Wie kommst du jetzt darauf? Ja, ich weiss selber, dass es vielleicht ein wenig komisch war und ein echt grosser Zufall wie wir uns über den Weg gelaufen sind, aber man muss ja nicht alles hinterfragen im Leben. Und was hat das mit Sky zu tun?" "Du hast schon recht, aber wenn sich Sky und George so gut kennen, warum hat Sky ihm nicht gesagt, dass du ins Camp kommst. Sie wusste ja, dass er dein Grossvater ist, nur nicht, dass ihr euch nicht kanntet. Also, warum hat sie ihm nicht gesagt, dass seine Enkelin in ihr Camp kommt? Dann hätte er dich vielleicht kennenlernen wollen. Er erzählt ihr ja auch anscheinend, wenn du nur einen Samstag bei ihm verbringst. Da denke ich, würde sie ihm sowas auch erzählen." Ich zog die Augenbrauen zusammen. Da hatte er nicht unrecht. Wieso ist mir das nicht aufgefallen? Ich schaute wieder auf das Feld. Louis legte gerade einen Korb und Jenny und Mia jubelten auf. "Wie kommst du eigentlich jetzt darauf? Du warst doch vorher auch nicht so skeptisch meinem Grossvater gegenüber. Nicht so wie gewisse Andere." Ich schaute kurz zu Lucas und dann wieder zu Niall. Niall schaute mich nicht an, sondern verfolgte den Ball, welcher gerade zu Lucas geworfen wurde. Er zögerte. "Naja, ich meine ich bin immer noch nicht skeptisch deinem Grossvater gegenüber. Er ist aufrichtig und ist wirklich an deinem Leben interessiert und möchte daran teilhaben. An mir nagt nur diese Frage seitdem ich aus Skys' Büro komme. Ausserdem...", er stockte. "Ausserdem habe ich mich vorher auch noch mit Lucas unterhalten..." Ich blickte Niall argwöhnisch an. "Hör doch erstmal zu. Ich habe vor dem Spiel mit Lucas geredet und er findet die ganze Sache, wie du deinen Grossvater getroffen und kennengelernt hast auch speziell. Und da fiel mir auf, dass es wirklich ein wenig abartig war. Lucas hat deinen Grossvater aber eben nie kennengelernt und weiss nicht wie er ist und deshalb dachte ich; neutral betrachtet - ohne das man deinen Grossvater kennt - kommt einem die ganze Sache schon... naja... du weisst schon vor. Deshalb war ich jetzt ein wenig skeptisch. Aber ich möchte damit nicht sagen, dass da etwas nicht stimmt, sondern wollte nur mal fragen, wie du das Ganze siehst." Ich nickte langsam. "Ihr liegt ja nicht falsch, aber wahrscheinlich war wirklich alles nur ein dummer Zufall. Und als George uns in dieser Nacht ins Camp brachte, hat er ja auch gesagt, dass er schon lange nicht mehr da war. Also ist es gar nicht mal so komisch, dass Sky ihm nichts von mir erzählt hat", meinte ich bestimmt. "Du hast recht. Ich hab mir wahrscheinlich einfach zu viele Gedanken darüber gemacht."
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