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Ich merke, dass meine Augen voll mit Tränen sind, weshalb ich den Blick nach unten gerichtet halte und ein schnelles "Scusi" murmel und weiter will. Jedoch werde ich daran gehindert, da die Person meinen Arm festhält.
"Maya?", es ist Enzo "Was ist los?"
"Ist egal! Bitte lass mich gehen. Ich will nicht, dass mich jemand sieht!", sage ich schnell und versuche weiter zu gehen.
"Was ist mit Damian?", fragt Enzo. Ich zucke mit den Schultern.
"Ich bring dich hoch, damit dich niemand anspricht, okay?", hakt Enzo nochmal nach. Widerwillig nicke ich. Eigentlich möchte ich es nicht, aber ich will auch nicht, dass noch jemand mich anspricht.
Enzo lotst mich schnell durch die Gänge und schirmt mich vor sämtlichen Blicken ab. Ich bin doch relativ dankbar, dass er das gemacht hat.
Am Zimmer angekommen, bedanke ich mich schnell und gehe dann rein. Ich höre, dass Enzo wiedergeht und bin froh, dass er mich alleine lässt.
Ich lege das Notizbuch in die Schublade meines Nachttisches und rolle mich dann wie eine Kugel auf meiner Bettseite zusammen.
Jetzt lasse ich meinen Tränen wieder freien Lauf. Ich habe das Gefühl den Tod meiner Mama nochmal von vorne zu durchleben. Vielleicht stimmt es, was man sagt. Man muss erst alles über den Tod wissen, bevor man lernen kann damit umzugehen.
Ich weiß nicht, wie viel Zeit vergeht bis plötzlich die Tür aufgeht. Ich weiß nicht, wer es ist, da ich mit dem Rücken zur Tür liege. Ich drücke meine Hand auf meinen Mund und versuche keinen Ton von mir zu geben. Vielleicht glaubt die Person dann, dass ich schlafe und geht wieder.
Ich höre wie die Tür geschlossen wird und bin kurz davor aufzuatmen. Da spüre ich, wie die Matratze hinter mir runtergeht. Kurz darauf spüre ich eine Hand auf meiner Schulter und dann rieche ich Damians Geruch.
"Maya, mi amore!", sagt er leise und gibt mir einen kurzen Kuss auf die Schläfe.
Erst rege ich mich nicht, doch dann merke ich, dass eine Schulter zum ausweinen genau das ist, was ich brauche. Ich gebe mir einen Ruck und drehe mich zu Damian. Meinen Kopf lege ich auf seine Brust und sofort legt er seine Arme um mich.
Damian murmelt beruhigende Worte auf Deutsch und Italienisch. Dabei hält er mich fest in den Armen und gibt mir immer wieder einen Kuss auf den Scheitel.
Ich merke, dass ich ruhiger werde und die Tränen weniger werden.
"Meine Mama hat sich für mich geopfert", sage ich leise. Dabei bewege ich mich kein bisschen, sondern nuschel es mehr in Damians Brustkorb.
Damian drückt mich noch enger an sich, wenn das überhaupt noch möglich ist.
"Und ich habe meinen Bruder getroffen", ergänze ich dann noch vollkommen kontextlos.
"Du hast was?", fragt Damian dieses Mal nach und stellt alle Bewegungen ein. Ich merke, dass er sich anspannt. Ich setze mich auf in einen Schneidersitz und nehme Damians Hände. Es gibt mir Halt und ich hoffe ihn dadurch ein wenig zu beruhigen. Damian schaut mich aufmerksam an und setzt sich auch aufrecht hin.
"Ich habe ihn nicht jetzt gerade getroffen, sondern als ich bei den Berlusconi war. Er war der, der immer bei mir an der Zelle war. Er hat mit mir gesprochen. Er hat das Video aufgenommen. Er hat mich geschlagen und getreten. Michael Berlusconi ist Michael Wilson und damit mein Bruder", erkläre ich Damian.
"Michael Berlusconi ist dein Bruder?", fragt Damian geschockt. Gut, dass beantwortet meine Frage, ob er wusste, wer mein Bruder ist. Ich nicke vorsichtig.
"Was möchtest du jetzt machen, mi amore?", fragt Damian weiter.
Ich zucke mit den Schultern. "Es sind sehr viele neue Informationen. Ich hab so viele Antworten bekommen und gleichzeitig noch mehr Fragen. Ich glaube, ich muss das jetzt alles erstmal verarbeiten."
"Das verstehe ich. Möchtest du deinen Kopf freibekommen?", bei der Frage verändert sich etwas an Damians Stimmung. Er scheint eine Idee zu haben. Vorsichtig nicke ich, unsicher, was Damian plant.
"Bist du schon mal Motorrad gefahren?", stellt Damian seine nächste Frage.
Überrascht schaue ich ihn an. Dann schüttel ich jedoch meinen Kopf. Ich bin noch nie gefahren oder mitgefahren.
"Möchtest du mal mitfahren?" Sofort nicke ich. Ich wollte das schon immer mal ausprobieren. Aber ich will nicht selber fahren. Irgendwie finde ich die Vorstellung gruselig. Aber ich stelle mir das Mitfahren so vor, dass es ein Gefühl der Freiheit ist.
"Allora andiamo, mi amore! Ich habe eine gute Idee, wohin wir fahren können!" Mit diesen Worten steht Damian auf und geht in den Begehbaren Kleiderschrank. Ich höre ihn ein wenig kramen, dann kommt er mit Motorradjacken und Helmen wieder.
"Die Sachen gehören Diana. Ich denke, dass sie dir auch passen werden", erklärt er und gibt mir die Jacke. Ich ziehe sie an und tatsächlich passt sie. Damian zieht ebenfalls eine Jacke an und dann verlassen wir auch schon das Zimmer.
Damian führt mich nach draußen zu einer Garage. Naja Parkhaus würde vermutlich besser passen. Hier stehen unzählige Autos und auch ein paar Motorräder. Es ist eigentlich alles schwarz, was für mich so viel bedeutet, dass hier alles gleich aussieht.
"Wow", sage ich nur und staune über diese Masse.
"Es gehört nicht alles mir. Hier parken sämtliche Fahrzeuge der Mafia Mitglieder", erklärt Damian und geht mit mir zu den Motorrädern.
"Na komm, wie viel davon gehört dir?", frage ich trotzdem nach.
"Ein Motorrad und zwei Autos." Kritisch gucke ich Damian an.
"Na gut, ich habe woanders noch ein Auto und mindestens zehn Autos gehören der Mafia im Allgemeinen."
Ich schüttel den Kopf. Das Ganze ist Wahnsinn. Das sind Dimensionen, die ich mir nie hätte vorstellen können.
"Jetzt komm!", fordert Damian mich auf, weshalb ich ihm wieder folge.
Kurz darauf stoppen wir vor einem Motorrad und Damian legt die Helme darauf. Dann dreht er sich zu mir und legt seine Hände auf meine Wangen.
"Ich danke dir, dass du mir die Dinge erzählst und das du dich mir öffnest. Ich möchte, dass du weißt, dass du mir immer alles sagen kannst. Aber wenn du nicht reden möchtest, ist das auch immer in Ordnung", sagt Damian zu mir und schaut mich dabei erwartungsvoll an.
"Danke, dass du zuhörst, bei mir bist und mich ablenkst!"
"Sempre e ovunque!"
Fragend schaue ich Damian an.
"Immer und überall!", übersetzt er mir, weshalb ich lächel.
Dann lehnt sich Damian zu mir und küsst mich, was ich sofort erwidere. Meine Hände lege ich dabei auf seine Brust und stelle mich ein bisschen auf die Zehenspitzen, um ihm entgegen zu kommen.
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