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Mein Blick schweift noch durch den Raum, während Damian bereits die verschiedenen Schubladen vom Schreibtisch durchsucht.

"Weißt du, wo der Schlüssel für diese Schublade ist?", fragt Damian und zeigt auf eine der Schubladen.

Niedergeschlagen schüttel ich den Kopf. Ich habe das Gefühl, dass ich in keinster Weise eine Hilfe bin. Ich weiß nicht, wo das Notizbuch ist und auch nicht, wo weitere Schlüssel zu finden sind. Und suchen tue ich auch nicht aktiv.

"Maya? Tutto bene?", hakt Damian nach und hält dabei inne. Ich nicke und ringe mir ein kurzes Lächeln ab.

Damian wendet sich jetzt ganz von den Schubladen ab und kommt zu mir. Er legt eine Hand unter mein Kinn und schiebt meinen Kopf ein Stück hoch, sodass ich ihm in die Augen schaue. Seine andere Hand legt er auf meine Taille.

"Was ist los, mi amore?", fragt er besorgt.

Ich seufze. "Ich habe das Gefühl, dass ich überhaupt keine Hilfe bin. Ich bin in diesem Haus groß geworden und trotzdem weiß ich nicht, wo was ist. Eigentlich weiß ich noch nicht mal wirklich wer mein Vater ist. Und was sagt das über mich? Ich dachte immer, dass ich ganz gut darin bin Menschen einzuschätzen, aber ich kann noch nicht einmal meinen Vater einschätzen und ich kenne ihn seit meiner Geburt."

"Hey, mi amore! Du bist perfekt so wie du bist. Du bist eine wundervolle Person und dein Vater hat dir vielleicht nicht alles erzählt und dir nicht alle Geheimnisse verraten, aber ich bin mir sicher, dass er das nur zu deinem Schutz gemacht hat und du eine echte Seite von ihm kennst! Und du bist eine riesige Hilfe. Du hattest den Schlüssel und den Code. Und -"

Bevor Damian weitersprechen kann, unterbreche ich ihn: "Ich hatte den Schlüssel! Ich glaube ich weiß, wo der Schlüssel und das Notizbuch sind!"

Irritiert schaut Damian mich an. "Danke! Nicht nur für den Tipp, sondern auch für deine Worte", sage ich schnell und drücke Damian einen kurzen Kuss auf die Lippen. Dann wende ich mich ab und gehe zum Bücherregal. Mein Blick fliegt über die Ebenen.

Da! Ich entdecke die Fotobücher. Meine Mama hat zu jedem Jahr ein Fotobuch gemacht. Ich habe mich jedoch immer gefragt, warum es ein Fotobuch mit meinem Namen darauf gibt, bevor ich überhaupt geboren wurde. Angeschaut habe ich es mir dennoch nie. Ich hatte es einmal in der Hand, aber mein Vater hatte es mir panisch weggenommen. Ich habe nie verstanden warum, aber trotzdem habe ich mich nie wieder daran getraut.

Ich ziehe genau dieses Fotobuch aus dem Regal und lege es auf den Schreibtisch. Damian stellt sich neben mich und beobachtet jede meiner Bewegungen. Tief atme ich durch und öffne dann das Buch.

Anders als in den anderen Fotobüchern kleben dort keine Bilder. Das Buch ist in der Mitte ausgeschnitten und es ist nur ein Fach zu sehen. Und in genau diesem Fach liegt ein graues Buch. Es ist das Notizbuch!

Vorsichtig nehme ich es aus dem Fach. Ich streiche über den Einband und habe kurz das Gefühl meinem Vater ganz nah zu sein.

Damian gibt mir einen Moment Zeit bevor er fragt: "Ist es das?" Ich nicke zögerlich.

"Sehr gut! Dann komm!", fordert Damian mich auf und drückt mir einen kurzen Kuss auf die Wange. Dann greift er nach dem Fotobuch, klappt es zu und stellt es zurück. Er schiebt schnell die Schubladen zu und schiebt den Stuhl zurück an den Tisch. Danach greift er meine Hand und zieht mich sanft aus dem Raum. Ich halte das Notizbuch eng an meinen Körper gepresst.

Auf dem Flur bleibe ich stehen, weshalb Damian sich zu mir umdreht und mich fragend anschaut.

"Das klingt vielleicht komisch, aber darf ich ein paar Sachen einpacken und mitnehmen?", frage ich unsicher.

"Natürlich! Aber bitte beeil dich", antwortet Damian mir und macht mich damit sehr glücklich.

"Wo ist ein Koffer? Und wo sind deine Sachen?", fragt Damian und schaut sich um.

"Ein Koffer ist im Keller und meine Sachen sind hier in meinem Zimmer", erkläre ich und deute auf eine der Türen. Damian nickt und geht zu der Tür. Vorsichtig öffnet er die Tür und schaut zuerst nach, ob jemand drin ist. Dann winkt er mich rein.

"Such schnell ein paar Dinge zusammen und ich hole den Koffer und dann nichts wie weg hier."

Ich nicke schnell. Ich weiß, dass jede Minute, die wir länger hier sind, ein Risiko ist. Während Damian aus dem Zimmer und die Treppen runtereilt, schaue ich mich um. Das Zimmer ist ziemlich unverändert. Ich vermute, dass mein Vater hier nicht drin war, seit ich weg bin.

Ich gebe mir nur einen winzigen Moment Zeit, bevor ich mich an die Schränke begebe. Neben meiner Kleidung und ein paar Badprodukten landen ein paar Bücher auf meinem Bett. Außerdem lege ich zwei Bilderrahmen dazu. Auf dem einen Bild bin ich gemeinsam mit meiner Mama und auf dem anderen Bild ist neben mir und meiner Mama auch mein Vater.

Während ich noch ein bisschen Schmuck in Schmucksäckchen stecke, höre ich die Tür hinter mir. Sofort drehe ich mich um und bekomme kurz Panik.

Schnell beruhige ich mich wieder, denn hinter mir steht Damian mit einem großen und einem kleinen Koffer in den Händen. Er legt beide aufs Bett und ich fange sofort an alles einzuräumen.

"Die Anderen wissen Bescheid und kommen jetzt zurück zur Haustür", erklärt Damian. Währenddessen schaut er sich weiter in meinem Zimmer um.

"Fertig", sage ich kurz darauf und schließe den letzten Reisverschluss.

"Sehr gut! Na dann: Andiamo!", mit den Worten nimmt Damian beide Koffer vom Bett und geht wieder in den Flur.

Ich schaue mich noch einmal in meinem Zimmer um. Ein Umzug war zwar sowieso geplant, jedoch ganz anders. Es ist komisch Abschied zu nehmen. Besonders da ich nicht weiß, ob es für immer ist. Außerdem habe ich das Gefühl, dass mein halbes Leben eine Lüge war. Schließlich wusste ich weder etwas von meinem Bruder, noch kannte ich die Wahrheit über meinen Vater.

Seufzend ziehe ich die Tür zu und streiche mir ein paar Tränen aus den Augen.

"Tutto bene?", fragt Damian als er mich sieht.

"Es ist komisch. Aber ich hoffe, dass ich jetzt ein paar mehr Antworten bekomme!", antworte ich ihm.

"Das hoffe ich auch!"

Mit diesen Worten gehen wir nach unten und verlassen mein Zuhause. Jetzt ziehe ich wirklich bei Damian einem Mafiaboss ein.

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