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Nur wenige Zeit später sitzen wir zu fünft im Auto. Jack fährt, Damian sitzt neben ihm und ich sitze mit Enzo und Sandro hinten. Ich schaue aus dem Fenster und sehe die Bäume an uns vorbeirauschen.
Ich habe keine Ahnung, wie weit wir fahren müssen oder wie lange wir dementsprechend unterwegs sein werden. Die Jungs unterhalten sich ein wenig, aber insgesamt ist es eher ruhig im Auto. Ich weiß nicht, ob es an mir liegt oder ob vielleicht alle müde von der letzten Nacht sind.
Ich bin es definitiv! Ich lehne meinen Kopf an die Scheibe, aber nehme mir fest vor nicht einzuschlafen.
Kurz darauf erblicke ich eine mir bekannte Straße. Wir waren circa 50 Minuten unterwegs bis hierher. Und wenn mich nicht alles täuscht, sind es von hier noch circa 15 Minuten bis zu mir nach Hause.
Es wundert mich ein wenig, dass die Jungs mich nicht nach meiner Adresse gefragt haben. Wobei es mich gleichzeitig auch gar nicht wundert. Sie scheinen sehr viel über meinen Vater zu wissen. Und dennoch wussten sie nichts von mir.
Ich erinnere mich zurück an den Moment als Damian verstanden hat, wer ich bin. Er war geschockt darüber.
„Wir sind da!", werden meine Gedanken von Jack unterbrochen. Ich gucke hoch und erblicke unser Haus. Die Auffahrt ist leer, was bedeutet, dass mein Vater wirklich nicht zu Hause ist.
„Andiamo!", gibt Damian das Kommando und öffnet seine Tür. Keine Sekunde später öffnet auch Enzo seine Tür. Ich zögere noch, da ich nach wie vor Angst davor habe.
Es ist komisch, dass ich Angst vor meinem Haus und irgendwie auch vor meinem Vater habe. Ich habe schließlich seit über 18 Jahren mit ihm zusammen gelebt und er hat mir nie etwas angetan. Und dennoch löst es ein ganz mulmiges Gefühl in mir aus wieder das Haus zu betreten.
Meine Tür wird von außen geöffnet und Damian steht vor mir. „Bist du bereit?"
„So bereit, wie ich gerade sein kann", sage ich unsicher. Ich bin mir nicht sicher, ob ich für so eine Situation jemals bereit wäre. Also so wirklich bereit.
Damian schenkt mir ein aufmunterndes Lächeln. Ich nehme all meinen Mut zusammen und steige aus dem Auto aus. Ich bleibe bei Damian stehen, da es mir ein Gefühl der Sicherheit gibt.
„Sapete che dovete fare?", wendet sich Damian an die Anderen. Von allen kommen mündliche Zustimmungen. Teilweise auf Deutsch und teilweise auf Italienisch.
Damian nickt und dann fährt Jack auch schon wieder los. Wenn ich es im Büro richtig verstanden habe, fährt er ein wenig durch die Siedlung, um mehr Gebiet im Blick zu haben. Sandro und Enzo teilen sich auf und einer läuft nach links und einer nach rechts. Und damit bin ich mit Damian allein.
„Vieni!", sagt Damian zu mir und greift nach meiner Hand. Dafür bin ich sehr dankbar und es lässt auch mein Herz schneller schlagen.
Wir gehen zur Tür und ich ziehe den Schlüssel hervor. Ich atme noch einmal durch und stecke ihn dann ins Schlüsselloch. Der Schlüssel passt und ich kann ihn drehen. Ich hatte ein wenig die Angst, dass mein Vater das Schloss ausgetauscht hat, aber glücklicherweise ist das nicht der Fall.
Hoffentlich haben wir beim Zahlencode genauso viel Glück. Damian schaut sich dauerhaft um und behält unsere Umgebung im Blick. Ich konzentriere mich auf das Ziffernfeld, welches nach dem Aufschließen der Tür sichtbar wurde.
Leicht zitternd hebe ich meine Hand und gebe den Zahlencode ein.
23066032
Und jetzt bestätigen.
Ein leises Klickgeräusch ertönt und mir fällt eine riesige Last von den Schultern. Der Code war richtig.
Entweder hat mein Vater die Hoffnung aufgegeben, dass ich jemals wiederkomme oder überhaupt noch lebe und daher den Code nicht weitergeben kann oder er hat gehofft, dass ich wiederkomme und wollte das ich rein komme.
Oder es ist eine Falle?!
Panisch drehe ich mich zu Damian. Er scheint meine plötzliche Reaktion bemerkt zu haben und dreht sich ebenfalls zu mir.
„Was ist los?", fragt Damian und schaut mich irritiert an.
„Was ist, wenn das eine Falle ist? Mein Vater hat weder Schloss noch Zahlencode verändert, ist das nicht merkwürdig?", erkläre ich ihm leise meine Bedenken.
Damian scheint abzuwägen bevor er antwortet: „Ich denke nicht. Dein Vater hat vermutlich die Hoffnung, dass du irgendwie und irgendwann zurückkommst und dann sollst du reinkommen können."
Vorsichtig nicke ich und hoffe, dass Damian recht hat. Dennoch unsicher öffne ich die Tür und lausche.
Nichts.
Man hört rein gar nichts.
Ich trete ein. Damian folgt mir sofort und schließt die Tür hinter uns.
Ich drehe mich zu Damian und sehe, dass er eine Waffe in der Hand hält. Geschockt schaue ich ihn an.
„Was machst du da?", flüster ich besorgt.
„Die Lage absichern. Ich glaube zwar nicht, dass jemand hier ist, aber Vorsicht ist besser als Nachsicht. Also bleib dicht hinter mir!", erklärt Damian ebenso leise.
Sofort drücke ich mich nah an Damian und lege meine Hand auf seinen Rücken.
„Wo müssen wir hin?", fragt Damian mich. Leise erkläre ich ihm den Weg zum Büro meines Vaters. Wir laufen dazu die Treppe rauf und Damian schaut immer einmal durch jedes Zimmer, bevor ich es betrete.
„Hier ist es", sage ich, als wir vor der Tür stehen. Es ist ganz komisch hier zu stehen. Ich weiß, dass ich als Kleinkind da drin gespielt habe. Aber je älter ich wurde, um so mehr hat mein Vater mich von dem Zimmer ferngehalten. Vermutlich damit ich nichts sehe und dann etwas kombiniere. Aber was hätte ich gemacht, wenn ich etwas herausgefunden hätte?
Ganz ehrlich: ich weiß es nicht!
Vorsichtig drückt Damian die Klinke runter und öffnet die Tür. Es hat sich nichts verändert. Gegenüber von der Tür steht der große Schreibtisch von meinem Vater. Auf der einen Seite ist ein großer Schrank und auf der anderen Seite ein großes Regal.
„Weißt du, wo das Notizbuch liegt?", fragt Damian mich und steckt die Waffe hinten in seinen Hosenbund.
Ich schüttle den Kopf. Ich weiß, dass es hier im Zimmer ist, aber mehr weiß ich nicht.
„Dann müssen wir wohl suchen!", beschließt Damian und geht zum Schreibtisch.
Ich schaue mich nochmal um und überlege, wo mein Vater das Buch wohl lagern würde.
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