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Die Zeit vergeht in gefühlter Zeitlupe. Andererseits: möglicherweise rast die Zeit auch und ich bin einfach wirklich lange alleine in dieser Zelle. Was auch immer die Wirklichkeit ist, es macht mich wahnsinnig hier alleine zu sein. Vermutlich müsste ich eigentlich schon längst auf Klo müssen oder Hunger und Durst haben, aber mein Adrenalin pumpt nach wie vor viel zu stark durch meinen Körper, als das ich über meine eigenen Grundbedürfnisse nachdenken könnte.

Endlich höre ich wieder Schritte. Ich habe zwischendurch oft gedacht, dass es vielleicht gut ist, wenn niemand kommt, aber die Einsamkeit scheint mich schneller durchdrehen zu lassen als gedacht.

Michael erscheint wieder am Ende des Ganges. Ist es etwas Gutes, dass es der Gleiche ist, wie eben? Oder wäre es besser noch mehr Leute zu sehen? Oder habe ich hier auch die Chance vertrauen aufzubauen und zu fliehen?

"Sag mir, warum hat Damiano Interesse daran dich wiederzuholen?", fragt Michael mich. Ich zucke nur mit den Schultern. Soweit ich weiß, brauchte er mich nur als Druckmittel und wenn ich jetzt schon bei den Berlusconi bin, hat er vermutlich sein Druckmittel verloren, aber ist das wirklich so wichtig, dass er mich wieder braucht?

"Hör zu, eigentlich ist es mir auch scheiß egal! Damiano will dich wiederhaben und genauso dein Vater, deshalb nehmen wir jetzt ein kleines Video für Damiano und deinen Vater auf. Du gibst die Daten weiter, die ich dir sage und nichts anderes, haben wir uns verstanden?", befiehlt Michael. Ich nicke zögerlich.

"Gut, wenn du alle Anweisungen befolgst, bekommst du danach etwas zu trinken!" Ich nicke erneut.

"Deine Worte sind: Hallo, hier ist Maya Wilson. Wenn ihr mich lebend wiedersehen wollt, müsst ihr morgen Abend um 21 Uhr in der Halle erscheinen! Verstanden?" Ein weiteres Nicken meinerseits.

"Hast du deine Stimme verloren?", brüllt er mich an. "Ob du mich verstanden hast?"

"Ja", sage ich mit möglichst fester Stimme. Dennoch merke ich, wie meine Augen sich mit Tränen füllen.

Michael holt sein Handy hervor und nickt mir zu. Ich atme kurz durch und fange an: "Hallo, hier ist Maya Wilson." - "Stopp", unterbricht Michael mich.

"Es wäre besser, wenn du dabei ein wenig weinen würdest!", befiehlt er. Geschockt sehe ich ihn an. Und dann passiert alles ganz schnell: Michael kramt einen Schlüssel hervor und schließt die Zelle auf. Er tritt ein und gibt mir eine schallende Backpfeife. Mein Kopf schnellt zur Seite und ein schrecklicher Schmerz zieht durch meinen Kopf. Ich halte mir meine Hand an die Wange. Gleichzeitig merke ich, wie tatsächlich die ersten Tränen meine Wangen hinunterlaufen.

"Los!", ruft Michael.

Schniefend starte ich erneut und werde immer wieder durch mein eigenes Schluchzen unterbrochen: "Hallo, mein Name ist Maya WIlson. Wenn ihr mich lebend wiedersehen wollt, müsst ihr morgen Abend um 21 Uhr in der Halle erscheinen!"

"Wilson gegen Russo: der Showdown! Der Sieger bekommt Maya", ergänzt Michael, während er das Handy weiter auf mich hält "die Uhr tickt!". Dann holt er aus und rammt mir seinen Fuß gegen den Kopf und erneut werde ich ohnmächtig.

____

Ich fühle mich in einer endlos Schleife gefangen. Erneut weiß ich nicht, wie viel Zeit vergangen ist als ich meine Augen öffne. Ich habe höllische Kopfschmerzen und mir ist unfassbar schwindelig. Ich entdecke eine Wasserflasche in meiner Zelle.

Vorsichtig robbe ich rüber und öffne die Flasche. Ohne weiter darüber nachzudenken, ob das Wasser vergiftet sein könnte, trinke ich den ersten Schluck. Erst danach fällt mir ein, dass etwas im Wasser sein könnte.

Aber wäre das jetzt wirklich noch so schlimm? Meine Lage wirkt nicht so als würde sie in Kürze besser werden. Ich merke wie der Schwindel wieder stärker wird. Und schon schlafe ich wieder ein.

____

Das nächste Mal werde ich durch ein unruhiges Schütteln wach. Mein Kopf wippt halbwegs gleichmäßig auf und ab. Vorsichtig versuche ich meine Augen zu öffnen. Mein Kopf schmerzt nach wie vor und der Schwindel ist ebenfalls nicht weniger geworden. Alles was ich sehe, als meine Augen offen sind, ist Dunkelheit. Ist es mitten in der Nacht? Aber warum sollte meine Zelle sich bewegen? Sind das Nebenwirkungen einer Gehirnerschütterung?

Nein, es ist irgendwas über meinem Kopf. Es scheint als würden nur langsam meine Sinne zu mir zurück kehren. Es fühlt sich an, als stecke mein Kopf in einem Sack. Mein Bauch liegt auf etwas spitzem und hartem wie einer Schulter. Mein Kopf hängt nach unten, ebenso wie meine Beine. Und ich höre Schritte.

"Leg sie in den Kofferraum!", höre ich eine Stimme. Kurz darauf werde ich abgelegt und höre wie anscheinend der Kofferraumdeckel zugeschmissen wird. Ich lausche. Es öffnen und schließen sich weitere Autotüren und ich höre sehr gedämpft ein paar Stimmen. Ich weiß nicht, ob diese so gedämpft sind, weil ich im Kofferraum mit einem Sack über meinem Kopf liege, oder ob es an meiner vermutlich sehr starken Gehirnerschütterung liegt.

Ich merke wie das Auto sich in Bewegung setzt und rutsche leicht durch den Kofferraum. Ich versuche im Kopf ein wenig die Sekunden zu zählen, um herauszufinden wie lange wir fahren. Wobei das überhaupt keinen Sinn hat. Ich weiß weder wie weit die Zelle von der Stadt entfernt war, noch wie weit Damians Villa vom Möbelhaus oder meinem eigenen Haus weg ist. Dennoch gibt es mir eine minimale Sicherheit, weil es mir das Gefühl gibt, irgendwas zu wissen.

Nach meiner Rechnung kommen wir nach circa 20 Minuten an. Ich habe in meinem Kopf bis 1117 gezählt und vermute, dass ich vielleicht etwas langsamer gezählt habe, als ich gemusst hätte. Daher waren es vielleicht auch 25 Minuten.

Ich höre wie der Kofferraum geöffnet wird und werde wieder über eine Schulter geschmissen. Ich stöhne leicht auf, da das zum einen schmerzt und zum anderen bei meinem Schwindel überhaupt nicht förderlich ist. Darauf gibt es jedoch keine Reaktionen, was mich zwar irgendwie beruhigt, aber gleichzeitig auch stark irritiert und verunsichert.

Nach einem ordentlichen Marsch, der sich in meinem Kopf stark bemerkbar macht, werde ich auf einem Stuhl abgesetzt und meine Hände werden hinten an den Stuhl gebunden. Ich höre viele Stimmen, die durcheinander reden. Gleichzeitig spüre ich, dass irgendjemand nah hinter mir steht.

"Willkommen, willkommen! Wir freuen uns über das zahlreiche Erscheinen! Ich denke, alle kennen die Regeln! Ihr kämpft und der Sieger bekommt den Preis!", ertönt plötzlich eine Stimme über Lautsprecher und übertönt damit alles. Bei den letzten Worten wird mir der Sack vom Kopf gerissen. Zunächst bin ich überfordert mit der Helligkeit und muss meine Augen erneut schließen. Dann gewöhnen meine Augen sich langsam an das Licht und ich schaue mich um.

Ich befinde mich in einer gigantischen Halle, die voller Menschen ist. Ich selbst sitze ein weites Stück höher auf einer Art Balkon. Sofort schlägt meine Höhenangst zu und ich würde am liebsten aufspringen oder weiter nach hinten rutschen, doch beides ist leider nicht möglich.

'Beruhig dich, Maya', versuche ich mir selbst gut zu zureden und schaue vorsichtig durch die Menge in der Hoffnung ein bekanntes Gesicht zu sehen. Und ich werde nicht enttäuscht.

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