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Hocheol

Die Fahrt dauert nicht lange, doch der leichte Niesel, der ungefähr auf halber Strecke anfängt, entwickelt sich binnen weniger Minuten zu einem ausgewachsenen Hagelsturm. "Macht, dass ihr reinkommt, das Gepäck bringe ich mit", meint seine Mutter, als Hyunuk und ich in Windeseile aussteigen. Sie fährt das Auto in die Garage und wir eilen zur Haustür.

"Ist das wirklich okay?", frage ich besorgt, als wir drinnen die trotz der wenigen Meter kurzen Strecke patschnass gewordenen Jacken und Schuhe ausziehen.

"Ja klar. Man kommt direkt von der Garage nach drinnen. Der Weg ist nur etwas weit, weil er über den Keller führt", erklärt er und nimmt mich mit ins Badezimmer, wo er einen Fön herauskramt. Meine Kapuze rutscht oft runter, deswegen sind seine Haare trocken geblieben und meine nicht.

Er hält das Gerät wie eine Pistole und zwinkert, was mich zum Kichern bringt. Dann fragt er: "Darf ich dir behilflich sein?"

"Gerne!" Hyunuk platziert mich auf dem flauschbezogenen Klodeckel und legt los. Es ist überaus angenehm, sich von ihm die Haare föhnen zu lassen. In meiner Kindheit fand ich das furchtbar, weil der Fön immer so heiß geworden ist und mir beinah die Ohren verbrannt hat, aber Hyunuk pustet mir hier ein angenehm laues Lüftchen um den Schopf.

Einige Zeit später hört man im Flur eine Tür aufgehen, Hyunuk eilt hin und nimmt seiner Mutter die Koffer ab, die sie anschleppt. Sie ist tatsächlich trocken geblieben. Ich gehe ebenfalls helfen und stehe dann blöd rum, während er unsere Rucksäcke aus dem Auto holt.

"Komm ruhig mit in die Küche, Hocheol, die Koffer kannst du hier stehen lassen", ruft seine Mutter aus einem anderen Raum. Sie stellt einen vorbereiteten Auflauf zum Erwärmen in die Mikrowelle und ich decke derweil den Tisch, wobei sie mir sagt, wo ich alles finde. Mir kommt es beinahe vor, als wäre ich ein guter Freund, der öfter hier herkommt. Hyunuks Familie ist wirklich lieb.

"Omaaa Hyunaaaa!", schreit plötzlich jemand durchs Haus. Wenige Sekunden später platzt ein Knirps in die Küche, der auf Hyunuks Mutter zustürmt und sie begrüßt. Sobald er mich erblickt, erschrickt er und versteckt sich hinter ihr.

Hyunuk lehnt lässig im Türrahmen und lächelt. "Perfect Boyfriend Material", würde mein Kumpel bei diesem Anblick sagen. Heterofrauen würden das vielleicht auch sagen. Kann ich nicht beurteilen, bin ja keine, aber auf jeden Fall wird mir mit jedem einzelnen Blick auf Hyunuk bewusster, wie gut er aussieht.

"Minhyun, sag Hallo zu unserem Gast. Das ist Hocheol", stellt die Mutter mich vor.

"...llo Hocheol", murmelt der Zwerg schüchtern und verbeugt sich hinter ihrem Bein artig. Nettes Kind.

"Hallo Minhyun", erwidere ich und verbeuge mich ebenfalls.

"Was macht der Kleine denn hier?", fragt Hyunuk.

"Wir haben ihn heut vom Kindergarten abgeholt und dann hat er gebettelt, bei Oma und Opa übernachten zu dürfen."

"Achso."

"Oma, wann gibt es Essen?", fragt Minhyun und tätschelt ungeduldig ihr Bein. Er hat eine klare Aussprache. Bestimmt ist er bald alt genug für die Grundschule.

"In fünf Minuten", erwidert sie nach einem Blick auf die Mikrowelle.

"Okeeeeee! Komm, Hyunukie, wir gehen Opa Bescheid sagen!" Schmunzeld lässt Hyunuk sich von ihm an die Hand nehmen und in den Flur ziehen. Ich vermute, der Kleine ist sein Neffe.

Nun stehe ich wieder rum und weiß nicht, ob ich was sagen soll oder nicht. Hyunuks Mutter lächelt mich kurz an und kocht dann Wasser, wahrscheinlich für Tee. Ich gucke aus dem Fenster, gegen das energisch Hagelkörner prasseln.

Langsam bekomme ich Hunger.

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