XVI. Kapitel- Zirkustage
„Ein Zirkus?", ein leichtes Lächeln huschte über Lyannas Gesicht, Bilder aus der Kindheit erschienen vor ihrem geistigen Auge.
Erinnerungen an den Wanderzirkus, der jeden Sommer seine Aufführungen in Tonn dargeboten hatte. An die exotischen Tiere, an Menschen mit Körpern aus Glas, an Magie, die in ihren Kinderaugen so lebendig gewirkt hatte.
In diesem Moment kamen zwei Männer auf die kleine Gruppe zu. Der eine ein junger, gutaussehender Mann mit dunkelblonden Haaren, der andere zwar deutlich älter, trotzdem aber einen Kopf kleiner als Lyanna.
Tryss, der Feuerjunge begrüßte den Älteren mit einem Nicken, Lyanna glaubte darin großen Respekt zu erkennen. Als der Mann sich den Neuankömmlingen zuwandte, leuchteten seine grünen Augen so lebendig, wie die eines Kindes. Weiße Haarstoppel bedeckten seinen Kopf, Lachfalten sein Gesicht. Der Schnurrbart zitterte leicht, als sein Blick auf Schatten fiel. Mit seinem runden, freundlichen Gesicht und seiner leicht fülligen Statur wirkte der Mann, so dachte Lyanna bei sich, als sei er einem Märchenbuch entsprungen.
„Es freut mich, Gäste hier begrüßen zu dürfen", der Alte lächelte, „Wie ich sehe, habt ihr euch bereits mit Tryss, meinem Schützling bekanntgemacht. Mich könnt ihr des Übrigen Vesél nennen. Ich bin der Leiter dieses Zirkus'."
„Lyanna", stellte das Mädchen sich vor, Schatten schwieg.
Erneut musterte Vesél Lyannas Weggefährten, dieser erwiderte den Blick. Kurz starrten die beiden sich an, im Blick des jungen Mannes lag Entschlossenheit und etwas, das fast wie Wut wirkte.
„Was ist?", fragte Lyanna ihren Begleiter flüsternd, doch statt einer Antwort gab Schatten bloß ein gezischtes „Wir verschwinden bald möglichst von hier, der Weg, der vor uns liegt, ist lang." von sich.
Doch dazu kam es vorerst nicht, denn Vesél bot den Gefährten an, einige Tage mit dem Zirkus zu reisen. Das Ziel beider Gruppen lag in derselben Richtung und ein wenig Gesellschaft auf ihrer Reise und zudem Nahrung und Sicherheit konnte selbst der mürrische Weggefährte des Mädchens nicht widerstehen, auch wenn er es nur ungern zugab.
So kam es, dass die beiden Reisenden an diesem Abend zusammen mit den Mitgliedern des Zirkus' am Feuer saßen. Vesél erzählte Geschichten, eine blonde Frau mit dem Namen Mínarra die sich als Veséls Tochter herausstellte, servierte heiße Suppe. Über der Gruppe erstreckte sich der Sternenhimmel, so unendlich weit, dass man sich förmlich darin verlieren konnte. Und obwohl sie diese Menschen noch nicht lange kannte, fühlte Lyanna sich bei ihnen sicher, geborgen. Fast als wäre der Zirkus dank der herzlichen Art seiner Bewohner bereits in wenigen Stunden eine Art Zuhause für das Mädchen geworden.
Plötzlich vernahm sie ein leises Rascheln, das sicher nicht die Stimme des Feuers war. Langsam drehte Lyanna ihren Kopf, suchte mit ihrem Blick die Ginsterbüsche ab. Da erblickte sie ihn. Die schwarzen Knopfaugen funkelnd, das Haar von gleichermaßen roten und braunen Strähnen kauerte er zwischen den Zweigen. Doch dann verschwand der Junge schlagartig und ein Rotkehlchen glitt flügelschlagend durch die Luft um sich kurz darauf auf der Schulter des Feuerjungen niederzulassen. Und erneut bezeugte bloß eine Kuhle in der losen Erde, dass dort eben noch ein Mensch gekauert hatte.
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