XVI. KAPITEL- Der Stadthalter
Kerzengrade stand der Mann vor einem der gewaltigen Fenster, die Arme hinter dem Rücken verschränkt, und sah auf Tonn herab. Eine Stadt, die sich so sehr von all den anderen unterschied. Blaue Augen folgten dem Verlauf der Straßen; graue Fäden die sich wie ein Spinnennetz in einem wirren Verlauf von Gassen um die Häuser spannten und schließlich ineinander verloren.
Mit einem zufriedenen Lächeln hob der der Mann seinen Blick und betrachtete nun, wie schon tausende Male zuvor, die steilen Berge und Klippen die die Stadt wie eine natürliche Mauer umgaben. Undurchdringlich.
Schritte erklangen, hallten auf dem Mamorboden wieder und verkündeten unverkennbar die Ankunft eines Gastes. Langsam wandte sich der Mann vom Fenster ab und begrüßte seine Schwester mit offenen Armen.
„Jusitian", man merkte der jungen Frau an, dass es sie Mühe kostete mit ruhiger Stimme zu sprechen, ein aufgeregtes Funkeln in ihren Augen -ach, wie sehr erinnerten Jusitian diese meerblauen Augen an die seiner Mutter- ließ die bleiche Haut fast weiß wirken.
„Was bringst du mir für Neuigkeiten, Theodora?", sein Blick fiel auf die schwarz gewandete Gestalt, die seiner Schwester in einigem Abstand folgte, „Lass mich raten, es geht um sie?"
Der junge Stadthalter seufzte nachdenklich, als sein Gegenüber antwortete: „Du hast richtig geraten, Hoheit."
Mit einer leichten Handbewegung, nicht ohne die Worte seiner Schwester vorher noch mit einem Kopfnicken zu kommentieren, befahl Jusitian der schwarzgewandeten vorzutreten.
Diese verbeugte sich tief vor ihrem Lehensherr, wobei sie, wie es Sitte war, die Kapuze vom Kopf nahm. Ein dunkelbrauner Haarschopf kam zum Vorschein, ein schmales Gesicht, geziert von den schlammgelben Augen einer Katze.
Das Mädchen sprach langsam, in seiner Stimme schwang eine Reife und Entschlossenheit mit, die einer 18-jährigen kaum zuzutrauen wäre.
„Ich habe sie gesehen. Gestern war es, am frühen Vormittag auf dem Marktplatz Kjells. Sie war allein."
Das Hochgefühl des Triumphs, das Jusitian empfand, wich schnell der Wut. Es kostete ihn Mühe, sich zu beherrschen: „Du hattest die Möglichkeit, sie zu fassen und hast sie doch einfach ziehen lassen? Wir waren unserem Ziel näher denn je. Und deinem ebenso."
Die Augen des Mädchens blitzten: „Ich sagte bereits, dass sie ALLEIN war. Und sie ist es nicht, die ich begehre. Das wisst ihr. Ihr hattet mehrfach die Chance, sie zu kriegen, sie saß gar in euren Kerkern bis ihr sie entkommen liest, doch euren Teil der Abmachung habt ihr bisher in keiner Weise erfüllt. Ihr wisst was ich für meine Dienste verlange."
Jusitian war gewollt, auszuholen und das Mädchen vor ihm zu schlagen, sie für ihren Fehler auf die Weise zu strafen, auf die es sein Vater getan hätte, doch Theodora hielt ihn zurück. Ihre Hand lag auf seiner Schulter, ihr Blick war ernst und aufrichtig. Er wusste, dass sie ihn verstand.
„Sie wird uns nicht entkommen, Bruder. Wir kennen nun ihren letzten Standort, es wird ein leichtes sein, sie zu finden. Und dann werden wir sie ihrer gerechten Strafe zuführen. Sie wird, wie es das Gesetz verlangt, für die Fehler ihres Vaters und die unserer Mutter bezahlen."
Mit einem zuversichtlichen Lächeln blickte nun Theodora aus dem Fenster, hinab auf die mächtige Stadt.
Ja, sie würden sie finden. Sie, die der Familie der Geschwister so viel Leid zugefügt hatte. Sie, die unrechtmäßig den Namen ihrer Mutter trug. Sie, der Grund weshalb eine Adlige den Namen eines Töpfers trug.
Lyanna.
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