VII. Kapitel- Von Blut und Schmerz

Lyanna bemerkte Schattens Anspannung, die wie ein gespanntes Gummiband in der Luft lag- Kurz vor dem Reißen. Die Hand des jungen Mannes lag auf dem Knauf seines Schwertes, ständig auf der Hut vor Wachmännern oder anderen Menschen. Wenn sie entdeckt würden, wäre das wohl das Ende ihrer Flucht.
Lyanna ahmte jede von Schattens Bewegungen so gut es ihr möglich war nach. Jeden Schritt führte sie sorgsam und vorsichtig, verborgen in dem Schatten der Mauern.
Die beiden Gefährten befanden sich in einem Hinterhof, der direkt an die Schlossmauer grenzte. Die Pracht der Hauptgebäude und Parks konnte man hier nur erahnen. Zwar bestanden die Gebäude aus Stein, doch ähnelten sie eher Schuppen oder Ställen als Bestandteilen eines Schlosses.

Schattens Plan klang einfach: An Kleidung der Dienerschaft gelangen und dann, verkleidet, das Tor zu passieren. Doch da gab es einige Probleme, die es zu bewältigen hieß. Das erste dieser Probleme war der schmächtigeWachmann, der gerade hinter der Ecke eines Gebäudes hervorkam und fast gegen Lyanna gestolpert wäre.

Es dauerte einige Sekunden bis er begriff, dass das Mädchen und der junge Mann ihm gegenüber nicht zu dem Personal gehörten. Dann zog er mit grimmiger Miene das Schwert. Schatten war schneller. Von einem tödlichen Hieb getroffen sackte der Wachmann in sich zusammen. Ein letzter, schmerzerfüllter Schrei zuckte über seine Lippen ehe er starb. Lyanna sah mit offenem Mund dabei zu.

„Man wird ihn sicher gehört haben", Schattens ruhige Stimme löste Lyanna aus ihrer Starre, „Sie werden gleich da sein." Das Herz des Mädchens schien ihre Brust zu sprengen, als ihr der Sinn dieser Worte bewusst wurde.
Und schon kamen sie. Vier, nein fünf uniformierte Gestalten, angeführt von einer Frau mit fettigem graubraunem Haar. Ein kurzer Blick auf den Toten Wachmann und ein einziges „Ergreift sie" reichte und die Soldaten stürmten mit erhobenem Waffen auf die beiden Gefährten zu.

Schatten neben Lyanna stach zu, wehrte ab und verwickelte zwei der Gegner in einen tödlichen Tanz aus Klingen und Blut. Der dritte und der vierte allerdings, kamen auf Lyanna zu.
Metall surrte durch die Luft und ein pochender Schmerz in Lyannas linken Arm raubte ihr beinahe den Atem. Warmes Blut schoss aus der Wunde und tränkte ihr Kleid. Schmerzerfüllt taumelte sie beiseite und griff nach dem nächstbesten Gegenstand. Das Schwert des toten Soldaten. Das ungewohnte Gewicht ließ das Mädchen stolpern und so haarscharf einem weiteren Schlag ihrer Gegner entgehen.
Schweiß und Tränen vernebelten Lyannas Sicht und doch gelang es ihr, die schwere Waffe ungeschickt zu schwingen. Die Klinge schlug tief in das Bein einem der verdutzten Soldaten. Eine schneller Hieb des Anderen gelang ihr ungelenk zu blocken, ehe sie von etwas Schwerem getroffen wurde und zu Boden sank. Ein Zittern durchfuhr  Lyanna, dann flackerte ihre Sicht.

Verschwommen sah Lyanna Schattens Gestalt, der mit unglaublicher Geschicklichkeit einen der Angreifer ausschaltete, dann einen zweiten. Den dritten trat er zu Boden, dem vierten grub er seine Klinge in die Brust.
Doch eine hatte Schatten übersehen. Mit einem schrecklichen Schrei schwang die Anführerin der Truppe ihren Speer. Wie in Trance schlossen sich Lyannas Hände fester um den Knauf der Waffe in ihrer Hand. Mit letzter Kraft bäumte sie sich auf und schlug blind zu. Die Frau fiel getroffen zu Boden und Lyannas Sicht wurde endgültig schwarz.

Als sie erwachte, saß Schatten neben ihr. Sein Wams war von Schweiß und Blut getränkt und eine Wunde klaffte an seiner Seite. Die Leichen der Soldaten hatte er beseitigt. „Wir müssen weiter, sonst kommen noch mehr", waren deine seine einzigen Worte, bevor er Lyanna unsanft aber vorsichtig auf die Beine zog. Ihr Arm pochte und die alte Wunde an ihrem Bein war wieder aufgerissen. Zwischen den zusammengebissenen Zähnen sog sie scharf Luft ein.

Schatten stützte sie als die Gefährten schweigend ihren Weg fortsetzten.
Beide in dem ungesagten Wissen, dass dies nicht der letzte Kampf, nicht der letzte Schmerz vor der Freiheit war. Tief in seinem Inneren wünschte er sich, gescheitert zu sein, bevor er Lyannas Leben zu seinem an einen seidenen Faden gehangen hatte. Ein Faden, dessen Ende in der Hand eines schlafenden Königs und eines verlorenen Prinzen lag. Ein Faden der reißen würde, wenn er das Spiel gegen den Drachen verlor.

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