IX. Kapitel- Die Prinzessin der Sterne

Ihre goldenen Kulleraugen waren auf die fernen Lichter der silbernen Sterne gerichtet, die den Nachthimmel säten, das schwarze Haar zerzaust. Zwar hielten die dicken Mauern des Turmes ihren Körper gefangen doch der Geist des kleinen Mädchens, da war Cendra sich sicher, war frei. Ihre Gedanken waren sicher bei jenen silbernen Himmelsgestirnen oder bei den Tieren der Nacht.
Die Fantasie der kleinen Wren war schon immer lebhaft gewesen, selbst in all den Tagen in denen Cendra nichts als Geschichten hatte um den Magen des Kindes zu füllen. Dann hatten die beiden sich vorgestellt, sie säßen in den prunkvollen Hallen des silbernen Königs bei einem großen Gelage. Und Cendra hatte erzählt. Von fernen Ländern, von Helden und Königen, von zauberhaften Mädchen, kleinen grünen Wichteln und anmutigen Elfen die im Mondlicht tanzten. Wren hatte ihren Geschichten gelauscht. Sie hatte einfach nur still dagesessen und gelauscht. Den Mund halb geöffnet versank sie in den Erzählungen und das war alles was sie brauchte um satt und glücklich zu sein. Ihre eigene Freiheit, ihre eigene Welt.

,Meine kleine Prinzessin', so nannte Cendra das Mädchen immer. Und obwohl Wren nicht ihre Tochter war, war Cendra mit der Zeit ihre Mutter geworden.
In all den kalten Nächten und finsteren Tagen.
Die Prinzessin der Sterne, so hatte Wren sich selbst betitelt. Nach einer Figur aus der Geschichte eines Barden. Ein kleines Mädchen mit nachtschwarzem Haar und goldenen Augen.
Wren wusste zu diesem Zeitpunkt noch nicht um die Macht der Magie und der Wörter und die Wahrheit in Märchen und Sagen.

Eines gab es, was Cendra nie erzählt hatte: Wieso das kleine Mädchen seine Kindheit eingesperrt in einem einsamen Turm weit weg von den Dörfern und Städten der Menschen verbringen musste. Und Wren hatte nie nachgefragt. Ihr reichte dieses Leben obwohl das Essen, das hin und wieder auf dem Fensterbrett lag, nicht selten knapp wurde und die Stürme und Gewitter schlaflose Nächte bescherten.
Sie war glücklich ohne zu wissen dass ihr Leben eine Lüge war und ihr Vater ein König. Aber Cendra wusste es. Und sie wünschte sich von Tag zu Tag sehnlicher dieses Schicksal von dem Kind in ihren Armen nehmen zu können.

Und irgendwann würde der Tag des Abschieds nahen. Wenn das kleine Mädchen zu einer jungen Frau werden würde. Dann wäre Cendras Aufgabe erfüllt, ihre Pflicht beendet und einem unschuldige Mädchen das Schicksal in die Hand gelegt. Und sie konnte nichts dagegen tun.
Nur abwarten und wahre Märchen erzählen, die rettenden Worte in Teppiche aus Fantasien und Lügen verweben.

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