Chancen {3}
Da bin ich wieder. :) Heute mal ein extra langes Kapitel. :D
Feedback ist erwünscht. :DD :**
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Die Schuldgefühle und Gedanken penetrieren ihn stetig und um dem entgegen zu wirken, nimmt Luther nicht einmal in der folgenden Stunde die Hände von seinen Schläfen. Müde schaut er zur Tafel, an der irgendetwas über Wirtschaft steht. Über Politik oder doch vielleicht Terrorismus? Na egal, denn Luthers Stimme im Kopf faucht ihn sowieso ohne Unterbrechung an und sorgt dafür, dass er nicht aufpassen kann.
„Ist alles in Ordnung? Die Party war doch Samstag. Hast du immer noch Kopfschmerzen? Du hast doch gar nicht so viel getrunken“, flüstert Arina ihm von der Seite aus zu.
„Nein, ich... es ist nur... egal, lassen wir das, okay?“, grummelt Luther überfordert und lässt seine Finger an den Schläfen entlang gleiten. Mal übt er mehr, dann mal wieder weniger Druck aus, doch nichts hilft. Die Kopfschmerzen sind von emotionalem Stress verursacht und werden erst nach einem langen Nickerchen, einer guten Ablenkung oder auch erst wenn alles vorbei ist, weg gehen. Doch Luther bezweifelt, dass es jemals weg gehen wird.
„Hast du dich mit meinem Bruder gestritten? Ich kann mich aber nicht daran erinnern, dass er was gesagt hat...“
„Nein, das hat überhaupt nichts mit Daniel zu tun!“, nuschelt Luther genervt. Schon die zweite Person, die vermutet, es wäre etwas mit Daniel.
Mit Daniel läuft alles klasse.“ Doch das ist ja gerade das Problem. Er hat Daniel nicht verdient und dieser Gedanke brennt sich durch sein Gehirn und hinterlässt einen stechenden Schmerz.
Endlich ist die Stunde um und Luther rafft sich unter ächzendem Jammern aus seinem Stuhl. Arina runzelt die Stirn. Luther ist sehr komisch heute. Wirklich sehr komisch...
Draußen auf dem Gang ist es wieder voll und so schnell er kann, geht Luther im Eilschritt zu Daniels Spind und lehnt sich gegen die kühlen Schränke. Gleich müsste er hier sein, denkt er sich vorfreudig. Für einen kurzen Moment denkt er weder an die Schuldgefühle noch daran, dass er Daniel nicht verdient hat und sich nie verdienen wird.
„Ja... Nein... Hör auf damit, das ist nur ein Gerücht... Doch, glaub mir endlich! Wieso telefonierst du überhaupt mit mir? Aha, weil ich nie Ruhe von dir haben soll? Ja, ich hab andere Leute die mich nerven können, wenn du krank bist, Clara... Leg dich ins Bett... Dann schlaf... Nein, du rufst jetzt nicht Annie an, die hat nämlich auch Schule. Ich leg jetzt auf, Nervensäge, bis dann.“ Daniel nimmt das Handy vom Ohr, schüttelt den Kopf und steckt das mobile Ding in seine Hosentasche, dann widmet er sich seinem Spind. Nicht aber, bevor er Luther ein leichtes Lächeln schenkt.
Für Daniels Verhältnisse ist das viel.
„Eins, zwei, drei, vier“, grinst Luther und Daniel rollt mit den Augen.
„Das weiß ich, Schlaumeier.“
„Ja, das ist schön... Aber der Schlaumeier würde sich über eine etwas herzlichere Begrüßung freuen. Die anderen hier erwarten das quasi. Mich haben schon sehr viele gefragt, ob es zwischen uns kriselt.“ Luther fühlt sich fies. Er weiß ganz genau, dass es Daniel nicht so hat mit dem Zuneigung zueinander in der Öffentlichkeit zeigen Ding und Luther hat ihm schon mehrere Male versichert, dass das vollkommen in Ordnung ist.
Aber heute spricht das schlechte Gewissen aus ihm, der Schlafmangel, der Stress und die daraus resultierenden Kopfschmerzen.
Daniel zuckt nach seinem Kommentar leicht zusammen und Luther bereut es sofort, so einen Mist früh am Morgen zu sagen.
„Es tut mir leid... ich... es tut mir wirklich leid, Daniel“, versucht er es wenigstens ein bisschen besser zu machen. Er bewegt sich nicht von der Stelle, weil er nicht weiß, ob Daniel gerade mit der Nähe klarkommt. Es ist erst drei Wochen her, dass sie das erste Mal Händchen haltend durch den Schulflur gegangen sind und danach ist Daniel vor lauter Scham zusammen gebrochen. „Alle haben uns angesehen! Alle! Hast du gesehen, wie manche die Stirn gerunzelt haben und... Ich kann das nicht. Ich werde das nie können. Ich komm damit nicht klar“, hatte Daniel auf der Jungs-Toilette geschluchzt. Und damit hatte er eher die Aufmerksamkeit, die so zweispaltig auf ihn ein prasselte als darauf, dass er die Hand eines Jungen hielt und keines Mädchens, gemeint.
Daniel schämt sich nicht für Luther, nicht dafür schwul zu sein. Es war eher die Aufmerksamkeit gewesen, die ihm zu schaffen gemacht hatte.
„Nein, ist verständlich“, flüstert Daniel als Antwort kaum hörbar. Luther sieht, wie er tief Luft holt, kurz nach oben an die Decke des Schulflurs sieht und danach in Luthers Arme rauscht und ihn so fest drückt, wie er kann.
„Mir sollte es eher leid tun. Du musst ja denken, dass ich mich für dich schäme“, nuschelt Daniel bedrückt in Luthers Jacke und lässt ihn für eine gefühlte Ewigkeit nicht los.
Luther ist erst einmal perplex. Mit so einer Reaktion hat er nicht gerechnet. Aber allgemein schafft Daniel es oft, ihn zu überraschen.
„O mein Gott, ist das süß! Ich denke, ich sterbe gleich an Diabetes!“, kichert Annie irgendwo im Hintergrund.
„Lass sie lieber in Ruhe. Wir wollen unser Reh nicht verschrecken, oder?“ Daniel hört das Schmunzeln in der Stimme seiner Schwester.
„Aber du wolltest doch...“
„Psst!“, warnt Arina sie und beäugt weiterhin lächelnd ihren kleinen Bruder in den Armen seines Freundes. Doch während Daniel den Frieden auf Erden gefunden zu haben scheint, sieht Luther nicht einmal halb so glücklich aus. Er schaut nach unten in seine Arme zu Daniel und runzelt nachdenklich die Stirn.
Langsam löst sich Daniel von Luther und zuckt fast zusammen, als da plötzlich seine Schwester und seine beste Freundin hinter ihm stehen und ihn beide angrinsen.
Luther liebt das an Daniel. Dass er sich einfach manchmal in Momenten verlieren kann und alles um sich vergisst. Sei es ein guter Film, eine Lektüre, eine Umarmung oder nur so eine Kleinigkeit, wie sein Spind-Code, der einfacher nicht sein könnte.
„Ihr habt mich erschreckt“, stellt Daniel fest.
Arina zuckt mit den Schultern. „Das ist nicht schwer, Schätzchen.“
Annie ist immer noch nicht in der Lage, richtige Sätze zu formen und hat ihre Hände an ihren Wangen während sie grinst und Daniel fast schon verliebt an lächelt.
„Das... das hast du noch nie gemacht! Daniel, das war so süß!“, meint Annie und hüpft kurz auf.
Daniel runzelt die Stirn. „Was hab ich noch nie gemacht?“
Annie rollt ihre Augen. „Luther umarmt.“
„Doch, das hab ich doch schon...“
„Nicht hier, Schwachkopf. Nimm einfach meine Reaktion auf, lächle drüber und lass mich kurz eine SMS an Clara verfassen.“ Annie lacht entzückt auf, holt ihr Handy aus der Tasche und tippt los.
Daniel blickt zurück zu Luther, welcher verzweifelt mit den Schultern zuckt.
„Daniel?“, fragt Arina. Daniel scheint abgelenkt zu sein, guckt sie nicht einmal an.
„Ich wollte dir was erzählen.“
Ihr kleiner Bruder dreht sich zu ihr. Währenddessen schlurft Luther in Daniels Richtung und legt eine Hand von hinten auf seine Schulter. Er muss Daniel nah sein, auch hier. Gerade hier. Es ist so schwer, er schluckt, doch versucht seine Emotionen vor Arina und Daniel zu verstecken. Ist ja nicht gerade so, dass er ihnen von der ganzen Sache erzählen kann, nicht wahr?
„Was denn?“
„Ich habe...“ Arina lacht verzweifelt und freudig zugleich. „Ich habe ein Date mit Jonathan Carter, glaube ich.“ Sie fährt sich einmal verlegen durch die Haare und grinst Daniel an.
„Wirklich? Bist du nicht schon seit der dritten in ihn verliebt?“ Daniels Augen leuchten.
Arina nickt. „Ja... er hat mich gerade eben gefragt. Nach der Stunde. Er hat mich gefragt, ob wir diesen Freitag ausgehen.“ Sie schaut nach unten, ihre Wangen werden rot.
Daniel dreht sich zu Luther um und grinst ihn we ein Honigkuchenpferd an. „Seit der dritten. Neun Jahre ist sie in ihn verliebt. Kannst du dir das vorstellen?“
Luther lächelt zurück. Halbherzig und erst recht nicht bei der Sache.
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